Ist die Wall Street noch zu retten?: die Folgen der amerikanischen Immobilienkrise für den Wirtschaftsstandort New York City
In: Diplomarbeit
Inhaltsangabe: Einleitung: Ein Ereignis zu benennen, welches in den Jahren 2007 und 2008 beinahe die gesamte Aufmerksamkeit aller weltweiten Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Bevölkerung in Anspruch nahm, fällt nicht schwer. Es handelt sich um die amerikanische Immobilienkrise und ihre Folgeerscheinungen. Selten zuvor wurde eine einzelne Angelegenheit zum Objekt der gesamten öffentlichen Aufmerksamkeit. Diese Nachrichtenaktualität zeigt, dass die Krise jeden betrifft, auch wenn sie originär in den USA ihren Ursprung hatte. Durch Finanzmanipulationen konnten sich die Auswirkungen weltweit verbreiten und sind daher auch weltweit spürbar. Selbst kleine Gemeinden in Deutschland berichten aufgrund von Investitionen in amerikanische Immobilienfonds von Wertberichtigungen in ihren Haushaltsbilanzen. Gerade weil die Krise allgegenwärtig scheint, haben viele Menschen weltweit ein Interesse an Hintergrundinformationen über dieses Ereignis. Dafür ist für viele Menschen der Zusammenhang zwischen Immobilienkrise und den nun spürbaren Ereignissen auf dem Finanzmarkt und der Weltwirtschaft nicht offensichtlich. Das erste Ziel dieser Arbeit ist es daher aufzuzeigen, wie sich ein nationaler Immobilienboom in eine nationale Immobilienkrise verwandelt konnte, um dann in Form einer globalen Finanzkrise den gesamten Globus zu erschüttern. Im globalen Finanzsystem, welches bisher von der Krise am stärksten erschüttert wurde, spielt die Stadt New York eine wichtige Rolle. Denkt man an New York City, so hat man automatisch die Hochhäuser der Banken, die Wall Street und den Aktienhandel vor Augen. Doch spätestens durch den Zusammenbruch der Aktienkurse im Jahr 2001 ist der weltweite Einfluss des Finanzplatzes New York City auch in negativer Weise bekannt. Schon damals zweifelte man daran, dass sich die Stadt New York vom Aktiencrash und den anschließenden Terroranschlägen des 11. September 2001 wieder erholen würde. Allen Kritikern zum Trotze, gelang es jedoch der Stadt stärker als jemals zuvor aus der Krise hervorzugehen. So schreibt John Strausbaugh von der New York Times über die Stadt New York: 'Geographically and historically, New York City begins in the small space below Wall Street. And when disaster strikes the area, as it has often done, it can seem as if the city will end there too. But if the nearly four centuries of history there tell anything, it's a story of survival. As it grew from the tiny Dutch outpost of New Amsterdam to today's forest of skyscrapers, Lower Manhattan outlived military occupation, enormous fires, terrorist massacres and a long string of stock-market crises'. Durch die Immobilien- und Finanzkrise ist New York City nun erneut in Gefahr. Mit der Krise kamen wieder viele Fragezeichen auf, inwieweit und ob überhaupt sich New York nach diesem neuerlichen Schicksalsschlag wieder erholen kann, oder ob nach dieser Krise Strausbaughs 'Story of Survival' für New York endgültig zu Ende gehen wird. Auch dieser Aspekt wird in der vorliegenden Arbeit konsequenterweise beleuchtet. Gang der Untersuchung: Im Grundsatz ist die Arbeit so aufgebaut, dass sie von der Breite des Themas auf den Punkt der Aufgabenstellung hinführt. Bereits der