Was bedeutet uns »das Bauhaus« heute - im Nachspann der Postmoderne unter den Bedingungen von Globalisierung, weltweitem Daten- und Kapitalaustausch, medialer Vernetzung, Umkodierung von Nationalgrenzen, Weltmigration und ebensolchen planetarischen Entwicklungen, die sich in der Gründungszeit der modernen Weltbaubewegung gerade erst abzuzeichnen begannen?Der Band inszeniert »das Bauhaus« als eine Doppelfigur, die der Immobilie, dem Haus, der Bleibe und dem Bauen ebenso verpflichtet ist wie der Mobilität, dem Reisen, dem Exil und der Heimatlosigkeit, wofür die Figur eines Schiffes namens »Bauhaus« steht.
Text zur Semiotik und zur Wirkung der Grenzen auf Künstler und Aktivisten; im Vordergrund steht die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Rezension: Gutzmer ist gelernter Journalist, arbeitet jetzt u.a. als Professor für Medien und Kommunikation in Berlin und als Editorial Director bei Callwey, und kann wohl am ehesten als Kulturwissenschaftler begriffen werden. Er hat bereits zu so unterschiedlichen Themen wie dem Tatort, oder zu Flughäfen (2015) publiziert. Hier fasst er die Grenze zwischen den USA und Mexiko als komplexes kulturelles, ja mediales Phänomen mit eigener Sprache und eigenen Architekturformen auf, das fortwährend neue künstlerisch-symbolische Projekte erzeugt. Ihn interessiert die Grenze als Zeichen, das auf das Leben und den Alltag der mit ihr wie immer verbundenen Menschen einwirkt. Er beschäftigt sich natürlich auch mit der politischen Strategie Trumps. Im Vordergrund stehen aber Gespräche und Essays mit und über Künstler, Filmemachern, Wissenschaftlern und Aktivisten, die an und über die Grenze arbeiten. - Cantú: "No man's Land" (2018) beschreibt die Grenze aus einer ganz anderen, biografischen Sicht, weniger theoretisch. (3)
Was bedeutet uns "das Bauhaus" heute - im Nachspann der Postmoderne unter den Bedingungen von Globalisierung, weltweitem Daten- und Kapitalaustausch, medialer Vernetzung, Umkodierung von Nationalgrenzen, Weltmigration und ebensolchen planetarischen Entwicklungen, die sich in der Gründungszeit der modernen Weltbaubewegung gerade erst abzuzeichnen begannen? Der Band inszeniert "das Bauhaus" als eine Doppelfigur, die der Immobilie, dem Haus, der Bleibe und dem Bauen ebenso verpflichtet ist wie der Mobilität, dem Reisen, dem Exil und der Heimatlosigkeit, wofür die Figur eines Schiffes namens "Bauhaus" steht.
Kochen und Essen sind medial omnipräsent und es gibt kaum noch einen Ort, an dem nichts gegessen oder getrunken wird - dabei bleibt die Küche im Zuhause zunehmend kalt. Dieses Paradox wirft Fragen an die räumlichen Zusammenhänge gegenwärtiger Essenspraktiken auf, denen Julia von Mende auf den Grund geht. Befragungen und zeichnerische Analysen führen die Leser*innen von Berliner Küchen an Orte außer Haus und in die Vergangenheit. Dabei werden das Verhältnis von Privathaushalt und städtischem Umfeld thematisiert, Einblicke in die urbane Lebensrealität im beschleunigten (Ess-)Alltag eröffnet und gesellschaftliche Wirkmechanismen freigelegt.
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Sowohl Etymologie als auch Metaphorik des Transparenzbegriffs kreisen um die Verbindungen von Licht zur Erkenntnis und wiederum zur Moral, die an den Transparenzbegriff weitergegeben wurden, was den Fokus auf den übertragenen Gebrauch von Transparenz lenkt. 'Transparenz' verweist folglich auf mehr als eine bloße Zustandsbeschreibung, denn sie stellt einen Begriff dar, der aus historischen, sozialen sowie technologischen Gründen wirkmächtig wurde und sich auf eine zunehmende Zahl von Gesellschaftsbereichen bezieht. Die medialen Veränderungen, die sich durch Digitalisierung und ständige Vernetzung ergeben, stoßen somit ein tieferes und allgemeines Nachdenken über das Verhältnis von Öffentlichkeit, Transparenz und Demokratie an. Gerade im digitalen 21. Jahrhundert werden Begriff und Konzept, die auf ideengeschichtliche Wurzeln in der Aufklärung zurückgreifen und die beiden Bedeutungshemisphären von Staat und Individuum nachzeichnen besonders wichtig. [.] 'Transparenz' wohnt eine deutlich deskriptive sowie eine normativ-metaphorische Ebene inne, die in der Originalität des Begriffs in der Optik und im optischen Bereich wurzeln, wie besonders im Bereich der Architektur manifest wird. Transparenz vereinfacht die Herstellung der für die Demokratie notwendigen Öffentlichkeit, stellt dabei allerdings eine Art vorgelagerten Zustand beziehungsweise eine grundlegende Eigenschaft dar, welche Öffentlichkeit erst ermöglicht. Als normativ und metaphorisch anschlussfähige Ideologie bezieht sich Transparenz jedoch auch auf das Individuum. Die Transparenz des Individuums, die sich im digitalen Bereich besonders deutlich am digital gläsernen Menschen zeigt, stellt nicht nur eine Gefahr für die individuelle Privatsphäre dar, sondern macht den Einzelnen überwachbar und erhält so eine politische Dimension. Insgesamt prägt Transparenz daher als gesellschaftliche Ideologie moderne Lebenswelten.
