Ironie eines zivilisatorischen Abstiegs: Über das ungeschriebene nationale Programm der Kroaten
In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Band 42, Heft 7, S. 830-836
ISSN: 0006-4416
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In: Blätter für deutsche und internationale Politik: Monatszeitschrift, Band 42, Heft 7, S. 830-836
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In: Pädagogik
Aus der Einleitung: Erfahrungen und Erkenntnisse aus der aktuellen Praxis und Forschung zeigen, dass sich Beziehungsstrukturen in den letzten 50 Jahren auf Grund einer veränderten Kindheit gewandelt haben. Populärwissenschaftler sprechen sogar von einem Beziehungsnotstand bzw. einer neuen Beziehungslosigkeit. Wird der Blick auf die Medien gerichtet, so wird deutlich, dass vielfältige Erziehungsratgeber, Fernsehbeiträge und Theaterstücke wie z. B. die 'Supernanny', das 'Erziehungscamp' oder das Hallenser Theaterarrangement 'Opferpopp' Ausdruck dieser Beziehungslosigkeit sind. Denn sie zeigen eine zunehmende Alltagsüberforderung und Erziehungsverunsicherung bei den Eltern auf. Sie veranschaulichen aber vor allem auch, dass Kinder und Jugendliche der heutigen Zeit häufig haltlos sind und stets nach Sicherheit, Liebe und nach ihrer eigenen Identität suchen. Sie fragen sich: Wer bin ich?, Wo gehöre ich hin?. Wer akzeptiert mich so wie ich bin? Doch finden sie auf ihre Fragen oft keine Antworten, denn nur wenige oder gar keine Menschen fühlen sich für ihre Interessen, Probleme und Beziehungsbedürfnisse verantwortlich. Selbst Lehrer sind zunehmend hilflos und können mit den Problemen ihrer Schüler im sozialen und emotionalen Bereich nur schwer umgehen. Sie klagen über Disziplinprobleme und Gewalt in der Schule aber auch inneren Rückzug und Angst bei den Schülern. Nicht selten vermitteln sie auffällige Schüler schnell an den Schulpsychologen oder gar an eine andere Schule, an der der Schüler mit dem Stigma verhaltensauffällig bereits gekennzeichnet ist. Der Beziehungsaufbau gestaltet sich dann umso schwieriger, da von dem Schüler verlangt wird, dass er sich so schnell wie möglich an die neue Situation anpasst. Zudem soll er neue Beziehungen eingehen, obwohl er soeben erst einen oder mehrere Beziehungsabbrüche erfuhr. Eigene Praxiserfahrungen bestätigen diese Ausführungen und bilden für mich den Grundstein dieser Arbeit. Denn sie zeigen eine persönliche Relevanz des Themas für meinen künftigen Beruf auf. Mehr denn je erscheint guter Unterricht von harmonischen Beziehungen zwischen allen Beteiligten der Institution Schule abhängig zu sein. Doch werden Lehrer nur ungenügend darauf vorbereitet, was es heißt, gute Beziehungen zu führen. An der Universität wird größtenteils nur eine Fachdidaktik angeboten. Wäre es aber nicht auch sinnvoll über eine Beziehungsdidaktik nachzudenken? So belegen Ausführungen von Teuteberg die große Bedeutsamkeit einer Beziehungsdidaktik. Denn seine Untersuchungen zeigen auf, dass jedes Individuum zuverlässige Bindungsbeziehungen benötigt, um sich gesund entwickeln zu können. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, war es notwendig, sich mit dem Konzept der Bindungstheorie von John Bowlby zu beschäftigen. Bowlby gehörte in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu den ersten, die auf dem Hintergrund der Erfahrungen mit Waisenkindern und dem Hospitalismusphänomen erkannten, dass dem Säugling die Fähigkeit angeboren ist, sich auf soziale Beziehungen einzulassen. Ferner wies Bowlby konsequent darauf hin, dass ein Kleinkind das Bedürfnis hat, frühzeitig eine feste und sichere Bindung zu seiner Mutter aufzubauen. Kinder, die keine sichere Bindung aufbauen konnten, weil sie etwa von ihren Eltern getrennt