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World Affairs Online
"Internationale Theaterfestivals positionieren sich in der Dekade des Krisenhaften neu." Diese dem Klappentext der Monographie Narrative internationaler Theaterfestivals. Kuratieren als kulturpolitische Strategie entnommene Feststellung ist unter den Begleiterscheinungen einer die Freiheiten einschränkenden Pandemie aktueller denn je. So wurde beispielsweise für die Salzburger Festspiele 2020 ein umfassendes Präventionskonzept unter strengen Hygieneauflagen entwickelt, um mittels Testangeboten, Abstandsregeln, Maskenpflicht und personalisierten Eintrittskarten für schnelles Contact Tracing das Spielangebot aufrecht zu erhalten und zugleich das Infektions- und Verbreitungsrisiko zu minimieren. Die Berliner Festspiele hingegen konzipierten ein "Theatertreffen virtuell", verlegten die geplanten Veranstaltungen in den digitalen Raum und boten Netztheater in Form von aufgezeichneten Produktionen sowie live Panel-Diskussionen und Nachgesprächen an. Während 2020 versucht wurde, das bereits konzipierte Festivalprogramm coronakonform offline oder online bestmöglich umzusetzen, erfuhr der Zeitraum ab 2016, in welchem Nicola Scherer Expert*innen-Interviews an internationalen Theaterfestivals im deutschsprachigen Raum durchführte, zwar keine vergleichbaren Einschränkungen im Spielbetrieb, doch auch hier erinnern wir uns an markante Ereignisse der Weltpolitik: internationale Fluchtbewegungen und damit einhergehende Renationalisierungsprozesse, das EU-Türkei-Abkommen am Flüchtlingsgipfel in Brüssel, die britische Referendumsabstimmung für einen EU-Austritt, die wiederholte Präsidentschaftswahl in Österreich, der Terroranschlag in Nizza am französischen Nationalfeiertag, der Putschversuch in der Türkei und die Präsidentschaftswahl in den USA. In dieser krisenreichen Zeit, welche demokratische Systeme auf den Prüfstand stellte, untersuchte die Kulturmanagerin, Künstlerin und Kuratorin Nicola Scherer kulturpolitische Strategien internationaler Theaterfestivals im deutschsprachigen Raum an fünf konkreten Beispielen: dem Züricher Theater Spektakel, dem Festival Theaterformen in Braunschweig und Hannover, dem Internationalen Sommerfestival auf Kampnagel, dem Festival steirischer herbst sowie dem Internationalen Forum des Berliner Theatertreffens. Basierend auf Expert*innen-Interviews mit der jeweiligen künstlerischen Leitung thematisiert Scherer kuratorische Überlegungen und kontrastiert diese mit drei externen Perspektiven auf die internationale Festivallandschaft: Holger Bergmann, Geschäftsführer des Fonds Darstellende Künste, vertritt die Position der Kulturförderung; Esther Boldt, Autorin bei nachtkritik.de und Theater heute, gibt Auskunft als Repräsentantin der Fachpresse; und Kathrin Deventer, Generalsekretärin der European Festivals Association in Brüssel, spricht aus einer europäischen Perspektive. Die Dissertation diskutiert kulturpolitische Strategien und Narrative, die anhand kuratorischer Entscheidungen der Festivalleitung erkennbar werden. Internationale Theaterfestivals werden hierbei als Seismografen für globale gesellschaftspolitische Entwicklungen begriffen. Insbesondere in der Dekade des Krisenhaften verfügen Theaterfestivals aufgrund ihrer Nähe zu Produktionen der freien Szene mehr noch als Stadt- und Staatstheaterbetriebe über die notwendige Flexibilität, um auf gesellschaftspolitische Veränderungen zu reagieren. Somit erzählen Theaterfestivals von "alternativen Narrativen, […] antizipieren Zukünfte und bilden ein Framing von Lebensmodellen in performativen Formaten" (S. 129). Scherer versteht die thematischen Setzungen internationaler Theaterfestivals als "reflexive Flächen globalpolitischer und künstlerischer Prozesse", die somit als "Momentaufnahme und Repräsentanten eines weltlichen Zustandes" dienen (S. 27). Auf diese Weise verhandeln Theaterfestivals neben Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens auch Diskurse wie "Critical Whiteness, Gender, Diversity, Migration, Globalisierung oder Digitalisierung" und positionieren sich zu "Aushandlungsprozesse[n] um Ländergrenzen, Re-Nationalisierungs- und Re-Demokratisierungsprozesse[n]" (S. 23). Beispielsweise zeichnet sich das 1990 gegründete Festival Theaterformen mit jährlich wechselnden Standorten in Braunschweig und Hannover insbesondere durch einen außereuropäischen Blickwinkel auf "Inszenierungen transkulturelle[r], post- und dekoloniale[r] Themen und Künstler*innen" (S. 67) aus. Für die Festivalkuratorin Martine Dennewald liegt in der Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte eine bewusste Hinwendung zum Fremden, um einen Dialog mit Künstler*innen aus Afrika, Süd-Ost Asien und Südamerika zu eröffnen, als auch um nicht erzählte Geschichten erfahrbar zu machen und "koloniale Machtstrukturen zu entmachten" (S. 74). Die Theaterkritikerin Esther Boldt warnt hingegen vor der "Exotisierung" oder "Instrumentalisierung von Kunstwerken" (S. 119) und befürwortet stattdessen, einen offenen Blick außerhalb der 'westlichen Brille' zu erlernen, um unabhängig vom spezifischen kulturellen Kontext primär aus Wertschätzung den Künstler*innen und deren Arbeit gegenüber eine Einladung auszusprechen. Anhand des auf Grenzüberschreitungen, Offenheit und Diversität gesetzten Schwerpunkts beabsichtigt das Züricher Theater Spektakel, "eine größtmögliche Gegenposition zu Renationalisierungsprozessen" darzustellen und "lokalen Widerstand im globalen Kontext" zu erproben (S. 91). Ebenso erinnerte das Leitmotiv des steirischen herbst 2016, "Wir schaffen das", an den Ausspruch Angela Merkels aus dem Vorjahr und löste kontroverse Diskussionen zu weltweiten Flüchtlingsbewegungen und Nationalisierungstendenzen aus. Festivalkuratorin – und inzwischen Kulturstadträtin von Wien – Veronica Kaup-Hasler inszenierte das migrantisch geprägte Annenviertel in Graz als "Arrival Zone" und verlegte künstlerische Produktionen auch in die südsteirische Grenzregion. In diesem Sinne begreift Kaup-Hasler das Festival als "seismografisches Momentum" und die Verbindung eines "Hineinhören[s] in die Welt mit der Kunst" (S. 100) als dessen Stärke. Abseits der künstlerischen Arbeiten positionieren sich Theaterfestivals in aktuellen gesellschaftspolitischen Diskursen auch mittels alternativer