In: Soziale Ungleichheit, kulturelle Unterschiede: Verhandlungen des 32. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in München. Teilbd. 1 und 2, S. 579-592
"Körper sind dankbare Projektionsflächen: In Körper schreiben sich Attraktivitätsnormen oder auch die Vorstellung der Verschiedenheit genau zweier Geschlechter ebenso ein wie über den Körper die Wirkung nach außen inszeniert und die gesellschaftliche Struktur der Zweigeschlechtlichkeit realisiert wird. Eine solche gleichzeitige Verkörperung von Gesellschaft und Vergesellschaftung von Körper bezeichne ich als bodification. Damit ist der Körper auch empfänglich für mediale, wissenschaftliche und milieuspezifische Überformungen, die das eigene Handeln orientieren und leiten. Vor allem sind es sozial geteilte Konstruktionen rund um die Bedeutung von Körper( lichkeit), die tief in das Alltagswissen um Selbst und Körper eingelassen - eben verkörpert sind. Zur Rekonstruktion einiger kulturell differenzierender Verkörperungen wähle ich als empirisches Untersuchungsfeld das gänzlich profane 'Sich schön machen'. Dabei handelt es sich um eine körpernahe Handlungspraxis, die mit, auf und im Körper stattfindet. Gleichwohl geht es mir nicht um Schönheit als ästhetische Kategorie, sondern um Schönheitshandeln als einem Akt der sozialen Positionierung. Das nenne ich beautification: Schönheitshandeln ist ein Medium der Kommunikation, das der Inszenierung der eigenen Außenwirkung zum Zweck der Erlangung von Aufmerksamkeit und Sicherung der eigenen Identität dient und zugleich ein sozialer Prozess, in dem Menschen versuchen, soziale (Anerkennungs-)Effekte zu erzielen. Vor diesem Hintergrund will ich in meinem Beitrag zeigen, wie verkörpertes Schönheitshandeln kulturelle und soziale Differenzen produziert. Dazu stütze ich mich auf 30 Diskussionen mit Gruppen unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sexueller Orientierung und sozialer Lage, die sich mit dem Thema 'sich schön machen' auseinandergesetzt haben. Die Argumentation entwickle ich in drei Schritten: Erstens sind Praxen verkörperten Schönheitshandelns mit spezifischen Normalitätsvorstellungen verknüpft, die sich bei genauerem Hinsehen als Ideologien privaten Schönheitshandelns ('schön mache ich mich für mich und nicht für die anderen') und/oder als Naturalisierungen von Männlichkeits- und Weiblichkeitskonstruktionen entpuppen. Zweitens werden zur Schaffung sozialer Unterschiede Reflexions- und Artikulationsfähigkeit bzw. Sprachkompetenzen relevant. Dies ist - so die Beobachtung bei einigen Gruppen - beim Reden über Sexualität der Fall, das Ansätze der Entideologisierung privaten Schönheitshandelns und der Entnaturalisierung von Geschlecht enthält. Drittens laufen in diesen Fällen kulturelle und soziale Differenzierungen nicht oder nur nachgeordnet über Geschlecht, sozialen Status, Ethnizität oder Alter, sondern über die Bewusstheit und Reflexion der Konstruiertheit von Geschlecht und Sexualität. Dabei hat - so eine weitere Beobachtung - die Fähigkeit und Bereitschaft, über Sexualität zu sprechen, mit der Marginalisierung nicht-heteronormativer Lebensformen zu tun." (Autorenreferat)
Inhalt: EINLEITUNG (Brinckmann, Hans: Profil und Perspektive - 25 Jahre Universität Gesamthochschule Kassel). - GRÜNDUNGS- PERSPEKTIVEN (Nautz, Jürgen: Die historische Chance. Zur Entstehungsgeschichte der Gesamthochschule in Kassel. - Demokratie - Bildung - Hochschule. Ein Interview mit Friedeburg, Ludwig von und Oehler, Christoph - geführt von Ulbricht-Hopf, Annette. - Hohmann-Dennhardt, Christine: Modell GhK? Die Gesamthochschule Kassel als Herausforderung an die Hochschulpolitik). - FACH-KULTUREN (Gildemeister, Regine: Prekäre Grenzen. Zur akademischen Kultur in der GhK aus der Sicht einer neuberufenen Hochschullehrerin. - Weiß, Johannes: Schlegel, Comte, Marx und der Geist der "GhK". Zur Dialektik der Versozialwissenschaftlichung einer Universität. - Wie männlich ist das Reformmodell? Zur Entwicklung der Frauenforschung an der GhK. Ein Gespräch zwischen Bohnacker, Anke - Eckart, Christel - Neusel, Ayla - Robak, Brigitte - Schottroff, Luise - Schüngel-Straumann, Helen - Wunder, Heide. - Hellstern, Gerd-Michael: Impulse für die Region? Die Ausbildung von Ökonomen im Wandel. - Neuner, Gerhard: Kontinuität und Wandel. Von der OE II zu den Fachbereichen Anglistik/Romanistik und Germanistik. - Kleinkauf, Werner: Gestalten oder nachvollziehen? Aspekte zur Entwicklung der Ingenieurwissenschaften an der GhK. - Fricke, Burkhard: Halbzeit. Zum Aufbau der Naturwissenschaften und der Mathematik in Forschung und Lehre. - Becker, Barbara/Bichler, Hans/Jutzi, Samuel C.: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein... Ein Versuch über die Agrar- und Umweltwissenschaften an der GhK. - Kramer, Harry: Z. Die Geschichte eines ganz normalen Idioten. Die Kunst an der GhK aus der Sicht eines emeritierten Kunsthochschullehrers). - GHK-PROFILE (Bieber, Hans-Joachim/Kohnke Godt, Beatrix: Profil in Bewegung. Zur Studien- und Forschungsentwicklung an der GhK. - Teichler, Ulrich: Zwischen Exotik und Notwendigkeit. Internationalität und internationale Beziehungen der GhK. - Gorzka, Gabriele/Schreiber, Lothar: Auf dem Weg zur doktorvaterlosen Gesellschaft? Ein Dialog zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses an der GhK. - Bockhorst, Elke: Praxis großgeschrieben. Projektstudium und berufspraktische Studien am Beispiel Architektur. - Fuchs, Thomas: Lehre und Forschung verbinden. Erfahrungen aus einer Forschungsgruppe in der Stadt- und Landschaftsplanung. - Lipschik, Anja: Wo sind sie geblieben? Kasseler Absolvent(innen) der Wirtschaftswissenschaften im Beruf) ...