Titel lässt erkennen, dass sich die Arbeit mit drei grundsätzlichen Aspekten beschäftigt: Der erste Aspekt handelt von der Immobilienkrise und deren Ausdehnung zur Finanzkrise. Der zweite Gesichtspunkt beschreibt hingegen die Entstehung und die Vorherrschaft des Wirtschaftsstandortes New York City mit der Wall Street als globalem Finanzzentrum. Im dritten Aspekt werden nun die ersten beiden Punkte zusammengeführt und es wird die Korrelation der Variabeln Immobilien- und Finanzkrise auf der einen Seite und dem Weltfinanzzentrum New York City auf der anderen Seite analysiert. Dieser Punkt betrachtet die Folgen der Krise für den Wirtschaftsstandort New York und ist damit, wie der Titel schon verrät, der Hauptbestandteil der Arbeit. Der Aufbau ist zudem so strukturiert, dass er anhand zweier Entwicklungslinien aufgezeigt werden kann. Zum einen gibt es den Aufbau nach geographischem Gesichtspunkt in Form einer umgekehrten Pyramide (Abbildung 1.1). Dazu wird konsequenterweise das Spektrum von der amerikanischen Immobilienkrise auf die Folgen für eine einzige amerikanische Metropole, nämlich den Wirtschaftsstandort New York, verengt. Zusätzlich beinhaltet diese Vorgehensweise auch einen chronologischen Ablauf. Dem Ausbruch der Immobilienkrise in den Jahren 2006 und 2007, folgt der Ausbruch einer Finanzkrise im Jahr 2008. Im Rahmen der Arbeit werden zusätzlich im Kapitel 4 zum einen kurz- und mittelfristige Entwicklungen für die Jahre 2009 bis 2012, sowohl im Kapitel 5 langfristige Szenarien bis 2020 aufgezeigt. Daraus ergibt sich der folgende Aufbau: Nachdem im ersten Kapitel das Ziel und der Aufbau der Diplomarbeit aufgezeigt werden, richtet sich das Augenmerk im zweiten Kapitel auf die Entstehung und die Ursachen der amerikanischen Immobilienkrise. Als wichtigen Hintergrund wird zusätzlich die Ausdehnung zur Finanzkrise erläutert. Dabei spielen die Methoden der Geldbeschaffung und somit der Gestaltung von Subprime-Krediten eine wichtige Rolle. Im dritten Kapitel wird auf die Bedeutung der Wall Street für New York City und damit auf den Finanzsektor als Motor für die New Yorker Wirtschaft eingegangen. Mit dem Aufstieg der Wall Street hat sich auch New York City zum globalen Finanzzentrum herausbilden können. Diese Entwicklung rechtfertigt erst den Blick auf den Zusammenhang zwischen Immobilien- und Finanzkrise und der Finanzmetropole New York. Den Kern der Arbeit bildet das Kapitel vier, welches die Auswirkungen der Immobilien- und Finanzkrise auf den Wirtschaftsstandort New York City beschreibt. Durch den Totalzusammenbruch der Investmentbranche, zeigen sich unmittelbar negative Einflüsse, deren Talsohle erst 2010 durchschritten sein wird. Der Blick in die Jahre 2016 bis 2020 wird im Kapitel fünf beschrieben. In diesem Kapitel wurden drei Szenarien erarbeitet, die jeweils das zukünftige Wirtschaftsleben in New York aufzeigen. Eines dieser Szenarien wird am Ende als wahrscheinlich hervorgehoben.