Programmheft zur Konferenz "Wikipedia: Ein kritischer Standpunkt" vom 24. bis 26. September 2010 in der Universitätsbibliothek Leipzig. Die Wikipedia ist nicht nur die umfangreichste Enzyklopädie und eine der meistbesuchten Internetseiten dieser Welt, sondern das wahrscheinlich größte Wissensprojekt unserer Zeit. Als Mainstream-Wissensmedium eröffnet uns die Wikipedia kritische Einblicke zum gegenwärtigen Status quo von Wissen(-sproduktion): Wie ist Wissen heute organisiert? Wie geht die Wikipedia mit Konflikten und Kulturdifferenzen um? Welche Bedeutung hat die Wikipedia für Architekturen der Partizipation und die politische Bildung in der Mediendemokratie? Welche Machtstrukturen existieren in der Wikipedia? Inwiefern fördert die Wikipedia einen (un-)reflektierten Umgang mit Medien? Nach der englischsprachigen Wikipedia ist die deutschsprachige Wikipedia die zweitgrößte Sprachversion mit mehr als einer Million Artikeln. Die Bedeutung der deutschen Sprachversion für das globale Wikipedia-Projekt wird nicht nur auf internationalen Community-Treffen wie der Wikimania deutlich sichtbar, sondern lässt sich auch an den öffentlichen Diskussionen und der medialen Aufmerksamkeit ablesen, die über den deutschsprachigen Raum hinausreichen. Auch an der Forschung ist die Wikipedia nicht vorbei gegangen. Im deutschsprachigen Raum findet sich eine wachsende geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung zur Wikipedia, die auf der Konferenz erstmalig gebündelt und in Diskussionen um die Konstitution globaler soziotechnischer Informations- und Wissensarchitekturen eingebettet werden soll. Die übergreifende Agenda der Konferenz ist entsprechend interdisziplinär ausgerichtet: Von der philosophischen Reflektion von Wissensartefakten über die Beleuchtung der Dimensionen kultureller Produktion und sozialer Beziehungen bis hin zur empirischen Untersuchung des Phänomens "Wikipedia" sollen gezielt wissenschaftliche Einsichten mit gesellschaftlichen Diskussionen verknüpft werden. Die Leipziger Konferenz setzt die Reihe internationaler Konferenzen der Wikipedia-Forschungsinitiative Critical Point of View fort, die im Januar und März 2010 in Bangalore (Indien) und Amsterdam (Niederlande) stattgefunden haben.
Frontmatter --Inhalt --Erzählen, Wissen und kleine Formen. Eine Einleitung /Gamper, Michel / Mayer, Ruth --Wechselwirkungen von Erzählen und Wissen in kurzen Prosaformen der Frühen Neuzeit am Beispiel des Apophthegmas /Jäger, Maren --Erzählen als "bloß andeutender Fingerzeig". Brevitas, Sprachverknappung und die Logik des Bildlichen in Karl Philipp Moritz' Signatur des Schönen /Firges, Janine --"Infusions-Ideechen" und "Pfennigs-Wahrheiten". Inventio(n), Ordnung und Erzählung des ,kleinen Wissens' bei G.Ch. Lichtenberg /Mengaldo, Elisabetta --Rätsel kurz erzählen. Der Fall Kleist /Gamper, Michael --Augenblicksbilder. Kurznachrichten und die Tradition der faits divers bei Kleist, Fénéon und Kluge /Homberg, Michael --Kuriose und kurze Nachrichten. Berichte über Vergiftungen in wissenschaftlichen Zeitschriften um 1850 /Wahrig, Bettina --Vom "Kurz-Gesagten" im "Lang-Gedachten". Friedrich Nietzsches Aphorismus-Kataloge als zyklisch-serielles Erzählnetzwerk /Gwozdz, Patricia A. --Loos lesen. Kleine Geschichte(n) der modernen Architektur /Arburg, Hans-Georg von --Wie erzählt man vom Augenblick? Präsenzeffekte, Serialität und "Zeit-Wissen" in Gertrude Steins frühen literarischen Portraits /Schäfer, Heike --Professionelle Kondensierung. Die Annotation als Wissensformat im Catalog der American Library Association, 1893-1926 /Starre, Alexander --Clipästhetik in der Industriemoderne. Das frühe Kino und der Zwang zur Kürze /Mayer, Ruth --"I dub thee Vampiris". Zur wissenschaftlichen Erklärung im Horrorfilm der 1950er Jahre /Stoff, Heiko --Kurz und knapp? Oder doch komplex? Wissen in Formeln /Gronau, Magdalena --Nach der Paranoia. Don DeLillos Spiel mit der kurzen Form /Bieger, Laura --Kurz & souverän. Twittern als sozioliterarische Praxis /Paßmann, Johannes --Micro Movies. Zur medialen Miniatur des Smartphone-Films /Gotto, Lisa --Snap! /Rentemeister, Elke --Autorinnen und Autoren