Automatismen sind Techniken, Routinen und Praktiken, die sich einer bewussten und zentralen Steuerung entziehen und doch in medialen, kulturellen und sozialen Prozessen zur Entstehung und Verfestigung von Strukturen beitragen. Das Graduiertenkolleg "Automatismen" der Universität Paderborn hat entsprechende Mechanismen vor dem Hintergrund der Strukturentstehung und als Kulturtechniken zur Reduzierung von Komplexität untersucht. Der vorliegende Abschlussband der Schriftenreihe des Kollegs fragt danach, ob, und wenn ja, inwiefern Automatismen in künstlerischen, politischen und ökonomischen Prozessen auch zur Auflösung und Zersetzung von Strukturen beitragen können – etwa in regelhaft auftretenden Prozessen der Erosion, der Abnutzung im Gebrauch, des Formverlusts, des Verfalls oder der Dekomposition. ; Norbert Otto Eke, Patrick Hohlweck: Zersetzung. Automatismen und Strukturauflösung Reflexion/Autodestruktion Hartmut Winkler: Auflösen und Zersetzen von Bewusstheit. Nachtrag zur wissenschaftlichen und politischen Relevanz der Automatismen-Forschung Hannelore Bublitz: Automatismen - (Kultur-)Techniken der Strukturbildung und Strukturzersetzung Timo Kaerlein: Zwischen unsichtbarer Hand und Tragik der Allmende. Zum Katastrophischen der Automatismen Christian Köhler: Rückkopplungen. Automatismen-Forschung als kybernetische Wissenschaft Tobias Conradi: Verteilte Entscheidung – zersetzte Verantwortung? Automatismen und das 'Problem of Many Hands' Individuation/Distribution Christian Dries: Urteilskraftmaschinen. Über Tätersubjektivierung im 'Dritten Reich' Cristina Besio: Organisationale Devianz. Schleichende Veränderungen durch Wiederholung in Organisationen Matthias Fuchs: Automatismen der Normalisierung und die heteronormative Ordnung der Gesellschaft – zwischen Strukturentstehung, -erhalt und -auflösung Oliver Leistert: Relationen der Auflösung sind Relationen der Konstituierung – zur Individuation und zum Verhältnis von Transindividuellem und Interindividuellem nach Gilbert Simondon Anne Schreiber: The Secrets of Management. Mechanismen der Strukturentstehung und Zersetzung in der Physiologie Anfang des 20. Jahrhunderts Erosion/Poiesis Martina Leeker: Mit Zer/Setzungen in Performances mit und von Technologie auf dem Weg zu digitalen Kulturen Norbert Otto Eke: Zersetzung(en) dramatischer Ordnung: Marlene Streeruwitz und Rainald Goetz Renate Wieser: Sind Künstler_innen kreativ? Überlegungen zur Karriere des Begriffs Kreativität, zu visuellen Strategien und zu gezielten Suchbewegungen im urbanen Raum Annette Brauerhoch: A Matter of A-Signification
Den Visitationen am Reichskammergericht (RKG) wurden in letzter Zeit zwei unterschiedliche wissenschaftliche Untersuchungen gewidmet. Während Alexander Denzler den Aussagewert medialer Schriftkultur im "Schriftalltag" am Beispiel der letzten Visitation des RKGs (1767–1776) untersucht hat,1 widmet sich Anette Baumann als quellenversierte langjährige Leiterin der "Forschungsstelle der Gesellschaft für Reichskammergerichtsforschung" in Wetzlar den Visitationen von 1529–1588.2 Sie werden von ihr als "Expertentreffen" von Juristen interpretiert, die auch für das Verfassungsverständnis im Alten Reich bedeutsam sind. Das tragende Quellenmaterial bildet – neben einschlägiger Sekundärliteratur – vor allem der reiche Korrespondenz- und Aktenbestand im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Gestalt von Visitationsabschieden, Protokollen, Korrespondenzen, Vollmachten, Gutachten, Voten, Ladungen, Instruktionen, Gravamina, Fragebögen, persönlichen Notizen, Schreiben, Berichten und Augenscheinkarten,3 die das analysierte Schriftgut der Visitationen repräsentieren. Mit Hilfe einer erstellten Datenbank, die übrigens verschiedenen Forschungsinstitutionen – darunter auch dem MPI für europäische Rechtsgeschichte – zur Verfügung steht, ist es Baumann möglich, in den Beständen gezielt "nach Visitationsbelangen zu suchen" (17). Ziel ihrer gründlichen Untersuchung ist es, die Arbeit der Visitationskommission (VK) in dem "komplexen Kommunikationsprozess" (5) aufzuhellen, in dessen Mittelpunkt die VK stand – eingebettet in das Beziehungsgeflecht zwischen Kaiser, Reichsständen, Reichstag und Reichskammergericht (RKG). Durch die Reichskammergerichtsordnung von 1521 war die Kommission erstmals als "Visitation" reichsgesetzlich eingesetzt worden, um als Kontrollorgan einerseits das RKG finanziell zu sichern und andererseits die Abstellung von "Gebrechen" zu garantieren, d.h. das Gericht arbeitsfähig zu machen und zu erhalten. Die VK war somit eine Institution des Alten Reiches, die ursprünglich zur jährlichen Kontrolle bestimmt war. Eingesetzt von Kaiser und Reichsständen stand sie im Spannungsverhältnis politischer und konfessioneller Konstellationen auf dem Reichstag. Folgerichtig legt Baumann ihre Untersuchung auch weniger als Institutionengeschichte an, sondern als eine Darstellung von Reichsverfassungspraxis am Beispiel der VK. Aus dem reichen Archivmaterial werden die "Kommunikationsprozesse" herausdestilliert, um auf verfassungsmäßige Regelhaftigkeiten als Ordnungskategorien der Visitationsverfahren schließen zu können. Dabei stellt sich immer die Frage, ob die beobachteten Verfahren zu rechtlicher "Verfassung" geronnen sind oder sich noch im vorrechtlichen Raum ritualisierter Verfasstheit bewegen. So gesehen bietet das geschilderte Geschehen um die und in der VK einen Blick in das Laboratorium über die Entwicklung rechtlicher und politischer Regelungs- und Verfassungsprozesse. .
"Die Autoren greifen die Theorie der reflexiven Modernisierung auf, die insbesondere von Beck, Giddens und Lash formuliert wurde. Gleich zu Beginn ihres Beitrags stellen die Autoren klar, dass Zukunftsprognosen von dieser Theorie nicht zu erwarten sind. Dies hat einen guten Grund: Die reflexive oder auch zweite Moderne versteht sich als Spätphase des Modernisierungsprozesses, bei dem sich die modernen Ideale wie Bildung, Bürgerrechte, Emanzipation, ökonomischer Fortschritt, National- und Wohlfahrtsstaat sowie Vollbeschäftigung im allmählichen Auflösungsprozess befinden. Gerade durch deren Institutionalisierung sind Probleme wie Arbeitslosigkeit und Armut, Auflösung traditioneller Bindungen und Verlust der Lebensmittelpunkte, Umweltverschmutzung, Bürokratie, Kollaps der Sozialsysteme und hohe Staatsschulden im Sinne von unbeabsichtigten, aber weitreichenden Nebenfolgen entstanden. Diese müssen ihrerseits durch einen neuen, selbstbezüglichen Modernisierungsprozess überwunden werden. So wie die beschriebenen Nebenfolgen vor deren Eintreten nicht prognostizierbar waren, können auch künftige Emergenzentwicklungen nicht vorhergesagt werden. Dies liegt nicht nur an der Nichtprognostizierbarkeit der Zukunft (insbesondere Giddens betont, dass der historische und zukünftige Entwicklungsverlauf keiner deterministischen Logik gehorcht und daher offen ist), sondern auch an der durch die zunehmende soziale und technologische Komplexität fortschreitende Erosion der Wissensbasis und Entstehung von Alternativwahrheiten, auf deren Grundlage keine sicheren Entscheidungen mehr getroffen werden können. In dieser Situation schreiben Beck et al. weder den Individuen noch dem Staat die Möglichkeit zu, den Wandel gestalten zu können. Vielmehr sehen sie das Veränderungspotenzial 'dazwischen', namentlich bei sozialen Bewegungen. Hieran anknüpfend und über die eigentliche Theorie der reflexiven Moderne hinausgehend, integrieren die Autoren Überlegungen von Dewey und Latour in das bestehende Gedankengebäude. Sie widmen sich den konkreten Handlungsmustern, die zur Lösung moderner Probleme eingesetzt werden können. Anstelle des traditionellen direkten oder repräsentativen demokratischen Abstimmungsprozesses wird ein jeweils themenzentrierter, mehrstufiger und inkrementeller Lösungs- und Lernprozess ('Demokratischer Experimentalismus') als zielführend angesehen, bei dem laienhafte Meinungen und wissenschaftliche Fachexpertise zusammengeführt werden. Aus Sicht der reflexiven Moderne kann es entweder zu einer Intensivierung staatlicher Kontrolle oder zu einer Stärkung demokratischer Öffentlichkeiten kommen (Szenarien). Aus Sicht der Autoren sind es in der 'dritten Moderne' angesichts der technologischen Entwicklungen im Internet (soziale Netzwerke, Enthüllungsplattformen etc.) eher die transnationalen Experimentiergemeinschaften, die den künftigen sozialen Wandel - hin zu wünschenswerten Zukünften - steuern." (Autorenreferat)
Die wissenschaftliche Erforschung von Kindheitsbelastungen ist ein relativ junges Gebiet. Wie wir heute wissen, prägt kein anderer Lebensabschnitt den Menschen und damit unsere Kultur in stärkerem Ausmaß. So überrascht beinahe, wie anders die Sichtweise in unserer Vergangenheit war. Bis ins Mittelalter galt ein Kinderleben, wenn es nicht gerade adelige Erberwartungen trug, nicht viel. Und selbst dann war ein sächlicher Umgang mit ihm, z. B. in der Heiratspolitik, die Regel. J.-J. Rousseau (1712-1778) illustriert die Wertlosigkeit des Kindes noch im Zeitalter der Aufklärung: Der Mensch ist von seiner Natur her weder gut noch böse, kaum mehr als ein Tier; seine idealistische Konzeption der Erziehung, die für das Kind eine Art Selbstfindung wird, verhindert nicht, dass Rousseau seine eigenen fünf Kinder im Pariser Findelhaus abgab. Sie störten ihn beim Schreiben. So wurde der Wert eines Kindes vor allem in der ärmeren Bevölkerung weitgehend von seiner Arbeitskraft bestimmt, was bis ins 20. Jahrhundert reicht, so sind 1813/14 in England von 213000 Webern 130000 Kinder unter 14 Jahren. Kinder mussten früh ihren Anteil zum Broterwerb beitragen; von ihrem Wesen her wurden sie als unfertige Erwachsene ("kleine Wilde") angesehen. Spezifische kindliche Bedürfnisse wurden kaum gesehen, und wenn, nicht viel Aufhebens um sie gemacht. Schlagwörter: Kindestötung - Kinderarbeit - Kindesmissbrauch - Kindesmiss- handlung - Vernachlässigung ; Scientific research on childhood constitutes a relatively new field. As we know today, there is no other period in our lives that more strongly forms us and our culture. Hence, it is surprising that in the past this viewpoint was completely different. Until medieval times, a child's life did not count for much, that is, as long as the child was not the beneficiary of an inheritance. And even if so, social relationships were businesslike, e. g. concerning marriage. J.-J. Rousseau (1712 - 1778) demonstrated the worthlessness of children even in his recognition of them: The nature of humans is ...
