Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 7. Februar 2018 bleibt hinter dem zurück, was zur langfristigen Wohlstandssicherung nötig wäre und möglich ist. Zwar werden wichtige zukunftsgerichtete Maßnahmen im Bildungs- und Betreuungsbereich beschlossen, die Position insbesondere arbeitender Familien mit Kindern wird durch eine Reihe von Maßnahmen gestärkt, eine flächendeckende digitale Infrastruktur soll bis 2025 verbindlich erreicht werden. Hingegen werden in zentralen Punkten bei Maßnahmen zur langfristigen Sicherung der wirt-schaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und der Vorsorge für die strukturellen technischen und demografischen Herausforderungen falsche Weichenstellungen in der Rentenpolitik, Steuerpolitik und im Befristungsrecht vorgenommen, die per saldo Beschäftigung in Deutschland verteuern und erschweren werden. Insgesamt atmet der Vertrag eher einen Geist der Mikrosteue-rung von Gesellschaft und Wirtschaft statt den eines vom Langfristdenken geprägten beherzten Modernisierungskurses. Mit einem Gesamtvolumen von Mehrausgaben und Mindereinnahmen in Höhe von rund 91,5 Mrd. Euro verbleibt für Bund, Länder und Sozialversicherungen unter Berücksichtigung von Mehreinnahmen ein Finanzierungsbedarf von 88,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen mögliche Kosten, wenn die Finanzierung des Breitbandausbaus und des Digitalpakts Schulen durch die Versteigerung der 5G-Lizenzen nicht gedeckt werden kann. Allein für diese beiden Posten sind gut 15 Mrd. Euro angesetzt, teilweise erst für die nächste Legislaturperiode. Selbst bei vorsichtigen Annahmen liegen die nicht durch Mehreinnahmen gedeckten Finanzierungswünsche des Koalitionsvertrags allein für den Bund mit 65,9 Mrd. Euro deutlich über dem Tableau der prioritären Maßnahmen in Höhe von 46 Mrd. Euro. Der Koalitionsvertrag bedeutet damit für den Bund bis 2021 eine strukturelle Unterdeckung des Haushalts in Höhe von mindestens 20 Mrd. Euro. Der zeitliche Verlauf der Ausgaben deutet darauf hin, dass die Aus-gaben verstärkt in den Jahren 2020 und 2021 anfallen werden, vor allem für den Abbau des Solidaritätszuschlags, die Erhöhung des Kindergelds, den Kita-Ausbau, die Maßnahmen im Bereich des Wohnungsbaus und der Verkehrsinvestitionen. Damit wird ein Ausgabenüberhang zum Ende der Legislaturperiode aufgebaut, sodass im Jahr 2021 der Haushaltsspielraum aufgebraucht und ein Defizit aufgelaufen sein wird. Die Folgewirkungen der Beschlüsse für die Sozialversicherungen sind dabei noch nicht berücksichtigt. Im Jahr 2021 könnten die Ausgaben al-lein des Bundes aber schon um rund 37 Mrd. Euro über den Einnahmen liegen.
Zum WerkDer "Erfurter" erläutert mehr als 40 wichtige arbeitsrechtliche Gesetze für den Rechtsalltag. Dabei gibt er nicht nur einen verlässlichen Überblick über den aktuellen Meinungsstand zu allen wesentlichen Normen des Arbeitsrechts, sondern legt auch eigene Ansätze dar und bietet Vorschläge zu offenen oder neuen Fragen. Stets einbezogen sind die Auswirkungen des Sozialversicherungs- und des Steuerrechts.Der "Erfurter" erscheint jährlich und ersetzt eine ganze Bibliothek zum nationalen Arbeitsrecht in einem Band. Herausragende Autorinnen und Autoren kommentieren alle für das Arbeitsrecht relevanten Rechtsvorschriften aus gegenwärtig GG, AEUV, ÄArbVtrG, AEntG, AGG, AktG, ArbGG, ArbPlSchG, ArbSchG, ArbZG, ATG, AÜG, BBiG, BDSG, BEEG, BetrAVG, BetrVG, BGB, BUrlG, DrittelbG, EFZG, EntgTranspG, FPfZG, GenDG, GewO, HGB, HinSchG, InsO, JArbSchG, KSchG, MiLoG, MitbestG, Montan-MitbestG, MuSchG, NachwG, PflegeZG, ROM I-VO, SGB III, IV, V, VI, VII und IX, SprAuG, TVG, TzBfG, UmwG, WZVG.Vorteile auf einen Blickjährlich neu und aktuellArbeitsrecht mit Sozialversicherungs- und Steuerrechtdie Bibliothek zum Arbeitsrecht in einem BandZur NeuauflageDie 24. Auflage bringt den Kommentar auf den aktuellen Stand des 1. September 2023 im gesamten Bereich des Arbeitsrechts. So wurden zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen des BAG als auch des EuGH, ebenso wie richtungweisende Instanzgerichtsurteile ausgewertet. Weiterhin aktuelle Themenschwerpunkte sind unter anderem:das Nachweisgesetz und die Auswirkungen auf die GewO, das BBiG, TzBfG und AÜGdie Folgen der Mindestlohnänderungen und der Regelungen zur geringfügigen Beschäftigung die Entscheidung des Ersten Senats vom 13.9.2022 zur Arbeitszeiterfassungdas Gesetz zur Umsetzung der mitbestimmungsrechtlichen Bestimmungen der Umwandlungsrichtliniedas neue HinweisgeberschutzgesetzÄnderungen zum InfektionsschutzGÄnderungen im SGB IV, SGB II (Bürgergeld) und SGB III (KuG)Gesetz zur weiteren Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1158 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende AngehörigeDigitalisierung, mobile work und Umsetzung des elektronischen RechtsverkehrsBetreuungsrechtDaten- und Arbeitsschutzneue Rechtsprechung zum Urlaubsrechtelektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sowie die seit September 2022 veröffentlichten Entscheidungen und Publikationen. Zudem überzeugt der Kommentar mit einem umfangreichen Register.ZielgruppeFür Richter- und Anwaltschaft, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, Personalabteilungen, Verbände und Gewerkschaften, Betriebsratsmitglieder
