Computerbasiertes Lernen mit Aufmerksamkeitsdefizit: Unterstützung des selbstregulierten Lernens durch metakognitive Prompts
In der Bildungspolitik wird zunehmend die Digitalisierung des schulischen Unterrichts gefordert. Dabei stellt sich die Frage, ob alle Schüler/innen gleichermaßen von dem zunehmenden Einsatz digitaler Lernmedien im Unterricht profitieren können. Insbesondere Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen haben Schwierigkeiten bei der Planung und Strukturierung ihrer Lernprozesse. Die störungsbedingt leichte Ablenkbarkeit durch externe oder interne Faktoren erschwert das Aufnehmen der Lerninhalte zusätzlich. Während externe Ablenkungen in Lernsituationen durch Umgebungsreize auftreten können, entstehen interne Ablenkungen beim computerbasierten Lernen beispielsweise durch die Möglichkeit, im Internet bevorzugt Seiten nach persönlichem Interesse anstatt nach der Passung zu einer gestellten Lernaufgabe auszuwählen. In zwei empirischen Studien wurde untersucht, inwiefern aufmerksamkeitsgestörte Kinder beim computerbasierten selbstregulierten Lernen durch metakognitive Prompts unterstützt werden können. Diese stellen Lernhilfen dar, die in Form von Pop-Up Fenstern im Lernprogramm eingebunden sind und zu metakognitiven Aktivitäten, wie z.B. zur Planung, Steuerung und Kontrolle des eigenen Lernverhaltens, anregen sollen. Basierend auf Forschungsergebnissen zum metakognitiven Prompting und dem Therapieprogramm Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern (Lauth & Schlottke, 2009) wurde eine computerbasierte Lernumgebung zum Thema Klima und Klimazonen entwickelt. Die im Lernprogramm enthaltenen metakognitiven Prompts zielten auf eine Strukturierung des Lernprozesses, indem sie zuerst aufforderten, die Lernaufgabe genau zu lesen und wichtige Begriffe herauszufiltern. Nachfolgend sollten entsprechend dieser Begriffe aufgabenrelevante Links in der Seitenleiste markiert und innerhalb der Lernphase dann lediglich diese, als relevant markierten Seiten, gelesen werden. Einige Minuten vor Ende der Lernzeit wurden die Teilnehmenden dazu angehalten, den Lernprozess zu kontrollieren und ggf. zu korrigieren. In der ersten Studie dieser Arbeit (untersucht wurden Kinder der Klassen 6 bis 9, N = 44) verbesserten sich die Lernergebnisse der aufmerksamkeitsgestörten Kinder, die metakognitive Prompts erhielten im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit Gestaltungsprompts nicht. Als Ursache wurde die mangelnde Motivation der Teilnehmenden angesehen, den Aufforderungen in den metakognitiven Prompts Folge zu leisten und ihr Wissen im Lerntest adäquat wiederzugeben. Aus diesem Grund wurde in der zweiten Studie ein motivationaler Anreiz für die Promptbefolgung und die Beantwortung des Wissenstests eingebunden. Untersucht wurden 40 Schüler/innen mit einer Aufmerksamkeitsstörung der Klassenstufen 7 bis 9. Wie in der ersten Studie erfolgte die Zuweisung zu Experimentalgruppe (EG, motivationaler Anreiz für die Promptbefolgung) und Kontrollgruppe (KG, kein motivationaler Anreiz für die Promptbefolgung) randomisiert. Beide Gruppen arbeiteten in der gleichen Lernumgebung, erhielten die gleiche Lernaufgabe, sowie dieselben metakognitiven Prompts. Allen Teilnehmenden wurde für ein gutes Ergebnis im Wissenstest ein motivationaler Anreiz gestellt. Schüler/innen der EG wurden zusätzlich für die Befolgung der metakognitiven Prompts motiviert: die drei Teilnehmenden, welche die Prompts am besten befolgten, sollten einen Geldgutschein bei einem Einkaufsmarkt ihrer Wahl gewinnen. Es zeigte sich, dass in der EG im Vergleich zur KG keine besseren Ergebnisse im Wissenstest erreicht, jedoch die metakognitiven Prompts signifikant besser befolgt wurden. Betrachtet man die gesamte Stichprobe, stellte das Ausmaß der Promptbefolgung für das Fakten- und Transferwissen einen signifikanten Prädiktor dar. Trotz des fehlenden Gruppenunterschieds konnte der lernförderliche Effekt der metakognitiven Prompts somit bestätigt werden. Demzufolge stellt die Einbindung metakognitiver Prompts in computerbasierten Lernumgebungen eine Möglichkeit dar, Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen in ihrem Lernprozess erfolgreich zu unterstützen. Aufgrund der geringen Stichprobenzahlen haben die im Rahmen dieser Arbeit vorgestellten Studien eher einen explorativen Charakter. Dennoch zeigen sie sowohl Ansatzpunkte für die weitere Forschung als auch für die Therapie und die damit verbundene bzw. bezweckte Übertragung der Trainingsinhalte in den schulischen Kontext auf.