Der Wunsch der Wissenschaftlichkeit. In einem kürzlich veröffentlichten Artikel unternimmt ganz unerwartet Edmond Malinvaud eine Kritik an den vom Großteil der Okonomen geteilten epistemologischen Prinzipien, namentlich an einer übertriebenen Verwendung der Mathematisierung. Das Ereignis ist nicht nur bemerkenswert durch die eminente Stellung des Wortnehmers innerhalb des Berufsstandes, sondern vor allem auch dadurch, dais es vollständig zugleich einem persönlichen intellektuellen Werdegang, wie zum anderen der Historie eines kollektiven Projekts zu widersprechen scheint, innerhalb dessen Malinvaud die herausragende Figur bildete, d.h. die Gründung einer französischen Schule der mathematischen Ökonomie in der Absicht, sich einer angelsächsischen Norman, am Grad der Mathematisierung ablesbaren Wissenschaftlichkeit einzugliedern, dessen sich bislang die in einer literarischen und historischen Ausübung des Fäches befangene wissenschaftliche Gemeinschaft als unfähig erwiesen hatte. Diese unerwartete Umkehr ist schon für sich allein, wie durch die Art der gewählten Formen, ein aufschlußreiches Indiz der Gesetze des Felds der ökonomischen "Wissenschaft, deren eine ihrer grundlegensten Spaltungen, durch die die Wissenschaftler in ihrem Verhältnis zur Wissenschaftlichkeit des Fäches untereinander geteilt sind, sie aufzeigt. Die Besonderheit dieser Stellungnahme bildet folglich einen in doppelter Richtung verwertbaren Anlaß zu näherer Betrachtung. Zunächst einmal läßt die Textanalyse die Zwänge sichtbar werden, die innerhalb des Feldes zum einen auf « üblicherweise » Gesagtem, zum anderen auf « ausnahmsweise » Gesagtem lasten. Diese Unterscheidung wird an gewissen, vom Autor in Anspruch genommenen stilistischen Freiheiten sichtbar, die unmittelbar die strukturellen Freiheiten widerspiegeln, die ihm seitens des Feldes in seiner Gesamtheit zugestanden werden. So läßt sich denn, namentlich durch das Schreiben in der ersten Person, die vom Autor zur Geltung gebrachte Breite der symbolischen Ressourcen aufzeigen, durch die ein außergewöhnlicher Gedankengang mit dem ganzen Kapital an Legitimität untermauert wird, und ganz offenkundig ist dank seiner Position im Feld jede Art von Abstandnahme dazu völlig ausgeschlossen. Zum zweiten soll die Auf- merksamkeit auf eine grundsätzliche Disposition der Ökonomengemeinschaft gelenkt werden, die sich den Diskursen einer reflexiven Soziologie in dem Maße verschließt, wie sie ihrer eigenen Wissenschaftlichkeit sich nicht sicher ist. Es wird kurz die Analyse dièses schwierigen Verhältnisses zur Wissenschaftlichkeit skizziert, in dem die Frage der Mathematik als unbestrittendstes Wissenschaftsattribut begreiflicherweise einen zentralen Platz innehat. Insbesondere wird gezeigt, wie sich die im Prinzip nützliche und (theoretisch) legitime Mathematisierung in einer Logik der Metonymie verfangen hat, um zuguterletzt ein dermaläen wertvolles epistemologisches Zeichen zu werden, daß ihr fast vollständig die theoretische Ausarbeitung untergeordnet wurde, für die sie nur ein Instrument hätte bleiben dürfen.
Mit Fokus auf Übersetzungsprozesse, Aufführungen und Politik vereint Rewriting Narratives in Egyptian Theatre Zugänge aus Cultural Studies, Translations- und Theaterwissenschaft sowie aus der Theaterpraxis, um Perspektiven auf Gegenwart und Geschichte von Theater in Ägypten eröffnen. Der Sammelband leistet damit eine Reihe von 'Grenzüberschreitungen' – disziplinär, geographisch, sprachlich, historisch – und stellt bekanntere und unbekanntere Narrative ägyptischen Theaters reflektiert zur Diskussion. Der Band versammelt 13 Beiträge, die in vier thematische Teile gegliedert sind; ein Großteil der Autor*innen stammt aus Ägypten oder hat ägyptische Wurzeln. Das Ziel ist "[to] explore the relationship between translation, performance, and politics in the way it has outlined a portrait or story of Egyptian theatre and drama in the West and, reversed, Western performance tradition and scripted theatre drama on Egyptian stage" (S. 270).1 Bemerkenswert ist dabei die Bandbreite von Beiträgen, die unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen, aber auch Texte von Übersetzer*innen, Kritiker*innen oder Theatermacher*innen zusammenbringt: "Each section is made to end with a practitioner's testimony, only to show how politics and Egyptian realities have intersected with performances and translations" (S. 8). Neben der Einleitung und einem Nachwort haben die Herausgeberinnen Sirkku Aaltonen und Areeg Ibrahim für jeden Teil einen Einstiegstext verfasst, der auf methodologische Aspekte des Abschnitts eingeht und Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen den einzelnen Artikeln erkennbar macht. Zunächst erscheint die Zusammenstellung des Bandes recht eklektizistisch, doch die Kurzeinführungen vermögen Kohärenz zu schaffen. Zudem schärfen sie den Blick für Korrespondenzen zwischen den Texten, die immer wieder in unterschiedlichen Kontexten auftauchen. Wiederkehrende Bezugspunkte sind etwa nicht nur der Arabische Frühling (2011), sondern ebenso die Revolution in Ägypten (1952) sowie Politik und Gesellschaft der 1950er- und 60er-Jahre unter Gamal Abdel Nasser (1918–1970), Zensur, Edward Saids Orientalism (1978), das Spannungsfeld zwischen arabischer Hochsprache und Dialekt (Diglossie) in Hinblick auf Übersetzungsfragen oder das Narrativ, dass Theater in den arabischen Ländern erst seit dem Import aus Europa im ausgehenden 19. Jahrhundert existiere. Der erste Teil, "Intercultural Rewriting", nimmt "rewriting processes involved in the cultural imports in the theatre" (S. 8) in den Blick: Sirkku Aaltonen versucht sich an einer höchst spannenden Fragestellung, indem sie im Rückgriff auf Thomas Postlewait exemplarisch historiographische Publikationen über ägyptische Theatergeschichte von den 1930ern bis Ende 1990er analysiert, um Agenden und Narrative freizulegen. In der Kombination von deskriptiver Translationswissenschaft, Theaterwissenschaft und Postkolonialer Theorie (Edward Said) legt Areeg Ibrahim die "interesting politics of choice" (S. 53) bei Übersetzungen arabischer Theatertexte ins Englische frei. Sie beleuchtet kulturelle Normen und gesellschaftliche Bedingungen für die Auswahl von Autor*innen oder Stoffen und liefert damit eine knapp skizzierte, sehr dichte akteurzentrierte Theatergeschichte und gleichzeitig einen Abriss von Übersetzungsgeschichte Ägyptens zwischen 1952 und 2011. Marvin Carlsons brillianter Beitrag ist dem wohl bekanntesten ägyptischen Dramatiker, Tawfīq al-Hākīm (1898–1987), gewidmet: Er zeichnet "the discovery and promotion of al-Hākīm in the West" mit dem Ziel nach, "to explore by what means he came to occupy this still virtually unchallenged position of the single, one might say, token Arab dramatist" (S. 97). Dieses Unterfangen ist gleichermaßen erhellend wie geboten, denn: Trotz des zunehmenden Interesses des globalen Nordens an der sogenannten arabischen Welt sei es symptomatisch, dass nach wie vor kaum Kenntnis über arabisches Theater bzw. dessen Geschichte vorhanden sei, konstatiert Carlson. Eine sehr persönliche Reflexion der Schauspielerin, Regisseurin und Autorin Dalia Basiouny beschließt die Sektion: "Performing and Rewriting Solitaire between Languages and Cultures" verbindet ihre Arbeit an diesem Monolog für eine weibliche Figur und die einschneidenden Ereignisse des Arabischen Frühlings aus Basiounys Perspektive. Der zweite Abschnitt "Interlingual Rewriting" befasst sich mit der 'Übersetzung' von Shakespeares Theatertexten ins Arabische. Methodologisch stützen sich die Beiträge nicht nur auf Roman Jakobson, Susan Bassnet und wiederum Thomas Postlewait, sondern auch auf postkoloniale Ansätze. Es geht nicht um Übersetzungsentscheidungen zwischen gewählter arabischer Hochsprache und ägyptischem Dialekt als zugänglicherer Alltagssprache, sondern um die Zirkulation eines 'westlichen' Kanons, der früh schon ein Bezugspunkt ägyptischen Theaters war. Omaya Ibrahim Khalifa nimmt anhand dreier Hamlet-Übersetzungen (1949, 1972 und 2004) unterschiedliche Strategien im Umgang mit Anspielungen in den Blick; dabei ist es ihm weniger um die Bewertung der linguistischen oder künstlerischen Leistung der jeweiligen Übersetzung zu tun, sondern vielmehr um die Auseinandersetzung mit den historischen und kulturellen Kontexten, in welchen die Übersetzungen entstanden, die wiederum Übersetzungstheorien und Poetiken der jeweiligen Zeit widerspiegeln. Mohamed Samir al-Khatibs Beitrag betrachtet die Rolle von Übersetzer*innen als 'cognitive