Zur Vorbereitung des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wird das IAB seit mehreren Jahren um seine Expertise zu verschiedenen Aspekten des Arbeitsmarktes gebeten. Im Vorfeld des aktuellen Jahresgutachtens 2018/19 betraf dies unter anderem die Auswirkungen der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sowie der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarten Reform des Befristungsrechts und einen möglichen Reformbedarf beim Arbeitszeitgesetz. Im Herbst 2018 äußerte sich das IAB zum einen zu den Auswirkungen einer Beschränkung von Befristungen durch die unter anderem vorgesehene Quotenregelung bei sachgrundlosen Befristungen sowie durch die Begrenzung von Befristungsdauern und -ketten. Zum anderen befasste sich das IAB mit den Auswirkungen der zum 1. April 2017 in Kraft getretenen Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Es sieht als eine der wesentlichen Änderungen nach neun Monaten eine gleiche Entlohnung von Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern wie vergleichbare Stammmitarbeiter im Entleihbetrieb vor sowie eine Festlegung der Überlassungshöchstdauer auf 18 Monate bei demselben Entleiher. Schließlich äußerte sich das IAB zum Bedarf einer Modernisierung des deutschen Arbeitszeitgesetzes und ging dabei auch darauf ein, ob und inwieweit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund von modernen Kommunikationsmedien auch außerhalb ihrer regulären Arbeitszeiten arbeitsbezogen erreichbar sind. Die Erkenntnisse zu diesen drei Themenkomplexe werden in der vorliegenden Stellungnahme zusammengefasst. ; The IAB has been asked for their expertise on various aspects of the labour market for the preparation of the annual report of the German Council of Economic Experts (Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung) for several years now. For the current annual 2018/2019 report, these aspects included, among other things, the effects of the reform of the Temporary Employment Act (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) as well as the reform of the right to term limitation as agreed in the Coalition Treaty of the Federal Government and a possible need for reforms of the Working Time Act (Arbeitszeitgesetz). In the autumn of 2018, the IAB commented, on the one hand, on the effects of limiting fixed-term employment without stating any pertinent reasons, among other things, to the proposed allocation of quotas and the limitation of the duration of fixed terms as well as several consecutive fixed terms. On the other hand, the IAB looked into the effects of the reform of the Temporary Employment Act, which entered into force on 1 April 2017. One of the major changes, the reform provides for equal pay for leased employees and regular employees of comparable stance after nine months at the hiring company as well as a limitation of the maximum labour leasing duration to 18 months at the same hiring company. The IAB also commented on the need for mo-dernisation of the German Working Time Act and shared its opinions about whether, and to what extent, employees are available for work-related issues outside of their regular working hours due to modern communication media. The present opinion summarises the findings on these three groups of themes.
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Die Verwirrung um die WissZeitVG-Novelle setzt sich fort, noch bevor der Entwurf das Kabinett passiert hat. Ein Vorgeschmack auf das, was als nächstes im Parlament bevorsteht?
AM 10. MÄRZ bestätigte Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) offiziell gegenüber der Presse, "dass wir uns jetzt innerhalb der Bundesregierung auf einen Reformvorschlag für das Wissenschaftszeitvertragsgesetz verständigt haben" – und fügte hinzu, dass der Entwurf zeitnah im Bundeskabinett beschlossen werden könne. Die Kabinettszeitplanung war noch konkreter: Für den 27. März steht der "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft" auf der Sitzungsagenda.
Wie aber passt dazu, dass das BMBF jetzt in seiner – auf den 12. März, also zwei Tage später datierten – Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion mitteilte, die Ressortabstimmung dauere an, der Entwurf werde zeitnah "nach Abschluss der Ressortabstimmung im Bundeskabinett beschlossen werden"? Was denn nun? Der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek spricht jedenfalls von einer "Einigung, die gar keine zu sein scheint". Er finde es "respektlos, dass das Parlament und die Öffentlichkeit über einen so langen Zeitraum und bei einem so zentralen Thema für Wissenschaft und Forschung im Dunkeln gehalten werden".
Der Weg zum Kabinettsbeschluss ist noch nicht zu Ende
Ist Stark-Watzinger zu früh an die Öffentlichkeit gegangen? Ja – und nein. Tatsächlich gibt es, wie die Ministerin betonte, eine Einigung mit denjenigen Ressorts, die gegen den BMBF-Referentenentwurf einen Widerspruch ("Leitungsvorbehalt") eingelegt hatten: das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) und das Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD). Über den Inhalt der sich abzeichnenden Übereinkunft hatte ich bereits Mitte Februar berichtet.
Wobei es sich, worauf die Wissenschaftspolitikerinnen Laura Kraft (Grüne) und Carolin Wagner (SPD) am Sonntag umgehend hier im Blog hinwiesen, nicht um eine inhaltliche Einigung beim zentralen Streitpunkt, der Postdoc-Befristungshöchstdauer handele, sondern lediglich um eine Einigung, das Gesetz ins Parlament weiterzuschieben. Mit einem Prüfauftrag, dort eine Lösung für den weiter ungelösten Konflikt zu finden.
Konfliktlösung ins Parlament verschoben?
BMBF, BMWK und BMAS haben sich geeinigt, dass die Novelle des WissZeitVG im Wesentlichen in der Form des im Juni 2023 vorgelegten BMBF-Referentenenwurfs ins Kabinett eingebracht werden soll.
Vor allem soll es bei der von SPD und Grünen abgelehnten Befristungshöchstdauer nach der Promotion (vier Jahre plus zwei weitere Jahre mit Anschlusszusage) bleiben, davon könnte auch per Tarifvertrag nicht abgewichen werden.
