White Australia oder der Krieg der Historiker
In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Band 51, Heft 3, S. 345-353
ISSN: 0006-4416
Als im Dezember 2005 rassistische Unruhen am Strand von Sydney Schlagzeilen machten, hatte der Begriff "Rasse" in den australischen Medien Hochkonjunktur. "Rassengewalt" und "Rassenkrieg" wurden für die wachsende Angst vor "Rassenunruhen" verantwortlich gemacht. Stimmen, die diese Begriffswahl kritisierten, waren in der Minderheit. Unter denen, die die Kategorie "Rasse" in diesem Zusammenhang für unangemessen hielten, war auch der Historiker Keith Windschuttle. Unter der Schlagzeile "Es ist kein Rassenkrieg, es ist ein clash of cultures" machte er die Politik des Multikulturalismus für die Auseinandersetzungen verantwortlich. Der vorliegende Beitrag setzt sich mit diesem Autor auseinander, weil Windschuttle den "postmodernen Kulturrelativismus" wiederholt für die "Retribalisierung" der Gesellschaft gescholten und linke Intellektuelle bezichtigt hatte, eine die australische Identität zerstörende Strategie des Multikulturalismus und der Selbstbestimmung der Aborigines ausgeheckt und mit Hilfe willfähriger Labor-Politiker durchgesetzt zu haben. Windschuttles Argumentation zeigt insgesamt, dass die Stärkung des australischen Nationalbewusstseins nicht ohne Rückgriff auf rassistische Argumente möglich ist. Den Nachkommen derer, die historisch unter der Herrschaft des Rassenrassismus als "schmutzige, geile, primitive oder zurückgebliebene" Wesen ausgeschlossen, verfolgt und gedemütigt wurden, erklärt heute der Kulturrassismus, das sei nicht in diskriminierender Absicht geschehen, sondern Ausdruck der Verteidigung eines entwickelten Wertesystems gewesen, von dem sie letztendlich auch selbst profitierten. (ICA2)