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung1 1.1Ziel der Arbeit1 1.2Aufbau der Arbeit2 2.Die amerikanische Immobilienkrise und deren Ausdehnung zu einer weltweiten Finanzkrise5 2.1Die Voraussetzungen für die Immobilienkrise5 2.1.1Die Zinspolitik der amerikanischen Zentralbank als Basis für einen Immobilienboom 5 2.1.2Subprime-Kredite führen zur Entstehung einer Hypothekenblase7 2.1.3Fallende Immobilienpreise11 2.2Wie aus der Immobilienkrise eine Finanzkrise werden konnte14 2.2.1Definitionen und modelltheoretische Überlegungen14 2.2.2Die Verbriefung von Hypothekenkrediten und der Handel an der Wall Street18 2.2.3Die Krise nimmt ihren Lauf25 2.2.4Ausdehnung zur weltweiten Finanzkrise31 3.Die Bedeutung der Wall Street für New York City37 3.1New Yorks Aufstieg zur Wirtschaftsmetropole37 3.2Der Finanzsektor als Motor für die New Yorker Wirtschaft41 3.2.1Die Wall Street als Finanzsektor: Begriffserklärung und Definition41 3.2.2Die Anfänge der Wall Street als Finanz- und Handelsplatz43 3.2.3Der Aufstieg zum Weltfinanzzentrum46 3.3Die Indikatoren der Weltfinanzhauptstadt New York50 3.3.1Die New Yorker Aktienbörsen51 3.3.2Angesiedelte Unternehmen und das New Yorker Gross City Product54 3.3.3Löhne und Beschäftigung in New York City57 3.3.4Central Business Districts, Bürofläche und Mieten in Manhattan59 4.Die Auswirkungen der Immobilien- und Finanzkrise auf den Wirtschaftsstandort New York62 4.1Negativeinflüsse der Finanzkrise63 4.1.1Kursverfall und andere Abwertungen an der Wall Street63 4.1.2Das Ende der Investmentbanken und der Absturz der New Yorker Firmen im Finanzsektor67 4.1.3Massenentlassungen an der Wall Street77 4.1.4Wall Street Bonuszahlungen und Konsum82 4.1.5Auswirkungen auf den Immobilienmarkt in New York City84 4.1.6Steuerausfälle für den New Yorker Haushalt91 4.2Die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung von New York City95 4.2.1Der CEI-Index der New Yorker Notenbank95 4.2.2Der modifizierte CEI-Index und die aktuellen Wirtschaftsdaten96 4.2.3Mittelfristiger Ausblick der New Yorker Wirtschaftsentwicklung98 5.Wie ein globales Ungleichgewicht die langfristige Zukunft New Yorks beeinflusst100 5.1Die Rolle der globalen Ungleichgewichte100 5.2Die drei Zukunftsszenarien104 5.2.1Das globale 'Snail Szenario'105 5.2.2Das amerikanische 'Bear-Szenario'107 5.2.3Das New Yorker 'Bull-Szenario'109 5.3Vergleich der Szenarios111 6.Schlussbetrachtung112 Literaturverzeichnis114 Anhang135 Danksagung143Textprobe:Textprobe: Kapitel 4.1.2, Das Ende der Investmentbanken und der Absturz der New Yorker Firmen im Finanzsektor: 'The fiscal challenges facing New York City in the coming years have deepened with every month that the paralysis facing the nation's credit markets continues. Waves of negative economic developments during the City's 2008 fiscal year — including the near-collapse of Bear Steams — swelled into a tsunami in September 2008 as spasms of financial anxiety brought down Lehman Brothers, forced AIG into a federal bailout, caused Merrill Lynch to merge with Bank of America, and led Goldman Sachs and Morgan Stanley to reorganize as bank holding companies.', William C. Thompson, 2008. Wie im Kapitel 3.3 aufgezeigt wurde, befanden sich vor dem Eintritt der Krise die Zentralen der fünf größten Investmentbanken der Welt in New York City. Dabei sind reine lnvestmentbanken eine angelsächsische Spezialität. Sie nehmen in der Regel keine Einlagen der Privatkundschaft entgegen und vergeben weniger Kredite an Unternehmen, sondern konzentrieren sich auf das Wertpapiergeschäft. Durch die Finanzkrise waren im Frühherbst 2008 jedoch nur noch zwei Investmentbanken übrig geblieben. Dabei sagte der frühere Notenbankchef Alan Greenspan im Jahr 2006 noch: 'Not only have individual