Die wirtschaftliche Integration aus dynamischer Sicht: Diplomarbeit
In: Wirtschaft
Das Gebiet des langfristigen Wirtschaftswachstums ist seit jeher eines der zentralen Forschungsgebiete der Makroökonomik. Dennoch geriet diese Forschungsrichtung aufgrund mangelnder neuer Erkenntnisse, sowie der noch im folgenden näher zu spezifizierenden Erklärungsdefizite der elementaren neoklassischen Wachstumstheorie, in den 60er Jahren in Vergessenheit. Erst mit dem Aufkommen alternativer Möglichkeiten langfristiges Wirtschaftswachstum zu erklären, begann in der zweiten Hälfte der 80er Jahre eine Renaissance der Wachstumstheorie, die heute unter den Begriff neue bzw. endogene Wachstumstheorie subsumiert wird. Anfang der 90er Jahre wurden die entwickelten Modelle der endogenen Wachstumstheorie dann schrittweise auf offene Volkswirtschaften übertragen, auch aus der Erkenntnis heraus, dass sich mit der traditionellen Außenhandelstheorie nur Niveaueffekte bzw. Wachstumsboni erklären ließen. Weiterhin zeigten Zeitreihenanalysen, dass sich besonders in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg die Wachstumsraten beschleunigten, wobei diese Zeit von einem Abbau der Handelshemmnisse gekennzeichnet war. Hauptsächlich geht es in der Wachstumstheorie nach wie vor um die Frage, wie sich unterschiedliche Wachstumsraten des PKE im Länderquerschnitt erklären lassen und ob es einen Konvergenzprozess gibt, der eine Angleichung der Wachstumsraten ermöglicht. Ausdrücklich stellt sich die Frage, welchen Einfluss freier Handel auf die Wachstumsrate des Einkommens der betrachteten Länder hat und inwiefern im Rahmen der endogenen Wachstumstheorie Aussagen bezüglich der Vorteilhaftigkeit von Außenhandel gemacht werden können. Das Zustandekommen von regionalen Handelsabkommen, wie z.B. der EU, ASEAN, SELA, ACP, NAFTA und MERCOSUR unterstreicht einmal mehr deren Aktualität und Implikationen aus Sicht der endogenen Wachstumstheorie. Von besonderer Bedeutung ist die Frage, ob derartige regionale Handelsabkommen zu einer Reduktion der Einkommensunterschiede führen und inwiefern die teilnehmenden Staaten von Integrationsmaßnamen profitieren. Die beschriebenen Effekte sind Merkmale einer zunehmenden Integration der Weltwirtschaft, wobei die Haupttriebkräfte der Integration zum einen der Abbau von Handels- und Investitionshemmnissen und zum anderen die Reduktion von Transport- und Kommunikationskosten sind. Während der Abbau von Handelshemmnissen den Fluss von Gütern, und im besonderen von Kapitalgütern, berührt, beeinflussen Informations- und Kommunikationsnetzwerke den Fluss von Ideen, oder anders formuliert, den Fluss von Wissen. Beide aufgeführten Triebkräfte einer zunehmenden Integration der Weltwirtschaft spielen im Rahmen der endogenen Wachstumstheorie in offenen Volkswirtschaften eine zentrale Rolle. Die Zielsetzung dieser Arbeit ist es, Wachstumseffekte in offenen Volkwirtschaften zu spezifizieren und zu analysieren, unter Berücksichtigung modelltheoretischer Ausführungen und empirischer Überprüfungen. Die Erkenntnisse und Ausführungen der letzten Dekade auf dem Gebiet von Wirtschaftswachstum und Außenhandel implizieren eine Sicht aus wachstumstheoretischer Perspektive. Auf eine ausführliche Darstellung der allseits bekannten Niveaueffekte des Außenhandels, im Rahmen der traditionellen Außenhandelstheorie, soll hier bewusst verzichtet werden. Dennoch gibt es durchaus Ansätze, die Erkenntnisse der traditionellen Außenhandelstheorie in den Modellen der endogenen Wachstumstheorie zu berücksichtigen. Bestes Beispiel hierfür ist die Dynamisierung des zentralen Ansatzes der komparativen Vorteile: "The interaction between endogenous technical change and comparative advantages has led a number of authors to speak of dynamic comparative advantages". Gang der Untersuchung: Kapitel zwei wird zunächst die elementare neoklassische Wachstumstheorie darstellen und im Anschluss deren Erklärungsdefizite