Im sogenannten Zuleitungsschreiben, mit dem der Gesetzentwurf ins Kabinett geht, soll stattdessen stehen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Erweiterung der Tarifklausel im WissZeitVG in der Postdoc-Phase geprüft werden solle, und zwar um die Aspekte Höchstbefristungsdauer und Zeitpunkt der Anschlusszusage. Ziel dabei sei, so die Formulierung im Zuleitungsschreiben, "einen angemessen Zeitraum zur Qualifizierung zu gewährleisten und eine frühere Perspektive auf ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu eröffnen".
Doch ist der Weg bis zum Kabinettsbeschluss damit eben noch nicht zu Ende: Jetzt haben die übrigen Ministerien, inklusive Kanzleramt, noch einmal die Gelegenheit, auf den zwischen den zwischen BMBF, BMWK und BMAS vereinbarten Entwurf zu schauen, ebenso die Spitzen der Ampel-Koalition. Und an der Stelle könnte es erneut interessant werden: Denn eine Schlussfolgerung der Ampel aus ihrem Kommunikationsfiasko um das Gebäudeenergiegesetz hatte eigentlich darin bestanden, inhaltlich nicht geeinte Gesetze nicht mehr in den Bundestag zu schicken. Dass der Koalition dort beim WissZeitVG neben dem eigenen Streit ein medial wenig schmeichelhafter Überbietungswettbewerb durch die Opposition droht, ist absehbar.
Wackelt insofern der 27. März? Gut möglich. Heißt das, es kommt zu einer weiteren substanziellen Verzögerung, bis das Gesetz im Parlament aufschlägt? Schwer zu sagen. In der Obleute-Runde des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung zeigten sich die Koalitionsvertreter am Mittwochmorgen optimistisch, dass es, wenn nicht der 27. März, dann der 10. April werde. In der Woche dazwischen fällt die Kabinettssitzung osterbedingt aus.
"Verschärft die Probleme, die durch eine Reform eigentlich behoben werden sollten"
Aber was ist schon sicher in dem WissZeitVG-Gesetzverfahren? In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme von "#profsfuerhanna", einer schon vergangenes Jahr aktiven Adhoc-Initiative von Hochschullehrenden, heißt es, die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes führe vor, "wie Gesetzgebung nicht laufen sollte". Die Unterzeichner, darunter die Soziologinnen Paula-Irene Villa Braslavsky (München) und Tilman Reitz (Jena), der Philosoph Tobias Rosefeldt (Berlin) und die Historikerin Martina Winkler (Kiel), rekapitulieren: "Nachdem das zuständige Ministerium (BMBF)eine Evaluation beauftragt, zahlreiche Gespräche mit Beteiligten und Betroffenen geführt, einen vor einem Jahr lancierten Änderungsansatz nach Protesten wieder zurückgezogen und dann in einem notdürftig veränderten Referentenentwurf überführt hat, wurde nun die Kabinettsvorlage angekündigt."
Das Ergebnis sei mehr als enttäuschend: "Das Ministerium nimmt von der Vielzahl geäußerter Einsichten, Vorschläge und Argumente zur Reform oder Obsoletheit des WissZeitVG also schlechthin nichts auf und hält weiter an einem Plan fest, der die Situation für befristet Beschäftigte in der Wissenschaft sogar verschärft." Und weiter: "Eine bloße Verkürzung der Postdoc-Phase ohne begleitende Maßnahmen, die Verbindlichkeit schaffen und Prekariat abbauen, verschärft die Probleme, die durch eine Reform eigentlich behoben werden sollten."
Ähnlich hatte sich vorher schon die "#IchbinHanna"-Mitinitatorin Kristin Eichhorn geäußert. "Mit der Einigung innerhalb der Koalition hätte sich das BMBF unter dem Strich mit einem Entwurf durchgesetzt, mit dem für niemanden etwas gewonnen ist: Der Entwurf hätte Nachteile für Beschäftigte, Professor_innen, Studierende, wissenschaftliche Arbeitgeber; würde er Gesetz, würde das Lehre und Forschung massiv schädigen." Faire Arbeitsbedingungen als Teil eines zukunftsfähigen Wissenschaftssystems sähen anders aus, fügt Eichhorn im Newsletter der ebenfalls durch ihr "#IchbinHanna"-Engagement bekannt gewordenen Amrei Bahr hinzu. "Alle Kritikpunkte unserer Stellungnahme aus dem Juli 2023 könnten wir heute genauso wieder schreiben." Eine der vielen Stellungnahmen, die im Gesetzgebungsverfahren abgegeben worden waren.
"Spielball der fliegenden Kräfte im Parlament"
Unions-Wissenschaftspolitiker Jarzombek kommentiert: "Keiner in der Koalition kann überzeugend darlegen, warum den Regierungsfraktionen jetzt im Parlament gelingen sollte, was sie in der von ihr getragenen Bundesregierung in den letzten zweieinhalb Jahren nicht zustande bekommen haben." Sein Kollege Lars Rohwer, Berichterstatter der CDU/CSU für das WissZeitVG, sagt, das Gesetz werde durch das Vorgehen der Regierungskoalition "zu einem Spielball der fliegenden Kräfte im Parlament".
Genau das könnte freilich die Neigung der Ampelfraktionen, sich bald zu einigen, erhöhen. Denn weder SPD und Grüne noch FDP haben ein Interesse daran, sich dauerhaft bei dem Thema vorführen zu lassen, den Gesetzentwurf komplett scheitern zu lassen – oder ihn im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl immer noch auf dem Tisch zu haben. Was das für den Postdoc-Streit bedeutet – kaum vorherzusagen. Der forschungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Stephan Seiter, hatte am Sonntag das Verhandlungsergebnis von BMBF, BMWK und BMAS begrüßt und zugleich zu Protokoll gegeben, Prüfaufträge halte er "im Rahmen evidenzbasierter Politik für sinnvoll". Unterdessen kündigte der GEW-Vizevorsitzende Andreas Keller laut Research.Table neue Protestaktionen gegen die Gesetzespläne an. "Wir werden den Protest aus dem digitalen Raum auch auf die Straße bringen müssen."