waren, litten dagegen nicht weniger als Erwachsene unter intensiven psychischen Schmerzen wie Sehnsucht, Leid, Trauer, Apathie und Rückzug. Das Beschreiben der Folgen durch Deprivation auf lange Sicht rundeten Bowlbys Forschungen schließlich ab. Trotz großer Kritik seitens der Psychoanalytiker gelang es Mary Ainsworth in den folgenden Jahren die Thesen von Bowlby der empirischen Forschung zugänglich zu machen. Seitdem wuchs das Interesse an der Bindungsforschung und zahlreiche Studien wurden in der ganzen Welt eingeleitet. Wissenschaftler wie Main, Bretherton, Sroufe und Marris aus den USA, Parkes, Heard, Byng-Hall und Hinde aus Großbritannien sowie Spangler und die Grossmanns aus Deutschland haben die Bindungstheorie weiterentwickelt. Sie alle untersuchten oftmals mit eigenen Forschungsmethoden das Bindungsverhalten bzw. die Bindungsqualität sowie deren Ursachen und Auswirkungen in der entwicklungspsychologischen, frühpräventiven, therapeutischen und pädagogischen Praxis. Die folgende Arbeit konzentriert sich primär auf Kinder und Jugendliche mit Gefühls- und Verhaltensstörungen. Denn im pädagogischen Alltag zeigt sich, dass es diesen Schülern besonders schwer fällt, Beziehungen einzugehen und diese zu erhalten bzw. weiterzuentwickeln. Problemstellung: Bezüglich dieser Thematik ergeben sich aus der Theorie und Praxis heraus folgende Fragestellungen: Inwieweit können sich veränderte Lebenswelten und insbesondere frühkindliche Bindungserfahrungen auf das Beziehungsverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Gefühls- und Verhaltensstörungen auswirken? Wie können Schule und Unterricht auf veränderte Beziehungsstrukturen, die aus den Lebenswelten resultieren, reagieren, und Bindungstypen gegebenenfalls verändern? Geht doch die Theorie davon aus, dass Bindungstypen in ihrer Qualität über Generationen hinweg relativ konstant bleiben bzw. nur sehr schwer veränderbar sind. Mit welchen Problemen sieht sich Schule konfrontiert? Daraus ableitend verfolgt die Arbeit das Ziel, die Ergebnisse der Bindungsforschung sowohl für Schüler als auch für Lehrer verwendbar zu machen. Ergebnis soll es sein, Möglichkeiten des Beziehungslernens im pädagogischen Alltag vorzustellen und zu diskutieren. Ferner sollen die Ausführungen dazu beitragen, dass Lehrer Bindungsunterschiede und deren mögliche Ursachen sowie Folgen für die Beziehungsgestaltung erkennen. Denn nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, können adäquate Interventionen entwickelt werden. Das Einleitungskapitel stellt zunächst die Grundlage für diese Arbeit dar, denn es beschreibt die Bedeutung von Familien- und Peerbeziehungen sowie Chancen und Risiken des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen in einer postmodernen Gesellschaft. Ziel soll es sein, anhand eines Fallbeispiels veränderte Beziehungsstrukturen und vor allem Grenzen des Beziehungsaufbaus in der Schule aufzuzeigen. Im zweiten Kapitel stehen grundlegende Erkenntnisse der Bindungstheorie von Bowlby und Ainsworth im Mittelpunkt der Betrachtung. Auf der Grundlage von allgemeinen klassischen Methoden der Bindungsforschung und ihren Ergebnissen werden im Anschluss daran Bindungstypen von Schülern mit Gefühls- und Verhaltensstörungen reflektiert. Zudem werden Faktoren, die auf die Entwicklung einer sicheren bzw. unsicheren Bindungsbeziehung einen Einfluss ausüben genannt, sowie der Entwicklungsverlauf einer Bindungsbeziehung und deren Stabilität erläutert. Denn diese Kenntnisse sind notwendig für Pädagogen, die mit diesen Kindern und Jugendlichen arbeiten. Anschließend wird im dritten Kapitel der Frage nachgegangen, welche Zusammenhänge zwischen einem unsicheren Bindungsmuster und einer Psychopathologie