financial institutions become less vulnerable to shocks from underlying risk factors, but also the financial system as a whole has become more resilient' (zitiert bei Goodman 2008). Damit sollte er jedoch Unrecht behalten. Im Folgenden werden die Entwicklungen der großen New Yorker Banken während der Krise im Einzelnen beschrieben. Bear Stearns: Die kleinste der New Yorker lnvestmentbanken war Bear Stearns. Sie wurde bereits am 17. März 2008 von J.P. Morgan Chase für nur zwei Dollar pro Aktie mit einem Kredit der Notenbank übernommen. Während des vorangegangenen Wochenendes, hatte Bear Stearns 93 Prozent seines Unternehmenswertes an der Börse eingebüßt. Anfang 2007 war die Aktie noch 171 Dollar wert gewesen. Im Laufe des Jahres 2008 kam dann Bear Stearns gleich dreimal in Schwierigkeiten. Bereits am 13. März 2008 waren mit 18 Milliarden Dollar die Kreditreserven der Bank plötzlich vollständig aufgebraucht. Ein Konkursantrag war damals schon in Vorbereitung. Doch in letzter Minute eilte die Großbank J.P. Morgan Chase zu Hilfe. Diese Rettung war aber nur durch Unterstützung der Notenbank möglich, die 29 Milliarden an Einlagen der insolventen Bank garantierte. Diese Intervention wurde damals als Wendepunkt der Finanzkrise angesehen. Allerdings sollte sich in der Woche vom 8. bis zum 14. September 2008 (Anhang 3) die Finanzkrise und damit die wirtschaftliche Lage in New York weiter zuspitzen. Lehman Brothers Nachdem der Vorstandsvorsitzende der New Yorker lnvestmentbank Lehman Brothers (Lehman) am 11 September die Quartalszahlen des Unternehmens und die daraus resultierenden Abschreibungsbeträge verkündete, stürzte der Aktienkurs noch am selben Tag um 46 Prozent ab. Dadurch waren im Verlauf der Krise die Gesamtverluste auf 90 Prozent des Unternehmenswertes bzw. 40 Milliarden Dollar angestiegen. Zusätzlich hatte Lehman rund 600 Milliarden Schulden in den Büchern zu verzeichnen. Das Unternehmen war schlichtweg zahlungsunfähig. Der Aktienkurs stürzte von 47,52 Dollar auf 0,03 Dollar ab. Zwar meldete die britische Bank Barclays zunächst Kaufinteresse an Lehman an, die amerikanische Notenbank verweigerte jedoch überraschend die von den Briten geforderte Beteiligung oder Garantie. Daher meldete Lehman Brothers am 15. September 2008 die Insolvenz an. Dieses Ereignis bedeutete das Ende einer der ältesten und traditionsreichsten Investmentbanken an der Wall Street. Lehmans Wurzeln gehen zurück auf 1850. Während der 158 Jahren dazwischen hatten sich bei der Bank ungefähr 25.000 Arbeitnehmer angesammelt (Anderson, White 2008: Al). Das Problem, das letztendlich zum Konkurs von Lehman führte, war bei allen lnvestmentbanken ähnlich. Die Kapitalausstattung im Verhältnis zu den Risiken, die sie vor allem durch das lnvestment in Wertpapiere aus ABS oder CDS stark erhöhten, war viel zu gering. Beinahe das gesamte Vermögen wurde in Form zweifelhafter Wertpapiere gehalten, für die es zu diesem Zeitpunkt schon über ein Jahr lang keine liquiden Mittel mehr gab. Diese Papiere waren wertlos geworden und mussten verlustbringend abgeschrieben werden. Als darin Anfang September die Rating-Agenturen ankündigten, dass die Kreditwürdigkeit des Unternehmens herabgestuft werden sollte, wurde die Verkaufspanik weiter verstärkt. Die ohnehin schon unsicheren Investoren zogen die letzten liquiden Einlagen aus der Bank.