Lesenswert an der BMBF-Antwort auf die parlamentarische Anfrage der Union sind übrigens noch die Ausführungen, wie Bettina Stark-Watzinger sich persönlich in Sachen WissZeitVG-Novellerierung engagiert habe: Die Ministerin habe seit September 2023 "persönlich zehn Gespräche mit ausdrücklichem und unmittelbarem Bezug zum Thema WissZeitVG geführt". Dies hätten insbesondere Besprechungen innerhalb des BMBF umfasst "sowie Gespräche im Rahmen der Abstimmung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Befristungsrechts für die Wissenschaft zwischen den Ressorts". Darüber hinaus habe die Ministerin das Thema in verschiedenen Kontexten angesprochen beziehungsweise sei darauf angesprochen worden. "Solche von der Bundesministerin geführten Gespräche – etwa am Rande von Veranstaltungen – werden nicht protokolliert und können daher nicht einzeln aufgeführt werden."
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In eigener Sache: Es geht so nicht mehr
Dieser Blog hat sich zu einer einschlägigen Adresse der Berichterstattung über die bundesweite Bildungs- und Wissenschaftspolitik entwickelt. Doch wirtschaftlich steht die Idee seiner freien Zugänglichkeit vor dem Scheitern.
Dazu hat auch ein bisher nicht dagewesener koordinierter Instrumenteneinsatz der Finanzpolitik, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik beigetragen, mit dem breite Schutzschirme sowohl für Unternehmen wie auch für Beschäftigte aufgespannt worden sind. Diese haben sowohl auf der Arbeitsnachfrage als auch auf der Arbeitsangebotsseite des Arbeitsmarktes angesetzt und die Beschäftigung deutlich stabilisiert. Eine erste Evaluation der Zielgenauigkeit der umfangreichen konjunktur- und arbeitsmarktstabilisierenden Maßnahmen neben dem Kurzarbeitergeld sind dies z.B. Sofort- und Überbrückungshilfen, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aber auch der erleichterte Zugang zur Grundsicherung für Selbständige steht aber noch aus. Wegen der finanziellen Dimensionen des Mitteleinsatzes lassen sich die ergriffenen Maßnahmen aber nicht unbegrenzt weiterführen. Jenseits der aktuellen Konjunkturstabilisierung gibt es daher zunehmend eine Debatte über strukturell wirkende Maßnahmen zur weiteren Stabilisierung des Arbeitsmarktes nach der Krise. Hier stehen sich im Kern zwei grundsätzliche Denkschulen gegenüber: Ein zentraler politischer Debattenstrang thematisiert die Wiederbelebung von Arbeitszeitverkürzungs- und Grundeinkommenskonzepten, ergänzt um weitergehende Rechtsansprüche für Beschäftigte, etwa im Bereich Home-Office und bei Weiterbildung und Qualifizierung. Ein anderer Debattenstrang zielt auf die Förderung flexibler Beschäftigungsformen und die Senkung der Einstellungsbarrieren für Unternehmen, etwa im Arbeitszeit-, Befristungs- und Selbständigkeitsrecht. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung wird kritisch bewertet, weil sie zu einer sinkenden Stundenproduktivität und steigenden Lohnstückkosten führt. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkt sich negativ auf das Arbeitsangebot aus und ist nicht finanzierbar. Ein Recht auf Homeoffice griffe in das Dispositionsrecht von Unternehmen ein. Die Regelungen zum Home-Office gehören vielmehr eindeutig auf die betriebliche Ebene. Hingegen kann eine verstärkte Weiterbildung positiv wirken. Mit Blick auf eine durch das Qualifizierungschancengesetz ohnehin verbreiterte Förderkulisse besteht aber neben einer fraglichen Effektivität die Gefahr von verstärkten Mitnahmeeffekten. Dies würde bei einem Recht auf Weiterbildung noch in besonderer Weise gelten. Zu prüfen sind demgegenüber eine temporäre Änderung des Befristungsrechts bei Neueinstellungen durch eine Aussetzung des Vorbeschäftigungsverbots, die Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der wöchentlichen Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten sowie die Erleichterung flexibler Beschäftigung, etwa durch eine Aussetzung der Höchstüberlassungsdauer in der Zeitarbeit und ein verändertes Statusfeststellungsverfahren bei der Abgrenzung abhängiger von selbständiger Beschäftigung. Für Existenzgründer ist wichtig, dass das bewährte Instrumentarium von Werk- und Dienstverträgen weiterhin werden kann. Auch der Einsatz von IT-Freelancern in Unterneh-men sollte erleichtert werden. ; The German labor market is being affected by the consequences of the corona crisis. This also threatens labor market outcomes, for example income distribution. In particular because of the strong use of short-time work, the increase in registered unemployment has so far been relatively low compared to the collapse in demand and production. A previously unprecedented coordinated use of financial, economic and labor market policy instruments has contributed to this, provding "protective shields" for both companies and employees. These have been targeted on both the labor demand and labor supply side and have so far stabilized production and employment significantly. An initial evaluation of the effectiveness and efficiency of the extensive measures to stabilize the economy is still pending. Because of the financial dimensions of the use of funds, the measures taken cannot be continued indefinitely. Beyond the current stabilization of the economy, there is therefore also an increasing debate about structural reform measures to further stabilize the labor market after the crisis. In essence, there are two fundamental schools of thought opposing each other: A central line of political debate is the revival of concepts for reducing working hours and introducing a universal basic income, supplemented by further legal claims for employees, for example in the home office area and in further training and qualification. Another line of debate aims to promote more flexible forms of employment and to lower the hiring barriers for companies, for example in working hours, fixed-term and self-employment law. On the labor supply side, a general reduction in working hours is viewed critically because it leads to falling hourly productivity and rising unit labor costs. An unconditional basic income has a negative effect on the labor supply and cannot be financed. A right to work from home interferes with the right of disposition of companies. The regulations on home office is clearly a matter of company level agreements. On the labor demand side, increased further training can have a positive effect. However, there is a risk of deadweight effects in view of a funding framework that has been broadened by the Qualification Opportunities Act. This would apply to a greater extent with a right to further training. In contrast, the relaxation of the right of fixed-term contracts for new hirings, the flexibilization of the Working Hours Act with regard to the maximum weekly working and minimum rest periods as well as the facilitation of flexible employment, e.g. by suspending the maximum duration period for temporary work and a changed status determination procedure for the delimitation against dependent employees should be discussed further.