Beziehungen sind nicht gegeben, sie werden gemeinsam gemacht. Der Band untersucht Relationalitäten als prozessuale Aushandlungen zwischen Künsten und Wissenschaften, zwischen gebautem Raum und sozialem Körper, zwischen theoretischem und poetisch-künstlerischem Schreiben und Sprechen, zwischen Form, Material und Handlung. Plädiert wird für eine Wissenspolitik der Künste, die von einer radikalen Verstricktheit theoretischer, ästhetischer, medialer und gesellschaftlicher Praktiken und Techniken ausgeht. Mit Beiträgen von / with contributions by Bini Adamczak, Emily Apter, Alice Chauchat, Beatriz Colomina, Gradinger / Schubot, Annika Haas, Maximilian Haas, Orit Halpern, Tom Holert, Amy Lien & Enzo Camacho, Maurício Liesen, Hanna Magauer, Michaela Ott, Sibylle Peters, Dennis Pohl, Possible Bodies (Helen Pritchard, Jara Rocha, Femke Snelting), Ghassan Salhab, Mirjam Schaub, Melanie Sehgal, Nora Sternfeld, Kathrin Thiele, Jeremy Wade, Brigitte Weingart.
Der Massenwohnungsbau war eine Antwort auf den durch Industrialisierung und Urbanisierung verursachten Mangel an Wohnraum in Jugoslawien und prägt bis heute das postjugoslawische urbane Gewebe. Die Sinngebung des Massenwohnungsbaus erfolgt weit über dessen Materialität hinaus. Ausgehend vom Konzept der medialen Arena führt das Buch durch die Diskussionsebenen Baustelle, Wohnung, Siedlung und Bild. Die Studie erzählt eine Kulturgeschichte des jugoslawischen Massenwohnungsbaus entlang von Diskussionen in der Fachöffentlichkeit und in der Populärkultur – von den ersten architektonischen Entwürfen in den 1950ern über die Ausweitung der Massenwohnkultur in den 1960ern und der zunehmenden Kritik in den 1970ern und 1980ern bis hin zur Zerstörung in den Jugoslawienkriegen in den 1990ern und den fiktionalen Umdeutungen in den 2000ern. Zugleich bespricht der Band intrajugoslawische Gemeinsamkeiten und Asymmetrien.
Unter dem programmatisch verschränkenden Titel Disability Media Studies versammeln Elizabeth Ellcessor und Bill Kirkpatrick exzellente Artikel, die die Medienwissenschaft durch Begriffe und Perspektiven der Disability Studies erweitern und herausfordern wollen. Durch die jeweils medienwissenschaftliche Problemstellung und medienanalytische Methodik zeigen die Beiträge – umgekehrt – auch für die Disability Studies mögliche theoretische Verschiebungen in der kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der soziokulturellen Konstruiertheit von Behinderung auf, indem sie diese Konstruiertheit als Effekt medialer Dispositive in Form von Repräsentation aber auch "beyond Representation" (Mack Hagood, S. 312) denken. Dem Sammelband liegt ein erweiterter und intersektionaler Begriff von Disabilities zugrunde. Gemeinhin werden unter Behinderungen klinisch konnotierte, vermeintlich 'stärkere' und 'merkliche' motorische, sensorische oder geistige Beeinträchtigungen verstanden. Die überzeugende Erweiterung des Begriffs von Behinderung erfolgt, indem bspw. auch Gegenstandsbereiche der Neurodiversität und der Illness Studies besprochen werden: Dazu zählen unter anderem das Leben mit Autismus oder AD(H)S, oder auch mit chronischen Schmerzerkrankungen und sensorischen Erkrankungen wie Tinnitus, potentiell tödlichen viralen Infektionen wie AIDS/HIV sowie psychischen Dispositionen wie Depressionen und Angstzuständen. Der Begriff wird mithin nicht auf klinische oder legislative Definitionen von Behinderung verengt, sondern erstreckt sich auf alle mittel- und längerfristigen oder wiederkehrenden Formen der Reduktion von Handlungsfähigkeit durch Barrieren, die einer mutmaßlich idealen oder normalen motorischen, sensorischen, kognitiven und emotional-stabilen Befähigung von Körpern in den Weg gestellt sind. Aufgrund ebendieser Erweiterung des Begriffs von Disabilities im Plural empfiehlt sich schließlich notwendig auch seine intersektionale Perspektivierung, die Aspekte erweiterter Disabilities im Kontext von Rassismus, (Hetero)Sexismus, Klassissmus, ageism, lookism etc. sichtbar machen soll, wie im Band überzeugend ausgeführt