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Wird am Mittwoch im Brandenburger Landtag ein AfD-Politiker zum Vorsitzenden des Bildungsausschusses gewählt? Verbände rufen zur Protestkundgebung auf, eine Online-Petition gewinnt in Windeseile tausende Unterschriften. Hängt jetzt alles am Stimmverhalten des BSW?
Das wiederaufgebaute Stadtschloss in Potsdam, Sitz des Potsdamer Landtages. Foto: Ralf Roletschek, Wikimedia, CC BY-SA 3.0.
WENN SICH am Mittwochnachmittag im Brandenburger Landtag der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport (ABJS) trifft, könnte es doppelt laut werden. Zunächst draußen: Ein Bündnis aus Landesschülerrat, Landesjugendring, Pädagogen-Verband, Teachers for Future und weiteren Organisationen hat zur Kundgebung vor dem Landtag gegen die befürchtete Wahl des AfD-Politikers Dominik Kaufner zum Ausschussvorsitzenden aufgerufen und parallel eine Online-Petition gestartet. Nach der Kundgebung unter dem Motto "Aufstehen für die Demokratie! Wir errichten die Brandmauer" wolle man gemeinsam die öffentliche Sitzung des Gremiums besuchen.
Dort könnte es dann unter den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen hoch hergehen. Da für die Wahl zum Vorsitzenden lediglich fünf Stimmen nötig sind und die AfD drei hat, würden zwei Stimmen der weiteren sechs Ausschussmitglieder von SPD, BSW und CDU reichen.
In einem Brief an alle Schulleitungen im Bundesland begründen die Initiatoren ihre Protestaktion gegen Kaufner: "Die AfD Brandenburg gilt als so gut wie gesichert rechtsextrem." Auch Kaufner selbst sei vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft. "Für demokratische Kräfte ist es unvorstellbar, dass ausgerechnet der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport an eine Partei und Person mit diesem Profil fällt. Insbesondere in Anbetracht der Vorgeschichte, die die AfD in Bezug auf Bildung in Brandenburg hat."
Die AfD und die Bildungspolitik
Als Beispiel wird der Fall des AfD-Abgeordneten Dennis Hohloch genannt, ebenfalls Mitglied im ABJS, der vor Grundschülern über Gruppenvergewaltigungen gesprochen hatte, als diese im vergangenen Sommer den Potsdamer Landtag besuchten. Es sei seine Pflicht, Kinder zu warnen, hatte Hohloch anschließend dem Spiegel gesagt, Alter schütze vor diesem "Migrationsproblem" nicht. Die Beschwerdemail, die eine Mutter daraufhin an die Schule und andere Eltern schrieb, geriet in die Hände der AfD, Hohloch attackierte sie öffentlich in einem Video und thematisierte ihre frühere Arbeit als Journalistin.
Der Kandidat Kaufner selbst ist promovierter Historiker, stammt aus Niederbayern und gehörte vor seinem Eintritt in die AfD kurz der CSU an. Er ist beurlaubter Gymnasiallehrer und arbeitete vor seinem Einzug in den Landtag dieses Jahr an einer Berliner Schule. Die BILD-Zeitung hatte zudem berichtet, dass Kaufner vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" eingestuft werde. Das Potsdamer Innenministerium bestätigte das auf Nachfrage des Tagesspiegels allerdings nicht.
Der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport sei maßgeblich für die Entwicklung zukunftsorientierter und wertebasierter Bildungsstrategien verantwortlich, warnten am Dienstag elf Verbände in einem gemeinsamen Positionspapier. "Eine Leitung durch einen Vertreter der AfD könnte zu einer Aushöhlung seiner Arbeit führen." Die AfD habe wiederholt bewiesen, dass sie zentrale demokratische Prinzipien wie Vielfalt, Gleichberechtigung und Toleranz ablehne. "Dies steht im klaren Widerspruch zu den Aufgaben des Ausschusses." Außerdem habe die Partei wiederholt Einrichtungen der Kinder- und Jugend(sozial)arbeit, der Jugendverbandsarbeit, der Demokratiebildung angegriffen, die sich für Vielfalt, Toleranz und einen demokratischen Diskurs einsetzten und deren Existenz in Frage gestellt. "Die Wahl eines AfD-Abgeordneten zum Vorsitzenden des Ausschusses für Bildung, Jugend und Sport wäre ein Schlag ins Gesicht für alle Institutionen, Einrichtungen und Verbände der Bildung und Kinder- und Jugend(sozial)arbeit, die sich seit Jahren für eine offene und demokratische Bildung und Gesellschaft einsetzen."
In Bayern endete die Amtszeit eines AfD-Bildungsausschussvorsitzenden bereits einmal im Eklat. Markus Bayerbach wurde Anfang 2022 mit großer Ausschussmehrheit abgesetzt nach Vorwürfen, in der Debatte um einen internen AfD-Chat mit teilweise radikalen Inhalten die Unwahrheit gesagt zu haben. Vergleichbares habe es in der Geschichte des bayerischen Landtags zuvor noch nicht gegeben, berichtete die Nachrichtenagentur dpa.
Der Bayerische Rundfunk (BR) hatte Ende 2021 aus einer geschlossenen Telegram-Gruppe mit dem Namen "Alternative Nachrichtengruppe Bayern" zitiert. Dort seien unter anderem die Begriffe "Umsturz", "Revolution" und "Bürgerkrieg" gefallen. Mitglieder der Chat-Gruppe waren dem Bericht zufolge große Teile der AfD-Fraktion, der bayerischen AfD-Bundestagsgruppe und des AfD-Landesvorstands. Bayerbach hatte im Bildungsausschuss bestritten, auch dabei gewesen zu sein, obwohl der Chat den BR-Recherchen zufolge 458 Äußerungen enthalten hatte.
Das BSW wird das Zünglein an der Waage
Was aber passiert am Mittwochnachmittag im Brandenburger Landtag? Der kommissarische Pressesprecher von SPD-Bildungsminister Steffen Freiberg sagte: "Zu dieser Ausschussangelegenheit möchte sich das Ministerium nicht äußern."
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Brandenburger Landtag, Björn Lüttmann, sagte dagegen, die Abgeordneten seiner Fraktion "werden grundsätzlich keinen AfD-Abgeordneten zum Ausschussvorsitzenden wählen. Uns ist allerdings bewusst, dass für eine funktionierende Parlamentsarbeit Ausschussvorsitze besetzt werden müssen. Gerade beim Bildungsausschuss legen wir besonderen Wert darauf, jeglichen rechtsextremen Einfluss auszuschließen. Nach unserer Einschätzung ist Herr Kaufner nicht geeignet, diesen Ausschuss zu leiten."
Die Pressesprecherin der CDU-Fraktion teilte ebenfalls mit, ihre Fraktion werde die Wahl Kaufners nicht unterstützen.
Es läuft also alles auf den SPD-Koalitionspartner BSW mit seinen zwei Stimmen im Ausschuss hinaus, die ausreichen würden. Eine Anfrage, wie sich die Fraktion am Mittwochnachmittag verhalten werde, blieb über mehr als 24 Stunden unbeantwortet.
Die Online-Petition gegen Kaufners Wahl lief am späten Dienstagnachmittag bereits auf 10.000 Unterzeichner zu.
In ihrem Schreiben an die Brandenburger Schulleitungen betonen die Initiatoren, die Kundgebung vor dem Potsdamer Landtag nehme Bezug auf die Mitmachaktion "#IchStehAuf –Schulen für Demokratie und Vielfalt", die im vergangenen Sommer an bundesweit über 2000 Schulen und unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten stattgefunden hatte. "Das Initiativteam lädt Schulleitungen und Lehrkräfte ein, Kundgebung und ABJS-Sitzung zur Thematisierung im Unterricht und zur Diskussion in der Schulgemeinschaft zu nutzen."
Update am 15. Januar, 15.30 Uhr: Kaufner ist am Mittwochnachmittag bei der Wahl durchgefallen, wie der Tagesspiegel berichtet. Bei der konstituierenden Sitzung des Ausschusses erhielt der AfD-Politiker drei Stimmen, was der Zahl der Stimmen der AfD in dem Ausschuss entspricht. Es gab fünf Gegenstimmen und eine Enthaltung.
Sein Parteikollege Dennis Hohloch kritisierte laut Tagesspiegel in seiner Rolle als Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion, es sei "befremdlich", dass eine "normale demokratische Gepflogenheit hier zu einem großen politischen Skandal missbraucht wird". Institutionen wie der Landesschülerrat seien zur Überparteilichkeit verpflichtet.
Nachdem SPD und CDU am Dienstag erklärt hatten, Kaufner nicht wählen zu wollen, bestätigte sich, dass das BSW wackelte. Schon bei der Abstimmung über die Tagesordnung habe sich der BSW-Abgeordnete Falk Peschel enthalten, während seine Fraktionskollegin Melanie Matzies-Köhler zustimmte – obwohl SPD und BSW in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt hatten, man werde in Ausschüssen und Plenarsitzungen gemeinsam abstimmen.
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Dieser Blog zeichnete sich immer dadurch aus, dass er unterschiedliche demokratische Perspektiven in gegenseitiger Wertachtung gelten ließ. Dabei soll, muss und wird es bleiben, ganz gleich wie die Debatte anderswo sich entwickelt.
Im Kontext des religiösen Konflikts in Südkorea entstand die Idee zu dieser Untersuchung. Meine Vision ist, einen Beitrag zu leisten, wie man diesen Konflikt mit religionspädagogischen Erkenntnissen minimieren kann. Ferner geht es um die Frage, wie die Religionspädagogik angesichts der religiösen Pluralität funktionieren kann. In dieser Arbeit wurde davon ausgegangen, dass die aktuelle Problematik des religiösen Konflikts in der Rolle der Religionspädagogik im Kontext der religiösen Pluralität adaptiert werden kann. Im Rahmen der christlichen Schulreligionspädagogik habe ich untersucht, mit welchem Ziel, mit welchem Inhalt und mit welchen Methoden der Religionsunterricht an den Schulen erteilt werden soll. Die südkoreanische religiöse Situation kann durch die Koexistenz der vererbten traditionellen Religionen (z.B. Konfuzianismus, Buddhismus sowie Cheondogyo) und der überlieferten Religionen (z.B. evangelisches Christentum, Katholizismus und Islam) als pluralistisch charakterisiert werden. Hinzu kommen erhebliche Anteile Konfessionsloser und Atheisten. Religiöse Vielfalt ist Teil heutiger Lebenswirklichkeit in Südkorea. Sie erscheint meines Erachtens mit einem doppelten Gesicht. In der Außenperspektive sieht sie harmonisch aus, so als ob sich die verschiedenen Religionen respektvoll und friedlich zueinander verhalten. Aus der inneren Sicht jedoch lassen sich vielschichtige Spannungen zwischen den Religionen erkennen. Dies hängt damit zusammen, wie die Religionen sich zueinander verhalten. In der Geschichte Koreas haben die Religionen in sozialen Aufgaben (z.B. Unabhängigkeitsbewegung gegen Japan, Demokratisierungsbewegung gegen Diktatur, Umweltschutz, sowie die Wiedervereinigung Koreas) zusammengearbeitet und sich gegenseitig positiv beeinflusst. Im Gegensatz dazu sind die religiösen Konflikte sowohl in der politisch geprägten als auch in der privaten Gesellschaft seit Ende des 20. Jahrhunderts entstanden. Diese Konflikte haben sich zwar nicht intensiviert, aber sie wurden im Lauf der Zeit vielfältig und haben sich verschärft. In dieser Studie untersuchte ich den wesentlichen Grund für den religiösen Konflikt zwischen Buddhismus und evangelischem Christentum unter religionssozialwissenschaftlichen und theologischen Aspekten. Die Gründe der religiösen Konflikte wurden aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. Aus der Perspektive des evangelischen Christentums liegt der Hauptgrund dafür in der fundamentalistischen Theologie bzw. in einer extrem konservativen Tendenz der Kirchen. Im evangelischen Christentum wird aus meiner Sicht die religiöse Pluralität eher als ein Hindernis der Missionierung denn als eine Bereicherung wahrgenommen. Wie Kyoung-Jae Kim erläutert, befindet sich das evangelische Christentum auf dem Weg der dogmatischen Verhärtung. Dieser Überblick über die religiöse Situation Südkoreas zeigt deutlich, dass die religiöse Toleranz, Aufgeschlossenheit und Anerkennung gegenüber anderen Religionen für das Zusammenleben unabdingbar ist. Darüber hinaus habe ich die pädagogische Notwendigkeit des Religionsunterrichts in der Schulbildung festgestellt. Wie Folkert Doedens und Jürgen Lott konstatierten, ist Religion eine konstitutive Komponente umfassender allgemeiner Bildung und das Fach Religion ein unaufgebbarer Bestandteil des Fächerkanons in den öffentlichen Schulen. Aus diesem Verständnis ergeben sich zwei wichtige Aufgaben: zum einen ist die aktuelle Situation des Schulreligionsunterrichts in Südkorea kritisch zu analysieren, zum anderen sind die neuen religionspädagogischen Impulse außerhalb Südkoreas vergleichend heranzuziehen. In der ersten Aufgabe geht es um die Frage, wie und mit welcher strukturellen Form der Religionsunterricht sich angesichts der religiösen Pluralität bis heute entwickelt hat. Hinter der zweiten Aufgabe steckt das Problem: die Schulen stehen in Südkorea vor der Herausforderung, eine mögliche Reform und die zukünftige Gestalt des Religionsunterrichts bzw. alternative Konzepte des Religionsunterrichts zu prüfen und zu realisieren. Diese Studie hat beide Richtungen bearbeitet. Hinsichtlich der ersten Aufgabe wurde im zweiten Teil dieser Arbeit aufgezeigt, wie die staatlichen Lehrpläne des Religionsunterrichts und deren Inhalte von dem ersten bis zum siebten Lehrplan verändert wurden. Tatsächlich wurde und wird der Religionsunterricht konfessionell nur in den Missionsschulen erteilt. Die Diskussionen verliefen in den zurückliegenden Jahren zwischen einem konfessionellen und einem religionskundlichen Konzept. Hier werden die Konfessionaltiät und die Neutralität des Religionsunterichts als wesentliche Komponenten angesehen. Diese beiden Punkte beziehen sich auf die Asymmetrie der Zielsetzung für den Religionsunterricht zwischen den Missionsschulen und dem Bildungsministerium. Es lohnt sich in diesem Kontext für Südkorea, einen neuen Weg zu finden. Es ist klar, dass es im Schulreligionsunterricht in Südkorea nicht mehr so sehr darum gehen kann, eine bestimmte religiöse Botschaft zu vermitteln, sondern vielmehr darum, die Suchprozesse der Schülerinnen und Schüler im Kontext der religiösen Pluralität hilfreich zu begleiten. Dies bedeutet, dass die religiöse Pluralität im Religionsunterricht ernst genommen wird und sie im Sinne einer Aufgabe und Herausforderung des Religionsunterrichts fokussiert wird. Darüber hinaus erfordert die religiöse Pluralität ein Einübungsfeld, in dem die Schüler die religiöse Vielfalt selber mit Toleranz voreinander erleben. Denn die Erziehung zur Toleranz beginnt schon mit dem Schulbeginn. In der Zukunft soll für die Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher religiös-kultureller Prägung ein integrierender Schulreligionsunterricht genau so obligatorisch sein wie für andere Schulfächer. Für einen religiösen, pluralitätsfähigen Religionsunterricht spielt das Kennenlernen und das Verstehen von anderen Mitschülern eine große Rolle. Die grundlegenden Informationen über andere Religionen, die tolerante Offenheit und die