mediators' anhand von King Lear-Übersetzungen. Neben translationswissenschaftlichen Ansätzen im Rückgriff auf Edward Said befragt er Übersetzung und Aneignung von Theatertexten des 'westlichen Kanons' im Spannungsfeld zwischen 'Eigenem' und 'Fremdem'. Mohamed Enani, der zu den führenden arabischen Übersetzer*innen englischer Texte zählt, beschreibt in einem kurzen, aber sehr spannenden und aufschlussreichen Beitrag die Übersetzungs- und Inszenierungsgeschichte von Shakespeare-Stoffen in Ägypten und die Besonderheiten von Theatertext-Übersetzungen ins Arabische aus eigener Erfahrung. Der dritte Teil des Bandes befasst sich unter dem Schlagwort "Intercontextual Rewriting" mit den historischen und gesellschaftlichen Kontexten, den Normen und Werten, die Theatertexte und Inszenierungen beeinflussen und prägen. Sameh F. Hannās exzellenter Artikel über "Theatre-Making and Theatre Translation in Turn-of-the-Century Egypt" eröffnet spannende Einblicke in die wenig erforschte Theaterpraxis der 1920er, indem er von der Forschung marginalisierte theaterhistorische Zeugnisse genauer betrachtet: Im Zentrum stehen die Schriften des Literaten Muhammad Taymūr (1892–1921), die viel über die "'social history' of theatre practice" (S. 177) der Zeit verraten, doch bislang ignoriert oder als Vorläufer 'professioneller' Theaterkritik belächelt wurden. Heba el-Abbadi und Sally Hammoudas Beitrag "From Spectators to 'Spect-Actors'" wendet Augusto Boals Konzepte eines 'Theater der Unterdrückten' an, im Versuch, die Durchschlagskraft der ersten 18 Tage der Ägyptischen Revolution im Januar 2011 nachzuvollziehen. In "Egyptian Realities on Stage and in Society" versammelt die Theaterkritikerin Nehad Selaiha ihre eigenen Beiträge über Inszenierungen, die 2011–2012 in unmittelbarer Folge und im Zusammenhang mit der Revolution in Ägypten entstanden. Der vierte und letzte Abschnitt des Bandes "Intermedial Rewriting" lenkt den Fokus auf Fragen der Intermedialität. "Dramatizing Short Stories" von Salwa Rashad Amin analysiert die Adaption von Texten Salwa Bakrs, "one of Egypt's most celebrated novelists and short story writers" (S. 225) und lenkt das Augenmerk auf Fragen der interkulturellen Übersetzung für ein US-amerikanisches Publikum. Wessam Elmeligi untersucht die Adaption von Bernard Shaws Pygmalion im Ägypten der 1960er-Jahre und arbeitet die 'Ägyptisierung' des Stoffes als höchst erfolgreiche soziopolitische Satire vor dem Hintergrund des Nasserismus heraus. Den Abschluss bildet Mona Mikhails Erfahrungsbericht über die Entwicklung und Umsetzung eines Dokumentarfilms über Theater(-geschichte) in Ägypten seit Napoleons Ägyptenfeldzug (1798). Rewriting Narratives in Egyptian Theatre bietet interessante Impulse – sowohl für Leser*innen, die bereits mit arabischem Theater vertraut sind, als auch für Menschen, die Einblicke in ein marginalisiertes Forschungsfeld erhalten möchten. Der Mehrwert liegt gerade in der Vielzahl der angebotenen Blickwinkel und dem dichten Gewebe an expliziten und impliziten Referenzen auf andere Artikel im Band. Nicht zuletzt die sorgfältigen Kurzeinführungen der Herausgeberinnen tragen dazu bei, diesen Sammelband in seiner Fülle als großes Ganzes schätzen zu können. Das Überschreiten von Grenzen "from one culture, nation, country, and language to another" und nicht zuletzt das (wissenschaftliche) Schreiben darüber, "is, unfortunately, too often one-way and, instead of providing new insights, only strengthens what is already familiar" (S.270). Die Zielsetzung, durch diesen Band zum Austausch zwischen 'West' und 'Ost' beizutragen und neue Blicke auf die Narrative ägyptischen Theaters zu werfen, ist definitiv geglückt, und man kann nur hoffen, dass weitere Publikationen dieser Art folgen werden. Letztlich erscheint der astronomisch hoch angesetzte Verkaufspreis jedoch leider kontraproduktiv, um Perspektiven auf ägyptisches Theater der Gegenwart und arabische Theatergeschichte einem breiteren Publikum näher zu bringen. So wichtig und begrüßenswert dieser Band als solcher ist, in Hinblick auf die Preisgestaltung ist Rewriting Narratives in Egyptian Theatre leider nur bedingt zu empfehlen. 1 Aus Gründen der Vereinfachung verzichtet diese Rezension auf die korrekte wissenschaftliche Transkription arabischer Namen und Begriffe, zumal Schreibweisen und der Umgang mit Transkription auch im Band uneinheitlich gehalten sind.
Die römische Siedlung von Riegel am Kaiserstuhl, im heutigen Bundesland Baden-Württemberg, rund 20 km nordwestlich von Freiburg im Breisgau gelegen, zählt mit zu den ältesten und sicherlich auch mit zu den bedeutsamsten rechtsrheinischen Römerorten. Die herausragende topographische Situation an der Engpassstelle zwischen dem Kaiserstuhl und der Vorbergzone des Schwarzwaldes einerseits, sowie die relativ verkehrsgünstige Lage an der Kreuzung wichtiger Fernverbindungen führte in claudisch-neronischer und noch einmal in frühflavischer Zeit zur Präsenz römischen Militärs am Platz, welche die Voraussetzungen für dessen weitere, rein zivile Entwicklung hin zu einer typischen gallo-römischen Kleinstadt mit Zentralortfunktionen schuf. Spätestens dann mit dem beginnenden 2. Jahrhundert n. Chr. dürfte der aufstrebende Vicus, dessen antiker Name (Helvetum?) noch nicht epigraphisch bezeugt ist, zum Hauptort einer Civitas für das rechtsseitige südliche Oberrheingebiet avanciert sein. Obwohl die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem römischen Riegel schon bis auf den Freiburger Historiker Heinrich Schreiber (1793-1872) zurückgeht, rückte der Ort bisher immer nur sporadisch in den Fokus der archäologischen Landesforschung. Erst seit den frühen 1970er Jahren wurde Riegel zu einem Schwerpunkt der archäologischen Denkmalpflege im Regierungsbezirk Freiburg. Die vorliegende Arbeit bietet einen Überblick über den aktuellen Stand der mittlerweile über 175 Jahre währenden Forschungsaktivitäten. Ein archäologischer Gesamtplan im Maßstab 1:2500 mit zugehörigem kommentierendem Verzeichnis aller bis Jahresende 1999 bekannt gewordenen Fundstellen liefert dabei erstmals eine verlässliche Grundlage zur Topographie dieses Ortes. Der zweite Teil der Arbeit widmet sich der ausführlichen wissenschaftlichen Auswertung und Rekonstruktion des Grabungsbefundes der Riegeler Forumsbasilika, mit deren Entdeckung im Jahre 1997 sich unser Bild vom Riegel nachhaltig änderte. ; Le vicus gallo-romain de Riegel am Kaiserstuhl, situé dans le Land allemand actuel de Bade-Wurtemberg, à 20 km environ au nord-ouest de Fribourg en Brisgau, compte sûrement parmi les agglomérations gallo-romaines les plus vieilles mais aussi les plus importantes qui soient outre-rhin. À l'époque claudienne puis de nouveau au début du règne de l'empereur Vespasien, l'emplacement topographique saillant au goulot entre le Kaiserstuhl et la Forêt Noire d'une part, ainsi que la situation favorable au carrefour de voiries anciennes importantes d'autre part, a conduit à une présence militaire des Romains sur place, ce qui a permis la construction des infrastructures et engendré les conditions principales nécessaires au futur développement du site, désormais exclusivement civil, et sa transformation en ville gallo-romaine typique avec les fonctions d'un centre régional. Au tout début du IIéme siècle apr. J.-C., cette ville, dont le nom antique (Helvetum ?) n'a pas recueilli de témoignage épigraphique, a été promue chef-lieu d'un civitas situé en Brisgau, c'est-à-dire la région entre le Rhin et la Forêt Noire. Bien que l'activité scientifique de vicus de Riegel remonte déjà à l'époque de Heinrich Schreiber (1793-1872), le fameux historien fribourgeois, le site ne fut, jusqu'aujourd'hui, que l'objet de recherches archéologiques sporadiques. Ce n'est que depuis le début des années 1970 que Riegel est devenu un endroit prioritaire pour le travail du Landesdenkmalamt de Bade-Wurtemberg par la mise en place des fouilles archéologiques préventives et de sauvetage. Cette étude a pour but de donner un aperçu de l'état actuel des activités de recherche depuis plus de 175 ans. Un plan d'ensemble archéologique (échelle 1/2500) avec un catalogue commenté de tous les sites mis à jour avant la fin de l'année 1999, offre donc pour la première fois une base fiable à la topographie du vicus. La deuxième partie du travail est consacrée à l'évaluation des résultats des fouilles et à la reconstruction scientifique détaillée d'une basilique de forum qui a été découverte en 1997, et qui changeait notre image de cette agglomération de manière fondamentale.