wird. So geht es im Sammelband mitunter um die Verschränkung von Abnormalisierung und Effemination von Anxiety Disorders (D.Travers Scott/Magan Bates); um den verandernden, euro-ethnischen Blick auf nicht-weiße, vermeintlich animalisch-monströse Freak-Show-Künstler_innen (Lori Kido Lopez); und um Arbeiter_innen im globalen Süden, die durch den Medienproduktionsimperialismus des globalen Nordens ausgebeutet, geschwächt, verletzt und verbehindert werdern (Toby Miller). Auf Basis des intersektionalen, erweiterten Begriffs von Disabilities schließen die Artikel eine breite Palette von medialen Untersuchungsgegenständen für eine medienkulturwissenschaftliche Bearbeitung auf. Das heißt, es geht bei diesen Artikeln keineswegs schlicht um eine Beschäftigung mit Disabilities 'am Beispiel von' Medien. Medien wären dann die Trägermedien, die angeblich präexistente Themen, Ideen, Stereotype oder kritische und widerständige Botschaften in Bezug auf Disabilities lediglich transportieren oder verstärken. Im medienkulturwissenschaftlichen Denken der Autor_innen wird stattdessen davon ausgegangen, dass Disabilities sich in besonderem Maße erst 'in' ihren Mediatisierungen verwirklichen. Mediale Alltagsgegenstände, mediale Narrative und Motive, mediale Räume und Architekturen stellen das Bild von und das Leben mit vermeintlicher körperlicher oder geistiger Beeinträchtigung unter Bedingungen, die von der Mediatisierung selbst erst hervorgebracht werden. Besprochene Beispiele sind etwa die Darstellung eines Rollstuhlnutzers in einer Jugend-TV-Serie der 2010er Jahre 'durch' einen able-bodied Schauspieler (Ellcessor, S. 31–51) oder die Bewerbung eines Radiogeräts in den 1920er Jahren für invalide Bettlägerige 'als' Angebot zur gefühlten Teilhabe an gesellschaftlichem Leben (Kirkpatrick, S. 311–353). Wie die differenziert argumentierenden Beiträge aufzeigen, verhalten sich diese Phänomene nicht einfach sekundär zur sozialen Wirklichkeit. Sie sind nicht nur die abbildende Darstellung von Behinderung (in der TV-Serie) oder die technologische Antwort auf eine Behinderung (Radioempfang). Vielmehr wird überzeugend aufgezeigt, dass sich das Politische an der (Nicht-)Behinderung von Körpern (d. h. ihre Verstrickung in Machtverhältnisse) erst durch Mediatisierungen und Technologien realisiert und stets Aktualisierungen und Revidierungen von dem hervorbringt, was als motorisch, sensorisch oder kognitiv 'normales' Befähigungsausmaß gilt. Die Frage nach der Medialität von Disabilities zu stellen, ist damit für die Autor_innen des Buchs keine Fleißaufgabe für kulturwissenschaftliche Illness und Disability Studies, sondern zielt auf eine medienwissenschaftlich-epistemologische Grundierung ihrer Kernthemen wie etwa accessibilty (Barrierefreiheit/Zugänglichkeit), debilitation (Schwächung/Verbehinderung), Mobilität, Zeitempfinden und Arbeits(un)fähigkeit. Dieser intersektionale medienkulturwissenschaftliche Zugang fragt damit danach, wie die Beziehungen von Medienhandeln und Mediatisierungen zur ungleichen Verteilung von Handlungsmacht und Privilegien verschiedener (nicht-)behinderter Körper aussehen, wirken und normalisiert sind – aber auch danach, wie diese Beziehungen dekonstruiert und verändert werden können. Mit Medien sind im Sammelband zum einen kulturelle Medien-Technologien im engeren Sinn gemeint: Film, Fernsehen, Radio, Internet, Graphic Novels, klinische Technologien wie bildgebende Diagnostik. Aber auch Sprechakte oder Diskursstränge zur (Ab)Normalität bestimmter Körper werden – einem erweiterten Begriff davon entsprechend – als mediale Operationen begriffen. Dies gilt auch für konventionelle Blickregime des Starrens, des Ekels oder der Bemitleidung oder für proxemische (Nicht-)Möglichkeitsräume der (Im)Mobilität oder der (Un)Zugänglichkeit. In den Augen von Ellcessor und Kirkpatrick soll die Beschäftigung mit Medien im engsten ebenso wie im erweiterten Sinn die Beforschung der kulturellen Konstitution von Behinderung stärker anleiten, da Medien – seien es Film, Radio oder Zeichnung, seien es Sprach-, Raum- oder Wahrnehmungsanordnungen – jeweils die Infrastrukturen sind, die soziale, kulturelle, informationelle und auch materielle Barrieren organisieren, kanalisieren und regulieren.