Dialogfähigkeit werden als wesentlich angesehen. Sie wurden durch den Vergleich mit den bundesrepublikanischen drei Ansätzen, LER, KRU, Hamburger Modell aus dem religionspädagogischen Aspekt ausführlich erläutert. Als alternatives Konzept wird das interreligiöse Lernen beschrieben. Die kontextuellen Hintergründe für die Notwendigkeit des interreligiösen Lernens sind wie folgt: (1) die Schüler sollen von den anderen Schülern durch eine intensive Verständigung miteinander lernen. Denn die Schule ist zu verstehen als ein Bildungsort für Kinder und Jugendliche unterschiedlicher sozialer, kultureller, weltanschaulicher und religiöser Herkunft. (2) die veränderte gesellschaftliche Situation bzw. der Zuwachs der Migration machen das interreligiöse Lernen unerlässlich. (3) als gesellschaftliche Aufgabe sollte der Religionsunterricht zu einem möglichst konfliktfreien Zusammenleben beitragen. In diesem Sinne ist Religionspädagogik eine Praxistheorie. Um die neuen religionspädagogischen Impulse aufzuzeigen, wird Deutschland als Beispiel herangezogen. Zwar ist die religiöse Situation in Deutschland etwas anders als in Südkorea. Aber die religiöse Pluralität und Modernisierung sind identische Komponenten. Wie oben erläutert wurde, geht es in der koreanischen religiösen Situation um die friedliche Koexistenz zwischen herkömmlichen Religionen - und damit einer kulturellen Tradition von ca. 2000 Jahren - und der christlichen Religion. Im Gegenzug geht es in der religiösen Situation in Deutschland darum, wie man in einem traditionell christlichen Land mit einer wachsenden Anzahl von nicht christlichen Mitbürgern und insbesondere von Muslimen umgehen soll. Auffällig ist, dass die religiöse Kluft zwischen West- und Ostdeutschland als ein zukünftiges mögliches Vorbild für ein wiedervereinigtes Land Korea gelten kann. In beiden Ländern ist und bleibt Religion eine wichtige Dimension menschlichen Lebens und gesellschaftlichen Zusammenlebens. Daneben wird klar, dass das Christentum in Deutschland sich mehr als in Südkorea auf dem Säkuralisierungsprozess befindet. In der Zeitung Welt wurde konstatiert: "In 20 Jahren werden weniger als 50 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen einer der beiden großen Kirchen angehören. Derzeit sind es rund 60 Prozent, nämlich 23 Millionen Protestanten und 24 Millionen Katholiken, deren Gesamtzahl alljährlich um rund 500.000 sinkt, und zwar hauptsächlich durch Todesfälle." Maria Jepsen hat dieses so formuliert: "Je stärker sich die Religion - dann auch die Religiösität oder als Spiritualität bezeichnet - individualisiert und pluralisiert, desto weniger kann ein didaktischer Zugang zu Kindern und Jugendlichen von der geprägten Sprache kirchlicher und dogmatischer Tradition ausgehen." Damit hängt eng zusammen, dass die Bedeutung der religiösen Erziehung sowohl in der Famile als auch in den Religionsgemeinschaften abnimmt. Dementsprechend wächst die Bedeutung des Religionsunterrichts an den Schulen. Dies ist ein gemeinsames Phänomen in beiden Ländern. Von daher kann und soll der Schulreligionsunterricht insbesondere für Kinder und Jugendliche bedeutsam sein. Trotz dieses kontextuellen Unterschiedes haben sich die religionspädagogischen Bemühungen angesichts der multikulturellen und multireligiösen Lebenszusammenhänge nach einer entsprechenden einleuchtenden Didaktik in beiden Ländern entwickelt. In Südkorea koexistieren das konfessionelle und das religionskundliche Konzept. Dem gegenüber gibt es in Deutschland dazu die didaktischen Bemühungen für das ökumenische, interkulturelle und interreligöse Lernen. In der Tat wurden sie in Deutschland ausführlicher diskutiert. In den meisten Bundesländern findet Religionsunterricht in seiner grundgesetzlich abgesicherten Form als konfessionell ausgerichteter christlicher Religionsunterrricht statt. Es gibt noch andere Ansätze, wie der Religionsunterricht anders erteilt werden kann. In dieser Arbeit wurden die drei repräsentativen Ansätze in Deutschland dargestellt, LER, KRU, das Hamburger Modell. Das Charakteristikum von LER ist der Anspruch der Neutralität. Konfessionalität erweist sich dagegen als Kernpunkt des konfessionell-kooperativen Ansatzes in Baden-Württemberg. Demgegenüber ist die dialogische Schülerorientierung ein wesentliches Element im Hamburger Modell. Durch den Vergleich ist ersichtlich, dass eine konzeptionelle Gemeinsamkeit zwischen dem koreanischen Lehrplan des Religionsunterrichts und LER besteht. Die beiden Modellversuche sind charakterisiert durch die Neutraltiät des Religionsunterrichts und weisen keine Verbindung mit den Religionsgemeinschaften auf. Tatsächlich wurde über ökumenische und interreligiöse Ansätze für den Schulreligionsunterricht in Südkorea noch nicht ernsthaft diskutiert. Trotz der großen Unterschiede zwischen beiden Ländern hinsichtlich des Religionsunterrichts und seines juristischen Hintergrundes des Schulwesens, der religiös-gesellschaftlichen Situation sowie der Schülerschaft wurde der Grundgegensatz - die Konfessionaltiät und die Neutralität - auch in Deutschland diskutiert. Darüber hinaus wurden die Themen "Identität und Verständigung" und "Dialog und Toleranz" in die Diskussion eingebracht. Diese Diskussionen um das interreligiöse Lernen - "Identitätsbildung durch Beheimatung oder durch Begegnung" und "wie man das Andere verstehen kann bzw. wie man das Andere in seiner Andersheit anerkennen kann" - sind auch für die koreanischen Missionsschulen notwendig. Von den dargestellten Ansätzen werden drei religionspädagogische Merkmale unter Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Buddhismus und evangelischem Christentum präsentiert: (1) Lebensweltlich- und schülerorientierter Religionsunterricht, (2) Dialog und Perspektivenwechsel, (3) Lehrkraftwechsel, Team Teaching in Übereinstimmung mit dem Lehrplan. In LER wird der erste und der zweite Aspekt unterstrichen. Daneben wird der dritte Aspekt in KRU besonders hervorgehoben. Im Hamburger Modell wird der zweite Aspekt einschließlich mit den beiden anderen akzentuiert. Die drei Aspekte müssen im konkreten Kontext in Südkorea durch die Auseinandersetzung mit Lehrerschaft, Theoretikern und Schülern übertragen werden. Heute wird religiöse Bildung in der Schule immer wichtiger - für die eigene Verwurzelung und Identität der Kinder und Jugendlichen, für religiöse Urteilsfähigkeit, für Sinnfindung und Orientierung in der Welt sowie für Verständigungsfähigkeit und Toleranz. Daher soll die christliche Religionspädagogik bzw. das religiöse Lernen in der Situation der religiösen Konflikte bzw. angesichts der religiösen Pluralität grundsätzlich zu einem besseren Verständnis des eigenen Glaubens beitragen und zu mehr Respekt gegenüber Menschen anderen Glaubens. Ich betone die Notwendigkeit, in der Schule ein Wissen über die Religionen mit ihren vielfältigen Erscheinungs- und Ideenwelten als kulturell maßgebliche sowie identitäs-und gemeinschaftsstiftende Bestimmungsfaktoren in unserer Gesellschaft zu vermitteln. Aufgrund dieser Einsichten erscheint es mir notwendig, das Ziel des Religionsunterrichts und die Rolle der Schulreligionspädagogik als Friedenserziehung angesichts der religiösen Konflikte in Südkorea neu wahrzunehmen.
- Traduit en italien : " L'America latina ", dans Storia del cristanesimo, vol. 13 (" Crisi e rinnovamento dal 1958 ai goirni nostri ", Rome, Edizioni Borla, 2002. - Traduit en allemand : " Lateinamerika ", dans Die Geschichte des Christentums. Religion - Politik - Kultur, vol. 13 (" Krisen und Erneuerung, 1958-2000 "), Fribourg, Herder Verlag, 2002. ; Ce travail propose un regard de synthèse sur les mutations du champ religieux latino-américain depuis la fin des années 1950, tout en incluant le produit de recherches personnelles sur certains points précis (ainsi la dimension quantitative du recul catholique ou les réponses apportées par Jean Paul II à la crise du catholicisme). La première partie analyse l'érosion du monopole confessionnel que détenait le catholicisme depuis la Conquête. Celle-ci est tout d'abord le produit d'une crise propre à l'Église : crise des vocations entraînant un net désencadrement religieux dans un contexte de croissance démographique soutenue, déclin des pratiques que traduit l'analyse sur un temps long du nombre de baptisés ou de messalisants, trouble identitaire consécutif à l'aggiornamento conciliaire, etc. Surtout, la décatholicisation de l'Amérique latine semble moins procéder d'une tendance à la sécularisation des sociétés selon le modèle observé en Europe que de la croissance exponentielle des " nouveaux mouvements religieux " et notamment des Églises pentecôtistes. Alors que le protestantisme historique était demeuré marginal depuis son introduction dans les anciennes colonies ibériques au début du XIXe siècle, l'effusion pentecôtiste prend des proportions spectaculaires au point que certains espaces - comme le Chimborazo équatorien ou quelques régions de l'Altiplano bolivien - aient vu les pratiques catholiques complètement disparaître en moins de deux décennies. Cette fragmentation du religieux - d'autant plus sensible si l'on tient compte des importantes communautés juives qui se sont constituées à la fin du XIXe siècle, de l'apparition d'un Islam latino-américain (initialement syro-libanais) depuis l'entre-deux-guerres ou des religions d'origine asiatique importées par les migrants chinois, japonais et coréens - est à l'origine de l'apparition d'un contexte fortement prosélyte et concurrentiel, mais aussi de nouvelles formes de conflictualité tant rurales qu'urbaines. La deuxième partie est consacrée aux mutations du catholicisme, notamment dans la relation que celui-ci entretient avec le plan temporel. Dès avant le second concile du Vatican, les Églises latino-américaines sont entrées dans un profond processus de rénovation : liturgique avec l'édition de traductions rénovées de la Bible ou la mise en circulation de missels en langues indigènes ; institutionnel avec la création des conseils épiscopaux nationaux, du Consejo Episcopal Latinoamericano (CELAM) en 1995 et de nombreuses universités catholiques ; idéologique surtout, avec l'émergence d'une contestation politique et sociale au sein même du clergé et du laïcat catholique, qui conduit à la définition du christianisme de libération à la charnière des années 1960 et 1970. Ancré tout à la fois dans l'ordre du discours - la théologie de la libération, notamment représentée par le Péruvien Gustavo Gutiérrez et le Brésilien Leonardo Boff - et dans le répertoire des pratiques sociales - communautés ecclésiales de base -, le christianisme de la libération est souvent pensé comme un " progressisme chrétien ", mais entretient en réalité un rapport beaucoup plus complexe avec la dialectique tradition/modernité. Nourri du développement des sciences sociales en Amérique latine après la Seconde Guerre mondiale, usant de grilles de lecture marxistes dans son analyse des sociétés, il apparaît comme une tentative supplémentaire d'unir la transcendance et la raison afin de répondre concrètement aux clivages socio-économiques et aux questions de développement. Prétendant rétablir le royaume de Dieu sur terre et faire du clerc un acteur concret de la transformation politique sociale, il réinvente la figure du prêtre ministre (ainsi dans le Nicaragua sandiniste des années 1980) et renie ainsi explicitement le principe de la séparation des plans temporel et spirituel, constitutif de la modernité politique issue des Lumières et de 1789. Structurellement minoritaire au sein du catholicisme latino-américain, le christianisme de libération décline rapidement dans les années 1970 et 1980 sous la double offensive des régimes de sécurité nationale et du Vatican, qui en gère notamment la mise au pas au travers de deux Instructions émises par la Congrégation pour la Doctrine de la Foi en 1984 et 1986. Après avoir éliminé ce qui lui apparaissait comme une hérésie en puissance et remettait en question l'univocité de la parole sacrée tout autant que l'autorité romaine, Jean Paul II - par ailleurs acteur central de la fin du socialisme réel en Europe - tente de restaurer la doctrine sociale de l'Église dans le contexte des mutations néo-libérales et du consensus de Washington et d'organiser la riposte face à la croissance des nouveaux mouvements religieux. Le dernier temps de cette synthèse vise à décrire les ressorts de l'effusion pentecôtiste et ses conséquences multiples - politiques, sociales et identitaires. Le pentecôtisme apparaît comme la religion de l'anomie par excellence. À partir des années 1960, il se diffuse parmi les exclus de toute sorte - qu'il s'agisse des communautés indiennes vivant historiquement aux marges de la nation que des classes urbaines paupérisées - auxquels il propose à la fois des formes de pratique éminemment extraverties collectives en même temps qu'une panoplie de services (par exemple médicaux, avec la thaumaturgie). Autrement dit, le pentecôtisme recrée du lien social et de l'identité auprès des populations laissées pour compte de la modernisation. Il commence à se diffuser auprès des classes moyennes à la charnière des années 1980 et 1990, alors que l'État se désengage chaque jour un peu plus de missions traditionnelles telles que les services public de santé et d'éducation. Symptôme de sociétés structurellement écartelées au moment où ils émergent dans le champ religieux, les nouveaux mouvements religieux apparaissent également comme des produits du virage néo-libéral. Ils constituent d'ailleurs parfois même de véritables multinationales de la foi à l'image de l'Igreja Universal do Reino de Deus au Brésil, créant des filiales sur tous les continents et usant massivement des moyens de communication modernes (" télévangélisme "). Enfin, les Églises pentecôtistes s'affirment de plus en plus comme des acteurs politiques de première importance, qu'ils négocient avec les élites dirigeantes les suffrages de leur clientèle en échange d'avantages juridiques ou financiers ou investissent directement le terrain politique - comme c'est le cas, notamment, au Guatemala. En ce sens, la fragmentation religieuse de l'Amérique latine remet en question la séparation du temporel et du spirituel et hypothèque le renforcement d'une laïcité en devenir depuis le début du XIXe siècle.