Formate: So etwa veröffentlicht der steirische herbst ein eigenes Magazin unter dem Titel herbst. Theorie zur Praxis. In ähnlicher Weise bietet das Festival Theaterformen internationalen Journalist*innen im Rahmen seines Festivalblogs eine digitale Plattform, Theaterkritiken in der eigenen Muttersprache zu verfassen. Mehrmals klingt der Vorschlag durch, den Freiraum künstlerischen Schaffens ohne inhaltliche Vorgaben auf Theaterfestivals zu wahren und finanziell zu fördern, da insbesondere Künstler*innen der freien Szene gesellschaftspolitische Entwicklungen ohnedies wahrnehmen und darauf reagieren. Esther Boldt prognostiziert ein Ende der "Themenfestivals", die sie bloß als vorübergehende Modeerscheinung begreift, jedoch als Festivalformat für "zu intellektuell" und "zu einengend" hält (S. 121). Laut András Siebold, Leiter des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel, wird die Setzung eines thematischen Schwerpunkts oftmals "als wirksame Kommunikationsstrategie für die Presse" und "Verpackungslüge" gehandhabt, eine Vorgehensweise, die er selbst zu vermeiden sucht (S. 77). Die Wahl eines Festivalthemas entscheidet hingegen über Öffentlichkeitswirkung und Drittmittelfinanzierung. Meist ist eine Fördermittelvergabe für Kulturveranstaltungen an politisch-inhaltliche Schwerpunkte geknüpft und beeinflusst folglich auch die Programmgestaltung. "An das Schaffen der Kunst wird etwa ein Auftrag der Demokratierettung, transkulturellen Öffnung und die Aufrechterhaltung der Rechtstaatlichkeit angebunden" (S. 140). Als Kriterien der Förderpolitik werden ökonomisch relevante und messbare Kriterien der Umwegrentabilität, Stadtentwicklung und des Audience Development genannt. Festivalkurator*innen sehen sich gezwungen, "die Effizienz dieser Unternehmungen bereits in Förderanträgen transparent zu machen und in späteren Auslastungszahlen und Reichweitenachweisen zu quantifizieren" (S. 126). Stattdessen fordert Kathrin Deventer, "künstlerische Freiräume jenseits des ökonomischen Drucks zu schaffen" (S. 127) und den Künstler*innen zu ermöglichen, weiterhin als "Pioniere unserer Wirklichkeit" (S. 125) zu agieren. In ähnlicher Weise betont Daniel Richter, bis 2017 dramaturgischer Leiter des Internationalen Forums des Berliner Theatertreffens, eben jenes als "Schutzraum" zu implementieren und "von dem sonstigen Produktionsdruck in den darstellenden Künsten" frei zu halten (S. 107). Scherer schließt daraus, dass Kurator*innen über eine gewisse "Wachheit" verfügen müssen, die "neben der Weltbeobachtung eines fortlaufenden Prozesses der selbstkritischen Infragestellung der eigenen Position und Mechanismen bedarf" (S. 136), wie bspw. der Einflussnahme von Drittmittelfinanzierung auf die Programmgestaltung. Darüber hinaus benennt die Autorin die Gefahr, dass "Künstler*innen und Kurator*innen Stücke (ko-)produzieren, die einer Touring-Pragmatik unterliegen, das heißt kleine Bühnenaufbauten, geringe Beteiligtenanzahl, festivalaffine Formsprache und Formate", wodurch Theaterfestivals selbst "zum Produzent redundanter Formen" werden (S. 136). Ähnliche Entwicklungen sind vor allem auf nicht-kuratierten Fringe Festivals zu erkennen, deren Politik des freien Zugangs eine zunehmende Kommerzialisierung und Funktionalisierung als Theaterbörsen begünstigte und neben ökonomischen, arbeitsrechtlichen und sozialen Missständen auch eine Standardisierung ästhetischer Formate nach sich zog. András Siebold betont die kuratorische Herausforderung und Tugend zugleich, nicht bereits erfolgreiche Produktionen in das eigene Programm aufzunehmen, sondern ein Risiko einzugehen, noch unbekannten Künstler*innen eine Bühne zu bieten und diese im Schaffensprozess zu begleiten. Demnach fungiere ein Theaterfestival als "Plattform und Ermöglicher neuer Projekte" (S. 86). Laut Sandro Lunin, Festivalkurator des Züricher Theater Spektakel bis 2017, bestünde eine notwendige kulturpolitische Veränderung in der "Finanzierung und Forcierung von Reisen" (S. 91) sowie des internationalen Austauschs zwischen Kurator*innen und Künstler*innen hinsichtlich nachhaltiger Kooperationen, um eine "Vielperspektivität auf das Weltgeschehen" (S. 92) zu generieren. Dazu muss angemerkt werden, dass angesichts aktueller Bestrebungen nach umweltverträglichen Arbeitsweisen und ökologischer Nachhaltigkeit (Flug-)Reisen in der Festivalkuration durchaus als umstritten gelten. Auf den letzten Seiten ihrer Publikation entwirft Scherer ein Modell internationaler Theaterfestivals als "Akteursnetzwerk" in Anlehnung an die Actor-Network-Theory von Bruno Latour. Da die erklärenden Ausführungen lediglich in stichwortartigen Aufzählungen dargelegt werden, sind manche Zusammenhänge nicht klar ersichtlich, bspw. im Hinblick auf die gewählte Hierarchisierung der einzelnen "Bausteine" (S. 145). Eine als Fließtext konzipierte Erläuterung des Modells könnte an dieser Stelle aufschlussreicher sein. Darüber hinaus wäre interessant gewesen, hier eine Differenzierung zu Marijke de Valcks Analyse europäischer Filmfestivals zu entwerfen, die ebenfalls auf Latours Actor-Network-Theory aufbauend das Konzept sogenannter "Sites of Passage" entwickelt hat (vgl. de Valck 2007). Die inhaltlich aufschlussreichen Expert*innen-Interviews werden erst gegen Ende miteinander verknüpft und kommentiert. Folglich kommt die analytische und kritische Auseinandersetzung mit dem Gesagten ein wenig zu kurz. Dem akademischen Publikationsbetrieb ist darüber hinaus anzulasten, dass zahlreiche formale Mängel das Gesamtbild trüben: Die Publikation gewönne, wenn wesentliche Lektoratsarbeit (Rechtschreibung, Grammatik, Formatierung etc.) im Vorfeld geleistet worden wäre. So jedoch führen etliche Verweise ins Leere, bspw. wird auf einen Anhang verwiesen, der nicht beigefügt wurde (Vgl. S. 45 und S. 54). Was die Monographie Narrative internationaler Theaterfestivals. Kuratieren als kulturpolitische Strategie durchaus auszeichnet, ist ihre Praxisnähe, die sie durch die Expert*innen-Interviews herstellt. Hier wird ein spannender Einblick in kuratorische Überlegungen geboten und die Positionierung internationaler Theaterfestivals im Kontext des weltpolitischen Geschehens diskutiert. Literatur: de Valck, Marijke: Film Festivals: From European Geopolitics to Global Cinephilia. Amsterdam University Press, 2007.
