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Ende 2021 befindet sich Polen im Krieg. Diesen Eindruck kann man zumindest gewinnen, wenn man die Aussagen polnischer Politiker aus dem Regierungslager der letzten Wochen und Monate untersucht. Die von Premierminister Mateusz Morawiecki ausgesprochene Warnung vor einem "Dritten Weltkrieg" stellte den jüngsten Höhepunkt sprachlicher Gewalteskalation in der polnischen Politik dar. Dabei lässt sich, bei aller Schwere und Schärfe der aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Polen und der Europäischen Union, eines ganz klar festhalten: mit einem wirklichen Krieg zwischen verfeindeten Staaten, Millionenheeren aufeinander feuernder Armeen, Panzerverbänden und Luftwaffengeschwadern, mit täglich tausenden Toten und Verwundeten, mit Not und Elend in der Zivilbevölkerung haben wir es derzeit nicht zu tun. Stattdessen geht es um die ausstehende Umsetzung eines Urteils über die polnische Rechtstaatlichkeit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) durch die polnische Regierung, die zumindest umstrittene Zurückhaltung von EU-Geldern an Polen durch die Europäische Kommission und das jüngste Urteil des polnischen Verfassungstribunals über die teilweise Unvereinbarkeit der EU-Verträge mit der polnischen Verfassung. Dies sind sicherlich nicht zu unterschätzende politische bzw. rechtliche Konflikte, aber eben keine kriegerischen Auseinandersetzungen. Aber womit haben wir es dann zu tun, wenn Teile der polnischen Politik metaphorisch zum Kriege rüsten?Der Konflikt zwischen Polen und der EU in der Sprache des KriegesWerfen wir zunächst einen Blick auf die Stellungnahmen der politischen Akteure. Am 26. August verkündete Justizminister Zbigniew Ziobro im Programm "Katholischer Rundfunkmorgen" des Radiosenders Siódma 9 im Hinblick auf das Urteil des EuGH zur Justizreform: "Wir haben es mit Sicherheit mit einer Art – ich zögere nicht, den Ausdruck zu verwenden – hybridem Krieg[1] seitens der Europäischen Union zu tun, der sich de facto gegen das Rechtssystem und das demokratische System Polens richtet." "Was sagt uns die Europäische Union? Sie sagt uns, dass die Polen nicht durch demokratische Wahlen auf einen Wandel, einen wirklichen Wandel im Bereich der Justiz hinwirken darf." "Die Deutschen dürfen, der deutsche Staat darf, aber ihr Polen dürft nicht."[2]Während einer Rede im Rahmen einer Veranstaltung am 9. September in Radom anlässlich des 76. Jahrestages der Befreiung von Soldaten der Heimatarmee aus dem Gefängnis des Polnischen Amtes für Staatssicherheit äußerte sich der PiS-Abgeordnete Marek Suski wie folgt: "[…] das illegale Polen hat im Zweiten Weltkrieg gegen einen Besatzer gekämpft, es hat gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft, und wir werden jetzt gegen die Brüsseler Besatzer kämpfen. Brüssel schickt uns Statthalter, um Polen zur Ordnung zu bringen, um uns in die Knie zu zwingen, damit wir vielleicht ein deutsches Bundesland [niemiecki land] seien und nicht ein stolzer Staat freier Polen."[3]Am 14. September kommentierte Suski seine Äußerungen in einem Interview beim Radiosender RMF FM: "Bestimmte Elemente haben sich wie vor dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet. Sie fordern, dass wir die Überlegenheit des europäischen Rechts gegenüber dem polnischen Recht anerkennen. Und wenn nicht, werden wir bestraft." "Sie [Brüssel] wollen, dass wir unsere Souveränität aufgeben." "Ich habe harte Worte benutzt, um Brüssel klar zu machen, dass wir keine Untermenschen sind. Dagegen müssen wir uns wehren. Eine solche Behandlung dürfen wir nicht akzeptieren."[4]Den vorläufigen Höhepunkt in Sachen Kriegsmetaphorik erreichte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki am 24. Oktober 2021. Interview mit der britischen Financial Times, nur wenige Tage nach seiner Rede im Europäischen Parlament und dem Treffen des Europäischen Rats. Auf die Frage, ob Polen bei Entscheidungen wie dem EU-Klimapaket, in Reaktion auf die Zurückhaltung von Geldern durch die EU, ein Veto einlegen würde, antworte Morawiecki: "Was wird passieren, wenn die Europäische Kommission den Dritten Weltkrieg auslöst? Wenn sie den Dritten Weltkrieg auslösen, werden wir unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Waffen verteidigen." "Wir werden nicht kapitulieren, wir werden unsere Souveränität nicht wegen dieses Drucks aufgeben."