bestehen. Die vorher angeführte Studie von Julius sowie eigene Beobachtungen, die aufzeigen, dass Schüler in der Schule zur Erziehungshilfe noch andere Bindungsmuster als die traditionellen nach Ainsworth zeigen, bilden den Ausgangspunkt. Infolgedessen wird der Blick auf verschiedene Bindungsstörungen gerichtet, bevor am Ende auf Konsequenzen unterschiedlicher Bindungsqualitäten für die Entwicklung aufmerksam gemacht wird. Vorrangig werden dabei Auswirkungen im sozialen Kompetenzbereich sowie in der Emotionsregulation beschrieben, da viele Schwierigkeiten bei Schülern mit Gefühls- und Verhaltensstörungen besonders in diesen Bereichen auftreten. Zudem stehen sie unmittelbar mit dem Beziehungsverhalten der Heranwachsenden in Verbindung. Das abschließende Kapitel führt die Erkenntnisse der Bindungstheorie und -forschung sowie der veränderten Lebenswelten zusammen. Entsprechend wird das Ziel verfolgt, auf der Grundlage einer Beziehungsdidaktik Aufgaben und Ziele einer Schule und ihrer Pädagogen im bindungstheoretischen Kontext zu beschreiben sowie beziehungsorientierte Interventionen im Hinblick auf Schule und Unterricht vorzustellen, zu entwickeln und zu hinterfragen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnis1 Einleitung6 1.Problemlage: Die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen im 21. Jh. und deren Veränderung hinsichtlich bestimmter Beziehungsstrukturen10 1.1Beziehungen und Bindungen - Begriffliche Grundlagen10 1.2Fallbeispiel: Felix - 'eine Kindheit zwischen den Stühlen'11 1.3Lebenswelt Familie13 1.3.1Die Bedeutung der Familie15 1.3.2Veränderungen im Familienbild16 1.4Lebenswelt Freizeit22 1.5Lebenswelt Peergruppe24 1.5.1Gleiche unter Gleichen - Begriffliche Grundlagen24 1.5.2Peerbeziehungen und deren Bedeutung25 1.6Zusammenfassung28 1.7Lebenswelt 'Schule in den Antinomien der Moderne' (Helsper 1990, S. 175)30 1.7.1'Pädagogik zwischen Autonomie und Zwang' (ebd. 1995, S. 19)31 1.7.2'Pädagogisches Handeln in der Spannung von Organisation und Interaktion' (ebd., S. 20)33 1.7.3Pädagogisches Handeln zwischen Nähe und Distanz36 1.8Zusammenfassung39 2.Die Bindungstheorie41 2.1Theoretische Grundlagen41 2.1.1Grundlagen der Bindungstheorie43 2.1.2Die Entstehung einer Bindungsbeziehung und deren Entwicklung im Kindes- und Jugendalter45 2.1.3Innere Arbeitsmodelle48 2.2Konsolidierung der Bindungstheorie durch Mary Ainsworth et al.51 2.2.1Die 'Fremde Situation'51 2.2.2Das Adult-Attachment-Interview (AAI)52 2.2.3Die Bindungstypen53 2.2.3.1Bindungssicheres Verhalten 54 2.2.3.2Bindungsunsicheres Verhalten54 2.3Bindungstypen in der Schule zur Erziehungshilfe59 2.4Welche Faktoren üben Einfluss auf die Entwicklung unterschiedlicher Bindungstypen aus?62 2.4.1Feinfühligkeit der Bindungsperson63 2.4.2Das Temperament des Kindes65 2.4.3Kulturelle Einflüsse67 2.4.4Der Einfluss anderer Bezugspersonen68 2.5Stabilität und transgenerationale Weitergabe von Bindungstypen69 2.6Zusammenfassung71 3.Gefühls- und Verhaltensstörungen als möglicher Ausdruck einer gestörten Bindungsbeziehung74 3.1Begriffliche Grundlagen74 3.1.1Zum Begriff der 'Gefühls- und Verhaltensstörung'74 3.1.2Zum Begriff der 'Bindungsstörung'75 3.2Typologie von Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter77 3.3Konsequenzen von Bindungsunterschieden für die Entwicklung sozialer Kompetenzen sowie für die Entwicklung der Emotionsregulation84 3.4Zusammenfassung88 4.Bindungstheorie und 'veränderte Kindheit' - eine Herausforderung für Schule und Unterricht!?90 4.1Grundzüge einer Beziehungsdidaktik90 4.2'Die Schule als 'Caring'-Community' (Opp 1997, S. 146) - Aufgaben und Ziele der Schule (zur Erziehungshilfe) im Kontext der Bindungstheorie94 4.3Vom Ich und Du zum Wir als Team - Die Schulklasse als Lerngruppe und soziales Netzwerk98 4.3.1Lehrerinnen und Lehrer als Bezugspersonen und Beziehungsorganisatoren - Die Lehrer-Schüler-Beziehung aus bindungstheoretischer Sicht99 4.3.1.1Pädagogische Strategien für ambivalent gebundene Schüler101 4.3.1.2Pädagogische Strategien für vermeidend gebundene Schüler104 4.3.2Möglichkeiten des Beziehungslernens im Unterrichtsprozess108 4.3.2.1Alternative Lernformen108 4.3.2.2Regeln und Rituale115 4.3.2.3Pädagogisch-therapeutische Arbeitsformen117 4.3.2.4Peer-Education123 4.4Zusammenfassung128 5.Schlussbetrachtungen131 Literaturverzeichnis133 Abkürzungsverzeichnis141 Anhang142 Interviewausschnitte aus dem Separation Anxiety Test (SAT)143 Beispiel 1143 Beispiel 2143 Beispiel 3144 Beispiel 4145 Beispiel 5145 Klassifikation von Bindungsstörungen im ICD-10146 Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen (F91.1)146 Emotionale Störung mit Trennungsangst des Kindesalters (F93.0)146 Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1)146 Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2)147 Entspannungsgeschichte 'Der Wüterich aus Knete'148 Malspiel 'Pinselkampf und Versöhnungsmalen'150 Lied 'Wenn du fröhlich bist, dann klatsche in die Hand'151 Eidesstattliche Erklärung152Textprobe:Textprobe: Kapitel 1.7.3, Pädagogisches Handeln zwischen Nähe und Distanz: Die Schulen der Moderne sind konfrontiert mit einer wachsenden Anzahl von sozial auffälligen, vernachlässigten Kindern und Jugendlichen. Traurige, depressive Schüler, Schüler mit Aufmerksamkeitsstörungen in Kombination mit Hyperaktivität und Impulsivität sowie ängstliche und gewaltbereite Schüler sind keine Seltenheit mehr. Im Umgang mit diesen Schülern wird Lehrern sehr viel abverlangt. Einerseits sollen sie auf das Verhalten, insbesondere auf das Beziehungsverhalten der schwierigen Kinder und Jugendlichen einwirken. Dazu ist es notwendig, Beziehungen einzugehen. Andererseits sollen sie aber dem Schüler nicht zu nahe kommen. Denn ein freundschaftliches Verhältnis würde ihre Lehrerprofessionalität in Frage stellen. Damit stehen Lehrer im Konflikt. Sie müssen sich stets fragen, wie viel Nähe sie zulassen und wie viel Distanz sie wahren sollten. Im Hinblick auf das Fallbeispiel könnten z. B. folgende Kontroversen entstehen: Der Lehrer steht im Konflikt, wenn er sich z. B. fragt, ob es richtig und vor allem gut ist, Felix jeden Tag in den Arm zu nehmen, weil er Liebe und Geborgenheit ein Leben lang gesucht und nicht gefunden hat. Er steht im Konflikt, wenn Felix ihn fragt, ob er mit zu ihm nach Hause kommen darf. Ginge es ihm bei dem Lehrer doch so gut. Und schließlich steht der Pädagoge im Konflikt, wenn er bemerkt, dass Felix in ihm den Elternersatz sucht. Es sind Konflikte, die besonders in der Schule zur Erziehungshilfe aber längst auch an anderen Schulen eine Rolle spielen. Helsper verweist darauf, dass sich die Problematik bzw. die Spannung eines Zuviel oder Zuwenig an emotionalem Engagement insbesondere auch in den Vorwürfen der Gesellschaft widerspiegelt. Dementsprechend sind Lehrer in Zeiten von Pisa besonders aufgefordert, Wissen zu vermitteln. Sie sollen die Schüler rüsten für die Anforderungen einer leistungsorientierten Welt. Orientieren sich Lehrer jedoch zu sehr an der Vermittlung von Fachinhalten wird ihnen die Vernachlässigung des Erziehungsauftrags vorgehalten. Andererseits entstehen schnell Vorwürfe, wenn sich der Pädagoge umfassend an der Schülerpersönlichkeit orientiert. Es heißt dann, der Lehrer greife unzulässig in die Privatsphäre der Heranwachsenden und in ihre Familien ein. Nach Helsper wurzelt diese Spannung darin, daß die Verberuflichung pädagogisches Handeln aus der affektiven und einzigartigen Beziehung