BASE
World Affairs Online
In: International journal of sociology, Band 52, Heft 5, S. 370-396
ISSN: 1557-9336
According to a widely held view, a broad and strong middle class is a criterion for social stability and a decisive force for democratization. This paper first examines this normative concept of the middle class before investigating how the situation of the middle class changed in Hungary after the regime change and how broad and strong it is today. Finally, we examine to what extent today's Hungarian middle class can be regarded as a pillar of democracy and an engine of democratization.
"Prior to China's entry into the United Nations (UN) in 1971, there was fierce debate about its anticipated behavior and impact. Proponents of Chinese membership argued that integration into the United Nations would ultimately change or "civilize" the People's Republic of China (PRC) while skeptics countered that the "...the UN is not going to serve as a reform school for Peking," and that China was likely to attempt to alter the international system. When Chinese Communist Party (CCP) leaders failed to challenge the existing global order and eventually adjusted their own priorities and goals to fit into it and even benefit from the prevailing international order, its behavior alleviated concerns of destructive behavior. Yet, the larger question of China's longer-term impact on and role in international regimes remains an open question. Even if the PRC has not acted as a spoiler of the international system, are there subtle yet significant ways that it has pursued change toward international regimes? This question become more pressing and salient with China's ascendance and rising weight in global politics, especially given indications that it is shedding its earlier status quo posture and shifting to a more assertive one. As scholar Elizabeth Economy noted, in a June 2018 speech PRC President Xi Jinping "put the world on notice: China has its own ideas about how the world should be run and is prepared, as he put it, to 'lead in the reform of global governance.'" Scholars have begun grappling with"--
In: Historical Social Research, Transition (Online Supplement), Heft 33v1
Im Rahmen der 2. Auflage von Deutschland in Daten wurden 21 interaktive Choroplethenkarten auf Kreisebene erstellt. Insgesamt wurden zu acht Themengebieten (Bevölkerungsdichte, Geburten, Mindestsicherungsquote, Wahlbeteiligung, Gefährliche Körperverletzung, Erwerbstätige im produzierenden Gewerbe, Arbeitslose und Konfessionen), zu denen für aktuelle Jahre (2011-2017) Statistiken auf Kreisebene vorhanden sind, für das Kaiserreich sieben und für die Weimarer Republik fünf Vergleiche erstellt. Für die Darstellungen wurden vorhandene Kartengeometrien des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung sowie von Daniel Ziblatt und Jeffrey C. Blossom mit Datensätzen verknüpft, die in den 1980er und 1990er Jahren erstellt wurden und auf umfangreichem Veröffentlichungsmaterial der amtlichen Statistik basieren. Zusätzlich zu der Verknüpfung wurden die vollständigen Namen der Kreise und ihre Zuordnungen zu übergeordneten Verwaltungseinheiten ergänzt. Für die Erstellung der Karten wurde das jQuery plugin Mapael verwendet.
In: Collection "Espace et territoires"
World Affairs Online
Blog: www.jmwiarda.de Blog Feed
Tiefe Bildungskrise trifft auf hohle Lippenbekenntnisse. Wo ist die von der Ampel versprochene neue Kultur der Bildungszusammenarbeit? Dabei wäre es so einfach – und das Gelegenheitsfenster ist jetzt. Ein Gastbeitrag von Margit Stumpp.
Bild: RGMontgomery /
Pixabay.
WIEDER EIN BILDUNGSBERICHT, wieder die lange und allseits bekannten
Ergebnisse. Die Bildungskrise greift weiter um sich. Und wieder die erwartbaren Reaktionen: Besorgnis, Betroffenheit, Lippenbekenntnisse. Die Analysen sind zutreffend, aber sie werden – wieder –
folgenlos bleiben. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Das ist der eigentliche Skandal.
Seit Jahr und Tag zeigen sämtliche Statistiken, dass das deutsche Bildungssystem unterfinanziert ist. Seit dem Dresdner Bildungsgipfel 2008 existiert das Ziel, die gesamtstaatlichen Aufwendungen für Bildung
und Forschung von damals 8,6 Prozent der Wirtschaftsleistung auf zehn Prozent zu erhöhen. Passiert ist seitdem, abgesehen von den Panikreaktionen in der Pandemiephase, nichts! Statt sieben
Prozent für die schulische Bildung dümpeln die Investitionen nach wie vor unter dem Schnitt der OECD-Staaten von rund fünf Prozent.
Von den Absichtserklärungen im Koalitionsvertrag der Ampel, es werde eine
engere Kooperation zwischen Bund, Ländern und Kommunen angestrebt und man wolle eine neue Kultur der Bildungszusammenarbeit begründen, ist bis dato nichts zu sehen. Von einer Erhöhung der
Bildungsausgaben ist die Regierung unter einem rigiden Finanzminister, der die Einhaltung der investitionsfeindlichen Schuldenbremse zur Staatsräson erhoben hat, weit entfernt. Selbst der
Digitalpakt 2.0, ein Paradebeispiel für die Verrenkungen, die notwendig sind, um das Kooperationsverbot, also die in der Verfassung manifestierte Bremse für Bildungsausgaben zu umgehen, steht in
Frage.
Funktionierende Toiletten und dichte Schuldächer sind eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, nicht der Bildungshoheit
Die Folgen sind verheerend. Der im Wesentlichen von der Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub droht zu versanden. Es ist höchste Zeit, eine der wesentlichen Ursachen für die Unterfinanzierung
der Bildung zu beseitigen: Das Kooperationsverbot!
Wir feiern diese Jahr 75 Jahre Grundgesetz. 58 Jahre lang kam es ohne Artikel 91b aus, ohne dass die Bildungshoheit der Länder in gefährdet war. Funktionierende Toiletten und dichte Schuldächer
sind eine Frage der Bildungsgerechtigkeit, nicht der Bildungshoheit. Inhalte der Bildung und Bildungsinfrastruktur sind zwei völlig unterschiedliche Themen. Sollten die Länder das anders sehen,
wären die finanziellen Forderungen an den Bund obsolet.
Dem widerspricht die Tatsache, dass das Kooperationsverbot seit Bestehen bereits drei Mal geändert wurde, um dennoch Bundesmittel in Bildungsinfrastruktur zu investieren, zuletzt für den
Digitalpakt. Leider hat der Widerstand der damals regierenden CDU eine immer drängender werdende Öffnung des Kooperationsverbots verhindert. Erst am Ende der vergangenen Legislaturperiode wuchs
bei der damals zuständigen Ministerin Karliczek die Einsicht, dass ein solches Flickwerk für eine zukunftsfähige Finanzierung der Bildungsinfrastruktur nicht trägt.
Damit wiederholt sich Geschichte: Von Bulmahn über Schavan und Wanka bis zu Karliczek kam die Einsicht spät, leider zu spät. Umsetzung verschoben in die neue Legislatur. Das heißt: neue
Abgeordnete (BildungspolitikerInnen werden selten wiedergewählt), neue/r Minister(in), neuer Lernprozess.