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"Of course, a little bit of force is needed when doing push-backs."Kolinda Grabar-Kitarović, ehemalige kroatische PräsidentinKroatien, ein Staat, der gemeinsam mit Slowenien am 25. Juni 1991 seine Unabhängigkeit vom jugoslawischen Bundesstaat erklärte und damit einer der Akteure der schwersten Kriege in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg wurde, ist seit 2013 Mitglied der Europäischen Union, die vor allem als Friedens- und Wirtschaftsgemeinschaft gegründet wurde. Doch viele Stimmen äußern sich kritisch gegenüber dem Beitritt des Staates und sind der Meinung, dass Kroatien besonders im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext noch nicht bereit dazu wäre, Mitglied der Gemeinschaft zu sein.Die Europäische Kommission sieht das allerdings anders und ist der Meinung, dass die kroatische Politik große Fortschritte macht. Sie äußert sich bereits zuversichtlich über den kommenden Beitritt in den Schengen-Raum, der Bürger*innen der EU die Freiheit gibt, ohne ein Visum in viele Länder der Welt reisen zu dürfen. Doch an den kroatischen Grenzen gibt es Berichten zufolge immer wieder Fälle von Gewalt und Rechtswidrigkeiten von Seiten der Polizei gegenüber Asylsuchenden. Die ehemalige kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović äußert sich in einem Interview mit dem oben aufgeführten Zitat zu den Menschenrechtsverletzungen.Wenn die kroatische Wirtschaft betrachtet wird, können einige Problematiken beobachtet werden, vor denen kroatische Politiker*innen stehen, wie beispielsweise die Arbeitsmigration von kroatischen Jugendlichen aufgrund von Umständen wie niedrigen Löhnen.Der folgende Beitrag soll auf diese und weitere Aspekte der kroatischen Politik näher eingehen und damit eine Bilanz nach 8 Jahren EU-Mitgliedschaft Kroatiens ziehen. Wie kam es zum Beitritt Kroatiens in die EU und welche Kriterien mussten erfüllt werden? Vor welchen Hindernissen steht der Staat und wie geht die Europäische Union mit diesen um? Diese Fragen sollen im Anschluss geklärt werden, bevor die Frage gestellt werden kann: Ist Kroatien überhaupt bereit für die Europäische Union?EU-Beitritt2003 ging das Beitrittsgesuch Kroatiens nach Brüssel und 10 Jahre später wurde das Land schließlich Mitglied der Europäischen Union. 2011 unterschrieb die Regierungschefin Jadranka Kosor den Beitrittsvertrag und legte damit den Grundstein für den 2013 in Kraft getretenen Beitritt des Landes in die Europäische Union. In diesem langen Prozess kam es zu einigen Hindernissen, die die Beitrittsverhandlungen herauszögerten und nach wie vor die Problematiken innerhalb des Landes widerspiegeln. (vgl. BPB 2013)Die Bevölkerung Kroatiens wurde erst nach dem unterschriebenen Beitrittsvertrag zu der Thematik befragt. Dabei stimmten 67% für einen Beitritt in die Europäische Union. Die Wahlbeteiligung fiel allerdings sehr gering aus, was unter anderem daran liegen könnte, dass die Abstimmung nur sechs Wochen zuvor angekündigt wurde. (vgl. ebd)Der 2011 unterschriebene Beitrittsvertrag war mit einigen Bedingungen verbunden, die bis zum letztendlichen Beitritt im Jahr 2013 erfüllt werden sollten. Hierbei ging es darum, grundlegende Defizite innerhalb des Landes zu beseitigen. Beispielsweise musste der Justizapparat gestärkt werden. Außerdem sollte stärker gegen Korruption vorgegangen sowie eine effizientere Verwaltung gewährleistet werden. Der letzte Punkt umfasst die Privatisierung der Staatsbetriebe. (vgl. ebd)Im Großen und Ganzen möchte die Europäische Union durch die Eingliederung Kroatiens den Übergang zu Marktwirtschaft und Demokratie vorantreiben. Denn Kroatien war Teil des blockfreien, sozialistischen Jugoslawiens mit all den Folgewirkungen (vgl. Kušić 2013).Kopenhagener KriterienAuf dem EU-Gipfel in Kopenhagen wurden im Jahr 1993 Kriterien aufgestellt, anhand derer geprüft wird, ob ein Land dazu bereit ist, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Zusammengefasst sind das folgende Faktoren:Die Gesamtlage innerhalb des Landes muss stabil sein. Das heißt, politische Institutionen, der Rechtsstaat und die Demokratie muss gesichert sein. Außerdem müssen Menschen- und Minderheitsrechte gewahrt werden. (vgl. Grosse-Hüttmann 2004, S. 7)Zudem muss eine funktionierende Marktwirtschaft vorhanden sein, die auf Wettbewerb und Privateigentum beruht. Dadurch sollen die Staaten in der Lage sein, dem Konkurrenzdruck im Binnenmarkt standhalten zu können. (vgl. ebd., S. 7)Der Aquis Communautaire, also alle Verträge der Europäischen Gemeinschaft sowie alle europäischen Gesetze, müssen in nationales Recht übernommen werden. Alle Pflichten und Regeln müssen von dem jeweiligen Staat akzeptiert und eingehalten werden. (vgl. ebd., S. 7 f.)Der Staat muss mit den weitreichenden Zielen der EU sowie der Währungs- und Wirtschaftsunion einverstanden sein, wie sie im Vertrag von Maastricht estgelegt wurden. Dadurch soll verhindert werden, dass neue Mitglieder einen anderen Weg einschlagen als die Europäische Union. (vgl. ebd., S. 8)Da Kroatien nun seit 8 Jahren Mitglied der Europäischen Union ist, scheinen diese Kriterien aus Sicht der Institutionen der Europäischen Union erfüllt zu sein. Dennoch musste der Staat zunächst an einigen Stellen arbeiten, um dieses Ziel erreichen zu können.Flüchtlingsrückkehr und KriegsverbrecherprozesseEine wichtige Bedingung, die im Jahr 2005 gestellt wurde und ein großes Hindernis für den Beitritt darstellte, war der Umgang mit kroatischen Kriegsverbrechern, die in den Unabhängigkeitskriegen Verbrechen begangen haben und zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend sanktioniert wurden. Die Europäische Union forderte volle Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof. Vor allem ging es dabei um die Auslieferung von Ante Gotovina, der in der kroatischen Offensive Operation "Oluja" Kriegsverbrechen begangen hat. (vgl. Kušić 2021)Gerade wenn es um die Ahndung von Kriegsverbrechern sowie um die Flüchtlingspolitik geht, kann bisher nur ein eher mäßiger Erfolg verzeichnet werden. Die Problematik kann darauf zurückgeführt werden, dass die Staatswerdung Kroatiens mit kriegerischen Auseinandersetzungen erfolgt ist, so dass sich nationalistische Strukturen innerhalb der Gesellschaft und der Politik verfestigt haben. (vgl. Richter 2009, S. 7) Trotz alledem gilt Kroatien als eines der stabilsten Länder auf dem Balkan, der sich derzeit innerhalb eines Prozesses der Wechselwirkung zwischen innenpolitischer Demokratisierung und Stabilisierung befindet. (vgl. Richter 2009, S. 19)Die Premierminister Ivica Račan (2000-2003) und Ivo Sanader (2003-2009) haben versucht, die Wünsche der Europäischen Union im Bereich Flüchtlingsrückkehrer und Kriegsverbrechen umzusetzen. Dabei ging es hauptsächlich um Aspekte wie den Koalitionsfrieden, einen parteiübergreifenden Konsens zugunsten der Union, Stabilisierung und Konsolidierung. Der Preis waren allerdings Reformdefizite im Justizsektor, die die EU ebenfalls zuvor bemängelte.Durch blockierte Anträge, nicht veröffentlichte Fristen oder nicht ausgeführte richterliche Anweisungen kam es schließlich zu Defiziten im Bereich der Rückkehrpolitik und Kriegsverbrechen. Diese Politik führte zwar zu mehr Stabilität und Kontinuität des innenpolitischen Reformprozesses, jedoch wurden die Kopenhagener Kriterien vernachlässigt, so dass sich Defizite im Justiz- und Verwaltungsprozess verfestigen konnten. (vgl. Richter 2009, S. 19)Die von der Europäischen Union anerkannte Genfer Flüchtlingskonvention soll Flüchtlingen auf der ganzen Welt Schutz bieten. Doch oftmals sieht die Realität, auch innerhalb der EU anders aus. Vor allem an der kroatischen Grenze zu Bosnien und Herzegowina berichten Menschen davon, über die grüne Grenze zurückgeschickt zu werden. Ihnen zufolge haben sie keinen Zugang zu Asyl und erfahren oftmals exzessive Gewalt von Seiten der kroatischen Polizei. (vgl. Strippel 2021)Dieses Phänomen wird auch Push-Back genannt und bedeutet, dass Menschen, die auf Asyl in Kroatien hoffen, wieder nach Bosnien und Herzegowina abgeschoben werden, wo sie ebenfalls nicht empfangen werden. Diese Verfahren sollten im Normalfall zur Kenntnis genommen und geprüft werden, doch die kroatische Regierung dementiert das Vorgehen der Polizei. Es wird lediglich betont, dass die kroatischen Außengrenzen geschützt werden.Dadurch, dass es keine Einigkeit über diese Vorfälle gibt, werden diese von der Europäischen Union nicht sanktioniert beziehungsweise zur Kenntnis genommen, obwohl es sich hierbei um die Verletzung von Menschenrechten und Missachtung der Genfer Flüchtlingskonvention handeln würde. (vgl. Strippel 2021) Einen interessanten Podcast zu dieser Thematik wurde vom Bayerischen Rundfunk veröffentlicht, dieser ist unter diesem Link zu finden.Kroatien und der SchengenraumLänder, die Teil des Schengen-Raums der EU sein wollen, müssen sich einer Vielzahl von Evaluierungen unterziehen, die prüfen, ob alle für den Schengen-Raum erforderlichen Vorschriften erfüllt worden sind. Die Evaluierungen bewerten, ob das jeweilige Land in der Lage ist, Verantwortung für die Außengrenzen im Namen der anderen Mitglieder des Raumes zu übernehmen. (vgl. Europäische Kommission 2019)2016 wurde der Schengen-Evaluierungsprozess eingeleitet, der bewerten soll, ob Kroatien die Schengen-Vorschriften und Normen erfüllt. Die Europäische Kommission ist dabei der Auffassung, dass Kroatien Fortschritte bei der Erfüllung der Voraussetzungen gemacht hat, weiterhin aber an deren Erfüllung, insbesondere am Management der Außengrenzen, arbeiten muss. (vgl. ebd.) Der Kommissar Dimitris Avramopoulos, welcher für Migration, Bürgerschaft und Inneres zuständig ist, äußert sich im folgenden Zitat über den voraussichtlichen Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum:"Schengen ist eine der größten und greifbarsten Errungenschaften der europäischen Integration. Seine Stärke hängt jedoch von seiner Aufnahmebereitschaft ab. Kroatien hat nun die Maßnahmen zur Erfüllung der notwendigen Bedingungen ergriffen, und wir müssen dies anerkennen. Als vollwertiges Schengen-Mitglied wird das Land zu einer weiteren Stärkung des Schengen-Raums beitragen und dafür sorgen, dass die EU-Außengrenzen besser geschützt werden." (Dimitris Avramopoulos, Europäische Kommission 2019)Das gesamte Statement der Europäischen Kommission zu dieser Thematik wurde auf deren Internetseite veröffentlicht.Wirtschaftliche Maßnahmen im EU-KontextNach Weidenfeld und Wessels (2002) hat die Europäische Union zusammengefasst drei grundlegende Ziele, wenn es um die Struktur ihrer Mitgliedstaaten und vor allem um Regionen mit Entwicklungsrückstand geht. Zum einen sollen diese Regionen und Länder besonders gefördert werden. Nach Auffassung der Europäischen Union besteht dann ein Rückstand, wenn sich das BIP je Bürger*in auf weniger als 75% des EU-Durchschnitts beläuft. Dieses Ziel gilt als Priorität, weshalb mehr als zwei Drittel der Strukturfonds zur Beseitigung dieser Rückstände verwendet werden. (vgl. Weidenfeld/Wessels 2002)Als zweites Ziel gilt die soziale und wirtschaftliche Umstellung von Gebieten, deren Entwicklungsniveau über dem Durchschnitt liegt. Dennoch weisen diese Gebiete Strukturprobleme, wie beispielsweise Deindustrialisierung, eine hohe Arbeitslosenquote, Bevölkerungsrückgang oder Krisensituationen auf, die mit Hilfe der Mittel der Europäischen Union aufgefangen werden sollen. Das dritte Ziel ist die Anpassung und Modernisierung von Ländern und Regionen. (vgl. ebd.)Das EU-Förderprogramm für den Staat Kroatien beinhaltet 10,74 Milliarden Euro und soll die kroatische Wirtschaft unterstützen. Dabei gehen 40% in Fonds für regionale Entwicklung, 24% in Kohäsionsfonds, 19% in Landwirtschaftsfonds, 14% in Sozialfonds und der Rest in Meeres- und Fischereifonds sowie in eine Jugendbeschäftigungsinitiative. (vgl. Holzner/Vidovic 2018, S. 10)Ziel der Unterstützung ist es vor allem, die wirtschaftliche Entwicklung Kroatiens voranzutreiben, die Armut innerhalb der Gesellschaft zu bekämpfen und den Arbeitsmarkt zu