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Drei Gründe, warum zwei Jahre Postdoc-Höchstbefristung verschiedene Nachteile und ganz sicher keinen Systemwechsel brächten. Ein Gastbeitrag von Anja Steinbeck.
Anja Steinbeck ist Rektorin der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz und Sprecherin der Mitgliedergruppe der Universitäten in der HRK.
Foto: HHU.
DIE HOFFNUNGEN, die mit der geplanten Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) verbunden wurden, gingen bisweilen weit über die Möglichkeiten des Gesetzes hinaus und waren daher überhöht. Ein Bundesgesetz, dass arbeitsrechtliche Befristungsmöglichkeiten regelt, ist nicht das richtige Werkzeug, um Karrieren in der Wissenschaft zu gestalten – schon gar nicht, wenn für wichtige institutionelle Rahmenbedingungen weitere Player verantwortlich sind: die Bundesländer, die Hochschulen und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Seit das BMBF im März Eckpunkte für eine Reform vorgelegt und innerhalb weniger Stunden wieder zurückgenommen hat, sind alle Beteiligten in der Realität angekommen. Damit möchte ich nicht sagen, dass das WissZeitVG nicht geeignet ist, eine Transformation anzustoßen oder zu flankieren, aber eine Reform des Befristungsrechts kann nicht mehr sein als ein erster Schritt, dem weitere Schritte folgen müssen.
Nun aber "zur Sache", die ich hier begrenzen möchte auf die Diskussion, ob Arbeitsverhältnisse in der Postdoc-Phase, die der Qualifizierung dienen, zwei Jahre oder vier Jahre sachgrundlos befristet werden sollten. In beiden Alternativen wäre eine weitere Befristung nur mit Anschlusszusage für den Fall der Erfüllung einer Zielvereinbarung erlaubt.
Um es vorweg zu sagen: Ich bin keine Freundin der Anschlusszusage in diesem Zusammenhang, weil sie in der Realität fast immer faktisch der Zusage einer Dauerstelle gleichkommt. Für jeden Postdoc muss eine konkrete Dauerstelle vorhanden sein, denn es ist ja nicht so, dass mehrere Postdocs eingestellt würden und nach Ablauf der Zielvereinbarung nur die/der Beste eine Dauerstelle erhielte.
Zwei Jahre wären in jedem Fall der falsche Weg, vier Jahre sind eine tragfähige Lösung
Vielmehr zeigen unsere Erfahrungen, die wir mit Juniorprofessuren mit Tenure-Track gemacht haben, dass die Verstetigungsquote sehr hoch ist. Warum sollte sie bei fair gestalteten Zielvereinbarungen im Postdoc-Bereich niedriger ausfallen? Zumal die Ziele wohl eher weniger anspruchsvoll sein sollten, denn die Anschlusszusage bezieht sich nicht nicht auf eine W2- oder W3-Professur, sondern auf eine Dauerstelle als wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in. Dass diese Ziele unter Umständen inhaltlich gar nicht mit der Weiterbefähigung zu Professur kompatibel sind, ist ein weiteres Problem.
Bleibt also die Frage: zwei oder vier Jahre Befristung ohne Anschlusszusage? Meine Antwort: Zwei Jahre wären in jedem Fall der falsche Weg, vier Jahre sind eine tragfähige Lösung. Dafür sprechen drei Gründe.
1. Die Zwei-Jahres-Lösung verliert den Sinn und Zweck der Postdoc-Phase völlig aus dem Blick. Mit der Promotion hat man seine Fähigkeit zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten, begleitet durch einen Betreuer oder eine Betreuerin, unter Beweis gestellt. Die anschließende Postdoc-Phase dient dazu, ein eigenes wissenschaftliches Profil zu entwickeln. Dieses Profil ist die Grundlage für die Bewerbung auf eine Juniorprofessur oder eine Professur. Erkennt man diesen Sinn und Zweck der Postdoc-Phase an, wird offensichtlich, dass zwei Jahre nicht genügen – insbesondere nicht in experimentellen Fächern. Auch die vier Jahre, die unser Vorschlag als Hochschulrektorenkonferenz waren und die jetzt im BMBF-Referentenentwurf stehen, sind knapp – aber eben ein Kompromiss, bei dem ich optimistisch bin, dass sie den Sinn der Postdoc-Phase noch erfüllen können.
Meines Erachtens wissen auch die Vertreter*innen der Zwei-Jahres-Lösung um ihre mangelnde Eignung zur wissenschaftlichen Profilbildung. Aber ihnen geht es gar nicht um eine sinnvoll gestaltete Postdoc-Phase, sondern darum, mit der WissZeitVG-Reform diese Phase sachwidrig so zu verkürzen, dass es zu einem "Kipppunkt für einen Systemwechsel" kommt. Die Erwartung ist, dass eine zweijährige Befristung so unattraktiv ist, dass die Hochschulen alle Postdocs gezwungenermaßen zunächst mit einer Zielvereinbarung und anschließend dauerhaft beschäftigen.