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Wir sollten akzeptieren, dass KI-gestützte Lehre der neue Normalfall sein wird. Wie verändert das unser Selbstverständnis und unsere Rolle als Hochschullehrende? Ein Gastbeitrag von Marie Luise Schreiter.
Marie Luise Schreiter ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Psychologischen Institut der Universität Tübingen. Foto: privat.
BEVOR KI-SYSTEME perfekte Sätze formulieren konnten, die klingen, als würde ein Experte aus Wissenschaft, Politik oder Gesellschaft reden, war künstliche Intelligenz (KI) ein Nischenthema. An der University of Sussex, wo ich studiert habe, waren die Fragen nach der Schnittstelle von KI, Robotik und Bewusstsein und ihrer Interaktion mit der menschlichen Intelligenz dagegen schon früh Thema für Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen.
Was ich davon gelernt habe, was ich in der heutigen Debatte manchmal vermisse und was ich selbst heute als Wissenschaftlerin vertrete: Bei all dem Hype um die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz, all den (berechtigten und unberechtigten) Spekulationen über ihre Fähigkeiten und ihr gesellschaftliches Veränderungspotenzial ist zentral, dass wir Menschen unsere eigene Rolle im Umgang mit KI-Systemen besser verstehen. Nur dann können wir künftige KI-Entwicklungen mitgestalten. Als Lehrende und Forschende müssen wir uns fragen: Wie beeinflussen KI-Systeme die universitäre Lehre und die wissenschaftliche Arbeit? Und wie verhalten wir uns dazu?
Es ist unbestritten, dass generative KI die Geschwindigkeit, Präzision und möglicherweise auch die Qualität der Wissenschaft grundlegend verändern kann. KI-gestützte Literaturrecherche hilft bereits heute Neulingen, sich im Meer aus Publikationen zurechtzufinden. Noch während meines Studiums bedeutete die Einordnung neuer Literatur in den aktuellen Forschungsstand stundenlange Recherchen in Online-Bibliotheken und Fachzeitschriften. Natürlich hatte ich Zugang zu den einschlägigen Suchmaschinen für wissenschaftliche Recherchen, und die Ergebnisse wurden mir digital, organisiert und übersichtlich angezeigt. Aber welcher Autor in einem Bereich einflussreich war oder welcher Ansatz stark kritisiert wurde, musste ich mir durch Lesen und Schreiben selbst erarbeiten.
Die Studierenden in meinem Studiengang können heute die gleichen Herausforderungen in einem Bruchteil der Zeit bewältigen. Aktuelle wissenschaftliche KI-Anwendungen, die den wissenschaftlichen Prozess unterstützen, ermöglichen es, Forschungsartikel zu jeder Forschungsfrage in jedem Fachgebiet in Sekundenschnelle zusammenzufassen, die Zitieraktivität über viele Jahre hinweg von Originalarbeiten bis hin zu Folgepublikationen in einer interaktiven Netzgrafik farblich gekennzeichnet darzustellen oder die fachliche Kritik an einer bestimmten Methode oder Theorie wiederzugeben.
Perfekter Wissenschaftsjargon, in Text gegossener Einheitsbrei
Die Zeiten und Arbeitsmethoden ändern sich schnell. Während vor zwei Jahren meine Studierenden noch sehr unsicher auf die Frage reagierten, ob sie jemals ChatGPT für ihre Hausarbeit verwendet hätten, antwortete mir der diesjährige Jahrgang mit einem erstaunten bis mitleidigen Gesichtsausdruck: "Immer!" Bedauernd vielleicht deshalb, weil unsere Studierenden sehr wohl wissen, dass die derzeitige universitäre Lehre nur oberflächlich auf den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Generierung von wissenschaftlichen Texten, Forschungsberichten, Analysen und Ideen vorbereitet ist. Mitleidig, vielleicht auch, weil ich als ihre Dozentin kaum überprüfen könnte, ob eine Prüfungsarbeit in Form eines Forschungsberichts oder eines Essays von einem Roboter namens ChatGPT geschrieben wurde. Wenn ich mich entschlösse, diese neuen Werkzeuge in dem Repertoire meiner Studierenden zu ignorieren, würde ich mich wahrscheinlich regelmäßig an hervorragenden Aufsätzen erfreuen: perfekter Wissenschaftsjargon und dem wissenschaftlichen Konsens entsprechender, in Text gegossener Einheitsbrei.
Die Wahrheit ist jedoch, dass wissenschaftlicher Fortschritt nicht durch die bedingungslose Akzeptanz und blinde Reproduktion des wissenschaftlichen Konsenses entsteht. Wie viele andere Wissenschaftler betrachte ich es als Teil meiner Aufgabe, offen für Innovationen zu sein und im besten Fall den Fortschritt voranzutreiben. Um die nächste Generation von Wissenschaftlern entsprechend vorzubereiten, muss dies auch bedeuten, dass ich in der Lehre die relevanten Fähigkeiten zur Innovationsfähigkeit und zum kritischen Hinterfragen vermittle.
Für mich heißt das in erster Linie zu akzeptieren, dass KI-gestützte Lehre der neue Normalfall sein muss. Generative KI-Systeme gehören längst zum Handwerkszeug eines jeden Studierenden, ob es mir nun gefällt oder nicht. Für die Studierenden in meinem Studiengang bedeutet das, dass die Pflichtlektüre auch von einer KI zusammengefasst werden kann. Oder dass ein wissenschaftlicher Chat-Roboter für unsere Forschung konsultiert werden sollte, um neue Forschungsfragen zu generieren oder einfach um kleine methodische oder technische Fragen zu beantworten, die während der Diskussion im Seminar unbeantwortet geblieben sind. Die Integration von KI in unseren Lehrplan hat also Raum und Zeit geschaffen, damit ich meinen Studenten kritisches Hinterfragen, Medienkompetenz, Recherchefähigkeiten und die Nutzung von KI beibringen kann.
Prüfungsaufgaben, die sich nicht von einer KI täuschen lassen
Was bedeutet das praktisch? Eine Herausforderung für mich als Lehrende bestand darin, den Leistungsfortschritt von Studierenden mit einer Aufgabe zu prüfen, bei der die Nutzung von KI nicht automatisch zur Lösung führt. Das bedeutete eine Prüfungsleistung zu stellen, die gezielt die Aspekte der menschlichen Intelligenz in meinen Studierenden prüft, die eine KI (bisher) nicht ersetzen kann. Das ist in der wissenschaftlichen Arbeit gar nicht so schwer, da die Evidenzlage oft ausreichend unklar ist, um auch weit verbreitete und vielzitierte Theorien und Studien kritisch zu hinterfragen.