verbessern. Die Inanspruchnahme ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern allerdings gering, nimmt aber immer weiter zu. Das langsame Vorgehen könnte damit zusammenhängen, dass die Entwicklungsfähigkeit des Landes derzeit noch nicht so weit ausgeprägt ist, dass die Fonds angemessen verwaltet werden können. (vgl. ebd., S. 25)Ein wichtiges Infrastrukturprojekt, das sich derzeit in Baumaßnahmen befindet und von der kroatischen Regierung mithilfe der EU-Fonds gestartet wurde, ist der Bau der Pelješac-Brücke, welche das Festland mit der vorgelagerten Halbinsel verbinden soll. 357 Millionen von 550 Millionen Kosten werden von der EU getragen. Allerdings erhielt der chinesische Staatskonzern Communications Construction Company den Zuschlag für den Bau, was vielerorts für Erstaunen sorgte. (vgl. Mihm 2021)Weitere Ziele, die die EU-Mitgliedschaft mit sich bringen soll, sind die Ansiedlung einer EU-Einrichtung, die Einführung der goldenen Investitionsregel sowie vor allem der Eintritt in den Schengenraum. (vgl. Holzner, Vidovic 2018)Einfluss des BrexitDas Vereinigte Königreich selbst führte den Euro als Währung nicht ein und trotzdem hat der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union einen großen Einfluss auf die Währungsintegration und somit auch auf die Währungspolitik Kroatiens und das Verhältnis zur Europäischen Union.Bei den acht Mitgliedsstaaten, die den Euro noch nicht eingeführt haben, den so genannten "Euro-Outs", kann zunehmend die Befürchtung beobachtet werden, dass ihr Einfluss auf den Willensbildungsprozess innerhalb der Union verringert wird. Als Folge dieser Sorge hat sich eine Art Koalition von Staaten entwickelt, die die Interessen einiger Mitglieder vereint. Der Brexit kann also als Auslöser für eine neue Dynamik und Treiber für die Ausdehnung der Eurozone gesehen werden. (vgl. Tokarski; Funk 2018, S. 1)Kroatien gehört zu der Gruppe der "Euro-Outs". Sie sind eine heterogene Gruppe von Staaten, die verschiedenen Wirtschaftsmodellen folgen und sich in unterschiedlichen Stadien ihrer Entwicklung befinden. Rumänien und Kroatien sind darunter die Staaten, die ein Wechselkursregime mit kontrolliertem, variablem Wechselkurs unterhalten. Die Problematik hinsichtlich der ungleichen ökonomischen Bedingungen ist, dass diese die Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten erschweren. Allerdings gilt Kroatien als Spezialfall, denn auch wenn der Euro als Währung noch nicht eingeführt wurde, ist die Wirtschaft weitgehend "euroisiert", da 67% der Verbindlichkeiten und 75% der Anlagen auf dem Euro basieren. (vgl. ebd., S. 1 f.) Die Einführung der europäischen Währung ist also nur eine Frage der Zeit und eine Frage des politischen Fortschritts.ArbeitsmarktAufgrund der Überbewertung des realen Wechselkurses befand sich die Wirtschaft Kroatiens zwischen 2009 und 2014 in einer tiefen Rezession, was dazu führte, dass die Beschäftigungszahlen sanken und das BIP um fast 13% einbrach. Seit dieser Zeit sinken die Zahlen der Arbeitslosen, somit erreichte die Arbeitslosenquote innerhalb des Landes im Mai 2017 den niedrigsten Wert mit 11,7%. (vgl. Holzner, Vidovic 2018, S. 2 f.)Bis heute ist der kroatische Arbeitsmarkt gekennzeichnet durch geringe Erwerbstätigkeit und niedrige Beschäftigung, was ein massives Problem darstellt. Die Beschäftigtenrate ist niedriger als der EU-Durchschnitt. Neben Italien und Rumänien hat Kroatien den höchsten Anteil an inaktiven Bürger*innen innerhalb der Europäischen Union. (vgl. ebd., S. 4 f.)Besonders Jugendliche und Kroat*innen mit primären Ausbildungen sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Personen mit Sekundärbildung können die geringste Arbeitslosigkeit aufweisen. Trotzdem wird oft der Mangel an Arbeitskräften vor allem in touristischen Gebieten bemängelt. (vgl. ebd., S. 5 f.)Zur Lösung dieser Problematik fordern Gewerkschaften höhere Löhne für Arbeiter*innen. Einige Vertreter*innen von Unternehmen fordern allerdings die Erhöhung der Quoten für Arbeitsplätze aus dem Ausland. (vgl. ebd., S. 6)ArbeitsmigrationBereits seit den 60er Jahren, in denen viele Gastarbeiter*innen vom Balkan in Länder wie Deutschland und Österreich immigrierten, um ihre Familien zu ernähren, spielt die Thematik Arbeitsmigration in Kroatien eine wichtige Rolle. Bis heute nutzen viele Kroat*innen die besseren Arbeitsumstände und Löhne in Ländern wie Deutschland, um ihren Familien ein besseres Leben ermöglichen zu können.Seit dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union sind die Zahlen der Migrant*innen aus Kroatien um 38% gestiegen. Insbesondere war hierfür die Öffnung des kroatischen Arbeitsmarktes verantwortlich, der es kroatischen Staatsbürger*innen ermöglichte, in anderen Mitgliedsländern der Europäischen Union ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Mehrheit der Kroat*innen ist im Alter zwischen 25 und 54 Jahren und findet Beschäftigung in der Industrie sowie in der Bauwirtschaft. (vgl. Holzer, Vidovic 2018)Aufgrund von Faktoren wie der unterdurchschnittlichen Entlohnung hat Kroatien der Auswanderung dieser Bürger*innen wenig entgegenzusetzen. Dem Regierungsprogram 2016-2020 ist lediglich ein vages Statement zu der Auswanderung kroatischer Jugendliche und junger Erwachsenen zu entnehmen. Das Ziel ist es, mehr Arbeitsplätze zu schaffen und dadurch junge Leute dazu zu bewegen, in Kroatien zu bleiben. (vgl. ebd., S. 9)EuroskeptizismusSeit einiger Zeit befindet sich die gesamte Europäische Union in einer Krise, die mehrere Teilkrisen umfasst und deshalb auch Polykrise genannt wird. Dazu zählt unter anderem auch der Euroskeptizismus, der in allen Mitgliedsländern zunehmend wahrzunehmen ist. Dieser kann mit einzelnen Politiken oder dem Erhalt von Souveränitätsrechten begründet werden. (vgl. Weiss, S. 14)Auch wenn der Euroskeptizismus mittlerweile weit verbreitet ist, gibt es zwischen den Mitgliedsstaaten Unterschiede in der Ausprägung. Besonders neue Mitgliedstaaten, wie auch Kroatien, empfinden die Thematik des Kompetenz- und Souveränitätstransfers an die Europäische Union problematisch. Dieser Machtverlust wird als sensibel, historisch abrufbar aber auch politisch instrumentalisierbar wahrgenommen. (vgl. ebd., S. 14)LegitimitäskriseDie Europäische Union leidet also derzeit unter einem Stimmungstief, das mehrere Ursachen hat. Vor allem aber hagelt es immer mehr Kritik zum Thema Demokratiedefizit, Handlungsunfähigkeit und mangelnder Bürgernähe. Viele Bürger*innen begegnen der EU misstrauisch, da sie für sie sehr intransparent und wenig demokratisch erscheint. (vgl. Höreth 2004, S. 41)Aufgrund dessen machte es sich die EU bereits im Jahr 2002 zum Ziel, verfassungsmäßige und institutionelle Voraussetzungen zu schaffen, die demokratische Grundsätze innerhalb der erweiterten EU sowie die Steuerungsfähigkeit nach innen und die Handlungsfähigkeit nach außen ermöglichen sollen. Dieses ambitionierte Ziel konnte allerdings bislang nicht erreicht werden, da einzelne Mitgliedsstaaten auf die Gewichtung ihrer Stimmen im Ministerrat nicht verzichten wollten. (vgl. ebd., S. 41) Nach Höreth (2004) basiert das Demokratiedefizit nicht nur auf technische Probleme des Politikmanagements, sondern auf grundlegende Legitimitätsprobleme, die die Anerkennungswürdigkeit der EU in Frage stellen.FazitWie auch die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat Kroatien mit den Hindernissen der Polykrise zu kämpfen. Doch die Gesamtsituation des Staates zeigt, dass das Land sich vor allem mit Themen wie dem Umgang mit Flüchtlingen im Rückstand befindet, was damit zusammenhängen könnte, dass sich politische, soziale und ideologische Strukturen, die sich im Laufe der Geschichte, aber vor allem während der Unabhängigkeitskriege gebildet haben, verfestigt haben.Die geringe Wahlbeteiligung und die 67%ige Zustimmung zum Beitritt in die Europäische Union lässt relativ offen, wie die kroatische Gesellschaft zu der Europäischen Union steht. Zunächst konnte allerdings das Gefühl geweckt werden, dass eine gewisse EU-Euphorie in der Gesellschaft Kroatien zu beobachten war. Nun aber äußern sich, wie in der gesamten Europäischen Union erkennbar, immer mehr Menschen skeptisch gegenüber der EU. Es erscheint immer noch so, als ob die Gesellschaft den Entscheidungsprozessen der Europäischen Union nur schwer folgen kann und sie sich damit unsicher fühlen.Die kroatische Regierung hat einige Maßnahmen getroffen, um den EU-Beitritt des Staates zu ermöglichen. Trotzdem gibt es Kritiker*innen, die der Meinung sind, die EU habe es Kroatien zu einfach gemacht. Nach ihr wurden die Kopenhagener Kriterien erfüllt, sonst hätte das Land nicht zu einem offiziellen Mitglied der Europäischen Union werden können.Doch ein genauerer Blick in die Strukturen des Staates und vor allem auf die Grenze zu Bosnien und Herzegowina zeigen: das Land muss weiterhin an sich arbeiten, um den Kriterien gerecht werden zu können. Die Europäische Union darf die Augen nicht verschließen, wie es derzeit getan wird, indem zuversichtlich über den Beitritt in den Schengen-Raum diskutiert wird. Als Friedensgemeinschaft ist die Aufgabe der Europäischen Union, Menschenrechte zu wahren und dort genauer hinzuschauen, wo diese verletzt werden. Allerdings setzt der Beitritt Kroatiens in die Europäische Union gleichzeitig auch ein wichtiges Zeichen und bringt den Staat, als einer der stabilsten Länder auf dem Balkan, dazu, aktiv zu werden und als Vorbild für den restlichen Balkan zu fungieren.Auch wenn der Beitritt kritisch hinterfragt werden kann, sollte also gesagt werden, dass der Staat durchaus Schritte macht, die ohne die Europäische Union wahrscheinlich nicht stattgefunden hätten. Kroatien profitiert sowohl wirtschaftlich, als auch gesellschaftlich von den Vorteilen der EU. Allerdings verlangsamen Defizite innerhalb der Politik, wie beispielsweise lange Verwaltungsverfahren die Fortschritte, so dass die Europäische Union zum einen Geduld zeigen, aber zum anderen die Problematiken innerhalb des Landes nicht ignorieren sollte.LiteraturverzeichnisBundeszentrale für politische Bildung (2013): 1. Juli: Kroatien tritt der EU bei. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/164274/1-juli-kroatien-tritt-der-eu-bei-28-06-2013, zuletzt geprüft am 14.09.2021.Europäische Kommission (2019): Schengen-Beitritt: Kroatien vor dem Beitritt zum Schengen-Raum. Online verfügbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_19_6140, zuletzt geprüft am 30.09.2021.Holzner, Mario (2018): Wirtschaftliche Perspektiven für Kroatien. wiiw Forschungsbericht. Wien: The Vienna Institute for International Economic Studies.Horeth, Marcus (2004): Die erweiterte EU in der Legitimitätskrise. In: Der Bürger im Staat 54 (1), S. 41–48.Kušić, Siniša (2021): Kroatiens Weg in die EU . Hg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/apuz/158164/kroatiens-weg-in-die-eu, zuletzt geprüft am 14.09.2021.Mihm, Andreas (2021): Chinesen bauen Brücke in Kroatien, die EU zahlt. Hg. v. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Online verfügbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/kroatien-china-baut-peljesac-bruecke-und-die-eu-zahlt-17461739.html, zuletzt geprüft am 30.09.2021.Richter, Solveig (2009): Zielkonflikte der EU-Erweiterungspolitik? Kroatien und Makedonien zwischen Stabilität und Demokratie. Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik.Schrooten, Mechthild (2004): Ökonomische Perspektiven der EU-Osterweiterung. In: Der Bürger im Staat 54 (1), S. 17–20.Steindorf, Ludwig (2013): Ein kurzer Gang durch die Geschichte Kroatiens. Hg. v. Bundeszentrale für politische Bildung. Online verfügbar unter https://www.bpb.de/apuz/158166/ein-kurzer-gang-durch-die-geschichte, zuletzt geprüft am 30.09.2021.Tokarski, P.; Funk, S. (2018): Die Nicht-Euro-Staaten in der EU nach dem Brexit. In: SWP-Aktuell (68), S. 1–8.Weidenfeld, W.; Wessels, W. (2002): Jahrbuch der Europäischen Integration 2002/2003. Bonn: Europa Union Verlag.Weiss, S. (2004): Die Erweiterung aus der Sicht der Beitrittskandidaten. In: Der Bürger im Staat 54 (1), S. 11–17.