2. Der mit der Zwei-Jahres-Lösung erhoffte "Systemwechsel" wäre – wenn er eintreten würde – verhängnisvoll für die Wissenschaft. Warum die Aufregung, könnte man fragen. Es wäre doch möglich, das eigene wissenschaftliche Profil ab dem dritten Jahr auf einer Stelle mit Zielvereinbarung zu entwickeln. Dies würde allerdings dazu führen, dass (eine Übergangsfrist der neuen Regelung von zwei Jahren unterstellt und die Laufzeit der vierjährigen Zielvereinbarung eingerechnet) innerhalb von 8 bis neun Jahren alle Postdoc-Stellen dauerhaft besetzt wären.
Für kommende Postdocs würde erst Platz, wenn und soweit die Inhaber der Dauerstellen einen Ruf auf eine Professur erhielten oder die Wissenschaft – trotz Dauerstelle – verließen. Es ist eine durch nichts belegte und zudem eher unwahrscheinliche Prognose, dass Dauerstellen in größerem Umfang frei würden, weil deren Inhaber "innerhalb des Systems" wechseln. Zum einen wird es wohl eher selten vorkommen, dass jemand eine Mittelbaustelle für eine andere tauscht. Zum anderen werden für nachrückende Generationen keine Stellen frei, solange die Inhaber der Dauerstellen nur innerhalb des Systems wechseln.
Man kann ein solches "Generationenargument" immer wieder als "olle falsche Kamelle" bezeichnen. Richtig bleibt es trotzdem. Das haben auch einige Vertreter*innen von "#IchbinHanna" eingesehen und sich daher für Höchstgrenzen für befristete Arbeitsverhältnisse ausgesprochen. Das wäre aus meiner Sicht ein gangbarer Weg, wobei hier der Teufel im Detail steckt, da die Verhältnisse in den einzelnen Fachkulturen sehr unterschiedlich sind. Zudem ist das WissZeitVG hierfür nicht der richtige Ort.
3. Die zwangsläufige Folge: Das Zwei-Jahres-Modell wird – eben weil seine nachteiligen Wirkungen offensichtlich sind – den erhofften Systemwechsel nicht bringen. Die Universitäten werden nach zwei Jahren Befristung keine Zielvereinbarung mit Anschlusszusagen abschließen. Sie sehen sich in der Verantwortung, dafür Sorgen zu tragen, dass für jede Generation ausreichend Stellen vorhanden sind. Ausreichend Stellen, damit Promovierte sich entwickeln können –hin zu einer Professur oder zu einer Karriere neben der Professur, und zwar innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft.
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Was der Bundesrat zur geplanten WissZeitVG-Novelle sagt und wie die Ampelfraktionen darauf reagieren.
Fotos: pilot_micha, CC BY-NC 2.0. /PxHere, CC0.
VORAUSSICHTLICH ANFANG JUNI steht die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) zur ersten Lesung im Bundestag an, jetzt hat sich der Bundesrat zu dem vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf positioniert.
Während vor allem der SPD im Bundestag die vorgesehene Verkürzung der Postdoc-Höchstbefristungsdauer nach der Promotion auf vier Jahre (plus zwei weitere Jahre mit Anschlusszusage) nicht ausreicht, fordert die Länderkammer sogar eine Beibehaltung der geltenden Regelung wenigstens für Habilitanden. Wörtlich heißt es in der am vergangenen Freitag beschlossenen Stellungnahme: "Der Bundesrat regt an, zumindest für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich auf klassischem Wege habilitieren, eine Option zu schaffen, auch ohne Anschlusszusage die Höchstbefristungsdauer für die Post-Doc-Phase weiterhin bei sechs Jahren zu belassen."
Der Streit um die Höchstbefristungsdauer hatte sich innerhalb der Ampel-Koalition über Monate hingezogen und dazu geführt, dass FDP-Bundesforschungsministerin Bettina Stark Watzinger im vergangenen Sommer einen WissZeitVG-Entwurf vorgelegt hatte, der in diesem zentralen Punkt nicht die Zustimmung ihrer Ampel-Koalitionspartner gefunden hatte.
Auch die geplante teilweise Abschaffung der Tarifsperre im WissZeitVG lehnt der Bundesrat ab, die bislang Vereinbarungen zwischen den Tarifparteien für den wissenschaftlichen Arbeitsmarkt verhindert. Durch die Tarifsperre werde "einer Zersplitterung des Wissenschaftssystems" durch unterschiedliche Regelungen in den Ländern vorgebeugt und die Übergänge und Wechselmöglichkeiten innerhalb der Wissenschaft zwischen Hochschulen und zu außerhochschulischen Forschungseinrichtungen würden gewährleistet, argumentieren die Länder.
Bundesrat: "Sachfremde Einflüsse abwehren"
Und weiter: "Die Auslagerung des speziellen wissenschaftlichen Befristungsrechts in befristete und bundesweit uneinheitliche Tarifverträge würde die Wissenschaft als Arbeitsfeld und Berufsbild deutlich schwächen." Im Interesse "der Erhaltung eines international wettbewerbsfähigen hochkompetitiven Wissenschaftssystems" seien "sachfremde Einflüsse" daher möglichst abzuwehren.
Was mit "sachfremden Einflüssen" gemeint ist, lässt die Stellungnahme offen, doch dürfte die Formulierung vor allem auf Beschäftigteninitativen wie "#IchbinHanna" gemünzt sein, die in den vergangenen Jahren einen hohen öffentlichen Reformdruck Richtung Politik aufgebaut hatten.