(Vgl. S. 10–20) Dementsprechend wird im Band Medialität nicht nur als eine Frage der Repräsentation verstanden (wie wird etwas – in Bildpolitiken, als Motiv, als Narrativ – dargestellt und dadurch politisch wirksam?), sondern auch als eine Frage nach dem 'Handeln mit Medien': In welchen technischen, strukturgebenden, vermittelnden, ordnenden, speichernden, ästhetischen, übersetzenden sowie selbst- und fremd-regierenden Medien-Praxen konstituieren sich Beeinträchtigungen, Barrieren und Beschränkungen von Handlungsmacht? Die medienwissenschaftliche Epistemologie, die von den Artikeln nominiert wird, besteht damit in der Annahme, dass die Prozesse der Subjektivierung stets mit Prozessen des Agierens/Erleidens im Rahmen medialer Praxen korrespondieren. "When scholars study moments such as these, in which bodies and technologies interact, they shift the analytical frame from one of representation to one of biomediation." (Mack Hagood, S. 312) Auch subversive Biomediationen werden im Sammelband besprochen. So beschäftigen sich Shoshana Magnet und Amanda Watson mit den auto-analytischen, ästhetischen Strategien von Künstlerinnen, die ihre durch Depressionen und chronische Schmerzen intensivierte Trägheit, Motivationslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit in Graphic Novels übersetzen. Von den künstlerischen Arbeiten leiten Magnet/Watson die These ab, dass Biomediationen von Disabilities eine paradigmatische Machtkritik formulieren, die anders als etablierte Machtkritiken zentral aus einer problematisierenden Verschränkung von Zeit- und Leistungs-Konzepten heraus argumentieren, denn "narratives about disability are haunted by time and temporalities. […] [W]e argue that an undertheorized piece of the structure of ableism is the way that people with disabilities are both shamed and haunted by time and its passing under late-capitalist narratives obsessed with normative forms of productivity and efficiency." (S. 247f) Während es das Verdienst der Queer Theory sei, kritische Perspektiven und Begriffe gegen normative Imperative von sexueller Reproduktion entwickelt zu haben, bestünde das größte Potenzial einer Crip Theory darin, neue Perspektiven und Begriffe gegen kapitalistische, meritokratische und neoliberale Imperative von Produktion, Effizienz und 'erfüllter Zeit' zu theoretisieren. Die Artikel stellen einen herausragenden Beitrag zum wichtigen – und leider im deutschsprachigen Raum eher minoritären – Bestreben nach intersektionaler Medienwissenschaft dar. Eine entsprechend intersektionale Ausrichtung von Media Studies begreift die kritische Analyse und Theoretisierung von Medien als eine Wissenschaftspraxis, die die medialen Infrastrukturen von Machtverältnissen ins Auge fassen und freilegen will. Besonders positiv fällt dabei auf, dass die Konzeption des Sammelbands diesen Gedanken auf die Frage der 'Lektüre' akademischer Texte zu übertragen scheint und kleinere Versuche in Richtung neurodiversitätsgerechter Aufbereitung unternimmt: Begonnen bei vorangestellten Abstracts und gründlichen Conclusios bis hin zur überaus leser_innenfreundlichen Sprache, zeichnet sich auch das Textmanagement der Beiträge stilistisch durch eine gewisse Sachlichkeit und Schlichtheit aus, die hochgradig 'accessible' ist und daher auch als Einstieg in Disability Studies oder Medientheorie empfohlen werden kann. Zugänglichkeit wird auch maximiert, indem zwei Inhaltsverzeichnisse vorangestellt werden: Eines, in dem die Beiträge in theoriebasierte Cluster geordnet sind und ein zweites, in dem die Artikel hinsichtlich der unterschiedlichen besprochenen Medienformen aufbereitet wurden. Obwohl es sich nicht um einen Reader oder ein Handbuch handelt, möchte mensch diesen Sammelband auch nach der Lektüre in Griffweite verwahren: denn er zeichnet sich auf theoretischer, methodischer und konzeptioneller Ebene durch viele instruktive Ideen aus, die ebenso herausfordernd wie erhellend sind.