Der sogenannte affective turn, der in Medien- und Kulturwissenschaften bereits seit längerem zu verzeichnen ist und mittlerweile auch die Sozialwissenschaften erreicht hat, besitzt ganz offensichtlich politische Implikationen – insbesondere, aber nicht nur, für eine Kritik des Neoliberalismus. Diese sind auch von zahlreichen Forschern aufgegriffen und ausformuliert worden, etwa durch Michael Hardt und Antonio Negri, Lauren Berlant, Sara Ahmed oder Nigel Thrift. Der vorliegende Band, eine Sammlung von Interviews mit dem Philosophen und Affekttheoretiker Brian Massumi, verspricht zumindest in seinem Titel, diese Verbindung von Politik und Affekt auf eine systematische Grundlage zu stellen. Massumi gilt als Vorreiter eines vor allem von Deleuze und Spinoza inspirierten Strangs jüngerer Affekttheorie, der vornehmlich ontologisch argumentiert. In dieser Position ist er breit rezipiert und auch vielfach kritisiert worden. Die Interview-Sammlung dient dazu, seinen Ansatz ausführlich und gleichzeitig verhältnismäßig leicht zugänglich darzustellen. Die Form des Interviews begünstigt gewisse Vereinfachungen und tendiert zu einer Plakativität von Beispielen und Argumenten; gleichzeitig bürgt sie aber für eine Lebhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit jenseits der Mühen der Ebene. Insofern kommt diese Form dem persuasiven, seinerseits deutlich auf Affizierung angelegten Stil Massumis entgegen. Wie konzeptualisiert Massumi nun das Verhältnis zwischen Affektivität und Politik? Diese Frage erweist sich schon zu Beginn als falsch gestellt, insofern Massumi zufolge dem Affekt die politische Dimension von vornherein inhärent ist: In beiden Fällen gehe es um Wandel und Veränderung – es gelte lediglich, diese Dimension zum Vorschein zu bringen (vgl. S. ix). Grundsätzlich ist das Programm sehr ambitioniert: Affekt wird einerseits als ontologisches Begründungskonzept eingeführt, das in letzter Konsequenz an die Stelle sowohl einer Medientheorie als auch einer Theorie des Politischen zu treten vermag – und zielt andererseits klar auf menschliche Erfahrung, die sich in Gefühlen wie Furcht und Stolz manifestiert. Was dabei als politisch verstanden wird, bleibt zunächst vage: es gehe um "the arena of social order and reorderings, of settlement and resistance, of clampdowns and uprisings" (S. viii–ix). Bestimmungen der jüngeren politischen Philosophie, etwa die Unterscheidung zwischen Politik und dem Politischen, spielen demzufolge kaum eine Rolle. Vielmehr leitet sich aus dieser Aufzählung eine Tendenz ab, Politik als Feld von Intensitäten und Energien und politisches Handeln als Aktivismus zu begreifen – eine Tendenz, die schon in der Verwendung des Affektbegriffs angelegt ist: "[…] I use the concept of 'affect' as a way of talking about that margin of manoeuvrability, the 'where we might be able to go and what we might be able to do' in every present situation." (S. 3) Die relationale Verschränkung von Körpern in Situationen, nicht das fühlende und denkende Individuum wird daher als primär gesetzt – Emotion sei dabei jener begrenzte Anteil affektiver Erfahrung, der aus persönlicher Perspektive Sinn ergibt. Damit legt Massumi eine einerseits elegante und andererseits etwas glatt erscheinende Begründung des Politischen vor: Die verkörperte Weise menschlichen Existierens "is never entirely personal […] it's not just about us, in isolation. In affect, we are never alone." (S. 6) Mit Körpern sind dabei im wesentlichen menschliche Körper gemeint – eine Fokussierung, die so weder bei Spinoza noch bei Deleuze zu finden ist, und die aus medientheoretischer Sicht nicht unmittelbar eingängig erscheint. Tatsächlich bringt Massumi seinen Ansatz explizit gegen Theorien medialer Vermittlung in Stellung (denen er vorwirft, den cartesianischen Dualismus zwischen Geist und Körper nur zu überbrücken, nicht aber aufzuheben; vgl. auch den Begriff der Immediation, S. 146–176). Daraus ergibt sich zwangsläufig die Frage nach der 'Natürlichkeit' des Affekts und nach dem Verhältnis zu Sprache und Diskurs. Hier weicht Massumi aus: "[Affect] includes very elaborated functions like language. There's an affect associated with every functioning of the body, from moving your foot to take a step to moving your lips to make words. Affect is simply a body movement looked at from the point of view of its potential […]." (S. 7) Man mag diese These als Versuch lesen, Medien- durch Affekttheorie zu ersetzen oder neu zu schreiben – und natürlich könnte man den Spieß umdrehen und kurzerhand Affekt als Medium konzipieren. Es erscheint jedoch nicht ausreichend, Sprache auf die Produktion von Wörtern, bzw. die Wortproduktion auf die Bewegung der Lippen zu reduzieren. Man ignoriert dabei zumindest eine historische Dimension der Bedeutungskonstitution, die nicht einfach aus der Akkumulation von Körperbewegungen besteht, sondern eine Dynamik eigenen Rechts entfaltet. Diese Blindheit auf dem Auge der Geschichte wird in der Auseinandersetzung mit medialen Phänomenen besonders deutlich. So eröffnet sich an einigen Stellen die überaus interessante Perspektive, das Konzept einer Politik des Affekts mit Jacques Rancières Konzept einer Politik des Ästhetischen zu verknüpfen (z.B. S. 36). Allerdings scheinen sowohl der Politikbegriff als auch jener des Ästhetischen zu eng – und diese enge Konzeption verbaut den Blick auf die historische Tiefendimension, etwa, wenn Massumi das Auftauchen der affektiven Kraft der Medien, bzw. ihres politischen Einflusses, an die Reifephase des Fernsehens bindet (vgl. S. 33) – als hätten Zeitungen, Kino und Theater stets nur sachliche Aufklärung betrieben, bzw. sich nicht in die Politik eingemischt. Der Sprung von der Ontologie in konkrete Beispiele wird an solchen Stellen nicht genügend durch Analyse vermittelt – so kann der grundlegende Zusammenhang zwischen Ästhetik und Politik nicht erkannt werden, sondern wird als Anomalie, bzw. als besondere aktivistische Haltung behandelt. Zudem wird die betonte Kontrastierung von Affekttheorie und kritischer Theorie (vgl. S. 14f.) durch die Kritik an der Rolle der Medien im gegenwärtigen Kapitalismus konterkariert. Andererseits finden sich erhellende Stellen und produktive Denkanstöße; so eröffnet z.B. Massumis Vorschlag, Sprache weniger als Korrespondenzverhältnis zwischen Signifikant und Signifikat zu verstehen, sondern eher als Weg, den Bedeutungsexzess affektiver Erfahrung ins Bewusstsein zu heben (vgl. S. 13), zahlreiche Anschlussmöglichkeiten an ästhetische Theorien, die diese historische Dimension betonen. Sprache hätte demnach die Doppelfunktion, Erfahrung sowohl zu erfassen als auch freizusetzen. Die Fokussierung des menschlichen Körpers gegenüber Körpern anderer Art wirft noch weitere Fragen auf: so erweckt die Rede vom Affekt als "Potential" an vielen Stellen den Anschein, als stehe es den Menschen frei, wie sehr sie dieses Potential zu nutzen gedenken: "Our degree of freedom at any one time corresponds to how much of our experiential depth we can access towards a next step – how intensely we are living and moving." (S. 6) Im Umkehrschluss heißt das: einige leben freier als andere. Und mehr noch: der politische Begriff der Freiheit läuft in dieser Bestimmung Gefahr, zum Merkmal eines privilegierten, weil irgendwie "intensiveren" Lebensgefühls zu verkümmern. Das auf das politische Gemeinwesen gerichtete Vermögen des Affekts zur Veränderung bliebe so zugunsten einer affirmativen Selbstfeier auf der Strecke – egal, wie sehr dieses Selbst sich mit anderen überschneidet ("Freedom always comes out of active embeddedness in a complex relational field […]", S. 161). Sobald Massumi die ontologische Ebene verlässt um konkret zu werden, gerät die Verbindung zwischen Affektivität und dem Politischen ins Wanken. So vermag z.B. seine Analyse des zeitgenössischen Kapitalismus (Anfang der 2000er formuliert) heute nicht mehr recht überzeugen – zu sehr bleibt sie den "buzzwords" (S. 22) der damaligen Zeit verpflichtet. Die von ihm diagnostizierte Tendenz des Warenverkehrs zum Immateriellen, einhergehend mit einem Verlust direkten zwischenmenschlichen Kontakts (vgl. S. 113) passt zwar sehr gut zu seiner theoretischen Agenda, ist jedoch mittlerweile ihrerseits als teleologisches Modell kritisiert worden. Immerhin ist diese diskursive Bewegung symptomatisch dafür, wie sehr ein Denken des Politischen unter dem Vorzeichen des Affekts zur ökonomischen Analyse wird (und vielleicht werden muss). In diesem Zusammenhang opfert Massumi gelegentlich theoretische Präzision zugunsten einer zu reibungslos anmutenden Beschreibung affektiver Ökonomien, etwa bezüglich des Ineinandergreifens von Patriotismus und Kapitalismus rund um 9/11 – hier wird nicht klar, wie die "affektive Umformung" ("affective conversion", S. 32) von Furcht vor Terror in Stolz auf das eigene Land vor sich gehen soll. Möglicherweise wird Massumis Projekt eher produktiv, wenn man es als Utopie begreift – Affekt als überschüssiges Potential selbst rigide kontrollierter Situationen (S. 58). Entsprechend müsste man Begriffe wie Mikropolitik (S. 47–82) als Grenzbegriffe verstehen, die sich zwar zeitphilosophisch herleiten, sich aber eben nicht ohne weiteres auf jene Phänomene übertragen lassen, die im Alltagsverständnis 'politisch' sind – etwa auf den Alarmismus der Bush-Regierung nach 9/11. Die Logik der Übertragung operiert hier kumulativ, im Sinne der Formung von Gewohnheiten und Tendenzen. Ein Ereignis ist jedoch mehr als die Summe einzelner Affizierungsakte; es unterbricht den linearen Verlauf der Zeit und öffnet die Sicht auf historische Zusammenhänge. Damit setzt es kritisches Potential frei, wobei 'kritisch' nicht zufällig auf den Konnex zwischen Krise und Kritik hinweist. Die pauschale Abgrenzung gegen die kritische Theorie, der Massumi vorwirft, sie objektiviere und fixiere ihren Gegenstand auf unzulässige Weise, erscheint so als fatale Beschneidung des affekttheoretischen Ansatzes. Massumi verkennt, dass wahre Kritik, wie etwa Jean-Luc Nancy betont, stets aus der Notlage, aus der Krise heraus operiert und sich daher den Standpunkt immer erst erarbeiten muss, von dem aus geurteilt werden kann. Ein solcher fester Standpunkt trägt für Massumi den Namen der Moral und vor allem den der Emotion, die als Gegenbegriff zum Affekt aufgebaut wird. Sie lenke die Energie des Affekts in konventionelle Bahnen, lasse das mit ihm verbundene Potential verkümmern. Hierin liegt schließlich die affekttheoretische Crux von Massumis Politikbegriff: ohne eine Instanz, die aus dem Affektgeschehen Sinn extrahiert, sich positioniert und zustimmt oder ablehnt, ist nicht ersichtlich, wie eine Intervention in die reibungslosen Kreisläufe der Affektökonomien – und damit politisches Handeln – möglich sein soll. Eine solche Instanz muss dazu mit dem Diskurs in Beziehung treten, ohne dass sie zwangsläufig rationalisierend wirken müsste (vgl. S. 115). Das transformative Potential des Affekts braucht Akte der Aneignung, braucht den Widerstand eines Urteils, soll es politisch wirksam werden. Keineswegs wäre es dazu erforderlich, das psychologische Individuum primär zu setzen. Erforderlich wäre aber eine Analyse der Handlungsweisen unter dem Gesichtspunkt der Hervorbringung des Neuen und der Konstitution historischer Erfahrungsräume. Massumis detaillierte Beschreibungen affektiver Vollzüge sind dazu ein erster Schritt. Der Wert des Buches bestünde, so gesehen, nicht darin, dass Massumi fertige Rezepte für die Formulierung einer Theorie des Politischen lieferte – darin liegt auch gewiss nicht seine Absicht. Ihre Produktivität entfalten könnten seine Überlegungen als radikaler Grenzanspruch, der beispielsweise keine simple Abgrenzung einer 'Sphäre' des Politischen oder der Öffentlichkeit mehr erlauben würde. Obwohl also der "turn to affect" keineswegs eine neue Erscheinung ist, und obwohl das vorliegende Buch Massumis durchaus kontroversen Ansatz erschöpfend zu behandeln scheint, wäre damit eher ein Anfang gemacht als das letzte Wort in Sachen "Politik des Affekts" gesprochen.