Es geht auch ohne
Föderalismusreform
Wenn es tatsächlich ein Erkenntnis- und kein Umsetzungsproblem gibt, dann nur hier. Denn für die Öffnung des Kooperationsverbots wäre, entgegen mancher Parolen, keine Förderalismusreform nötig,
weder eine große noch eine kleine. Es wäre zwar wünschenswert, dass Artikel 91b beherzt angefasst würde, um aus dem Kooperationsverbot ein Kooperationsgebot zu formulieren. Realistisch ist dies
unter den bestehenden politischen Verhältnissen kaum. Die Streichung des Wortes "befristet" in Artikel 104c würde aber schon weiterhelfen und das Dilemma der ständig notwendigen
Anschlussprojekte und damit des Zerrens um die Anschlussfinanzierung auflösen. Was beim Sozialen Wohnungsbau (Artikel 104d) recht war, muss für Bildungsinfrastruktur billig sein.
Denn: An der Befristung der Bildungsinvestitionen scheitert Vieles. Die endlosen Diskussionen einst um die Ausgestaltung des Digitalpakts und jetzt um seine Fortführung sind nur ein
Beispiel. Die komplizierte und bürokratische Ausgestaltung ist wegen der Rechtslage notwendig, verkompliziert aber die Administration und schränkt die Spielräume ein. Digitalisierung geht aber
nicht mehr weg, im Gegenteil, der offene Zugang zu generativer KI verschärft die Herausforderungen gerade in der Bildung. Gestemmt werden müssen die enormen zusätzlichen Ausgaben von den
Schulträgern, den Kommunen und Landkreisen. Viele sind aber finanziell ohnehin schon am Ende, Stichwort Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.
Kanzlerin Merkel und die damaligen Ministerpräsidenten haben 2008 mit konkreten Zielsetzungen die Bildungsrepublik ausgerufen. 10
Prozent des BIP sollten für Bildung (sieben Prozent) und Forschung (drei Prozent) ausgegeben werden, der Bund werde dazu einen überproportional hohen Anteil leisten. Wo ist dieser
überproportionale Anteil bei der Bildung?
Bildung ist gesamtstaatliche Aufgabe. Wenn die Bildungskrise endlich strukturiert angegangen werden soll, darf sich keine Ebene aus der Verantwortung stehlen. Die rechtlichen Hürden dafür müssen
endlich beseitigt werden. Das Grundgesetz soll in naher Zukunft geändert werden, um das Bundesverfassungsgericht besser zu schützen. In diesem Zug wäre die vorgeschlagene Änderung in Artikel 104c
zeitnah möglich. Wenn der große Schritt jetzt nicht umsetzbar ist, geht wenigstens den überfälligen kleinen: Öffnet das Kooperationsverbot!
Margit Stumpp war von 2017 bis 2021 grüne Bundestagsabgeordnete, Sprecherin für Bildungs- und Medienpolitik und Expertin ihrer Fraktion für digitale Infrastruktur.
Heute unterrichtet sie wieder als Berufsschullehrerin für Informations- und Medientechnik sowie technische Physik.
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Der 2017 erschienene Text Das totale Museum. Über Kulturklitterung als Herrschaftsform des Kunsthistorikers und Journalisten Christian Welzbacher nimmt die Lesenden mit auf eine rasante Reise und zwar in zweierlei Hinsicht: Im Sinne einer Zeitreise werden aktuelle Beispiele aus der Museumspraxis historisch kontextualisiert und im Sinne einer grenzüberschreitenden Expedition werden unterschiedliche Facetten und Ebenen musealer Geschichte, Ästhetik, Organisation und (Vermittlungs-)Praxis pointiert erfasst, miteinander in Bezug gesetzt und als Objekte kritischer Beobachtungen hinterfragt. Die Metaphorik der Reise eignet sich insbesondere deswegen gut, da der Text, als Teil der Reihe 'Fröhliche Wissenschaft' bei Matthes & Seitz, im essayistischen Stil anspruchsvolle, obgleich nicht durchgängig tiefgehende, dafür aber anschauliche Einblicke in verschiedene Erscheinungsformen des Museums gibt. Ausgehend von einem noch nicht näher spezifizierten, negativ konnotierten Gefühl des Autors formuliert der Text sein Ziel: Eine Kritik des Museums. Die Zeiten leidenschaftlicher Museumsbesuche gehören der Vergangenheit an, Unbehagen hat sich eingestellt. Doch was ist passiert? Der Text dient der Erprobung möglicher Antworten. Im Zentrum der mit dem Text aufgeworfenen Suche steht die Frage, ob sich das Museum als solches auflöst, indem seine Mittel (insbesondere das Kuratieren) in andere Institutionen längst hineingesickert sind oder ob sich das Museum etwa restituiert und neu formiert, berücksichtigt man die fortwährende Privatisierung von Häusern (S. 15f). Schon diese Frage zeigt die Aktualität des Textes an. Die historische Einbettung ("Wissen ist Macht", S. 17ff) rekurriert auf die Kunst- und Wunderkammer als Ort für die Sammlung, Ordnung und Präsentation von Wissen in der Renaissance. Hier erscheint das Museum als Abbild der Welt und zugleich als Zugang zu ihr. Zur Repräsentation des Politischen wird die Kunst- und Wunderkammer, indem die Sammelnden als Fürsten Teil des Souveräns sind. Das Sammeln, Ordnen und Ausstellen gerät so auch als Staatsmacht in den Blick, da Herrschaft auf diesem Weg legitimiert werden kann. Wissen und Macht(-politik) sind also – nicht wirklich überraschend – miteinander verzahnt. Mit der Entwicklung der Kunst und Wunderkammer zur bürgerlichen Bildungsanstalt Museum verschiebt sich die identifizierte Machtkonstellation: Die Öffnung des Museums verschiebt Politik in die Kultur und Macht in das Wissen. Das Museum wird zum "kulturelle[n] Resonanzraum des wirtschaftspolitischen Selbstverständnisses des Bürgertums" (S. 28). Spezifische Strategien der Aneignung von Wissen und Objekten sowie der daraus entstehende (nationalstaatliche) Wettbewerb in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Forschung zeigen die politische Interessengebundenheit musealer Geschichtsschreibung auf. Museen artikulieren politische Bedürfnisse. Das Sammeln wird unter dem Begriff "Egobranding" keineswegs nur im musealen Kontext reflektiert, sondern auch im Kontext privater Sammlungen als postmuseale Kulturform betrachtet (S. 35ff). Private Sammlungen und Sammlungen in Unternehmen garantieren gesellschaftlichen Ruhm und sind darüber hinaus auch finanziell lukrativ. In einer leider nicht näher ausformulierten Analogie zur Entwicklung des Privatfernsehens