[5]Politisches Framing: Polen im metaphorischen KriegIn der Politik haben wir es häufig mit komplexen Sachverhalten zu tun, die meist auf ebenso komplexen Ideen und Konzepten basieren. Dies ist auch im Fall der Polexit-Debatte der Fall, in der es um Fragen der Rechtsstaatlichkeit innerhalb der europäischen Gemeinschaft, die Vorrangstellung des EU-Rechts und die Rolle nationaler Souveränität geht. Politische Kommunikation kann sich daher nicht auf die Übermittlung rein faktenbasierter Information zurückziehen, sondern greift stets auf (metaphorische) Frames zurück. Frames und Metaphern helfen uns, die politische Wirklichkeit, und die ihr zugrunde liegenden Ideen und Konzepte in eine Sprache zu übersetzen, die auf die strukturellen Deutungsrahmen unserer Alltagserfahrungen zurückgreift und somit erst verständlich werden lässt. Dabei sind Frames immer selektiv, indem sie bestimmte Aspekte eines Themas hervorheben und andere in den Hintergrund treten lassen (vgl. Wehling 2017: 42; Łada/Sendhardt 2021). Die Instrumente der Framing-Analyse helfen uns daher zu untersuchen, wie politische Kommunikation einen bestimmten Sachverhalt framt, welche Metaphern Verwendung finden und welche Folgen bestimmte Frames für (un)mögliche Anschlusskommunikation haben.Wenn ich in Anlehnung an die Kognitionsforschung (Lakoff/Johnson 2018 [1997]: vgl.; Lakoff/Wehling 2009; Wehling 2017) von Metaphern spreche, sind damit keine poetischen Metaphern im Sinne rhetorischer Stilmittel gemeint, sondern konzeptuelle Metaphern, die – beinahe unbemerkt – unser alltägliches Verständnis von Politik strukturieren (Lakoff/Johnson 2018 [1997]: 11). Aus dieser Perspektive sprechen wir über die politische Auseinandersetzung "als Kampf [bzw. Krieg], weil wir über sie als Kampf [bzw. Krieg] denken" (Lakoff/Wehling 2009: 19). Die Kommunikation der polnischen Regierung rund um den Konflikt mit der EU framt diese Auseinandersetzung mittels der Metapher Argumentieren bzw. Diskussion ist Krieg (Lakoff/Wehling 2009: 20; Lakoff/Johnson 2018 [1997]: 12). Dabei ist die Kriegs-Metapher eine spezielle und radikalisierte Form der Metapher Diskussion ist physische Auseinandersetzung (Lakoff/Wehling 2009: 20) oder, mit anderen Worten: Politik ist Kampf (Łada/Sendhardt 2021: 34-37).Das Framing des Konflikts zwischen Polen und der Europäischen Union als Krieg bleibt nicht ohne Folgen. Schließlich sind im Kriegsfall die im Friedenszustand üblicherweise geltenden Regeln und Gesetze aufgehoben, es gilt eine Art Ausnahmezustand. Zudem sind während der Kampfhandlungen andere Kommunikationskanäle ausgesetzt. Erst ein (vorläufiger) Waffenstillstand kann wieder Raum und Zeit für direkte Verhandlungen schaffen. Gleichzeitig ist die Rede vom Krieg immer mit einem latenten Appell verbunden, die innenpolitischen Auseinandersetzungen einstweilen ruhen zu lassen und sich im Namen des Patriotismus auf den Abwehrkampf zu konzentrieren. Im Falle Polens hat die Rede vom Krieg, zumal vom Dritten Weltkrieg, noch weitreichendere Auswirkungen.Selbstverständlich knüpft das Framing des Konflikts als Dritter Weltkrieg unmittelbar an die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs an. Dies hat dreierlei Folgen. Zum einen sind die Rollen von Opfer und Täter, von Gut und Böse, klar verteilt. Polen ist in dieser Lesart eindeutig als Opfer zu identifizieren, das sich eines heimtückischen Angriffs von außen durch den Täter EU erwehren muss. Insofern stehen Polen aus moralischer Sicht in diesem Frame sämtliche Möglichkeiten der (Selbst-) Verteidigung offen. Die Tatsache, dass Polen mit seiner Haltung EU-weit, vielleicht mit Ausnahme Ungarns, relativ allein auf weiter Flur steht, unterstützt den Frame des Weltkriegs. Schließlich haben Frankreich und Großbritannien Polen beim Angriff des Deutschen Reiches im September 1939, trotz anderslautender vorheriger Zusagen, ebenfalls im Stich gelassen.Zweitens steht in diesem Frame nicht weniger als die polnische Souveränität und damit Polens Staatlichkeit an sich auf dem Spiel. Dies war im Zweiten Weltkrieg so und ist, in dem von der polnischen Regierung perpetuierten Framing, auch heute im Konflikt mit den Institutionen der Europäischen Union der Fall. Es geht also um nichts weniger als die Existenz Polens, den Fortbestand des polnischen Staates. In einer solchen Situation ist jedes Mittel recht. Die polnische Regierung erfüllt in diesem Fall lediglich ihre