Die Verflechtung einer Vielzahl von AkteurInnen abseits von geplanten Prozessen bringt mitunter neuartige überraschende Strukturen hevor. Dadurch bilden sich ''wirkmächtige Arrangements von Dingen, Zeichen und Subjekten'' (S. 10), die durch Wiederholungen automatisiert werden und sich teilweise der Wahrnehmung entziehen. Diese Annahmen über Automatismen legen eine Auseinandersetzung mit der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) nahe, die im Mai 2010 in dem Workshop 'Strukturentstehung durch Verflechtung' des Paderborner Graduiertenkollegs 'Automatismen' unternommen wurde. Der daraus entstandene gleichnamige Sammelband setzt einen größeren Rahmen. In ihm werden Kompatibilitäten und gemeinsame Traditionslinien sozial- und kulturwissenschaftlicher Fragestellungen und der Akteur-Netzwerk-Theorie untersucht. In den Beiträgen zu so verschiedenen Themen wie der Atemwegserkrankung SARS, der Hamburger Schilleroper, New Orleans nach Kathrina, Quantenphysik oder der Fernsehserie 'Kunst und Krempel' (Bayrischer Rundfunk, 1985–2012) wird auf das Motiv der 'Strukturentstehung durch Verflechtung' Bezug genommen. Dies geschieht im ersten Teil des Bandes durch die Rekonstruktion von Verflechtungen unerwarteter Handlungsquellen in sich neu etablierenden Netzwerken. Die Beiträge im zweiten Teil des Bandes stellen Fragen nach Machtrelationen innerhalb nicht intendierter Strukturen und reflektieren Macht als temporär stabilisierenden Effekt. Im dritten Teil finden sich Abhandlungen zu Kritik, Korrekturen und Akzentverschiebungen der ANT. Die einzelnen Beiträge bieten dabei einen guten Einblick, wie mit Modellen und Elementen der ANT in der Medien- und Kulturwissenschaft umgangen wird, welche Thesen, Vorgehensweisen, Begriffe und Motive aufgegriffen werden, wie sich diese an Gegenständen testen und weiterentwickeln lassen und wo Lücken und Schwachstellen liegen. Dem Band vorangestellt ist ein Artikel von John Law, der die Entstehungsgeschichte(n) der ANT von den wissenschafts- und organisationstheoretischen Studien über eine erste Formierung der ANT in den 1990er-Jahren bis zur Kritik und Diaspora nach 2000 nachzeichnet (S. 21). Besonders hilfreich ist ein Überblick über die Schwerpunkte, Begriffe und Werkzeuge der ANT in den jeweiligen Phasen. Eine der Geschichten von John Law beginnt mit den mittlerweile berühmten Studien von Michel Callon und Bruno Latour. Diese und Latours Äußerungen zu Kunst nimmt Renate Wieser als Ausgangspunkt. Die moderne sozial- und kulturwissenschaftliche Beschäftigung mit Naturwissenschaft, die nach Latour entweder eine sozialkonstruktivistische Haltung einnimmt oder ihr unreflektiert affirmativ begegnet, trifft auch auf Bereiche der Kunst zu. In den beiden von Wieser besprochenen Beispielen, Installationen und Skizzen von Duyckaert und Dittmer, in denen Laborsituationen adaptiert werden, vermischen sich Fakt und Fiktion und werden die Grenzziehungen zwischen naturwissenschaftlicher und kultureller Handlungsmacht in Frage gestellt. Den (post-)modernen Laboren der Quantenphysik stellt Julian Rohrhuber Aspekte der klassischen wissenschaftssoziologischen Studien der ANT gegenüber. In Bruno Latours Studien werden konkrete Übersetzungsschritte verfolgt: Operationsketten, die von einem unübersichtlichen materiellen Ausgangspunkt zu anschaulichen formalen Rückschlüssen verlaufen. In der theoretischen Physik hingegen wird mit Variablen gearbeitet, die Verkettungen von Ungeklärtem erlaubt. Der übersichtlichste Punkt des Forschungsprozesses ist hier der epistemische Pol, unanschaulich sind die vorläufigen formale Enden des Prozesses. Rohrhubers Versuch den formalen AkteurInnen zu folgen zeigt, dass das Abstrakte im Forschungsprozess der modernen Physik mit zirkuliert. Dass die Prämisse, 'den AkteurInnen zu folgen' die Gefahr einer Blindheit gegenüber AkteurInnen mit eingeschränktem Handlungsspielraum birgt, betont Katharina Holas in ihrem Beitrag zu feministischen Akzentverschiebungen und Kritik an der ANT. Indem häufig große Technikprojekte und Fragen zu Konzeption und Design im Zentrum stehen, bleiben Exklusionsmechanismen intransparent und Dichotomien, etwa die zwischen Planung und Nutzung, bestehen. Mit Verweis auf das Konzept der Multiplizität von Annemarie Mol und Arbeiten von Donna Haraway und Susan Leigh Star lenkt Holas die Aufmerksamkeit auf Unsichtbarkeiten, unintendierte Handlungsabfolgen und bestehende Hierarchien. Zwei Filme über die urbane Sportart 'Parkour' und die Frage wie Atmosphären inszeniert werden, sind der Ausgangspunkt für die Studie von Christoph Michels. Der Beitrag zeigt auf, dass durch die Alltagspraxis 'Parkour' Körper und Orte inszeniert und zugleich in räumliche, soziale und narrative Ordnungslogiken, eingebunden werden. Dies geschieht beispielsweise durch den Gebrauch von SuperheldInnen- oder Tiermetaphern, die als Anleitung für neue Bewegungsabläufe und für ein neues Verhältnis zu den Orten und Gegenständen dienen. Michels beschreibt dies als gegenseitige Übersetzungsprozesse. Ein Element der ANT, das in mehreren Beiträgen aufgegriffen wird, ist der von Bruno Latour geprägte Begriff der 'immutable mobiles'. Er umfasst Techniken wie die Kartografie und Verfahren wie Statistik und bezeichnet die Eigenschaft der Formkonstanz bei gleichzeitiger Mobilität. Nach Bruno Latour machen die 'immutable mobiles' die Überlegenheit westlicher Institutionen aus und haben Anteil an der modernen Reinigungs- und Ausdifferenzierungsarbeit, die Latour in seinem Buch Wir sind nie modern gewesen ausgiebig untersucht und kritisiert hat. Im Prozess des Wiederaufbaus nach dem Hurrikan 'Kathrina', den Anne Dölemeyer in ihrem Beitrag untersucht, zeigt die Autorin wie Daten, Texte und Karten als Verbündete mobilisiert werden. Durch diese Verbündeten wird Wissen sichtbar gemacht, abgeglichen und kombiniert. So agieren die Grafiken und Karten als Machtinstrument, Knotenpunkt und Repräsentation und versammeln NutzerInnen, Vergangenheit und Zukunft in politischen Aushandlungsprozessen. Erhard Schüttpelz zeigt, dass ausgehend vom Postulat einer allgemeinen Symmetrie teleologische, sozial- und technikdeterministische Mediengeschichten und ''Medien-Ursachen-Setzungen'' (S. 244) fragwürdig werden. Dies lässt sich an Bruno Latours Kodak-Studie nachvollziehen: Gegliedert in interdeterministische Schritte können für jeden historischen Zeitpunkt Verflechtungen aus technischen, natürlichen, sozialen und diskursiven Ursachen festgestellt werden. Die medienhistorische Überprüfung der 'immutable mobiles', die Schüttpelz darauf folgend vornimmt, macht die Beteiligung der modernen Medien an den drei Wissensformationen von Natur, Gesellschaft und Diskurs deutlich. Der Hamburger Schilleroper, 1889 als Zirkusgebäude in Auftrag gegeben, über 100 Jahre vielfältig genutzt und seit 2007 leer stehend, widmet sich Anke Rees in ihrem Artikel. Sie versucht, die Widerspenstigkeit des Gebäudes mit Begriffen der ANT zu erklären. Rees beschreibt ein verflochtenes Netz an Baumaterialien, EigentümerInnen, Nutzungsvorstellungen, Nachbarschaften und Behörden mit teils widersprüchlichen Interessen, aber auch die Atmosphären als Verbündete des Gebäudes, die bis jetzt zu dessen Erhalt beigetragen haben. Auffällig häufig ist der Bezug zu Michel Foucault, der in vielen Artikeln im Sammelband hergestellt wird. Verwiesen wird in diesen Beiträgen sowohl auf die Kombinierbarkeit, aber auch auf die Differenzen zu Begriffen und Konzepten Foucaults. Auch der eingangs erwähnte Beitrag von John Law weist auf die Nähe zwischen der Akteur-Netzwerk-Theorie und Foucaults Denkmodellen hin. Er bezeichnet in einer seiner Geschichtsschreibungen die ANT als ''empirische Übersetzung des Poststrukturalismus'' (S. 29). Thomas Foth gelingt es, Foucaults Analyse von Dispositiven mit der ANT in seiner Untersuchung von PatientInnenakten im Nationalsozialismus zu verbinden. Er fasst die Akte als AkteurIn innerhalb der Souveränitäts- und Disziplinarmacht Psychiatrie auf. Kombiniert mit anderen 'inscription devices' wie Checklisten, Thermometern, Waagen und Tabellen sind Akten beteiligt am Erstellen von dokumentarischen Biografien, in denen die PatientInnen sich selbst als psychisch Kranke anerkennen sollen. Umgekehrt kann das Ausbleiben von Aktenaufzeichnungen den Subjektstatus bedrohen, wie Foth am Beispiel einer Akte zeigt. In seinem Artikel ''Strategien ohne Strategen'' (S. 173), setzt Theo Röhle Michel Foucaults Modell der Dispositive in Kontrast zur ANT, in dem er dem Problem der Intentionalität in einer relationalen Perspektive nachgeht. Während Foucault zwischen den Ebenen Strategie und Taktik unterscheidet, bemüht sich die ANT alle Verbindungen und Übersetzungen auf einer Ebene darzustellen. Um Relationen zu beschreiben, ohne auf vorgängige Intentionen zurückzugreifen, habe in der ANT die Sprache eine große Last zu tragen, so Röhle. So werden in sprachlichen Kippfiguren die AkteurInnen sowohl als Ausgangspunkt als auch als Resultat von Übersetzungsprozessen beschrieben. Metasprachliche Begriffe wie Handlungsprogramm oder AkteurIn sollen eine symmetrische Darstellung der Beteiligten ermöglichen. Auch Andrea Seier macht das Verhältnis zwischen Dispositiven und den Agenturen der ANT zum Thema ihres Beitrags und fragt dabei nach ihrer jeweils spezifischen Produktivität für die Medienwissenschaft. Einer der Unterschiede zwischen beiden Modellen liegt demnach in der Konzeption von Handlungsmacht. So lassen sich mit der Dispositivanalyse Rahmungen und Bedingungen untersuchen, die Handlungen anreizen, wahrscheinlich machen oder verunmöglichen. Mit der ANT geraten hingegen hybride Konstellationen aus Dingen, Apparaten und Menschen in den Blick, die in Handlungsketten aufgeschlüsselt werden können. Dass sich beide Modelle produktiv miteinander kombinieren lassen, zeigt Seier an dem Reality TV Format 'Kunst und Krempel' (Bayrischer Rundfunk, 1985–2012). Zwei der Herausgeber des Sammelbands, Tobias Conradi und Florian Muhle, gehen in ihrem Beitrag auf die Möglichkeit der Kritik in den konkreten Fallstudien der ANT und auf das gespannte Verhältnis von Bruno Latour zu anderen kritischen Theorien ein. Im Umgang mit diesen Theorien schreibt Latour fort, was er selbst anderen Theorien zum Vorwurf macht: die Aufrechterhaltung der modernen Unterscheidung zwischen Natur und Kultur, Reduktionismus und den Gestus der Entlarvung. Den teils polemischen Abgrenzungen Latours, die als Teil einer Wissenschaftsstrategie gelesen werden können, stellen Conradi und Muhle den reflexiveren Ansatz von John Law gegenüber. In vielen Beiträgen wird das Postulat einer allgemeinen Symmetrie aufgegriffen, eine Weiterentwicklung der wissenschaftstheoretischen Überlegungen von David Bloor bzw. Thomas Kuhn. Richtiges und falsches Wissen muss mit den gleichen Kategorien erklärt werden, damit nicht richtige Einsichten naturalisiert und Irrtümer auf soziale Größen zurückgeführt werden. Diese Vorgaben wurden in Michel Callons und Bruno Latours Konzeption von Aktanten und menschlichen und nicht-menschlichen AkteurInnen übernommen und radikalisiert. Dominique Rudin kritisiert an Bruno Latours politischen Entwürfen in Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft (2007) eine begriffliche Unschärfe zwischen dem Politischen und dem Sozialen und die Konzentration auf konsensorientierte, integrative Verfahren. Er sieht mögliche Verbindungen zwischen Jacques Rancières Prinzip der Gleichheit und der allgemeinen Symmetrie als Forschungsperspektive der ANT. Wenn AkteurInnen Gleichheit einfordern und dadurch bestehende Ordnungen in Frage stellen, wird die Symmetrie nicht nur von WissenschaftlerInnen, sondern auch von den AkteurInnen als Perspektive eingenommen. Durch diese Verschiebung lässt sich der Begriff des Politischen zur Analyse von existentiellen Konflikten, in denen neue Entitäten auftauchen und ihren Anteil einfordern, schärfen, so Rudin. Jahn-Hendrik Passoth versucht in seinem Beitrag die Denktraditionen der Praxistheorie und der ANT, die häufig als unvereinbar einander gegenübergestellt werden, zu verbinden. Er legt dar, dass der Fokus auf Multiplizität, Komplexität, Symmetrie, und Fragmentierung, den die ''postplurale ANT'' (S. 268) setzt, eine Stütze der praxäologischen Heuristik werden kann. Durch die Übernahme des Symmetrieprinzips in den Praxisbegriff kann Praxis als Zusammenspiel von Körpern und Artefakten analysiert werden, das weitere Praxis ermöglicht oder einschränkt. Die Verflechtungen von Viren, Zellen, Menschen, Tieren, Technologien und Verfahren und die Transformation etablierter Strukturen verfolgen Wiebke Pohler und Michel Schillmeier in ihrer ''Topologie von (Un)sicherheitsstrukturen'' (S. 51). Sie beschreiben die Atemwegserkrankung SARS, die 2003 die Gefahr einer Pandemie darstellte, als kosmo-politisches Ereignis, durch das Praktiken in Krankenhäusern, in der Wissenschaft und an Flughäfen verunsichert und neu konstituiert werden. SARS erscheint als hoch virulentes, komplexes Netzwerk, das tradierte Beobachtungs-, Erklärungs- und Interpretationsmuster und Routinen menschlichen Zusammenlebens radikal in Frage stellt. Der Einblick in laufende Debatten, Anwendungsbereiche und Weiterführungen der ANT ist eine Stärke des Sammelbandes. Es wird deutlich, dass die Akteur-Netzwerk-Theorie sich nicht nur der Herausforderung stellt, materiell und diskursiv heterogene Beziehungen in den Blick zu nehmen, sondern auch sehr unterschiedliche Forschungsbereiche zu Dialog und Widerspruch provoziert. Das Konzept der Automatismen kommt leider etwas zu kurz. Ein stärkerer Fokus darauf hätte dem Sammelband eine deutlichere Richtung geben können.
"Shaping Feminist Internationalism in the Pacific examines the dissemination, transformation, and hybridization of Western-origin women's movements from the U.S. Northeast to the socio-historical contexts of the multiracializing Hawaiian Kingdom in the nineteenth century. It considers the forging of U.S. semi-colonial rule of the islands at the turn-of-the-century and the rise of Hawai'i centered internationalist aspirations during the interwar years, from local, regional, and global perspectives. The study centers on Honolulu, the crossroads of the Pacific, but also branches out to other missionary outposts-namely Chicago, Kobe, Tokyo, Shanghai-that were modern commercial and industrial centers and the homelands for the majority of Hawaii's nineteenth and early twentieth-century immigrants. By borrowing a historical framework that illuminates multiple phases and dimensions of globalization, this study bridges nineteenth-century Protestant churchwomen's evangelism with twentieth-century feminist internationalism. It depicts how women's pursuit of civilizing mission cultivated transracial and transnational women's networks and paved the way for collective the post-WWI attempts to protect and empower women and children worldwide. This monograph details the over-a-century history of a small but diverse group of Anglo-Saxon, Native Hawaiian, and Asian/Asian-American (Japanese, Chinese, and Korean) women who adopted, hybridized, and transformed women's civilizing mission, and how their Pan-Pacific feminist camaraderie responded to and influenced Atlantic-based feminist organizations and institutions during the interwar years"--
Wie haben sich die Vorstellungen von Geschlecht und Reproduktion durch die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland gewandelt?Malaika Rödel verbindet theoretische Überlegungen zum Verhältnis von Natur, Technologie und Körper mit einer Analyse der medialen Debatte um die neue Reproduktionstechnologie von 2000 bis 2011 und arbeitet signifikante diskursive Verschiebungen heraus, die sich an der Kategorie Geschlecht nachvollziehen lassen.Die Studie liefert einen wichtigen Beitrag zur sozialwissenschaftlichen Analyse und Kritik der PID und verknüpft das methodische Vorgehen einer Diskursanalyse mit aktuellen Perspektiven aus den Gender Studies und den Science and Technology Studies.
