Der Verfasser zieht eine kritische Bilanz nach einem Jahr rot-grüner Koalition. Positive Aspekte sieht er im neuen Staatsbürgerschaftsrecht, in der Umkehr der von der Vorgängerregierung betriebenen sozialen Demontage und im Bereich der Steuerpolitik. Dem stehen negative Entwicklungen beim Bündnis für Arbeit, beim "Sparpaket", bei der Gesundheits- und Rentenreform gegenüber. Insgesamt hält der Verfasser die reformpolitische Identität der Koalition für beschädigt. Der diffuse Wählerauftrag und die "Verweigerung der ökonomischen Klasse" gelten ihm jedoch als "mildernde Umstände". (ICE)
"Die aktuelle Globalisierungsdebatte in Deutschland wirkt wie die Fortsetzung der Standortdebatte mit anderen Formeln, aber gleichen Argumenten und Zwecken. Da der Begriff der 'Globalisierung' zeitlich und inhaltich diffus verwendet wird, entsteht der Eindruck, daß in erster Linie Wahrnehmungsmodelle und Deutungsmuster konstruiert werden, die nur entfernt auf eine drastisch veränderte ökonomische Situation verweisen. In einer begrifflichen Präzisierung werden vier Dimensionen der 'Globalisierung' unterschieden, nämlich die internationale Handelsverflechtung, die ausländischen Direktinvestionen, die transnationalen Unternehmen und die internationalen Finanzmärkte. Danach wird deutlich, daß sich für Deutschland die 'Globalisierung' auf die regionale Integration Europas, auf die transnationalen Unternehmen und die internationalen Finanzmärkte zuspitzt. Dennoch kann nicht davon gesprochen werden, daß die deutsche Wirtschaft als Ganzes einem bedrohlichen 'Globalisierungsdruck' ausgesetzt sei; sie ist vorrangig deren Motor. In der ursprünglichen Phase der 'Globalisierung' erobern die westlichen Wirtschafts- und Lebensformen die Kulturen der Entwicklungsländer, während in einer zweiten Phase bestimmte Unternehmen, Wirtschaftszweige und Regionen in den Industrieländern, die mit den neu industrialisierten Ländern konkurrieren, unter den Druck der Struktruanpassung geraten. Indessen gilt gemäß der Theorie der internationalen Arbeitsteilung, daß der grenzüberschreitende Güteraustausch für alle beteiligten Länder vorteilhaft ist, wenngleich nicht ausgeschlossen ist, daß die Verteilung der Vorteile zwischen den Ländern und innerhalb der Länder asymmetrisch sein kann. Der politische Handlungsspielraum, der erforderlich ist, um die internen Verlierer der 'Globalisierung' sozial zu entschädigen sowie die transnationalen Unternehmen und das Störpotential der internationalen Finanzmärkte zu bändigen, kann in der regionalen Integration Europas sowie in einer Kooperation von Unternehmen, nationalstaatlichen und supranationalen Entscheidungsträgern sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren wiedergewonnen oder erweitert werden." (Autorenreferat)
"Der 100. Jahrestag des Sozialrundschreibens 'Rerum Novarum', mit dem Papst Leo XIII. eine Antwort auf die damals neue Herausforderung der Arbeiterfrage zu geben versuchte und der kirchlichen Sozialverkündigung und der wissenschaftlichen Theoriebildung die Aufgabe zuwies, die Sozialschäden des Kapitalismus zu benennen und die Leitbilder einer wohlgeordneten Gesellschaft zu entwerfen, fordert die kirchliche Soziallehre von heute zu einer aktuellen Standortbestimmung heraus. Da ihr Bezugspunkt, das 'katholische Milieu', d.h. die geschlossene Präsenz katholischer Christen in kirchlichen Sozialverbänden, christlichen Gewerkschaften und Weltanschauungsparteien, abgeschmolzen ist, eröffnet sich für die kirchliche Soziallehre in einer pluralistischen Gesellschaft die Chance, die Glaubenspraxis katholischer Christen, die in sozialen Bewegungen engagiert sind, sozialethisch zu reflektieren. Eine solche Ethik sozialer Bewegungen beschreibt eine geschichtliche Ausgangslage der Wirtschaftsgesellschaft, eine Vielzahl von Entscheidungsträgern, Interessen und Kompetenzen, diagnostiziert asymmetrische Kräfteverhältnisse im politischen Entscheidungsprozeß und identifiziert als Trägergruppen ethischer Reflexion und politischer Durchsetzung die Arbeiter-, Frauen-, Umwelt- und Friedensbewegung. Sie überprüft kritisch deren ethische Optionen, inwiefern sie den Rang eines allgemeinen Interesses beanspruchen können, und reflektiert deren Organisations- und Aktionsformen, ob gesellschaftliche Konflikte um eine andere Verteilung gesellschaftlicher Macht in einen Prozeß der Verständigung einmünden und zu einer Neudefinition des allgemeinen Interesses führen, nämlich zu einem Mehr an Gerechtigkeit in der Arbeitswelt, in der Beteiligung an wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen, in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen, natürlicher Umwelt und Wirtschaft sowie Industrie- und Entwicklungsländern." (Autorenreferat)