Generative KI produziert Informationsausgabe auf Basis von Trainingsdaten in Form öffentlich zugänglicher Ressourcen. Das bedeutet, dass tendenziell eine mehrheitlich überwiegende Informationslage wiedergegeben wird. In Bezug auf die Wissenschaft bringt das ein wichtiges Problem mit sich, denn Kontroversen oder unklarer Forschungsstand werden möglicherweise im Output einer KI fehlerhaft wiedergegeben. Zum Beispiel dann, wenn neue Forschungsergebnisse einen bis dato etablierten Wissenschaftsansatz in Frage stellen, herrscht für eine gewisse Zeit ein Ungleichgewicht in Publikationszahl und Zitationen. Somit kann generative KI unter Umständen diese bereits in den Trainingsdaten vorhandene Verzerrung reproduzieren. An diesen Unsicherheiten müssen innovative Lehrformen und Prüfungsleistungen ansetzen, denn genau dort sind weiter menschliche Fähigkeiten wie kritische Analyse, methodische Kompetenzen, Logik und experimentelle Kreativität im wissenschaftlichen Prozess sowie ein grundlegendes Verständnis des Publikationssystems gefordert.
Wenn Hochschulen die Rahmenbedingungen schaffen, dass genau diese Fähigkeiten in Kombination mit der Nutzung neuer KI-Systeme gelehrt werden, ist nicht nur die Vorbereitung unserer Studierenden auf die reale Arbeitswelt optimal, sondern es wird schneller möglich sein, die Antworten auf aktuelle wissenschaftliche Fragen zu finden. Zu diesen Rahmenbedingungen gehört, dass Studierenden und Lehrenden ein sicherer, kostenfreier und barrierefreier Zugang zu wissenschaftlicher KI-Software ermöglicht wird. Vor kurzem wurde hier im Blog sogar dafür plädiert, dass Hochschulen ihre eigenen KI Sprachmodelle entwickeln sollten. Eine unterstützenswerte Forderung, doch egal ob durch das Trainieren von hochschul-internen Modellen oder mehr Public-Private-Kollaborationen mit der in Deutschland ansässigen KI-Industrie: Der digitale Ausbau innovativer Bildungstechnologien muss so schnell wie möglich formal und praktisch in die Hochschullehre und Forschung eingebunden werden, fordert auch der Wissenschaftsrat.
Die Integration von KI in die Hochschullehre ist unausweichlich. Studierende nutzen sie bereits für ihre Arbeiten, es liegt an uns Lehrenden, ihnen den verantwortungsvollen Einsatz nahezubringen. Zugleich lädt uns die Nutzung generativer KI dazu ein, unsere Forschungs- und Lehrmethoden zu überdenken. Es ist an der Zeit, das volle Potenzial dieser Technologie für die Zukunft der Wissenschaft auszuschöpfen.
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Ein Portfolio ist eine systematische Materialsammlung, die den Prozess der Wissensaneignung zu einem Thema reflektiert und dokumentiert. Gerd Bräuer beschreibt die Vorteile des Portfolios als Reflexionsmedium aus hochschuldidaktischer, lerntheoretischer und schreibpädagogischer Sicht. Er stellt das Konzept der Reflexiven Praxis und die studentische Portfolioarbeit vor, die bei der Organisation von Lernprozessen und Leistungsnachweisen zum Einsatz kommt. Ebenso viel Gewicht erhält das Lehrportfolio: als spezielles Medium für Lehrende, die so selbst Erfahrung mit Portfolioarbeit sammeln und damit die Brücke zwischen Forschung und Fachdiskurs auf der einen und den Erfordernissen der Lehre auf der anderen Seite schlagen. Ein Buch, das neue Chancen für Lehre und Lernen an der Hochschule eröffnet!
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Die zehn vorgestellten Werke, die einen gewissen wissenschaftlichen Überblick über die neueren Veröffentlichungen zur Wahl geben sollen, sind in drei Sparten untergliedert. Die Publikationen zum Wahlrecht bestehen aus zwei neuen umfangreichen Wahlgesetzkommentaren, die die Dokumentation des Bundeswahlrechts wieder auf den neuesten Stand der Gesetzgebung und der Rechtssprechung zu Wahlen in der BRD bringen. (W. Schreiber/J. Hahlen: Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, Bd. 1 und 2, Köln-Berlin-Bonn-München 1976. K.-H. Seifert: Bundeswahlrecht, München 1976). Der dritte vorgstellte Band wurde im Auftrag der Interparlamentarischen Union erstellt und enthält einen synoptischen Überblick über den Parlamentarismus in den 65 Mitgliedsländern der Union (70 Tabelle, fast 1000 Seiten). (Inter-Parliamentary Union: Parliaments of the World, London 1976 und Berlin-New York 1976). Der zweite Teil bespricht zwei Bibliographien zur Wahlstatistik. Die historische Arbeit bezieht sich auf den Zeitraum der Weimarer Republik, versteht sich aber nicht nur als reine Dokumentation von Statistiken, veröffentlicht auch Analysen und Interpretationen aus Wissenschaft und Publizistik. (Martin Schumacher: Wahlen und Abstimmungen 1918-1933, Düsseldorf 1976). Die andere Arbeit dokumentiert ausschließlich Primärmaterial, offizielle Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes und des Reichsamtes, hauptsächlich ab 1946, teilweise auch schon ab 1848 (Preußen). (Nils Diederich et al.: Wahlstatistik in Deutschland, Bibliographie der deutschen Wahlstatistik 1848-1975, München 1976). Im letzten Teil werden wahlsoziologische Untersuchungen vorgestellt, die alle im Jahre 1976 erschienen sind. Sie wurden ausgewählt, um zwei allgemeine Probleme in der momentanen Diskussion in der Wahlforschung zu verdeutlichen; 1. das häufig zu konstatierende Mißverhältnis zwischen dem beträchtlichen Aufwand der Wahlforschung und dem oft recht enttäuschenden Ergebnis; 2. das Spannungsverhältnis zwischen wahlsoziologischer Forschung und empirischer Politikberatung. Folgende Arbeiten wurden dazu rezensiert: Peter Nißen: Das Zusammenwirken von Parteiidentifikation, Issues und Images zur Erklärung politischen Verhaltens, Meisenheim am Glan 1976. Immo H. Wernicke: Die Bedingungen politischer Partizipation, Meisenheim am Glan 1976. Klaus G. Troitzsch: Sozialstruktur und Wähler-Verhalten, Meisenheim am Glan 1976. Transfer 2: Wahlforschung: Sonden im politischen Markt, 1. Aufl. Opladen 1976, 2. Aufl. Opladen 1977. Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.): Kommunales Wahlverhalten, Bonn 1976. (MM)
Entwicklung des Leistungsverhaltens von HochschulstudentInnen im Verlauf des Studiums. Speziell: Persönlichkeitsanamnese, Studienvoraussetzungen und Erwartungen.
Themen: Hauptbogen: Kultur- und Freizeitinteressen bzw. -betätigungen; Wertorientierungen zur Lebensgestaltung; Belletristik- und Filmrezeption; Einstellung zum Schreiben; Freizeitsport; gesellschaftspolitisches Verantwortungsbewußtsein; ideologische Verbundenheit; Verteidigungsbereitschaft; Einstellung zur Machtausübung in der DDR; moralische Überlegenheit des Sozialismus; Weltanschauung; SED-Mitgliedschaft; gesellschaftliche, fachliche und Freizeitaktivitäten; bisherige Funktionen in FDJ und Massenorganisationen; Beteiligung an schulischen und außerschulischen Veranstaltungen; Teilnahme an Leistungsvergleichen; Lieblingsfach, unbeliebte Fächer in der Schule; Lieblingsbeschäftigungen, Hobbys; zusätzliche Beschäftigung mit bestimmten Fachgebieten; Bedingungen für Leistungserfolge bzw. Mißerfolge; wissenschaftlicher Arbeitsstil; Bildungsweg zur Hochschulreife, Abiturprädikat; Leistungseinschätzung der Abiturklasse, Selbsteinschätzung schulischer Leistung in Abiturklasse, Wunschzugehörigkeit in Leistungsdrittel; Qualifikationen, Tätigkeiten vor dem Studium; territoriale Herkunft; Vollständigkeit des Elternhauses, Erziehungsstil, Atmosphäre, Einbeziehung in häusliche Arbeiten, Kommunikations- und Tätigkeitsinhalte; Geschwister; Klassenzugehörigkeit, Tätigkeit, Qualifikation der Eltern bzw. Großväter; Alter, Wohnort, Parteizugehörigkeit, Weltanschauung der Eltern; elterlicher bzw. eigener Bücherbesitz; Ähnlichkeit des Studienfaches mit Beruf bzw. Tätigkeit der Eltern; Vorstellungen von Partnerschaft und eigener familiärer Lebensgestaltung; günstigster Zeitpunkt für 1. Kind; Kinderwunsch; Kohabitarche, -alter; Partnermobilität; aktuelle feste Partnerbeziehung, PartnerIn auch StudentIn, am Hochschulort; Glücksgefühl; Sinn fester Partnerbeziehung im Studium; Einstellung zu Bildungsweg, Hochschulstudium, Studienfach, Beruf; Studienbewerbung; Informiertheit bei Studienbeginn; persönliche Bedeutsamkeit der Hochschulbildung; studienleistungsrelevante Persönlichkeitsmerkmale; Vorstellungen über studentisches Leben, Lehrkräfte-Studenten-Verhältnis, Kommunikation; Vornahmen für das Studium; Auffassungen vom Studium, Beschäftigung mit Fachproblemen; Identifikation als Student; Anstrengungsbereitschaft, Studienerfolgssicherheit, Studienfach-, Berufsverbundenheit; gesellschaftliches Ansehen der Fachrichtung; berufliche Antizipationen, Einsatzwünsche; persönliche Bedeutung einzelner beruflicher Aspekte; psychophysische Beschwerden; Rauchverhalten; Konzentration, physische Belastbarkeit; persönliches Wohlbefinden; Verhältnis zu ehemaligen Mitschülern und Kollegen; leiterrelevante Persönlichkeitsmerkmale; Wohnwunsch; Kinder, bestehende Schwangerschaft; demographische Angaben; methodische Fragen.