Pikant ist die Ablehnung einer WissZeitVG-Tariföffnungsklausel auch deshalb, weil das BMBF seine Version der Novelle überhaupt nur durchs Kabinett bekommen hatte, nachdem es einen Kompromiss mit dem grün geführten Wirtschaftsministerium und dem SPD-Arbeitsministerium geschlossen hatte. Im sogenannten Zuleitungsschreiben, mit dem der Entwurf ins Kabinett ging, stand daraufhin die Ankündigung, dass "im weiteren Gesetzgebungsverfahren" sogar noch eine Erweiterung der Tarifklausel im WissZeitVG geprüft werden solle, und zwar um die Aspekte Postdoc-Höchstbefristungsdauer und Zeitpunkt der Anschlusszusage. Doch der Bundesrat sagt nun: Schon die bislang vorgesehene Öffnung muss weg.
Anschlusszusage und Weiterqualifikation
Zum Begriff der "Anschlusszusage" mahnen die Länder unterdessen eine Klarstellung an. Bislang werde im Gesetz lediglich ausgeführt, dass eine weitere Befristung für höchstens zwei weitere Jahre zulässig sei, wenn "diese mit einer Zusage zum anschließenden Abschluss eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses verbunden ist (Anschlusszusage) für den Fall, dass bei Abschluss des Vertrags vereinbarte wissenschaftliche Leistungen (Zielvereinbarungen) erreicht werden". Ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis, führen die Länder aus, könne aber auch das einer wissenschaftlichen Hilfskraft sein. "Gemeint sein dürfte eher eine Stelle im Bereich der akademischen Lehre, Wissenschaftsverwaltung oder gar eine Professur."
Schließlich hinterfragt der Bundesrat, warum es bei Stellen in der Lehre und Wissenschaftsverwaltung überhaupt einer vierjährigen Weiterqualifikation nach der Promotion bedürfe, zumal bei entsprechenden Beamten wie Akademischen Räten lediglich der Doktorgrad als Laufbahnerfordernis verlangt werde.
Nun gehört das Wissenschaftszeitvertragsgesetz nicht zu den zustimmungspflichtigen Gesetzen, das heißt: Der Bundestag kann seine Vorstellungen auch so, die nötigen Mehrheiten vorausgesetzt, durchsetzen, ohne mögliche Forderungen der Länder zu berücksichtigen. Allerdings sieht es nach der Bundesrats-Stellungnahme noch weniger als zuvor nach Einigkeit zwischen den Ampelfraktionen aus.
FDP: Auf die vielen Warnungen aus der Wissenschaft hören
Jüngste Entwicklung: Der forschungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Seiter, lehnt jetzt jegliche Verkürzung der Befristungshöchstdauer ab, also auch die vier plus zwei Jahre, wie sie das FDP-Bundesforschungsministerium in den Gesetzentwurf geschrieben hat. "Das Beste wäre jetzt, wir ermöglichen auch weiterhin eine Qualifizierungsbefristungshöchstdauer von sechs Jahren für Post-Docs und konzentrieren uns auf die vielen guten Elemente des Gesetzes, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Lage beitragen", sagt Seiter. "So werden wir den unterschiedlichen Fächerkulturen gerecht, bleiben als Wissenschaftsstandort international anschlussfähig und geben jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern genug Zeit und Flexibilität für ihren individuellen Karriereweg."
Seiter verweist auf die Stellungnahme des Bundesrates, der die Forderung "nach einer drastischen Reduzierung der Qualifizierungsbefristungshöchstdauer für Post-Docs" hinterfrage. Vor allem aber beruft sich Seiter auf "die Reaktionen der wissenschaftlichen Berufsverbände, Arbeitnehmervertretungen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf den WissZeit-VG-Regierungsentwurf", die wiederholten, "wovor die FDP-Fraktion ihre Koalitionspartner im Bundestag immer gewarnt hat: Eine übermäßige Verkürzung der Höchstbefristungsdauer in der Post-Doc-Phase erhöht den Druck auf Forschende und raubt ihnen Zeit für die wissenschaftliche Qualifizierung und Profilierung."
Tatsächlich hatten viele Forschungseinrichtungen, Hochschulverbünde und Fachgesellschaften schon die "vier plus zwei" als zu kurz und zu starr kritisiert. Es werde in vielen Disziplinen lediglich der Druck auf die jungen Wissenschaftler in der Qualifikationsphase erhöht, es entstünden durch das Gesetz keine neuen Stellen und Beschäftigungschancen, sondern die Abwanderung von Talenten ins Ausland stehe zu befürchten.
So oder ähnlich argumentierten unter anderem die Fachgesellschaften für Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft, der Historikerverband und – abgestuft nach Fächern – in einer gemeinsamen Stellungnahme zahlreiche Fachgesellschaften im Bereich der Natur- und Lebenswissenschaften. Auch die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hatte gewarnt, für den Weg zur Professur oder vergleichbaren Positionen seien zwei Jahre nach Abschluss der vierjährigen Postdoc-Phase zu kurz.
"#IchbinHanna" erinnert an seine Anfänge
Demgegenüber forderten Verdi und die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, es dürfe keinerlei Befristung mehr ohne Anschlusszusage geben, und "#IchbinHanna" setzte sich für zwei Jahre Postdoc-Befristung, gefolgt von weiteren vier Jahren nur nach Anschlusszusage ein.
Entsprechend fällt nun die Reaktion von "#IchbinHanna" aus: Der Bundesrat hinterfrage zu Recht die Ausgestaltung der Anschlusszusage wie auch die Notwendigkeit einer weiteren Qualifikationsbefristung. Die lasse sich dann allerdings auch für die Habilitation nicht rechtfertigen, denn die sei eine "berufsinterne Weiterentwicklung, keine Ausbildung für den allgemeinen Arbeitsmarkt, dort schadet sie eher, als dass sie nützt".
