Sechs Farben und drei Rotationsachsen: Versuch über Verpflichtungen in Freundschaften
In: Mittelweg 36: Zeitschrift des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Band 17, Heft 3, S. 17-41
ISSN: 0941-6382
Mit "schlafwandlerischer Sicherheit" behaupten wir, dass Freundschaft auf einem Gefühl der Nähe, des Vertrauens und der Verbundenheit basiert und dass das moralische Verpflichtungen mit sich bringt. Es ist für den Autor jedoch wenig einsichtig, warum jemand selbst auf Grund des schönsten, höchsten und grundlegendsten menschlicher Gefühls oder der universalsten fürsorglichen Moral einem anderer helfen sollte. Dieser "soziologische Kurzschluss" überspringt alle wichtigen Fragen, indem er einfach behauptet, was eigentlich erst im Detail zu zeigen wäre. Wie genau entsteht die Verbindlichkeit der Freundschaft? Wie wird die Leichtigkeit des Handelns in die Welt gebracht? Wie sollen die ethischen Taten eingeübt und habitualisiert werden? Und in welchem Transformationsverhältnis stehen sie zu den mit ihnen verbundenen moralischen Einstellungen? Der Essay versucht, einen Beitrag zur Klärung dieser Fragen zu leisten. Untersucht wird das "normative Korsett" der Freundschaft als faktisches, historisches Phänomen an einem normativen Freundschaftsdiskurs. An ausgesuchtem empirischem Material wird dargestellt, wie Verpflichtungen in Freundschaften idealiter aufgebaut sind, woraus sie glauben, ihre Verbindlichkeit zu ziehen, und durch welche Mechanismen sie ins Leben gerufen werden. Das Beobachtungsmaterial liefern einundzwanzig Freundschaftsratgeber aus dem Zeitraum 1990 bis 1993 und sechzehn aus dem Zeitraum 2002 bis 2006. (ICA2)