Zugangsbogen: Entscheidung Bildungsweg; Faktoren der Studienfachwahl und Motive, Studienbewerbung; Informiertheit; Ähnlichkeit Facharbeiterabschluß mit Studienfach; Studienerfolgssicherheit; Entstehung Studien- bzw. Studienfachwunsch; bisherige Informationsquellen; Ansehen des Berufs; Formen gezielter Studienvorbereitung; Vorpraktikum, Dauer, Qualifizierung, Nutzen, Erfahrungen, Vorschläge zur Gestaltung.
Spezialbogen Koslow: Neigung zu bestimmten Tätigkeitsformen; berufliche Vorstellungen; Berufswahl; Einstellung zu Studienleistung und Praxis; Lernverhalten, Arbeitsweise in der Schulzeit; Vorbildqualitäten; Verhältnis zum Kollektiv.
Spezialbogen Neurose:Zum psychischen Zustand der Studenten - Einstellungen, Gewohnheiten, Gefühle, Befindlichkeiten, Probleme; Erkrankungen im letzten Jahr.
Spezialbogen Sport: Motivation, Einstellungen zum Sport und zur persönlichen sportlichen Betätigung; Wünsche zur Gestaltung des Sportunterrichts bzw. der Hochschulsportgemeinschaft; Häufigkeit und Dauer des Freizeitsports; Sportwissen; Sport-Leistungstest.
Spezialbogen Denksporttest: Sprachlich geänderte Fassung des Denksporttests (DST) von Lienert und einige Zusatzfragen, die sich auf diesen Test beziehen. Der DST zielt auf das Problemlösungsverhalten der Studenten, komplexe Denkvollzüge, in denen logische Beziehungserfassung, Einfallsreichtum, schlußfolgerndes und abstrahierendes Denken eine Rolle spielen.
Verbalbogen (6 Varianten): Assoziationstest zu Studium, Wissenschaft, Beruf, Leistung, Technik sowie offene Fragen zu Aspekten des bevorstehenden Studiums, des Lebensglücks bzw. Vorstellungen vom künftigen Beruf, von der Leitertätigkeit (Kurzaufsätze); persönliche Sorgen und Probleme.
Fachrichtungsbogen Technik: Einstellungen zum wissenschaftlich-technischen Fortschritt in der DDR, zur sozialen Sicherheit; persönliche Verantwortung des Ingenieurs; Bedingungen für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt; Folgen des Leistungsprinzips in der DDR; Einstellung zu Männern bzw. Frauen in technischen Berufen; Faktoren der Studienfachwahl; Einfluß auf Entwicklung des technischen Wissens; anvisierte Orientierungen beim Selbststudium; berufliche Einsatzwünsche; Einstellung zu wissenschaftlicher Kreativität.
Fachrichtungsbogen Wirtschaftswissenschaften: Fachrichtung; Einstellungen zum Ökonomiestudium, zur Leitungsfunktion; Leitungsfunktion; anvisierte Orientierungen beim Selbststudium; Kenntnis international bekannter Wirtschaftswissenschaftler; Motiv für Ökonomiestudium; persönliche Bedeutung von Faktoren für spätere Berufstätigkeit; berufliche Einsatzwünsche; subjektive Bedingungen für Leitungsfunktion nach Studium; Assoziationen zu "Ökonomie".
Fachrichtungsbogen Medizin: Anvisierte Orientierungen beim Selbststudium; berufliche Einsatzwünsche; Wohnortwunsch nach Studienabschluß. Fachrichtungsbogen Land: Bisherige Erfahrungen in der Landwirtschaft; Einfluß auf landwirtschaftliche Kenntnisse; Verbundenheit mit Landleben; bisherige Arbeitstätigkeiten; spezifische landwirtschaftliche Fähigkeiten; Interesse für agrarwissenschaftliche Probleme; Einstellungen zu Entwicklungsbedingungen der Landwirtschaft; anvisierte Orientierungen beim Selbststudium; Wohnwunsch nach dem Studium, berufliche Einsatzwünsche.
Fachrichtungsbogen Musik: Fachrichtung; Beginn der musikalischen Ausbildung, der Fachrichtung; öffentliche Auftritte; Spezialausbildung vor dem Studium; Hauptfachlehrer; berufliche Einsatzwünsche; Assoziationen zu "Musik".
Fachrichtungsbogen Physik: Persönliche Studienberatung und Berufsberatung durch Physiker, Vorbilder; Selbsteinschätzung von Stärken im Hinblick auf Studium und Beruf; Promotionsabsicht; berufliche Einsatzwünsche, Spezialisierung. Fachrichtungsbogen Lehrer: Fachkombination; Einstellungen zum Lehrerstudium, zur Studiendauer, zum Beruf des Lehrers; Interesse an pädagogisch-psychologischen Problemen, an der Arbeit mit Kindern; bisherige Tätigkeiten im Fach; persönliche Bedeutung einzelner Aspekte der Lehrerausbildung, von Faktoren für spätere Berufstätigkeit, von Eigenschaften und Fähigkeiten für erfolgreiche Arbeit als Lehrer; Bedeutung einzelner Personengruppen für die Wissenschaft; Motive für Lehrerstudium; Einstellungen zu Formen der FDJ-Arbeit als Hilfe bei Vorbereitung auf Lehrertätigkeit; anvisierte Orientierungen beim Selbststudium; berufliche Einsatzwünsche.
