Die Schwächen des "deutschen Kapitalismus"
In: Gibt es einen deutschen Kapitalismus?: Tradition und globale Perspektiven der sozialen Marktwirtschaft, S. 200-214
Im Kern zeichnet sich der deutsche Kapitalismus durch Institutionen aus, die die sozialen Beziehungen zwischen Arbeitnehmern, Managern und Anteilseignern in einer Weise koordinieren, dass sie Marktmechanismen stabilisieren und Austauschbeziehungen auf eine langfristige Grundlage stellen: Die Kooperation im Betrieb - vermittelt durch die betriebliche Sozialpartnerschaft, ein vergleichsweise rigides Kündigungsschutzrecht und überbetriebliche Tarifverträge - erlaubt und erzwingt eine langfristige Personalpolitik. Die einzelnen Bestandteile des deutschen Kapitalismus stützen sich dabei gegenseitig: die berufliche Bildung hängt von dem Tarifsystem ab, das wiederum nur im Zusammenspiel mit der betrieblichen Sozialpartnerschaft funktionieren kann. Nach diesen "Stärken" des "deutschen Kapitalismus" analysiert der Beitrag einige der daraus resultierenden "Schwächen": Moderne und heterogene Gesellschaften stellen hohe Anforderungen an die Integrationsfähigkeit ihrer Massenorganisationen. Während dies in der Politik zur Neugründung von Parteien und zu einer zunehmenden Ausdifferenzierung des Parteiensystems geführt hat, ist dieser Weg in der korporatistischen Welt der Verbände bislang verbaut. Alternative Gewerkschaften zum Machtapparat der IG Metall wird es auch auf absehbare Zeit nicht geben. Viele Arbeitnehmer, die sich in dieser Art von Interessenvertretung nicht wiederfinden, werden daher nicht mehr Gewerkschaftsmitglied. Die deutsche Sozialpartnerschaft kann jedoch nur eine begrenzte Zeit überleben, wenn ihr die Unterstützung der Interessenverbände verloren geht. Ohne eine Erneuerung der Verbände gibt es daher keine Zukunft für den deutschen Kapitalismus, unabhängig von den Herausforderungen durch Massenarbeitslosigkeit und Globalisierung. (ICA2)