Die Dortmunder Reinoldikirche verfügt über einen – aus heutiger Sicht – reichen Schatz spätmittelalterlicher (Kunst-)Objekte. Das flämische Hochaltarretabel, das maasländische Adlerpult und das Dortmunder Taufbecken sind allein drei der prachtvollen Stiftungen, mit denen die in Europa einflussreiche Hansestadt Dortmund ihre Hauptkirche nach der Neuerrichtung des Chores (1421-50) ausstattete und zum Lobe Gottes sowie zur Selbstdarstellung für die Zeitgenossen schmückte. Diese noch vorhandenen Räume und Objekte werden auf ihre materiellen Mittel zur Kommunikation im Raum "Reinoldikirche" hin untersucht sowie auf ihre Verflechtung untereinander und mit weiteren überlieferten oder idealtypisch zu ergänzenden Objekten und Handlungen hin befragt und mit diesen in der historischen Erzählung wiederverknüpft. Die mediale Vielschichtigkeit des Ensemble aus Architektur, liturgischen, memorialen, politischen und sozial differenzierenden Objekten und Handlungen, aus Klängen, Gerüchen etc. – beziehungsweise aus Zu- und Unzugänglichkeiten, aus Zentren und Randzonen sowie aus Bewegungen und Unbewegtheit verlangt für die historische Betrachtung St. Reinoldis eine breit und interdisziplinär vorgehende Forschung. Die vorliegende Arbeit analysiert dieses – auf der Basis raumsoziologischer Erkenntnisse als prozessual aufgefasste – Raum-Objekt-Ensemble im Sinne historischer Erinnerungsforschung mit kunsthistorischen Mitteln und stellt es in seiner heute durch verschiedenartige Brüche verlorenen mittelalterlichen Dichtheit dar. Dabei legt die Zeit des Chorneubaus als Untersuchungszeitraum einen Schwerpunkt im 15. Jahrhundert nahe beziehungsweise markiert die Reformation – 1562 in St. Reinoldi eingeführt, aber in ihrem Wandel ein Prozess über mehrere Jahrhunderte – insofern ein sinnvolles Ende, als sie das Netzwerk des Ensembles wesentlich veränderte. Gleichwohl geschieht der historische Blick auf mittelalterliche Kontexte der Reinoldikirche ausgehend von der Nachkriegszeit, ist doch die heutige Kirche mit dem "Mittelalter-Raum" des Chores das raumformende "Ergebnis" des Wiederaufbauens nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen städtischer Neudefinition nach den Raumrauben der Nationalsozialisten. Spuren, die sich dem Raum der Reinoldikirche als städtischem Zentrum in Dortmund in der NS-Zeit und im Wiederaufbau eingeschrieben haben, zeigt der erste Essai auf. Die übrigen drei fokussieren mittelalterliche Raumkonstellationen St. Reinoldis: das symbiotische Verhältnis aus Reliquien und (bildnerischer) Erzählung; das memoriale, politische und soziale Netzwerk der Stifter des Ratsgestühls in St. Reinoldi; die Räume der Kirche in ihrer Gerichtetheit sowie ihren hierarchischen Stufungen (gesalbt, geweiht, geschmückt etc.). Verknüpft mit den Einzelbetrachtungen stellt daneben das Kompendium der vorreformatorischen Räume und Objekte exemplarisch die Ausstattungsfülle der Reinoldikirche als Hauptpfarrkirche einer mittelgroßen aber ökonomisch einflussreichen europäischen Stadt dar.
Beziehungen sind nicht gegeben, sie werden gemeinsam gemacht. Der Band untersucht Relationalitäten als prozessuale Aushandlungen zwischen Künsten und Wissenschaften, zwischen gebautem Raum und sozialem Körper, zwischen theoretischem und poetisch-künstlerischem Schreiben und Sprechen, zwischen Form, Material und Handlung. Plädiert wird für eine Wissenspolitik der Künste, die von einer radikalen Verstricktheit theoretischer, ästhetischer, medialer und gesellschaftlicher Praktiken und Techniken ausgeht. Mit Beiträgen von / with contributions by Bini Adamczak, Emily Apter, Alice Chauchat, Beatriz Colomina, Gradinger / Schubot, Annika Haas, Maximilian Haas, Orit Halpern, Tom Holert, Amy Lien & Enzo Camacho, Maurício Liesen, Hanna Magauer, Michaela Ott, Sibylle Peters, Dennis Pohl, Possible Bodies (Helen Pritchard, Jara Rocha, Femke Snelting), Ghassan Salhab, Mirjam Schaub, Melanie Sehgal, Nora Sternfeld, Kathrin Thiele, Jeremy Wade, Brigitte Weingart.