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Mittlerweile ist die Nutzung von Künstlicher Intelligenz im Alltag der Studierenden allgegenwärtig. Dies zeigt unter anderem eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Bei einer Befragung von 2000 Studierenden kam heraus, dass 13 Prozent der Befragten Chatbots häufig, 41 Prozent gelegentlich und 32 Prozent sehr selten nutzen. Die Studierenden nutzen die KI-Tools vor allem zur Recherche, um Verständnisfragen zu klären oder Texte zu erstellen. Gelegentlich wird KI auch bei Studienbewerbungen verwendet.Aber nicht nur Studierende greifen immer häufiger auf Künstliche Intelligenz zurück, um bei ihren Aufgaben unterstützt zu werden. Auch die Lehrenden der Universitäten und Hochschulen nutzen Künstliche Intelligenz. Diesbezüglich ergab eine Umfrage des Hochschulforums Digitalisierung, dass über 80 Prozent der Mitarbeitenden von 100 Hochschulen ChatGBT für ihre Arbeit verwenden.Wie reagieren die Universitäten auf diese Entwicklung?Einige Universitäten und Hochschulen bieten einen eigenen Zugang zu ChatGBT für Lehrende und Studierende an. Dabei ist eine Aufklärung über die Chancen und Risiken der KI essenziell. Sowohl die Studierenden als auch die Lehrenden sollten die Nutzung von diversen KI-Tools stets kritisch reflektieren. Eine Reaktion der TU München auf die KI-Nutzung bei Studienbewerbungen war, diejenigen Bewerber:innen, die für ihren Bewerbungsessay KI nutzten, vom weiteren Bewerbungsverfahren auszuschließen.Von besonderer Bedeutung sind die Auswirkungen der KI-Nutzung auf wissenschaftliche Arbeiten. Turnitin, ein Internet-basierter Dienst zur Erkennung von Plagiaten, veröffentlichte folgende Daten: Über zehn Prozent von 200 Millionen geprüften studentischen Arbeiten enthielten mindestens 20 Prozent KI-generierten Inhalt. Sechs Millionen Arbeiten enthielten sogar mindestens 80 Prozent KI-generierten Inhalt. Einige Universitäten und Hochschulen reagieren bereits auf diese Fakten.Beispielsweise müssen Studierende an der Fakultät für Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Prag keine Bachelorarbeit mehr schreiben. Stattdessen hat die Universität ein praktisches Konzept eingeführt. So sollen Plagiate weitgehend verhindert werden. In Deutschland jedoch ist vorerst nicht geplant, dass Bachelorarbeiten und Masterarbeiten ersetzt werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass die elementare Kompetenz eines/einer Studierenden, längere Texte durchdenken und konzipieren zu können, bei alternativen Abschlussprüfungen verloren gehen könnte. Allerdings werden Hausarbeiten zum Teil durch andere Prüfungsformen ersetzt. An der PH Ludwigsburg wurden etwa Modulprüfungen, die zuvor in Form von Hausarbeiten absolviert werden mussten, in mündliche Prüfungen überführt.Zukünftig sollten Universitäten Regeln festlegen, bis zu welchem Grad der Einsatz von KI erlaubt - oder sogar erwünscht - ist und ab wann er als Täuschungsversuch gilt. Denn bisher gibt es keine universitätsweit verbindlichen Regelungen für den Umgang mit KI-Systemen bei der Erstellung von Seminar- und Abschlussarbeiten.Quelle: https://www.fr.de/wirtschaft/hoersaal-chatbot-kuenstliche-intelligenz-studium-veraendert-ki-zr-93013523.html (zuletzt: 30.05.2024)
Vorbemerkungen "Ghettos" und "Armutsviertel" in deutschen Städten wurden Ende der 90er Jahre ein zentrales und umkämpftes Motiv. Publizistische und politische Programme und Persönlichkeiten legitimierten und profilierten sich rund um diese Begriffe, die sich so zu einem stabilen Deutungssystem der Stadt, in diesem Fall zu einer Folge von Bedrohungsszenarien entwickelten. In diesem Kontext, der uns in Berlin fast jeden Tag in der Zeitung begegnete, entdeckten wir unabhängig voneinander ein Forschungsfeld für unsere Diplomarbeiten, in dem wir unser Interesse an theoretischen und konzeptionellen Ansätzen in der Geographie mit politischen Fragen zusammenbringen und -denken konnten. Obwohl Diskurse, Bilderwelten und Identitäten im Rahmen der Stadtgeographie, der Sozialgeographie und der Politischen Geographie mittlerweile zu wichtigen Themen geworden sind, gab es auf den ersten Blick innerhalb der deutschsprachigen Geographie nur wenige Anknüpfungspunkte für unsere Untersuchungen. Wir fanden meist erst jenseits der Sprach- und Disziplingrenzen eine reichhaltige, theoriegeleitete Debatte vor, die unsere Fragestellungen inspirierte. Zentrale Konzepte - Diskurse, Macht, die über diese Diskurse wirkt, über Denkfiguren und Bilder Identitäten erzeugt und Menschen einordnet - passierten wir auf einer Art Forschungsreise, die zu vielen nichtgeographischen Autoren, nicht zuletzt zu MICHEL FOUCAULT führte. Die Rolle von "Raum" in diesen wissenschaftlichen Konzepten, der Hinweis auf die Erschaf-fung von "uns" und "anderen", außen und innen, und die Rolle von diesen Konzepten "im Raum" als komplexes Geflecht von materiellen, sozialen und symbolischen Elementen war für uns faszinierend. Sie warf Fragen auf, die in unseren Diplomarbeiten bei weitem nicht zu Genüge angesprochen, geschweige denn beantwortet werden konnten. Das Thema ist für uns also noch lange nicht abgehakt. Wir versuchten in unseren Arbeiten einen kritischen Standpunkt einzunehmen, der nicht nach einer politisch vorgegebenen Agenda Problemlösungen sucht, sondern den Prozeß der Definition von Problemen selbst und die daran anknüpfenden Ordnungen und Lösungen in Frage stellt. Viele Akteure aus der Politik, den Medien, der Wissenschaft und aus Institutionen wie der Polizei oder Wohnungsbaugesellschaften und schließlich auch die unterschiedlichen Bewohner der Stadt selbst sind an diesem Prozess in ihren sehr unterschiedlichen Rollen und Positionen beteiligt. Die Geographien der Stigmatisierung sind die Resultate der Stigmatisierungsprozesse in Presse und Politik und der verschiedenen Positionen innerhalb dieser Prozesse und Machtstrukturen. Sie werden aber auch Teil der Handlungen der Stigmatisierten, ihrer Geographien von der Stadt, von sich selbst, von den Anderen. Unser Ziel war es zu zeigen, wie in den Diskursen der Stadtentwicklung Bilder die Wirklichkeit machen, indem die Akteure mittels dieser Diskurse harte Grenzen in der Stadt ziehen, Zuschreibungen von gesund und pathologisch, legitim und illegitim vornehmen. So wird schließlich auch die Wirklichkeit nicht nur in den Köpfen und in der Stadtlandschaft herbeigedacht/-geschrieben/-geredet, sondern in der Folge auch durch politische oder administrative Maßnahmen geschaffen. Von diesen Grundlagen ausgehend, nahmen wir zwei unterschiedliche Wege, die in diesem Band zusammenfinden - nicht als Synthese, sondern als verschiedenartiges Ausloten dieser Prozesse. DIRK GEBHARDT untersucht diese Prozesse der Raumordnung in einem deutsch-französischen Vergleich. Er vergleicht die Bilder und Diskurse über Viertel wie dasjenige der Soldiner-/Koloniestraße in Berlin-Wedding, den Hermannplatz in Neukölln und den "Sozialpalast" in Schöneberg mit den Diskursen über innerstädtische Viertel und Großwohn-siedlungen ("cités") mit hohem Zuwandereranteil in Marseille. Dieser Teil des Bandes erzeugt somit eine gewisse Breite und ergründet die Tiefe der Bilder, ihrer Logiken und Zusammenhänge. ULRICH BEST konzentriert sich auf Berlin-Kreuzberg. Er stellt die aktuelle Rolle Kreuzbergs in Diskussionen der Stadtpolitik in Berlin dar und betrachtet sie in der Geschichte der Rollen Kreuzbergs als eines "anderen Bezirks" - also die historischen Geographien der Stigmatisierung. Zum zweiten verbindet er diese Ebene der stadtpolitischen Zuschreibungen mit den Selbstzuschreibungen der Bewohner Kreuzbergs, fragt nach Parallelen und nach den Bewohner-Strategien im Umgang mit dem Stigma. Wie wir bereits oben andeuteten, sind die Arbeiten von unserer Seite jeweils die Ergebnisse eines Entdeckens neuer Ansätze und des Versuchs einer Positionierung in der Verworrenheit und scheinbaren Gewichtslosigkeit der Diskurse. Von unserer heutigen Perspektive aus müssen wir sagen, daß allein der Begriff "Diskurs" sich in der deutschsprachigen Geographie inzwischen einer gewissen Beliebtheit erfreut. Wir möchten in unseren Arbeiten aber, um das hier noch einmal klar zu sagen, immer auf das Geflecht von Macht, Definition und Politik verweisen und, indem wir dies tun, eine kritische Position einnehmen. Wir sind nicht stehen geblieben. Manches, was wir geschrieben haben, würden wir heute anders schreiben. Es handelte sich um Diplomarbeiten, und zu Diplomarbeiten gehört unserer Meinung nach dieses Entdecken unbedingt dazu. Daher fanden wir es sinnvoll, die Arbeiten in dieser Form zu veröffentlichen, als zwei mögliche, teilweise parallele und teilweise voneinander abweichende Strecken in einem Feld voller faszinierender Ideen. Wir freuen uns sehr, daß wir zum einen die Möglichkeit hatten, sie überhaupt zu schreiben und bedanken uns dafür bei unseren Betreuern Prof. Dr. Fred Scholz (Ulrich Best) und Prof. Dr. Franz-Josef Kemper (Dirk Gebhardt), sowie bei vielen Freundinnen und Freunden, mit denen wir diskutieren konnten. Wir freuen uns genauso sehr, daß wir nun die Möglichkeit haben, sie in leicht überarbeiteter Form in dieser Reihe zu veröffentlichen. Dafür und für viele Ratschläge danken wir den Herausgebern.