Harsche Kritik übt die Intiative dagegen an der Forderung, die sechs Jahre Postdoc-Höchstbefristungsdauer beizubehalten. Diese sei nicht im Interesse der Beschäftigen. "#IchBinHanna" habe ja gerade mit der Kritik an dieser langen Befristungsdauer begonnen, sagt Mitinitiatorin Kristin Eichhorn. "Wir erwarten von SPD und Grünen, dass sie ihre Absichtsbekundungen bezüglich einer klaren Begrenzung der Befristung in der Wissenschaft nicht der Blockadehaltung des BMBF opfern." Unbestritten bleibe das Ziel der WissZeitVG-Reform: Befristung effektiv reduzieren. Gut dazu geeignet ist eine Befristungshöchstquote." Von der in der Bundesrats-Stellungnahme jedoch nicht die Rede ist.
SPD und Grüne sind sich auch nichts eins
Und was sagen SPD und Grüne? Wenn der Bundesrat erkläre, es bleibe die "Frage offen, warum es bei Stellen in der Lehre und Wissenschaftsverwaltung der vierjährigen Weiterqualifikation überhaupt bedarf", dann, so sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Carolin Wagner, "bleibt umgekehrt die Frage offen, warum ein ganz erheblicher Anteil der Aufgaben in Forschung und Lehre von befristeten Beschäftigten vorgenommen wird und nicht zu einem erheblichen Anteil mit erfolgter Promotion unbefristete Arbeitsverträge geschlossen werden."
Und Wagner fügt hinzu: "Sollte im Bundesrat Einigkeit herrschen in der
Einschätzung, dass WissenschaftlerInnen für eine Stelle im akademischen Mittelbau direkt nach der Promotion entfristet beschäftigt werden sollten, dann stimme ich dem in jedem Fall zu. Dann sollten die Länder aber auch dementsprechend handeln und mehr unbefristete Beschäftigung im akademischen Mittelbau schaffen!"
Auf die Warnung des Bundesrats, ohne eine Tarifsperre drohe eine Zersplitterung des Wissenschaftssystems, sagt Wagner, diese sei "weder zu erkennen noch erklärtes Ziel der Gewerkschaften". Es gebe länderseitig im öffentlichen Dienst genau zwei Tarifverträge: den des Landes Hessen und den der Tarifgemeinschaft der (übrigen) Länder. "Es ist nicht davon auszugehen, dass Hessen Sonderwege einschlagen wird, die die hessische Hochschulen und Einrichtungen inkompatibel mit dem Rest der Republik machen würden."
Die SPD werde im parlamentarischen Verfahren weiter für den Wegfall der Tarifsperre kämpfen und dafür, dass die Anschlusszusage früher als vier Jahre nach der Promotion erfolgt. Nach der Neupositionierung der FDP fällt es einem indes noch schwerer, sich einen Kompromiss vorzustellen.
Die grüne Wissenschaftspolitikerin Laura Kraft sagt, Bundesrat erkenne wesentliche Verbesserungen durch die geplante Novelle an, etwa die Einführung von Mindestvertragslaufzeiten oder wichtige Neuerungen für studentische Beschäftigte. Zugleich sei es nicht überraschend, dass die vorgeschlagene Höchstbefristung kritisiert werde. "Meines Erachtens nach würde eine 4+2-Regel die Situation von Beschäftigten verschlechtern, und das ist nicht akzeptabel. Die Länder sehen das offenbar ähnlich."
Auch aus Wissenschaftscommunity kämen wir zahlreiche Zuschriften, die "4+2" klar ablehnten. "Die einzelnen Aspekte der Stellungnahmen werden wir sorgfältig im parlamentarischen Verfahren einbeziehen", sagt Kraft. "Denn am Ende taugt das WissZeitVG nicht für politische Formelkompromisse, sondern muss in sich konsistent, sachgerecht und in der Praxis umsetzbar sein. Das sollten alle spätestens seit der nervenaufreibenden Diskussion rund um die Eckpunkte und den Referentenentwurf verstanden haben."
Klingt eher auch bei Kraft nach der Tendenz: länger als vier Jahre. Doch während FDP-Politiker Seiter jetzt eine Beibehaltung der bisher sechs Jahre fordert, hält sich die Grüne Kraft diesbezüglich bedeckt. Klar ist: Die "4+2" im Gesetzentwurf scheint inzwischen keiner der Ampel-Partner mehr zu wollen.
Was der Bundesrat sonst noch zum WissZeitVG-Entwurf sagt
Die Länderkammer unterstützt zugleich zahlreiche der im Regierungsentwurf vorgesehenen Änderungen, etwa die vorgesehen Einführung von Mindestvertragslaufzeiten für Doktoranden (drei Jahre) und Postdocs (zwei Jahre). Auch die geplante Verlängerung der Befristungsdauer bei der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger sei ein sinnvoller Belastungsausgleich.
Ebenso begrüßt der Bundesrat die Erweiterung der Höchstbefristungsdauer für studienbegleitende Hilfstätigkeiten auf acht Jahre. So können Studierende auch bei Überschreiten der Regelstudienzeiten oder im Rahmen eines weiteren Studiums ihre Nebentätigkeit fortführen, anstatt womöglich ausgerechnet in der Abschlussphase ihres Studiums eine neue Erwerbsquelle suchen zu
müssen. "Mit Sorge" blicken die Länder in ihrer Stellungnahme dagegen "auf die Auswirkungen, die ein Vorrang der Qualifizierungsbefristung vor der Drittmittelbefristung haben könnte". So müsse geprüft werden werden, ob der Vorrang auch bei Drittmittelvorhaben gelte, die gar kein Qualifizierungsziel verfolgen. Nicht wenige Drittmittelstellen sähen strukturell kein Qualifikationsziel vor, insbesondere bei FuE-Verträgen von Wissenschaftseinrichtungen mit Unternehmen.
Schließlich kritisiert der Bundesrat, die Angaben der Bundesregierung zu den finanziellen Auswirkung auf die Landeshaushalte seien in Teilen nicht validierbar, unrealistisch oder nicht zutreffend.
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