gerät hier die mit der Etablierung von Privatsammlungen entstehende Konkurrenzsituation in den Blick, die öffentliche Museen zwingt, BesucherInnenzahlen und Lernerfolge zu messen und offen zu legen. An die geschilderte Konkurrenzsituation von Museen anknüpfend, exploriert der nächste Abschnitt die "Entmusung des Museums" (S. 50ff), verstanden als Konzentration auf die Herstellung von Aufmerksamkeiten seitens des Museums. Die Quantität der Besuchenden (wieder in sehr knapper Analogie zum Fernsehen, Stichwort: Einschaltquote), nicht etwa die Qualität der Museen (woran lässt sich diese festmachen?) avanciert zum zentralen Movens von Museen. Konsumorientierung führt zu einer Aufwertung der Form, bei gleichzeitiger Verdrängung von Inhalten (Bilbao-Effekt). Eher nebenbei entfaltet die Argumentation hier eine durchaus provokante These: Der Angriff auf die Institution Museum durch die antibürgerliche Kritik der 1970er Jahre habe erst den Boden für die spätere neoliberale Ausrichtung der Museen vorbereitet: Die Entmusung von Museen, die einst als Herrschaftskritik gedacht war, entpuppe sich nun als Grundlage des Neoliberalismus. Und was ist mit den ausgestellten Objekten (S. 61ff)? Ein Ding wird mithilfe einer zeit-, orts-, personen- und kontextabhängigen Ordnung zu einem Museumsobjekt. Dieser Rahmen wiederum ist Effekt politischer, kultureller, ästhetischer wie sozialer Erörterungen. Aus diesem Grund ist das Museum – und mit ihm seine Objekte – stetig im Prozess, es passt sich immer wieder an. Das Gezeigte ist Ergebnis musealer Präsentationsformen, es ist relativ. Die pauschale Deutung dieser Prozesse artikuliert sich im Text durchaus pathetisch, denn wenn Museen gar nicht unschuldig abbilden, dann stellen sie vielmehr ein "Paralleluniversum" (S. 65) dar, das seinerseits ein geschlossenes Weltbild erschaffe: Das Museum schafft eine Ideologie. Davon ausgehend wird schließlich auch sichtbar gemacht, dass "etliche" Museen durchaus ihre Sammlungsgeschichte sowie ihre Präsentationstechniken sichtbar machen, damit vielschichtige Zugänge erlauben und Museumspräsentationen im Ganzen hinterfragen. Der Text fokussiert darauffolgend auf museale Ausstellungsgestaltungen bzw. "kuratorische Erosionen", die ihrerseits als Effekt einer sozialen und politischen Ordnung dechiffriert werden (S. 77ff). Etwas unglücklich in einer Sender-Empfänger-Logik verhaftet, wird herausgearbeitet, dass antizipierte Bedürfnisse der Besuchenden in den Mittelpunkt der Ausstellungsgestaltung gerückt sind. Nicht mehr die (moralische) Belehrung, sondern die Orientierung am Erlebnis wird zu einem zentralen Aspekt musealer Rationalität. In welchem Kontext ereignen sich Entscheidungen darüber, welche Dinge in welcher Form Eingang in ein Museum finden (S. 89ff)? Diese zusammenfassende Frage wird mit den Aspekten "gesellschaftliche Relevanz" (bis in die Lebensbereiche der BesucherInnen, die hier im Text als "Kunden" benannt werden), "Pragmatismus" (was wie im konkreten Sinne hinein passt), historische, politische, soziale und diskursive Zusammenhänge und Zeit/Konkurrenz beantwortet. Offenkundig handelt es sich bei diesen entscheidungsrelevanten Aspekten des musealen Ausstellens keineswegs um museale Spezifizitäten, sondern auch Supermärkte, Warenhäuser und Tourismusbüros kuratieren ihre Produkte. An dieser Stelle beantwortet der Text – eher beiläufig – zumindest ein Stück weit die zentrale Frage: Bedeutet die Entgrenzung kuratorischer Praxis die Totalisierung des Museums bzw. sein Verschwinden als Institution? Nein. Historisch rückgebunden wird argumentiert, dass Sammlungsinstitutionen immer schon als "Medien der Entgrenzung" angelegt waren und "Realität" immer schon kuratiert wurde. Was aber neu sei ist der Umstand, dass die privatwirtschaftliche Umstrukturierung des Museums diesen "totalitären Zug" (S. 96) des Museums deutlich sichtbarer gemacht habe. Um der eher kulturpessimistisch ausgerichteten Rhetorik zum Ende hin doch noch etwas entgegenzusetzen, endet der Text mit der Schilderung des kritischen Potenzials des Museums (S. 97ff): Kritik könne nicht nur 'von außen' an das Museum herangetragen werden, sondern das Museum hält Mittel zur Kritik an sich selbst bereit. Das Bedürfnis, über diesen so wichtigen Aspekt noch mehr zu lesen, befriedigt der Text nicht – er regt aber an, und vielleicht geht es ja genau darum. Für eine Kritik des Museums wäre wünschenswert gewesen, das Verhältnis vom Museum und seinem 'Anderem' konzeptuell zu schärfen, da dieses Verhältnis immer wieder thematisiert wird: Unklar bleibt, ob sich Gesellschaft (= Realität?) im Museum spiegelt (S. 81), ob sich das Museum zwischen Ding und BesucherIn schiebt und damit beide voneinander entfremdet (S. 73), ob sich die Grenze zwischen Museum und Realität auflöst (S. 94) oder ob das Museum das fundamental Andere der Realität, d. h. einen Rückzugsort (S. 17) oder auch eine Welt für sich (S. 61), darstellt. Diese Suchbewegungen und Widersprüche irritieren – andererseits zeichnet der Text sich gerade durch diese Suchbewegungen aus: Er formuliert durchaus pathetisch zuspitzende Thesen, doch sobald sich beim Lesen dieser Stellen der Verdacht einstellt, dass es sich um eine unzulässige Verengung des Blicks handelt, die das Resultat einer enttäuschten Liebe darstellt, höhlt der Text seine starken Thesen selbst wieder aus. Inwiefern der Text Neues in die durchaus vielfältige und bereits vorangetriebene Museumskritik einbringt, muss offen bleiben. Liest man ihn aber nicht als abwägende Suche nach (neuen) Antworten, sondern als deutlich kritisch positionierten Denkanreiz, als eine Art Provokation, welche die Lesenden zum Nachdenken darüber zwingt, wodurch sich ein Museum überhaupt auszeichnet und wie sich museale Prozesse in welchem politischen Kontext überhaupt erst entfalten, und beabsichtigt man zudem, diesem Nachdenken mithilfe von anschaulichen und spannenden Beispielen auf die Sprünge zu helfen, ist der Text allen zu empfehlen, die (k)ein Unbehagen während eines Museumsbesuchs verspüren.