Das Gespräch arbeitet den spezifische Ort und Einsatz der zeitgenössischen medienästhetischen Frage heraus, skizziert die Geschichtlichkeit ihres Erscheinens und fokussiert die begriffs- und theoriepolitischen Strategien, die für ihre genauere Konturierung notwendig sind. Medienästhetik wird dabei als zentraler Schauplatz des zeitgenössischen Kybernetisierungsprozesses freigelegt, ist sie doch im Innersten mit den neuen Bedingungen des Denkens, der Subjektivität und der Politik verknüpft, die dieser Prozess ins Werk setzt. Die medienästhetische Frage exponiert so gesehen Schlüsselprobleme der kybernetischen Medienkultur überhaupt. Luciana Parisi problematisiert zunächst die Implikationen der immer noch vorherrschenden repräsentationalistischen, ausdrucksorientierten, expressiven Medienästhetik, hinter der ein heute überholter Begriff von Medien als Artikulations- und Äußerungsmaschinen steht. Kybernetisierte Medien haben hingegen längst, so Parisi, die etablierten Medienfunktionen überschritten, sie sind als «Kloner des Realen» zu verstehen, als «immanente Erfasser von Daten», ja schließlich als «Erfassungsmaschinen des Unartikulierbaren und Unrepräsentierbaren». Stattdessen wird von ihr nach einer intensiven, nicht-repräsentativen Ästhetik des Codes gefragt, die sich auf der Höhe der medialen Situation und der entsprechenden Machtform befindet und deren Kernoperationen entziffern kann. Am Ende wird insbesondere die Bedeutung von algorithmischen Experimenten, wie sie in der digitalen Architektur stattfinden, für eine grundsätzliche Reevaluierung von Medienästhetik herausgestellt, eine Reevaluierung, der im Augenblick des Eintritts in die neue digitale Matrix, in der wir leben, eine, ja vermutlich sogar die kritische Funktion zukommt. ; The interview brings out the specific place and application of the contemporary media-aesthetic question, sketches the historicity of its emergence, and brings into focus the conceptual-political strategies that are needed for its accurate outlining. In the course of this discussion, media aesthetics are exposed as the central arena of the contemporary process of cybernetization, yet linked at heart to the new conditions of thought, subjectivity and politics which this process sets in operation. The media-aesthetic question exposes key problems of cybernetic media culture in general. Luciana Parisi first problematizes the implications of the still prevalent representationalist, expressive media aesthetics, behind the now outdated conception of media as articulation-machines and expression-machines. Cybernetized media have however long since exceeded the established media-functions, so Parisi suggests, and are to be understood as »cloners of the real«, as »immanent prehensors of data«, even, finally, as »prehensive machines of the un-articulable and un-representable«. Accordingly, she calls for an intensive, non-representative aesthetics of code, which is located on the level of the medial and technological situation and its corresponding forms of power, and whose core operations it enables to decipher. Ultimately algorithmic experiments, as they occur in digital architecture, are shown to be the basis for a fundamental re-evaluation of media aesthetics as such – a re-evaluation which, at the moment we are currently experiencing of entry into the new digital matrix, plays a, probably the critical function.
Die bibliothekarische Diskussionen der letzten Jahre entbehren nicht einer uninteressanten Dichotomie: Herausforderungen durch Digitalisierung, Virtualisierung, "Verdatung" auf der einen Seite, Diskussionen von profilgebenden "handgreiflichen" Themen wie Nutzerorientierung, Dienstleistung und Bibliotheksbau auf der anderen Seite. Das räumlich-infrastrukturelle Angebot von Bibliotheken hervorzuheben, ja funktional auszuweiten, ist "en vogue": Im oft benutzten Begriff des Dritten Ortes verbinden sich etwa Vorstellungen von gesellschaftlicher Relevanz mit konkreter Bau- und Ausstattungsplanung (Haas et al. 2015). Wissenschaftliche Bibliotheken fokussieren ihre Neu- und Umbauten mit Raumnutzungskonzepten, die sie als Lern- und Forschungsumgebung konstituieren – das ist prinzipiell zwar keine neue Funktion, wird aber durch ein neues Angebot an möglichen Szenarien und Hilfsmitteln ein ungleich grössere Bedeutung beigemessen. An diesem "spatial turn" abzulesen ist unweigerlich dass Bibliotheken gerade in der Sublimierung zur "Digitalen Bibliothek" damit beginnen die Funktion, Wirkung und Bedeutung ihrer physischen Infrastruktur zu reflektieren. Wo der Medien-Umschlagsplatz über kurz oder lang marginal wird, wird die Bibliothek zum Ermöglichungs- und Realisierungsraum von Dienstleistungen an Nutzern. Und benötigen wir diesen Raum noch zumindest teilweise für persönliche und automatisierte Angebote stellen virtuelle Dienste mit ihren Entwircklungslinien von Ubiquität und Mobilität "Bibliotheksräumlichkeiten" durchaus