Lohnanpassung in der Europäischen Gemeinschaft: die Erfahrung der 80er Jahre
In: European economy, Heft 50, S. 89-117
ISSN: 0379-0991
"Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Löhne ist in den 80er Jahren vor allem durch zwei Entwicklungen noch gewachsen: zum einen durch die zunehmende Stabilität der Wechselkurse innerhalb der Gemeinschaft und zum anderen - in den letzten Jahren - durch die angestrebte Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion. Die Analyse der Lohnentwicklung wird durch die Unterteilung des Jahrzehnts in Teilperioden erleichtert: i) in den Jahren 1980-1985 verlangsamte sich der Anstieg der Löhne und Preise im wesentlichen als Resultat einer straffen Geldpolitik und einer umfassenden Umstrukturierung der europäischen Wirtschaft. i) Die Jahre 1986-1988 brachten eine kräftige Erholung des Wirtschaftswachstums, und die Gemeinschaft profitierte von einer unerwarteten Verbesserung ihrer terms of trade. Bei der Dämpfung des Lohn- und Preisanstiegs wurden weitere spektakuläre Erfolge erzielt, und die EG-Länder, die von Anfang an am engen EWS-Wechselkursband teilgenommen hatten, entwickelten sich zu einer homogenen Gruppe; iii) in den Jahren 1989-1990 blieben die wirtschaftlichen Erfolge hinter den Erwartungen zurück. Preise ud Löhne stiegen aus einer Reihe von Gründen schneller als zuvor; Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts machte das Erbe der 70er Jahre eine erhebliche Lohnanpassung in der Gemeinschaft erforderlich, um die Inflationsrate zu senken und die Investitionsrentabilität und die internationale Wettbewerbsposition zu verbessern. Obgleich die Mitgliedsstaaten diese Ziele auf verschiedene Weise zu erreichen suchten, lassen sich doch einige gemeinsame Verhaltensweisen erkennen: i) Alle Regierungen waren bestrebt, glaubwürdige makroökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen die Tarifautonomie gewährleistet war. ii) die meisten Regierungen versuchten, die Lohnbildungsverfahren zu beeinflussen. In einigen Fällen wurden bestehende Lohnindexierungsverfahren ganz oder teilweise ausgesetzt. iii) Durch die stärkere Integration der europäischen Volkswirtschaften und die größere Wechselkursstabilität nahm in der gesamten Gemeinschaft das Bewußtsein der Tarifpartner für den Zusammenhang zwischen Lohnkostenentwicklung, internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung zu. iv) Die Wechselkurspolitik spielte für die Realisierung der erforderlichen Anpassung eine wichtige Rolle. Einige Länder ergänzten ihre antiinflationären Strategien durch eine Hartwährungsoption. Andere Länder, denen die außenwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit größere Sorgen bereitete, versuchten die notwendige Lohnanpassung entweder durch "ein für allemal" Wechselkursabwertungen oder durch schrittweise Abwertungen zu erreichen. Gemessen an der erklärten Absicht der Mitgliedstaaten, rasch zu den letzten Stufen der Wirtschafts- und Währungsunion voranzuschreiten, was das gegen Ende der 80er Jahre erreichte Konvergenzniveau trotz der in diesem Jahrzehnt erzielten erheblichen Fortschritte noch unzureichend." (Autorenreferat)