BASE
In: X-Texte zu Kultur und Gesellschaft
Seit fast zwei Jahrzehnten ist das Gebiet um den französischen Hafen von Calais ein Durchgangsort für Tausende von Migrant_innen und Flüchtlingen. Auf dem Höhepunkt der »Flüchtlingskrise« im Jahr 2015 erlangte es weltweite Aufmerksamkeit, als alle dort lebenden Menschen in ein einziges Lager verlegt wurden, das als »der Dschungel« bekannt wurde. Bis zu seiner Auflösung im Oktober 2016 stand dieser unsichere Ort, der seine Bewohner_innen so unsichtbar wie möglich machen sollte, im Mittelpunkt der internationalen Sorge um die Notlage von Flüchtlingen.Der Anthropologe Michel Agier und sein Team untersuchen die Architektur des Lagers, rekonstruieren den Alltag und die Routinen und analysieren die gesellschaftlichen Reaktionen auf den Dschungel, von der feindlichen Regierungspolitik bis hin zu konkreten Solidaritätsbewegungen. Somit entsteht ein umfassender Bericht über das Leben im »Dschungel von Calais« und dessen Zusammenhang mit der globalen Migrationskrise, der auch die Umwälzungen in unseren Gesellschaften aufzeigt - sowohl lokal als auch global.Die Studie wurde verfasst von Michel Agier mit Yasmine Bouagga, Mael Galisson, Cyrille Hanappe, Mathilde Pette und Philippe Wannesson.
In: PLOS ONE, Band 17, Heft 11, S. 1-19
Concerns have been raised that immigrants coming to Europe bring fundamentally different social values, affecting the more liberal receiving societies negatively. However, the topic of immigrants' social values is understudied, and much research studies only one issue at a time, lacking a systematic approach to compare immigrants and native-born across issues. We study the social values of immigrants in Sweden using a large sample of newly arrived immigrants and their opinions on 35 different moral issues. Our results indicate a large heterogeneity across different issues, with, on average, a general tendency towards liberal social values among immigrants. We find that individual characteristics are more important than characteristics of the country of origin in explaining variation of social values between immigrants. Religiosity has the largest effect, with more religious individuals having more conservative stances. Using external data sources, we compare immigrants with native-born regarding both average positions on different issues, and the correlation between issue positions. Compared with the native-born, immigrants have, on average, somewhat more conservative values, but the underlying values structure is the same.
In: International journal of conflict and violence, Band 16, S. 1-15
ISSN: 1864-1385
Individuals who are strongly oriented towards market-based values are more likely to devalue groups identified as "unprofitable" from an economic point of view. Drawing on insights from Institutional Anomie Theory (IAT), this study explores economically legitimized prejudice in light of a far-reaching economization of the institutional and cultural structure. Multilevel models using data from the European Social Survey (2018) show that hostility towards immigrants is expressed more among individuals who strongly embrace market-based values and in countries where the institutional structure is dominated by the economy and non-economic social institutions are enfeebled (institutional imbalance). Aggregated market-based values (a "marketized anomic culture") mediate the effect of a) individual market-based values and b) institutional imbalance on anti-immigrant attitudes. This study contributes to a better understanding of group prejudice under conditions of economization. It shows that applying IAT within a multilevel framework offers a fruitful explanation not only for crime but for other sociological phenomena.
In: Sociological perspectives, Band 65, Heft 5, S. 825-847
ISSN: 1533-8673
While some scholars suggest that awareness of income inequality is strongest when the actual level of inequality is high, others find that individuals' awareness of income inequality is largely unresponsive to actual inequality. In this article, we argue that individuals in different social class positions often respond to the actual levels of income inequality distinctively, and therefore a class perspective is essential in understanding how actual inequality and people's perceptions of it are associated. Using data from the social inequality modules of the International Social Survey Programme (ISSP, 1992, 1999, and 2009) as well as the World Income Inequality Database (https://www.wider.unu.edu/) and the World Inequality Database (https://wid.world/), we consider how actual inequality interacts with social class to shape people's perceptions of income inequality across 64 country-years between 1992 and 2009. We find that overall, perceptions of inequality are higher among the working class and lower among salariats. However, cross-nationally and over time, as the actual level of inequality increases, working classes become less critical toward inequality, whereas salariats become more critical. The actual level of inequality itself has no impact on people's discontent toward it. This creates a counterbalancing effect that obscures the aggregate relationship between rising inequality and people's perceptions of it.
In: Zeitschrift für vergleichende Politikwissenschaft: ZfVP = Comparative governance and politics, Band 14, Heft 4, S. 345-374
ISSN: 1865-2654
AbstractAlongside citizens' belief in the legitimacy of democracy, public support for the political regime is crucial to the survival of (democratic) political systems. Yet, we know fairly little about the relationship between citizens' democratic knowledge and their evaluation of democratic performance from a global comparative perspective. In this article, we argue that the cognitive ability of citizens to distinguish between democratic and authoritarian characteristics constitutes the individual yardstick for assessing democracy in practice. Furthermore, we expect that the effect of citizens' democratic knowledge on their evaluation of democratic performance is moderated by the institutional level of democracy. We test these assumptions by combining data from the sixth and seventh wave of the World Values Survey and the third pre-release of the European Values Study 2017, resulting in 114 representative samples from 80 countries with 128,127 respondents. Applying multilevel regression modeling, we find that the higher a country's level of democracy, the more positive the effect of democratic knowledge on citizens' assessment of democratic performance. In contrast, we find that the lower the level of democracy in a country, the more negative the effect of citizens' democratic knowledge on their evaluation of democracy. Thus, this study shows that citizens who are more knowledgeable about democracy are most cognitively able to assess the level of democracy in line with country-level measures of democracy. These results open up new theoretical and empirical perspectives for related research on support for and satisfaction with democracy as well as research on democratization.