anhand empirischer Tendenzen darstellen. Es folgt eine problemorientierte Erläuterung, anhand ausgewählter empirischer Studien, inwiefern eine Beziehung zwischen internationalem Handel und Wirtschaftswachstum besteht. Aufbauend auf diese Ergebnisse erfolgt eine Einführung in die endogene Wachstumstheorie und deren Relevanz für offene Volkswirtschaften. Kapitel drei wird sich dann ausführlich mit der Darstellung ausgewählter endogener Wachstumsmodelle in offenen Volkswirtschaften beschäftigen. Dabei ist von besonderer Bedeutung, welche Übertragungsmechanismen für Wachstumseffekte in offenen Volkswirtschaften aufgezeigt werden können. Da die Erweiterungen der endogenen Wachstumsmodelle um eine außenwirtschaftliche Komponente zum Teil erhebliche Erweiterungen erfordert, sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine Konzentration auf die wesentlichen Elemente der Modelle, welche für das Verständnis grundlegend sind, erfolgt. Kapitel vier wird die zentralen Aspekte der endogenen Wachstumstheorie in offenen Volkswirtschaften, insbesondere die Bedeutung von Humankapital, Wissen und Externalitäten, aufgreifen und anhand empirischer Studien beurteilen. Insbesondere soll auch die Rolle der multinationalen Unternehmungen, als Instrumente für Wissensimporte, näher untersucht werden. Außerdem wird die endogene Wachstumstheorie um eine weitere Dimension erweitert: Während endogene Wachstumsmodelle das Entstehen neuer Unternehmungen oder neuer Güter durch technischen Fortschritt betonen, untersucht die Theorie der Agglomeration ökonomischer Aktivitäten wo sich Unternehmungen niederlassen und warum es zu einer Konzentration von Unternehmungen in einzelnen Regionen kommt. Integration und Agglomeration stehen somit in einer engen Beziehung, wobei gilt: "Economic Integration therefore induces agglomeration". Interessante aktuelle Fragestellungen ergeben sich auch bei einer Betrachtung der Entwicklung der Einkommen in den neuen Bundesländern. So sollte es für diese regionalen Volkswirtschaften, wie anhand zahlreicher und umfangreicher empirischer Studien gezeigt wurde, zu einer Konvergenz der Einkommen kommen. Entgegen jedoch aller gängigen Konvergenztheorien befindet sich der Aufholprozess in den neuen Bundesändern bereits im vierten Jahr im Stocken. Offensichtlich wird der Wachstumsprozess einzelner Länder und Regionen auch von deren Politik und Institutionen bestimmt. Das Beispiel der neuen Bundesländer, aber auch die Tatsache, dass die reichen OECD-Länder trotz ihres hohen Humankapitalbestandes nicht annährend Wachstumsraten wie die asiatischen Schwellenländer erreichen konnten, kann von der endogenen Wachstumstheorie nicht beantwortet werden. Deshalb wird der folgende Teil des vierten Kapitels institutionelle Aspekte des Wirtschaftswachstum aufgreifen und bietet somit, als weitere wachstumstheoretische Konstruktion, eine sinnvolle Ergänzung der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse. Die neuere empirische Literatur unterscheidet sich zudem von älteren empirischen Arbeiten dadurch, dass sie nachdrücklich betont, Einkommensunterschiede, über Länderquerschnitte hinweg, erklären zu können. Der letzte Teil des vierten Kapitels wird sich infolgedessen mit der Frage von Konvergenzprozessen, hinsichtlich des Einkommens, beschäftigen. Ausdrücklich wird zu untersuchen sein, welchen Einfluss Integrationsprozesse auf den Konvergenzprozess haben. Kapitel fünf bildet den Abschluss dieser Arbeit. Es zeigt auf, welche wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen aus den vorangegangenen Kapiteln abgeleitet werden können. Da sich Teile dieser Arbeit mit empirischen Ausführungen auseinandersetzen werden, sei darauf hingewiesen, dass empirisches Arbeiten, insbesondere bei der Erfassung, Auswertung und Interpretation von Daten, z.T. mit erheblichen statistischen Problemen verbunden ist. An den relevanten Passagen sei auf die Erläuterungen hierzu verwiesen.