der Eltern-Kind-Intimität herauslöst. Elternteil kann man nicht für acht Stunden sein, wohl aber LehrerIn oder HeimerzieherIn. Zudem können Eltern nicht beliebig zu einem anderen Kind wechseln. Lehrkräfte dürfen bzw. müssen dagegen zwangsläufig und zum Teil Stunde für Stunde andere Kinder unterrichten und erziehen. Weiterhin ist die Grundlage der Eltern-Kind-Beziehung die Liebe. Pädagogen müssen aber auch mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, denen sie distanziert, ja mitunter sogar ablehnend gegenüber stehen. Jedes Kind zu lieben erscheint unmöglich und vor allem unprofessionell. Dem gegenüber stehen Positionen, die das Handeln der Pädagogen durch den pädagogischen Eros kennzeichnen. Strömungen der Reformpädagogik sahen etwa in der geistigen Liebe zwischen einem pädagogischen Führer und seinen Zöglingen die eigentliche pädagogische Kraft. Wobei Helsper diesbezüglich auf Nohl verweist, der anführt, dass der pädagogische Eros nicht mit einer begehrenden Liebe verwechselt werden darf. Eher kann die pädagogische Liebe als eine hebende Liebe zum Ideal des Kindes gesehen werden. Doch auch wenn die begehrende Liebe ausgeschlossen wird, die affektive Hingabe zum Kind wird dennoch betont. Somit entsteht ein Widerspruch bzw. eine Spannung zwischen den beiden Polen Nähe und Distanz. Einerseits wird die Liebe zum Kind insbesondere in der Reformpädagogik als Grundlage für pädagogisches Handeln angesehen. Andererseits ist es in der Praxis aufgrund der Schulstrukturen und der Lehrerrolle nicht möglich und unprofessionell, den pädagogischen Eros umzusetzen. Doch nicht nur das. Die Liebe zu jedem Kind erzeugt einen hohen, oft überfordernden Anspruch an den Pädagogen. Die Gefahr eines Burnouts ist groß, sind Lehrer in stärkste emotionale Konflikte der Schüler verwickelt. Die Begriffe Nähe und Distanz sowie Ganzheitlichkeit und Professionalität haben demnach m. E. jeder für sich ihre Berechtigung. Doch können sie nur schwer miteinander in Einklang gebracht werden. Das Spannungsfeld von Nähe und Distanz, von Empathie und Leistungsforderung muss von jedem Pädagogen tagtäglich neu ausgelotet werden. Helsper selbst versucht diesen Spannungsbogen aufzulösen. Er schlägt vor, Liebe durch Verlässlichkeit und durch eine einfühlende Fürsorge zu ersetzen, die sich ihrer Grenzen bewusst ist. In Bezug auf Helsper ziehe ich die Schlussfolgerung, dass Lehrer sich begrenzen müssen, wobei Begrenzung nicht heißen soll, kühl und abgeklärt gegenüber den Schülern zu werden. Begrenzung und damit Professionalität heißt m. E., Nähe zulassen aber auch Grenzen aufzeigen zu können. Was genau damit gemeint ist, wird im Kapitel vier beschrieben, geht es darum, Möglichkeiten des Beziehungsaufbaus und -erhalts vorzustellen. Zum Abschluss einige zusammenfassende Bemerkungen: Neben der familiären Lebenswelt spielt die Schule eine herausragende Bedeutung im Leben eines jeden Einzelnen. Sie ist ein Ort, an dem viele Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Kultur, unterschiedlichen Geschlechts etc. zusammenkommen und miteinander sowie voneinander lernen können. Sie ist ein Ort, an dem in ständigen Interaktionen Beziehungsverhalten geübt werden kann. Denn tagtäglich bilden sich dort ganze Netze von Beziehungen. Schule kann aber auch Beziehungen verhindern. So konnten exemplarisch einige Bedingungen angeführt werden, die Beziehungen zwischen allen Beteiligten der Institution Schule erschweren bzw. unsicher oder sogar unmöglich machen. Deutlich wird dabei vor allem, dass es sich bei Beziehungskonflikten nicht ausschließlich um Probleme des Schülers, des Lehrers oder der Schulklasse handelt. Viele Beziehungskonflikte resultieren aus schulischen und gesellschaftlichen