in Frage. Die Frage drängt sich auf: Was kommt nach dem Lernort? Bibliotheken zu bauen ist keine typische Lieblingsbeschäftigung von Bibliothekaren, Gebäude unter integralem Denkmalschutz im Kampf diversen starken Stakeholdern zu einer modernen nutzerfreundlichen Bibliothek umzubauen ist eine veritable Herausforderung (Giella 2015). Gibt es trotzdem Gründe dafür? Kann es sich lohnen, Räumlichkeit strategisch zu wählen, planen, pflegen und zu präsentieren? Kann der Raum/Ort an sich ein entscheidendes Asset für Bibliotheken darstellen? Im Fall der ZHAW Hochschulbibliothek Winterthur können wir nach eineinhalb Jahren das Fazit ziehen dass ein spezifisches Gebäude Wahrnehmung und Position einer Hochschulbibliothek entscheidend mitprägt. Führungen durch das Gebäude, ein Angebot dass vormals nur sporadisch in Anspruch genommen wurde, wurden über Nacht zum Renner: Über 1400 reine Führungsteilnahmen, die Hälfte davon von hochschulexternen Personen und weitere 2250 Teilnahmen an Bibliothekeinführungen und IK-Veranstaltungen mit Führungsanteilen im Jahr 2015 sprechen Bände. Warum dieses Interesse an der "neuen HSB", von Gruppen aus Administration, Politik, Bildung, Architektur und Planung, von Berufskollegen, Alumni, Medien und zahlreichen Einzelbesuchern? Auch wenn wir es gerne manchmal anders hätten: Im Zentrum des Interesses steht das Gebäude bzw. die wunderbar gelungene Verschmelzung von historischer Grundlage und modernen Einbauten. Die zu erwartende grosse Nachfrage nach diesem neuen Raum hat uns bewogen eine ebenso besondere mediale Repräsentation und Reflektion zu schaffen. Kein normaler Bibliotheksrundgang, keine Einführung in die Benutzung, sondern eine Auseinandersetzung mit Arbeit und Arbeitsort in Vergangenheit und Gegenwart, eine Hommage an das Gebäude von dessen Aura wir in Zukunft zehren können und an die Menschen, die hier gewirkt haben. Was haben wir konkret gemacht? Im Kern das, was wir als Bibliothekare am besten können: Informationen gesammelt und zur Verfügung gestellt. Ausgetauscht und Freiraum geboten und uns schliesslich überraschen lassen. Was haben wir erhalten? Überragendes Engagement, Begeisterung, Herzblut und eine kaum abschätzbare Kreativität von Schöpfern und Mitwirkenden: Allen voran des Medienkünstlers Marc Lee und dem E-Learning-Team der ZHAW, dem ehemaligen Sulzer-Lehrling Jürg Hablützel sowie weiterer performativer Künstler. Was können wir unseren Nutzern und Besuchern bieten: Eine einzigartige, kontemplative Erfahrung unseres Gebäudes, in der sich die zeitlichen und räumlichen Realitäten überlagern. Kein Architektur-Rundgang im klassischen Sinn, aber zum Entdecken und genauen Hinschauen einladend, kein historische Dokumentation, aber durchaus lehrreich, keine Einführung in die Benutzung, aber Neugier auf die Bibliothek weckend. An physischen und virtuellen Eindrücken reich und doch zum Nachdenken anregend, ästhetisch und überraschend anders. Eine Zusammenlegung und ein Neubezug war aus praktischen Gründen des Wachstums und der Optimierung von Dienstleistungen nötig: Notwendige Infrastruktur und Kapazität für Lern- und Forschungsplätze und bibliothekarische Arbeitsumgebung . Aber der neue Bibliotheksraum, die "Halle 87", ist mehr noch ein Asset an sich: Ein markantes Gesicht für die Bibliothek und Hochschule. Wahrnehmung und Position der Hochschulbibliothek haben sich in der Hochschule, in der Stadt und im Kanton verändert. Die Hochschule verfügt mit dem Gebäude über neue zentrale Adresse, die auf die historische Verbindung zur Stadt, zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt und zur Moderne verweist. Einen komplizierten Umnutzungsprozess ist das wert – und eine besondere, zeitlose Hommage.
Warum wurde eine West-Berliner Großsiedlung weit über die Grenzen der Stadt hinaus zum viel zitierten Beispiel einer fehlgeschlagenen Stadtplanung und sozialer Probleme? In den Jahren um 1970 erschien eine beeindruckende Zahl an Zeitungsartikeln, Filmen und wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Märkischen Viertel befassten – einer Großsiedlung, die von 1963 bis 1974 am nördlichen Stadtrand West-Berlins entstand. Der Aufsatz folgt der diskursiven Herstellung des Viertels als urbaner Problemzone. Er zeigt, wie darin eine Desillusionierung über die urbane Moderne zum Ausdruck kam, die eng verknüpft war mit der Sorge um eine neue Schicht von desintegrierten Randständigen. Durch ihre Forschungs-, Sozial- und Medienarbeit wirkten in erster Linie Angehörige eines linksalternativen Milieus, das in West-Berlin besonders aktiv war, auf die mediale Darstellung des Viertels ein. In ihrem Bemühen, gesellschaftliche Missstände aufzudecken, trugen sie unfreiwillig zu der nachhaltigen Abwertung des Quartiers bei. Dessen Image war verbunden mit der Suche nach alternativen Beschreibungen der »Ränder« der Gesellschaft angesichts einer sich auflösenden traditionellen »Arbeiterklasse«.