Habitus und soziale Praxis
In: Pierre Bourdieu: politisches Forschen, Denken und Eingreifen, S. 91-106
Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist der Habitus als zentrales Vermittlungsmedium der symbolischen Gewalt und als eines der großen innovativen Konzepte von Bourdieus herrschaftskritischer Theorie. Im Gegensatz zur eher bewusst wahrgenommenen und als relativ leicht an- und wieder ablegbar vorgestellten Rolle ist der Habitus von Bourdieu als zum Körper geworden und weitgehend unbewusst konzipiert. Das Habituskonzept geht also im Unterschied zum Rollenkonzept nicht von einer Entgegensetzung von Individuum und Gesellschaft aus, denn das soziale Subjekt wird von vornherein und in radikaler Weise als vergesellschaftetes gedacht. Am Beispiel des traditionell agrarisch geprägten Habitus in der im Umbruch begriffenen algerischen Gesellschaft und des Geschlechtshabitus in der heutigen, eine Gleichberechtigung der Geschlechter propagierenden Gesellschaft, hat Bourdieu die Resistenz der Subjektstrukturen gegen objektive Veränderungen - den so genannten "Hysteresiseffekt" des Habitus - aufgezeigt, mit welchem alle Projekte radikaler Veränderung rechnen müssen, wenn sie nicht hoffnungslos illusionär scheitern wollen. (ICI2)