GBS_insertPreviewButtonPopup('ISBN:9780748619177);Culture Wars charts the battle between two generations, one shaped by the immediate post-war period and the other by the cultural revolt of the 1960s. It was a clash that first exploded into life in the 1980s, when the Conservative press and government ridiculed radical young councillors as the 'loony left', and turned them into the pariahs of contemporary politics. This cultural victory proved shortlived. The values and political agenda of the urban left made significant advances in the 1990s and 2000s when the sixties generation moved into positions of power.The book offers key insights for different disciplines:For media studies, it offers a compelling account of how the media represent, and influence, social change. For cultural studies, it illuminates the way in which the culture of society is a battleground between generations and opposed value groups. For the social sciences, it documents how the rise of women, immigration, gay liberation and concern about the environment were mediated, and became the subjects of debate, political conflict, and regulation. For the general reader, it offers a very readable account of the entry of 1960s values into mainstream politics, and the culture wars that have been fought ever since."
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Aus der Einleitung: Die Ausgangsthese der Arbeit lautet, dass Interdependenzen zwischen wirtschaftstheoretischen Vorstellungen und konkreten Veränderungen in den verschiedenen Politikfeldern bestehen. Selbstverständlich wirkt die wissenschaftliche Theorie nicht direkt, durch ihr bloßes Vorhandensein, auf die politische Praxis ein, aber sie gibt den politischen Akteuren Handlungsanleitungen und/oder Legitimationsinstrumente zur Hand, die sie zur Verfolgung ihrer Interessen nutzen und einsetzen können. In der Regierungserklärung von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel aus dem Jahr 2000, dem komprimierten Programm der ÖVP-FPÖ Regierungskoalition, wurden die inhaltlichen Vorstellungen zu den verschiedenen Politikfeldern jeweils mit 'Neu regieren heißt' präsentiert. Dieses 'Neu regieren' implizierte, im Bereich des politischen Prozesses, eine Abkehr vom bisherigen konsensorientierten Muster der Entscheidungsfindung und, im Bereich der politischen Inhalte, eine grundsätzliche Veränderung in der inhaltlichen Ausrichtung des österreichischen Sozialstaats. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Zielvorstellungen der ÖVP-FPÖ und später der ÖVP-BZÖ Regierung, ablesbar an Regierungsprogrammen, Regierungserklärungen und Reden von zentralen Repräsentanten der Regierung, orientierten sich dabei wesentlich an neoliberalen beziehungsweise angebotspolitischen Theorien und Konzeptionen. Daraus ergibt sich erstens ein generelles Misstrauen gegenüber vielen Leistungen des öffentlichen Bereichs und die daraus abgeleitete Forderung nach staatlicher Aufgabenbeschränkung und einem schlanken Staat. Zweitens werden als zentrale Staatsaufgabe die Förderung von 'aktiven', zukunftsorientierten Investitionsleistungen (Forschung und Entwicklung, Infrastruktur) zuungunsten von 'passiven', gegenwartsbezogen Transferleistungen (Verwaltung, Subventionen, soziale Leistungen) definiert. Mit diesen Festlegungen ist der gut ausgebaute, wenngleich auf manche neuen gesellschaftlichen Entwicklungen nur unzureichend reagierende, österreichische Sozialstaat in die Defensive und unter politischen Druck geraten. Die Unterordnung von sozialpolitischen unter wirtschafts- und standortpolitische Überlegungen muss als gegeben angenommen werden. Diese politischen und ideologischen Entwicklungen sind allerdings nicht allein mit dem Regierungswechsel - von der Großen Koalition zur Rechtskoalition - zu erklären. Die politische Unterstützung des Sozialstaats nimmt – wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß – quer durch die politischen Parteien hindurch ab. So gibt es vielen Ländern der Europäischen Union (EU-15), obwohl sie von unterschiedlichen Parteien bzw. Parteikoalitionen regiert werden, ähnlich gelagerte Ziele und Maßnahmen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, die häufig einer neoliberalen Logik folgen. Im Mainstream der Wirtschaftstheorie wurde dieser neoliberale Trend der Politik vorweggenommen. Die meisten Ökonomen wandten sich bereits in den 1960er Jahren von keynesianischen Ansätzen ab und monetaristischen zu. Da (Teile von) Wirtschaftstheorien häufig von politischen Akteuren aufgenommen werden um entweder als inhaltliche Anstöße oder als nachträgliche Begründung für politische Entscheidungen zu fungieren, sind die Konjunkturen der Wirtschaftstheorien nicht nur in ihrem unmittelbaren, wissenschaftlichem Feld, sondern darüber hinaus politisch von großer Bedeutung. Die ökonomischen Wirkungen sozialstaatlicher Leistungen, zum Beispiel, fällt bei keynesianisch orientierten Wissenschaftern und Politikern sehr viel positiver aus, als dies bei Anhängern von monetaristischen Konzepten der Fall ist. Vor dem Hintergrund dieser wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen wird der österreichische Sozialstaat, mit dem Schwerpunkt gesetzliche Pensionsversicherung, dargestellt. Besonderes Augenmerk wird auf die Analyse der Pensionsreform 2003 und der Pensionsharmonisierung 2004 gelegt. Die mit den Reformen einhergehende Kürzung der durchschnittlichen Pensionsleistung und der erschwerte Zugang zu Pensionen sowie der Abgang von der Lebensstandardsicherung und die intendierte Etablierung eines 3-Säulen Pensionsmodells werden in dieser Arbeit als Ausdruck von veränderten politischen Prioritäten (Stichwörter: Mehr Privat – Weniger Staat; Dominanz der Wirtschaftspolitik über die Sozialpolitik) interpretiert. Gang der Untersuchung: Ausgangspunkt der Arbeit ist die Wirtschaftstheorie. Zuerst wird die klassische politische Ökonomie dargestellt, die den Beginn der Wirtschaftswissenschaft markiert und Staat und Ökonomie erstmals nicht als Einheit, sondern als Gegensatz betrachtete. Ab diesem Zeitpunkt beinhaltet makroökonomische Wirtschaftstheorie immer auch eine Festlegung des Verhältnisses von Staat und Ökonomie und wirkt dadurch potentiell auf die Politik ein. Dann werden Grenznutzenschule und Wohlfahrtsökonomik (d.h. die Neoklassik) präsentiert, welche die Vorläufer beziehungsweise die Basis des Monetarismus - der führenden neoliberalen Wirtschaftstheorie - sind. Es folgt die Präsentation des großen 'Gegenspielers' der neoklassischen und neoliberalen Wirtschaftstheorie, des Keynesianismus. Dieser hat mit zentralen Theoremen der neoklassischen Wirtschaftstheorien gebrochen, dem Staat wichtige wirtschaftliche Funktionen zugestanden und legte den Ausbau des Wohlfahrtsstaats auch aus volkswirtschaftlichen, nicht 'nur' aus sozialpolitischen, Gründen nahe. Das nächste Kapitel behandelt den Neoliberalismus und ist zweigeteilt. Der erste Teil beschäftigt sich mit neoliberalen Wirtschaftstheorien. Darunter fallen der Ordoliberalismus, die deutsche Spielart des Neoliberalismus, vor allem aber der Monetarismus, die aktuell wichtigste neoliberale Wirtschaftstheorie. Anschließend werden die zentralen Unterschiede von Monetarismus und Keynesianismus gegenübergestellt und die wirtschaftspolitischen Grundkonzeptionen der Angebots- und Nachfragepolitik erläutert. Im zweiten Teil wird auf die unterschiedlichen neoliberalen Vorstellungen über den Menschen (Stichwort: homo oeconomicus), die Gesellschaft und den Staat sowie dessen Aufgaben eingegangen. Weiter wird die Frage beantwortet, wie es dem Neoliberalismus gelungen ist zur hegemonialen Wirtschaftstheorie und -politik aufzusteigen. Schließlich wird die neoliberal und angebotspolitisch motivierte Kritik am Sozialstaat besprochen, analysiert und kritisiert. Im Abschnitt über den österreichischen Sozialstaat wird auf die Charakteristiken und Gestaltungsprinzipien des österreichischen Sozialstaats eingegangen. Weiter werden diverse Fakten zu den Sozialausgaben präsentiert. Auch die Akteure der Sozialpolitik und die historischen Veränderungen der Akteurskonstellationen werden besprochen. Es folgt die Darstellung der Sozialversicherung, dem wichtigsten Bestandteil des österreichischen Sozialsystems. Zuerst werden die Institutionen und deren Organisation vorgestellt. Anschließend werden Daten zu den Versicherten sowie zur Einnahmen- und Ausgabensituation aufbereitet und analysiert. Im Kapitel Pensionsversicherung, dabei handelt es sich um den quantitativ größten Zweig der Sozialversicherung, werden zahlreiche Daten und Fakten über die wesentlichsten Ausprägungen und Merkmale der Pensionsversicherung vorgestellt und untersucht. Behandelt werden überblicksweise die Pensionsarten und die Pensionsvoraussetzungen, die Pensionsstände und das Pensionsantrittsalter, die Pensionsberechnung, die Pensionsfinanzierung sowie die Pensionsbelastungsquote. Danach wird die die Geschichte der Pensionsversicherung in der Zweiten Republik skizziert. Schwerpunkt des Kapitels sind jedoch die Entstehungsgeschichte, die Regelungen und die Auswirkungen der Pensionsreform 2003 und der Pensionsharmonisierung 2004. Danach wird der Zusammenhang von wirtschaftstheoretischen Vorstellungen und (sozial)politischer Praxis an Hand zweier handelnder Personen geprüft. Zu diesem Zweck werden zentrale Dokumente von Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser, hauptsächlich aus der Zeit der ÖVP-FPÖ Regierungsperiode, analysiert. Im Resümee wird der methodische Ansatz kurz reflektiert.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung8 2.Wirtschaftstheorie15 2.1Die klassische politische Ökonomie16 2.1.1Der Ausgangspunkt16 2.1.2Das klassische Modell18 2.1.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie22 2.1.4Die Kritik24 2.2Die Grenznutzenschule26 2.2.1Der Ausgangspunkt26 2.2.2Das Grenznutzenmodell27 2.3Die Wohlfahrtsökonomik29 2.3.1Der Ausgangspunkt29 2.3.2Das wohlfahrtsökonomische Modell30 2.3.3Die Wohlfahrtsfunktion32 2.3.4Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie33 2.3.5Kritik der Wohlfahrtsökonomik und der Grenznutzenschule34 2.4Der Keynesianismus37 2.4.1Der Ausgangspunkt37 2.4.2Das keynesianische Modell39 2.4.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie43 2.4.4Die Kritik45 3.Der Neoliberalismus47 3.1Der Neoliberalismus als Wirtschaftstheorie48 3.2Der Ordoliberalismus48 3.2.1Der Ausgangspunkt48 3.2.2Das ordoliberale Modell49 3.2.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie51 3.3Der Monetarismus53 3.3.1Der Ausgangspunkt53 3.3.2Das MonetaristischeModell54 3.3.3Die Staatsaufgaben und das Verhältnis von Staat Ökonomie55 3.3.4Kritik des Monetarismus57 3.3.5Monetarismus versus Keynesianismus58 3.4Die wirtschaftspolitische Umsetzung von Monetarismus und Keynesianismus60 3.4.1Angebotspolitik versus Nachfragepolitik61 3.4.2Die Wirtschaftspolitik der Angebotsökonomie62 3.4.3Das Verhältnis von Angebots- und Nachfragepolitik69 3.4.4Die Kritik an der Angebotspolitik70 3.5Der Neoliberalismus als Gesellschaftstheorie73 3.5.1Der methodologische Individualismus73 3.5.2Der homo oeconomicus75 3.5.3Die Kritik am homo oeconomicus und seiner Gesellschaft83 3.5.4Das Gesellschaftsmodell von Hayek87 3.6Durchsetzungsgeschichte des Neoliberalismus93 3.6.1Die Hegemonie bei Gramsci93 3.6.2Der Aufstieg des Neoliberalismus zur hegemonialen Ordnung: Drei Erklärungsversuche99 3.7Neoliberale Kritik am Sozialstaat106 3.8Kritik an der neoliberalen Sozialstaatskritik113 4.Der österreichische Sozialstaat117 4.1Charakteristika und historische Entwicklung117 4.2Gestaltungsprinzipien der österreichischen Sozialpolitik121 4.3Die Sozialausgaben124 4.3.1Vorbemerkung125 4.3.2Sozialausgaben127 4.3.3Gliederung der Sozialausgaben129 4.3.4Finanzierungsquellen130 4.3.5Internationaler Vergleich131 4.4Akteure der Sozialpolitik132 4.4.1Veränderungen in der Akteurskonstellation135 4.5Zusammenfassende Darstellung137 5.Die Sozialversicherung140 5.1Institutionen140 5.1.1Interne Organisation: Selbstverwaltung142 5.2Versichertenkreis144 5.3Einnahmen145 5.4Ausgaben147 6.Die Pensionsversicherung149 6.1Pensionsversicherte149 6.2Pensionsarten150 6.3Pensionsvoraussetzungen153 6.3.1Alterspension nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz (APG; Neurecht)153 6.3.2Alterspension nach dem ASVG (Altrecht)154 6.3.3Vorzeitige Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer155 6.3.4Korridorpension156 6.3.5Schwerarbeitspension156 6.4Pensionsstände157 6.5Pensionsantrittsalter158 6.6Pensionsberechnung160 6.6.1Pensionsberechnung nach dem APG (Neurecht)160 6.6.2Pensionsberechnung nach dem ASVG (Altrecht)161 6.6.3Pensionshöhe164 6.7Pensionsfinanzierung167 6.8Pensionsbelastungsquote170 6.9Die Entwicklung der Pensionsversicherung in der Zweiten Republik172 6.10Die Pensionsreform 2003173 6.10.1Entstehungsgeschichte173 6.10.2Inhalt der Pensionsreform 2003173 6.10.3Analyse der Pensionsreform 2003173 6.11Die Pensionsharmonisierung 2004173 6.11.1Entstehungsgeschichte173 6.11.2Inhalt der Pensionsharmonisierung 2004173 6.11.3Analyse der Pensionsharmonisierung173 7.Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser: Wirtschaftliberale Kritik und umbau des Sozialstaats173 8.Resümee173 9.Literaturverzeichnis173Textprobe:Textprobe: Kapitel 3.8, Kritik an der neoliberalen Sozialstaatskritik: Auf einer sehr allgemeinen Ebene geht Schui davon aus, dass es das Hauptziel der Vertreter und der Profiteure des Neoliberalismus ist, den Sozialstaat und die damit verbundenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Implikationen, unter anderem den materiell abgestützten Klassenkompromiss, einen großen öffentlichen Sektor, die teilweise Einführung von Arbeitnehmermitbestimmung in Unternehmen, zu beseitigen. Das kapitalistische Glücksversprechen - die Akkumulation von Kapital führt zum Glück für alle, zum Wohlstand der Nationen -, welches mit der Einführung des Wohlfahrtsstaats in Ansätzen verwirklicht wurde, soll nun wieder zurückgenommen und durch individuelle Marktprozesse ersetzt werden. Konkreter, das heißt auf der Ebene der Empirie, lässt sich ein – von den neoliberalen Sozialstaatskritikern unterstellter - unmittelbarer Zielkonflikt zwischen einer negativ korrelierenden Höhe der sozialen Sicherung und des Wirtschaftswachstum beziehungsweise zwischen einer positiv korrelierenden Höhe der sozialen Sicherung und der Höhe der Arbeitslosigkeit generell nicht nachweisen. Eine differenzierte Sichtweise vertritt auch Schmidt mit seiner 'These der Doppelfunktion'. Diese besagt, dass die Sozialpolitik nicht per se schlecht oder gut für die Wirtschaft und deren Wachstum ist. Vielmehr stehen diese beiden Bereiche in einem zwiespältigen Verhältnis zueinander: 'Die Sozialpolitik ist eine wichtige Funktionsvoraussetzung einer komplexen leistungsfähigen Wirtschaft; zugleich steht sie jedoch in einem Spannungsverhältnis zu den Rationalitätskriterien unternehmerischen Handelns und zur Beschäftigung'. Die meisten Bereiche der Sozialpolitik sind zudem auf die Marktwirtschaft bezogen und federn 'nur' die dabei entstehenden Problemlagen für das Individuum ab. Für den Sozialstaat beziehungsweise genauer, für dessen konkrete Ausgestaltung, ist es von immanenter Wichtigkeit, wie der Zusammenhang von Ökonomie und Sozialstaat von den maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften eingeschätzt wird: 'Wenn man zeigen kann, dass der Sozialstaat nicht nur von wirtschaftlicher Leistung abhängig ist, sondern diese zugleich befördert oder ermöglicht, entsteht eine gänzlich andere Einschätzung der politischen Wirkungsmöglichkeiten als wenn man zeigen kann, dass der Sozialstaat die Probleme, die er zu bearbeiten vorgibt, durch Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vergrößert statt löst'. Das heißt also, wenn die maßgeblichen wirtschaftspolitischen Akteure der ersten Einschätzung anhängen, werden sie unter anderem die natürliche Stabilisierungsfunktion der Sozialleistungen zu schätzen wissen und eventuell im Raum stehende Kürzungen (auch) unter diesem sozialstaatsfreundlichen Gesichtspunkt betrachten. Falls jedoch für die entscheidenden wirtschaftspolitischen Akteure der zweite Fall plausibler erscheint, laufen sozialstaatliche Transfers große Gefahr, als zu teuer sowie leistungs- und innovationshemmend abgelehnt und entweder ganz abgebaut oder in Richtung einer besseren Wirtschaftskompatibilität reformiert zu werden. Es ist relativ leicht nachvollziehbar, dass die unterschiedlichen Einschätzungen beziehungsweise Wahrnehmungsweisen des Zusammenhangs von Sozialstaat und Wirtschaft eng mit der jeweils präferierten Wirtschaftspolitik einhergehen. Etwas vereinfacht und gerafft dargestellt, werden Vertreter eines angebotsorientierten wirtschaftspolitischen Kurses im Normalfall die Überzeugung vertreten, dass der Sozialstaat tendenziell zu weit ausgebaut worden ist und mehr (wirtschaftliche) Probleme erzeugt als er löst. Durch die hohen sozialstaatlich bedingten Ausgaben werden Investitionen erschwert, und das Wirtschaftswachstum entwickelt sich suboptimal. Hingegen werden die Anhänger einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik die (wirtschaftlichen) Wirkungen des Sozialstaats diametral anders und damit ungleich positiver einschätzen. Da die Leistungen des Sozialstaats großteils sogar unmittelbar nachfragewirksam werden, beflügeln sie das Wirtschaftswachstum.
The contents of this dissertation represent the synthesis of a three-years academic research activity - from November 2000 to October 2003 - carried out in the frame of the XVI cycle of the doctoral programme 'Man and Environment' ('Uomo e ambiente'), activated at the Department of Geography (Dipartimento di Geografia) of the University of Padova (Università degli Studi di Padova). The research was conducted partly in Italy and partly in Germany, at the University of Freiburg (Universität Freiburg), within the frame of a co-tutoring agreement with the Institute of Forest and Environmental Policy (Institut für Forst- und Umweltpolitik) of the Faculty of Forest and Environmental Sciences (Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften). The research firstly generates from the candidate's confrontation with the recent revision process, occurring in the frame of the UNESCO Man and Biosphere (MAB) Programme, which lead to the publication (2002) of the book entitled 'Biosphere Reserves: special places for Nature and People'. The volume intended to comprehensively summarise the main steps of the Programme's history, as well as the conceptual evolution of its main implementation tools: the Biosphere Reserves (BRs). The first part of this dissertation (chapter I) reports the main trends in the MAB Programme history, by analysing its interrelations with the major international activities since its foundation. In particular, the issues of the biodiversity preservation and the local sustainable development promotion are considered, and the possible role that the BRs can play to foster them. The second part (chapter II) provides an overall picture of the main theoretical backgrounds which have been considered along with the research development: in particular, the key concepts of the ecosystem evolution and how they influenced the management practices are considered first; secondly, the contribution of the political ecology is analysed, as a relevant actor-based approach in dealing with the natural resources policy research; thirdly, the bioregional studies and the implication of the Bioregionalism in the natural resources management are considered; the conceptual evolution of the regional studies in geography and their links with the evolving issue of the development (namely, development, human development and sustainable development) are fourthly included; ultimately, the comprehensive analytical model of the local territorial systems is presented, in order to interpret the elements fostering the local sustainable development. None of the previously mentioned approaches was considered fully satisfactory to deal with the original working hypothesis: can the BR model foster the reconciling of biodiversity preservation and local sustainable development in the context of the South-Eastern-European countries (SEEcs)? The Grounded Theory supported the continuous activities of reformulating working hypothesis in the attempt of generating a new conceptual frame. In fact, the various sources of data used for this research range from the UNESCO historical archives to the outputs of the recent international meetings dedicated to the SEEcs in the frame of the MAB Programme; additional information were collected from the SEEcs MAB case-studies - specifically prepared for the EuroMAB 2002 bi-annual meeting - and from the in field visits to the selected areas in Serbia; namely, the recently nominated (2001) 'Goljia-Studenica' BR and the National Park 'Tara', one of the next sites to be designated in the MAB Programme. The results of the three-scale analysis (regional, national and local) are reported in the chapter IV, where the horizontal and vertical relationship between the various levels are emphasised. The fifth chapter reports the concluding remarks generated by the research; the findings tend to demonstrate that the original flexible concept of the BR is an appropriate conceptual and planning instrument, to foster the reconciling of the biodiversity preservation and the local sustainable development. In particular - at the condition that all the three pertinent scales actors are properly relating each other - the BR model may generate additional 'territorial value', by platforming innovative and flexible management practices able to support the negotiation of 'territorial pacts', better adaptable to the rapidly changing socio-economic scenarios of the SEEcs. ; Die vorliegende Doktorarbeit ist das Ergebnis einer drei Jahre umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung, die im Rahmen der XVI. Auflage des Dissertations-Programms 'Man and Environment' ('Uomo e ambiente') erfolgte, anfangs begonnen an der Abteilung für Geographie (Dipartimento di Geografia) an der Universität Padua (Università degli Studi di Padova). Die Forschungsarbeiten wurden teilweise in Padua, später teilweise am Institut für Forst- und Umweltpolitik der Universität Freiburg durchgeführt, und zwar auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens zwischen der Universität Padua und der Fakultät für Forst- und Umweltwissenschaften der Universität Freiburg, in Anlehnung an das seit langem bestehende Partnerschaftsabkommen zwischen den beiden Universitäten Padua und Freiburg sowie unter der gemeinsamen Anleitung der wissenschaftlichen Betreuer Prof. Dr. Paolo Faggi, Padua (Tutor) und Prof. Dr. Dr. h. c. Hans-Friedrich Essmann, Freiburg (Co-tutor). Die Dissertationsschrift wurde in englischer Sprache abgefasst unter der Maßgabe einer deutsch- und einer italienischsprachigen Zusammenfassung. Die Untersuchung basiert auf der intensiven Beschäftigung des Autors mit der jüngsten Revision des UNESCO 'Man and Biosphere (MAB)' Programms, welche ihren sichtbaren Ausdruck in der Schrift von 2002 'Biosphere Reserves: Special Places for Nature and People', fand. In der Veröffentlichung wird versucht, in zusammenfassender Form die wichtigsten Schritte des Programms im historischen Rückblick sowie die konzeptionellen Veränderungen des wichtigsten Instruments des Programms dar zu stellen: des Biosphären-Reservats. Der erste Teil der Doktorarbeit (Chapter I) ist denn auch den wesentlichen Entwicklungstrends in der Geschichte des MAB-Programms gewidmet, indem, angefangen mit seiner Begründung, die Zusammenhänge mit den hauptsächlichen internationalen Aktivitäten analysiert und dar gestellt werden. Vor allem werden Fragen des Erhalts der Biodiversität und die Förderung der lokalen nachhaltigen Entwicklung betrachtet und insbesondere die Rolle, die Biosphärenreservate spielen könnten, um nachhaltige Entwicklungen zu fördern. Der zweite Teil (Chapter II) liefert einen Überblick über die wichtigsten Aspekte der theoretischen Hintergründe, welche parallel mit dem Fortgang der Untersuchung reflektiert werden. An erster Stelle wird die Entwicklung des Konzept von Regionalstudien in der Geographie und deren Bezüge zu den aufgeworfenen Fragen von Entwicklung überhaupt, z.B. Entwicklung des Menschen, nachhaltige Entwicklung etc., betrachtet; an zweiter Stelle werden bio-regionale Studien und die Implikationen des 'Bioregionalismus' bei der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen analysiert; ein dritter inhaltlicher Beitrag ergab sich aus Überlegungen, auf welche Weise das Schlüsselkonzept der 'Ökosystementwicklung' die Bewirtschaftungspraktiken beeinflusst hat bzw. haben könnte; viertens wurde der Beitrag der politischen Ökologie näher betrachtet und zwar als ein relevanter, auf die Akteure gerichteter analytischer Ansatz einer Forschung über die Politik der Naturressourcen; zuletzt wird das umfassende Analysemodell der 'Lokalen Territorialen Systeme' vorgestellt, mit dessen Hilfe die entscheidenden Elemente angesprochen werden können, welche die lokale nachhaltige Entwicklung unterstützen. Keine der angesprochenen Ansätze wurde jedoch als voll befriedigend angesehen, um auf die zentrale Arbeitshypothese angewandt zu werden, nämlich die Frage: Ist das Modell der Biosphärenreservate in der Lage, die Aussöhnung der unterschiedlichen Ziele 'Erhaltung von Biodiversität' und 'Lokale Nachhaltige Entwicklung' zu fördern und zwar im Kontext der südosteuropäischen Länder im Übergang (SEECs in transition)? Die 'Grounded Theory' schließlich unterstützte das ständige Umformulieren der Arbeitshypothesen in dem Versuch, ein neues Rahmenkonzept zu entwickeln. Die verschiedenen Datenquellen für die Untersuchung reichten in der Tat von der Geschichtsarchiven der UNESCO bis zu den Ergebnissen erst kürzlich abgehaltener internationaler Konferenzen, die die südosteuropäischen Länder (SEECs) im Rahmen des MAB Programms zum Gegenstand hatten. Zusätzliche Informationen konnten aus SEECs MAB Fallstudien - speziell zusammengestellt für das alle zwei Jahre stattfindende EuroMAB 2002 Treffen - und durch eigene Feldstudien in ausgewählten Gebieten in Serbiens gewonnen werden, vor allem im erst kürzlich nominierten 'Goljia-Studenica' Biosphärenreservat und 'Tara' National Park, welcher als nächster ansteht, ein MAB Programmgebiet zu werden. Die Ergebnisse der dreistufigen Analysen (national, regional und lokal) werden im Kapitel IV (Chapter IV) dargestellt, in dem insbesondere die horizontalen und vertikalen Zusammenhänge unter und zwischen den einzelnen territorialen Ebenen heraus gearbeitet werden. Das fünfte und letzte Kapitel (Chapter V) umfasst die abschließenden Bemerkungen wie sie sich aus der Untersuchung ergeben. Die Erkenntnisse tendieren dahin zu zeigen, dass das ursprüngliche, offene Konzept der Biospärenreservate ein geeignetes inhaltliches und planerisches Instrument ist, die Aussöhnung von Erhalt von Biodiversität auf der einen und örtliche bzw. regionale nachhaltige Entwicklung auf der anderen Seite zu fördern. Insbesondere kann das Modell der Biosphärenreservate zusätzliche territoriale Werte erzeugen, vorausgesetzt, alle drei relevanten scales actors? stehen in richtiger Weise mit einander in Beziehung, indem es nämlich eine Plattform liefert für innovative und flexible Bewirtschaftungspraktiken, geeignet, Verhandlungen über Gebietsvereinbarungen zu unterstützen, die dem schnellen Wandel der sozioökonomischen Bedingungen der SEECs besser gerecht werden. als der offene Wettbewerb der drei räumlichen Ebenen um die nur sehr begrenzt verfügbaren Ressourcen.