Puppenspiel, Figuren- und Objekttheater, Theater der Dinge? AkteurInnen in diesen dynamischen Spielfeldern sind – durch Produktions- und Aufführungsmodi mitbedingt – mehrheitlich offen für genreüberschreitende Formensprachen, räumlich ausgesprochen mobil und unterschiedlichsten Publikumsarten zugewandt. Ungeachtet der Benennungsproblematik und ihrer Präsenz auf Gegenwartsbühnen ist die Anzahl an Publikationen zu dieser variantenreichen Theaterform im deutschsprachigen Raum sehr überschaubar, (theater-)wissenschaftliche Monografien oder Sammelbände sind quasi inexistent. Der Verlag Theater der Zeit bietet mit seinem konsequent zweisprachigen Arbeitsbuch Der Dinge Stand/The State of Things. Zeitgenössisches Figuren- und Objekttheater/Contemporary Puppetry and Object Theatre eine Fülle an Text- und Bildmaterial, das exemplarisch künstlerische Positionen zu gesellschaftspolitisch relevanten Themen und Phänomenen – Digitalisierung, Protestkulturen, Körperbilder, Heimat, Migration und Erinnerung – zu fassen sucht. "Puppenspieler*innen gehörten zu den ersten Kunstschaffenden, die interdisziplinäre Inszenierungsansätze, postdramatische Dramaturgien und internationale Kollaborationen etablieren und, zumindest im Festivalbetrieb, durchsetzen konnten." (S. 7) In ihrem Vorwort argumentieren die HerausgeberInnen Annette Dabs und Tim Sandweg darüber hinaus, dass der Diskurs über Figuren- und Objekttheater in letzter Zeit von ästhetischen Fragestellungen dominiert worden sei. Die vorliegende Publikation solle zeitgenössische Spielformen und -materialien primär hinsichtlich ihrer Relationen zu sozialen und politischen Thematiken befragen. Zudem liege im Verlag Theater der Zeit die Veröffentlichung des letzten genrespezifischen Arbeitsbuchs Animation fremder Körper (herausgegeben von Silvia Brendenal im Jahr 2000) beinahe zwei Jahrzehnte zurück. Sieben Artikel, ebenso viele Gespräche und einige manifestartige, poetische bzw. autobiographische Texte umfasst Der Dinge Stand/The State of Things. Der Einstieg in die im Vorwort angekündigten Schwerpunktthemen erfolgt dezidiert – womöglich um Figuren- und Objekttheater unmissverständlich als Innovationsmotor zu markieren – über die Verhältnisse zu den neuen Technologien. So konfrontiert das erste Gespräch zwischen Martina Leeker, Andreas Bischof und Markus Joss, Perspektiven aus der Medienwissenschaft, der Sozialwissenschaft und der Puppenspielpraxis: Robotik, Digitalisierung, neue Kommunikationsformen differieren in ihrem Einsatz im Alltag und auf der Bühne. Ist im Theater der Dinge womöglich nicht das reibungslose Funktionieren dieser neuen Mittel fruchtbar, sondern gerade deren Versagen? Joss spricht pointiert, anhand des aktuell beliebten Topos der Roboter auf der Bühne, über die Grenzen der Brauchbarkeit dieser neuartigen Puppen: "Ein Roboter ist ja erst einmal ein riesengroßes Versprechen. Aber wenn ich aus dem Theater der Dinge darauf blicke, ist das sehr begrenzt: Wenn der Roboter jetzt Treppen steigen kann, haben sehr viele Ingenieur*innen ihr Leben darauf verwandt, damit er das kann. Das ist einerseits beeindruckend, aber unter dem Aspekt der Artistik unendlich langweilig." (S. 25) Wie könnte sich Figuren- und Objekttheater also heute und zukünftig zu einer durch neue Technologien geprägten Gesellschaft verhalten? Womöglich weder durch ein Absorbieren von Robotern, Programmierung, Digitalisierung, noch durch die Einrichtung eines technologiefreien Theaterreservats, sondern durch die Offenlegung von Übersetzungsleistungen, welche im alltäglichen Technikeinsatz verdeckt werden: Joss argumentiert, "dass heute eine Aufgabe von darstellender Kunst im Öffnen, im Sichtbarmachen besteht. Da liegt für mich auch eine Chance für das Theater der Dinge in digitalen Kulturen." (S. 26) Es folgen, im Kielwasser des ersten Themenschwerpunkts, drei Gespräche, darunter eines mit dem Berliner Kollektiv komplexbrigade über interaktives Rollenspieltheater mit Retro-Science-Fiction-Ästhetik (flirrende Bildschirme, Knöpfe und Schalter) und ein weiteres mit dem Professor für digitale Medien im Puppenspiel Friedrich Kirschner über Erwartungshaltungen und Reaktionsketten in partizipativen Formaten. Das dritte Gespräch, mit dem Intendanten des Schauspiels Dortmund Kay Voges, streift Virtual-Reality-Brillen, Body Tracking und Kostüme aus dem 3D-Drucker sowie die "Hoffnung, dass das Theater auch in dreißig Jahren noch ein Ort sein kann, wo die Schönheit der Komplexität erzählt werden kann und nicht die Partizipationswut jede Geschichte zerstört." (S. 54) Der im Themenfeld von Gaming- und Mitmachtheater graduell entgleitende Fokus auf das breit gefasste Theater der Dinge wird mit einem Artikel von Tom Mustroph wieder justiert, der sich mit der 2017 uraufgeführten Inszenierung Pinocchio 2.0 der Berliner Gruppe Manufaktor befasst. Die Puppenspiel-AbsolventInnen der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch mobilisieren auf halbem Wege zwischen Frankensteins Monster und Freuds Prothesengott, Technologie auf der Bühne: Mit verkabelten Tierschädelknochen und einem ferngesteuert rollenden Fuchs-Katze-Doppelkopfapparat mit LED-Augen illustrieren sie ein dystopisches Kriegsszenario zwischen Menschen und Maschinen am Ende des 21.Jahrhunderts – inklusive anthropomorpher "Pinocchio-Figur als Retter der Menschheit" (S. 52). Der zweite, einem konventionelleren Verständnis von Figuren- und Objekttheater näherliegende Themenfokus des Arbeitsbuchs – der menschliche Körper im Verhältnis zum Mythos, zur Gewalt, zum Objektkörper – wird in fünf Textbeiträgen ausgelotet. Sind wir etwa nie modern gewesen? Im Gespräch befragt die Puppenspielerin Julika Mayer, Renaud Herbin, Puppenspieler und Intendant des TJP Centre Dramatique National in Straßburg, zu Bezügen zwischen antiken Mythen, Ritualen und Körpern im Puppenspiel. "Neither flesh nor fleshless; Neither from nor towards; at the still point, there the dance is" (S. 67) – Herbin zitiert T. S. Eliot herbei, um der Unentschiedenheit zwischen Lebendigem und Unbelebtem, zwischen Aktivem und Passivem in einer angehaltenen Zeit, Raum zu geben: Genau dort läge der Tanz, der ebenso wie Mythologie und Puppenspiel "eine andere Erfahrung des Körpers in Aussicht" (S. 67) stelle. Ebenfalls im Gespräch mit Mayer spinnt Uta Gebert die Fragen nach dem Nonverbalen im tanzaffinen Puppenspiel fort: Das Ding ist hier weder Beiwerk noch Spielzeug, sondern gibt den Rhythmus vor. Mit Demut agiert der "Mensch als Unterstützung, der der Puppe Raum und Kraft verschafft", da "eine Puppe ein gänzlich anderes Zeit-Raum-Gefüge hat. In dieses Gefüge muss der Mensch irgendwie rein, damit beide gut interagieren