Gleichberechtigung: ein überholtes Postulat?
In: Politik - Recht - Ethik: Vergewisserungen aus der Vergangenheit und Perspektive für die Zukunft, S. 150-165
Die These, die im Beitrag vertreten wird, lautet: Das Zentrum der Ungleichheit im Geschlechterverhältnis ist nach wie vor die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, und zwar insbesondere in Bezug auf die private Alltagsarbeit wie auch im Hinblick auf den immer noch nach Geschlecht geteilten Arbeitsmarkt. Dabei hatten Frauenbewegung und Frauenforschung auf keinem anderen Feld so radikal angesetzt und eine Revolution in den Köpfen vorbereitet. Die Kritik der traditionellen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, insbesondere an der Abwertung und Unsichtbarkeit der Haus- und Erziehungsarbeit, war in den 1970er Jahren der Aufhänger politischer Kampagnen und ein Motor der sozialen Bewegung der Frauen weit über das akademische Milieu hinaus. Ein neuer, erweiterter Arbeitsbegriff, der alle Tätigkeiten der Pflege, Erziehung und Sorge für andere (Care) umfasst, gilt bis heute als Dreh- und Angelpunkt feministischer Analysen und einer notwendig anderen, nicht nur am Arbeitsmarkt und an dem dort erzielten Lohn ausgerichteten Sozialpolitik. Wenn die deutsche Gesellschaft, Wissenschaft und Politik die neuen Anforderungen der Gegenwart, der viel berufenen Globalisierung und der Umgestaltung zu einer Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft im internationalen Maßstab bestehen will, wird es darum gehen, die Erwerbsarbeit und vor allem die Fürsorge-Arbeit und ihre Kosten zwischen Männern und Frauen, zwischen Staat und Gesellschaft, gerechter zu verteilen. Am Beispiel von drei Bereichen - im Hinblick auf die politische Partizipation, den Arbeitsmarkt und die Familie - wird erläutert, was aus soziologischer Sicht unter "Strukturen der Ungleichheit" verstanden wird. Sie sind gleichzeitig die Begründung dafür, warum man immer noch das Instrument der Gleichberechtigung zur Herstellung von mehr Geschlechtergerechtigkeit braucht. (ICF2)