Verhältnissen: z. B. durch die Gewalt der Zensurengebung, durch die Missachtung kindlicher Interessen oder durch die schulbedingte Bewegungseinschränkung. Kapitel 1.8, Zusammenfassung: Die angeführten Lebenswelten bilden den Rahmen in dem die Sozialisation von Heranwachsenden erfolgt. Aufgezeigt werden konnte, dass Kindern und Jugendlichen einerseits Beziehungserfahrungen ermöglicht, andererseits aber vorenthalten werden. So schränkt die technisierte, medialisierte und familiäre Welt den Raum der Beziehungsmöglichkeiten teilweise stark ein. Gesprochen wird in der Literatur auch von einer verhäuslichten, verplanten sowie verinselten Kindheit. Die Schule steht in diesem Zusammenhang vor völlig neuen Herausforderungen. Einerseits muss sie dem gesellschaftlichen Druck standhalten und Wissen vermitteln. Auf der anderen Seite ist sie aber auch aufgefordert, familiäre Erziehungsaufgaben zu bewältigen. Daraus resultieren Widersprüche, die nur schwer miteinander zu verbinden sind. Die Praxis zeigt dennoch, dass es vielen Kindern und Jugendlichen gelingt, mit den heutigen Lebens- und Sozialisationsanforderungen zurechtzukommen. Diese Kinder und Jugendlichen sind die Modernitätsgewinner, wie Opp sie m. E. treffend beschreibt. Es gibt aber leider auch viele Heranwachsende Modernitätsverlierer, deren Lebenswelten immer mehr in Einzelteile zerfallen. Diese Kinder und Jugendlichen sind mit den Anforderungen, welche an sie gestellt werden, überfordert. Denn sie müssen mit Schwierigkeiten fertig werden, die sich vor allem im Elternhaus, in der Freizeitgestaltung, in den Peerbeziehungen und in der Schule zeigen. Infolge der Überforderung reagieren viele mit Verhaltensweisen, die signalisieren, dass sie ihr Leben allein nicht bewältigen können. Gefühls- und Verhaltensstörungen können dadurch entstehen. Pieper und Hurrelmann verweisen jedoch darauf, dass Gefühls- und Verhaltensstörungen keine Lösungsmöglichkeit darstellen. Sie haben zwar kurzfristig eine entlastende Funktion, lassen aber die Ursachen der Probleme und Schwierigkeiten unangetastet, sodass die Belastungen eher noch wachsen als abnehmen. Im Beziehungskontext wird innerhalb der Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen ersichtlich, dass ein erheblicher Teil der menschlichen Entwicklung von Beziehungen geprägt ist. Innerhalb dieser Beziehungen spielen Bindungen eine große Rolle. In den letzten Jahren wurde in der Wissenschaft viel darüber diskutiert und gestritten, wie diese Bindungen entstehen und wie sie in ihrer Gestaltung zu verstehen sind. Gab es bis in die Mitte der 50er Jahre hinein nur die Ansicht, dass Bindungen zwischen Individuen deshalb entstehen, weil man für die Befriedigung seiner Triebe und Wünsche einen anderen Menschen benötigt, so führt heute die Bindungstheorie von Bowlby, zu einer anderen Sichtweise.
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In: Europäische Rundschau: Vierteljahreszeitschrift für Politik, Wirtschaft und Zeitgeschichte, Band 38, Heft 1, S. 29-41
ISSN: 0304-2782
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In: Osteuropa, Band 55, Heft 8, S. 27-106
ISSN: 0030-6428
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In: Foreign affairs, Band 80, Heft 1, S. 90-105
ISSN: 0015-7120
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In: Osteuropa, Band 57, Heft 10, S. 85-94
ISSN: 0030-6428
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In: Aktuelle Analysen / Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, 1999,46
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In: Kulturaustausch: Zeitschrift für internationale Perspektiven, Band 58, Heft 3, S. 15-63
ISSN: 0044-2976
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