können" (S. 71). Ein Artikel von Bernard Vouilloux bearbeitet die facettenreichen Verwischungen der Grenzen zwischen organischem und künstlichem Körper und deren ontologischen Zuschreibungen je nach Bewegungs- oder Stillstandmodus in den Arbeiten von Gisèle Vienne. Der thematische Block endet mit einem Artikel über Jan Jedenaks Arbeiten, in welchem mittels Masken und Puppen die Übergänge von Spiel zu Gewalt am Körper ermessen werden, und einem Monologtext der Puppenspielerin Antje Töpfer, der dem Verhältnis zwischen PuppenspielerIn und Spielfigur mit humoristischem Ton begegnet: "Wir sind ein komisches Paar. Du fängst an, dich zu beugen. MATERIALSCHWÄCHE. Meine Augen wandern nach links, zu dir. WILLENSSCHWÄCHE. Ich kann dich nicht länger halten so mit ausgestrecktem Arm. MUSKELSCHWÄCHE." (S. 82) Was hier in der Auswahl der GesprächspartnerInnen und der thematisierten KünstlerInnen deutlich hervortritt, ist die gegenwärtige Bedeutung des professionellen Puppenspiel-Netzwerks zwischen Deutschland und Frankreich, denn alle sind AbsolventInnen spezialisierter Studiengänge an der Ernst Busch, der HMDK Stuttgart und/oder der ESNAM in Charleville-Mézières. Ein dritter Themenschwerpunkt betrifft politisch engagiertes Figuren- und Objekttheater. Den Anfang macht ein Artikel von John Bell über die Zusammenhänge von Figurentheater und politischem Aktivismus in den USA, etwa im Rahmen von Demonstrationen anlässlich der Wahl von Donald Trump oder von Black Lives Matter. Die anschließenden Beiträge sind weniger pädagogisch bzw. kontextualisierend ausgerichtet: Ein poetischer Text von Gerhild Steinbuch kommentiert den Sprachgebrauch der Neuen Rechten, – über die Inszenierungsweisen im dazugehörigen Projekt Beate Uwe Selfie Klick am Theater Chemnitz erfahren LeserInnen allerdings nichts. Auch der manifestartige Text der Lovefuckers – "Aus zwei Moorleichen quillt blaues Blut. Du hast die Wahl. Elvis steht am Ufer und spielt auf einer lila E-Gitarre nur für dich. Don't look back. Fuck all rules. Puppets rule. #<3f***ers" (S. 107) – lässt mitunter den Wunsch nach Informationen zum Tun dieses Berliner Kollektivs aufkommen. Der Beitrag von Anna Ivanova-Brashinskaya, in Form von Lexikon-Einträgen zu Schlagworten, die für die interaktiven Performances des russischen Kollektivs AXE – Russian Engineering Theater von Bedeutung sind, bietet ebenfalls potentiell Neugier weckende Formulierungen, allerdings frei von Informationen zu den konkreten Arbeitsweisen: "FOLTER – im Prinzip alle Handlungen, die die PERFORMENDEn an sich selbst oder an anderen PERFORMENDEn vornehmen" (S. 112). Zum Objekt – da ja der Dinge Stand im Fokus ist – heißt es, "was schreibt, ist keine Hand, sondern ein Stift; was weint, sind nicht die Augen, sondern die Brille. […] Die PERFORMENDEn, in dienender Funktion, ermöglichen ihm das autarke Spiel. Tritt einen Moment lang auf – nur um seine sakralen Pflichten zu erfüllen und zu sterben" (S. 112). Für LeserInnen ohne Kenntnisse über dieses Kollektiv verbleibt der Text wohl etwas opak. Erinnerung, Heimat und Migration bilden die vierte Schwerpunktsetzung im Arbeitsbuch. Zwei international ausgerichtete Beiträge – ein Gespräch mit Ludomir Franczak und ein Artikel über das Kollektiv El Solar – befassen sich mit dokumentarischem Objekttheater, in welchem materielle Gegenstände (die auch Kopien von auratisch-authentischen Gegenständen sein können) als Erinnerungsträger fungieren, die Erzählungen über individuelle Biographien und soziales Leben in urbanen Räumen der Vergangenheit initiieren. Die Fraglichkeit der Trennung zwischen dem Eigenen und dem Fremden im Kontext der Globalisierung und der so genannten Energiewende wird in einem Artikel über die Beweggründe zum Stück Carbon der Dresdner Gruppe Freaks und Fremde thematisiert. Mascha Erbelding zeichnet in ihrem Artikel zum Ensemble Materialtheater die Verhandlung von Flucht, Armut und Krieg mittels Brecht'scher Verfremdung nach. Was wissen gut versorgte EuropäerInnen über diese Themen? Wie kann man das Nichtselbsterfahrene darstellen? International Selbsterfahrenes bietet das Arbeitsbuch dann zum Abschluss: Ariel Doron macht sich autobiographische Gedanken über seine europäisch-israelische Identität bis hin zum Weltbürger-Werden durch den Puppenspieler-Beruf, während Gyula Molnàrs Erzählung vom Koffer als Puppentheater- und Migrationssymbol – konfrontiert mit strengem Einreisekontrollprotokoll – mit wohlgewählten Mehrdeutigkeiten endet: "Nun hat sich das Bild gewandelt. Der Migrant verlässt das Schiff ohne Koffer, seine Geschichte ist im Meer der Nachrichten versunken. Er kommt ohne Koffer, dafür in einen goldenen Mantel gehüllt, und betritt barfuß den Boden unseres Eldorados." (S. 163) Die Entscheidung, alle Textbeiträge sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch zu veröffentlichen – wie auch im Luk Perceval gewidmeten Arbeitsbuch 2019 –, ist angesichts der internationalen Tätigkeitsfelder der zum Zuge kommenden KünstlerInnen als auch der potenziellen Diversifikation des Lesepublikums eine produktive Geste. Ihre Kehrseite ist eine ungefähre Halbierung der Quantität an Beiträgen bzw. ihre Kürze, denn die Gesamtseitenanzahl liegt im Bereich der einsprachigen Arbeitsbücher. Es wäre in diesem Kontext womöglich publikumsfreundlich gewesen, die Aufteilung der verfügbaren Seiten – den etwa 77 Textseiten stehen 53 Bild- und 39 Werbeseiten gegenüber – anders zu gestalten und längere Beiträge (als die vorliegenden 0,5 bis 3 Seiten pro Text) zu erlauben. Auch stellt sich bisweilen die Frage nach dem Zielpublikum, denn entsprechend der Ankündigung wird mehr auf die Inhalte als auf die Ästhetik fokussiert, wodurch Beschreibungen von figuren- und objekttheaterspezifischen Verfahren (Inszenierungs- und Spielweisen, Dramaturgien) kaum Erwähnung finden. Die enthaltenen poetischen bzw. dramatischen Texte eröffnen sich ohne diese Kontexte allerdings eher bereits informierten LeserInnen. Gerade weil im deutschsprachigen Raum noch immer publizistisch und theaterwissenschaftlich marginalisierte Theaterformen im Zentrum der Publikation stehen, wäre eine umfassendere, deskriptive und kontextualisierende Hilfestellung gewinnbringend gewesen. Hoch anzurechnen ist den HerausgeberInnen des lesenswerten und bildlich attraktiven TdZ-Arbeitsbuchs 2018 ihre internationale und interdisziplinäre Weitsicht, sowohl betreffend der AutorInnen als auch der thematisierten Arbeiten aus den komplex gebastelten, Genregrenzen umschiffenden, digitalisierten oder leiblichen Produktionen des gegenwärtigen großen Puppen-, Figuren-, Objekt- oder Gaming-Theaters der Dinge.
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