grundlegende Pflicht, den Fortbestand des polnischen Staates unter allen Umständen und mit allen ihr zur Verfügung stehende Mitteln sicherzustellen. Kritik im politischen Innern seitens der Opposition kann in diesem Fall nur als Defätismus und Verrat verstanden werden, Kritik von außen hingegen als Verbündung mit dem Feind.Drittens steckt im Frame der Auseinandersetzung Polens mit der EU die Überzeugung, dass es nicht so sehr die europäischen Institutionen sind, mit denen Polen im Streit liegt, sondern dahinterstehende politische Kräfte, allen voran Nachbar und EU-Mitgliedstaat Deutschland. Hierdurch ist jegliche Kritik deutscher Politiker:innen am Vorgehen Polens von vornherein moralisch diskreditiert und zum Scheitern verurteilt. Auch werden aus Deutschland stammende EU-Politiker:innen von der polnischen Regierung absichtsvoll als deutsch und nicht etwa als europäisch markiert. In der Vergangenheit bezog dies auch – wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer "deutsch klingenden Namen" – nicht-deutsche Politiker wie den Niederländer Frans Timmermans und den Luxemburger Jean-Claude Juncker mit ein.Fazit"Frames, nicht Fakten bedingen unser Entscheidungsverhalten" (Wehling 2017: 45). Die Rede vom Krieg in der polnischen Politik ist damit alles andere als konsequenzlos. Die Sprache des Krieges schränkt den Kommunikations(spiel)raum notwendigerweise ein. Der Besatzer kann nicht mit Gesprächsangeboten reagieren. Der Krieg ist im Prinzip auch ein Zustand der politischen Auseinandersetzung, in dem der Dialog ruht und erst nach Aushandlung eines Waffenstillstandes wiederaufgenommen werden kann. Die Tatsache, dass die polnische Regierung die aktuelle Auseinandersetzung mit der EU mithilfe der Metapher des Krieges framt, ist demnach weder belanglos noch sollte sie als bloßes rhetorisches Stilmittel abgetan werden (Regierungssprecher Piotr Müller etwa erklärte in einem Presse-Briefing, es handele sich bei der Rede Morawieckis von einem "Dritten Weltkrieg" um "eine Hyperbel, ein rhetorisches Mittel").[6] Vielmehr stellt die politische Kommunikation des polnischen Regierungslagers den wiederholten und kollektiven Versuch dar, das in der polnischen Öffentlichkeit vorherrschende Verständnis des Konflikts Polens mit der EU in Richtung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit klar verteilten Rollen und eindeutiger moralischer Bewertung zu framen. Dabei ist nicht entscheidend, ob die sprechenden Akteure manipulativ vorgehen oder tatsächlich die politische Welt in diesen Frames wahrnehmen. Entscheidend ist, dass durch das Aufrufen der Frame-Semantik (Zweiter Welt-) Krieg ein metaphorischer Deutungsrahmen aktiviert wird, innerhalb dessen der Konflikt zwischen Polen und der EU verständlich wird. "Es ist aber ein Verständnis," in den Worten von Lakoff/Wehling (2009: 31) gesprochen, "das bestimmte Aspekte hervorhebt und andere ausblendet. Und gleichzeitig wird ein alternatives metaphorisches Verständnis der Lage ausgeschlossen oder doch zumindest erheblich erschwert. Es ist also von höchster Relevanz, welche Metaphern wir in der politischen Sprache benutzen, denn sie entscheiden darüber, was wir – Sprecher und Hörer – denken. Und was wir nicht denken, weil es in der gewählten Metapher nicht vorkommt."LiteraturŁada, Agnieszka/Sendhardt, Bastian 2021: Das Bild der Krise. Wie schrieben die deutsche und die polnische Presse über das jeweilige Nachbarland im ersten Halbjahr 2020?, Darmstadt, Warschau.Lakoff, George/Johnson, Mark 2018 [1997]: Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, Heidelberg.Lakoff, George/Wehling, Elisabeth 2009: Auf leisen Sohlen ins Gehirn. Politische Sprache und ihre heimliche Macht, Heidelberg.Wehling, Elisabeth 2017: Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht, Bonn. [1] Die kursiven Hervorhebungen der Kriegsmetaphern stammen von mir.
[6] https://dorzeczy.pl/opinie/216853/hiperbola-mueller-o-wypowiedzi-morawieckiego-dla-financial-times.html Der Text entstand im Rahmen des Projekts "Akteure, Felder, Wege – deutsch-polnische Kommunikation: Miteinander und übereinander", welches das Institut für Öffentliche Angelegenheiten und das Deutsche Polen-Institut dank der finanziellen Förderung durch die Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung durchführen.
Beschreibung der Situation in Familie, Alltag, Beruf, Wohnen und Wohnumfeld. Geschlechterrolle. Gesundheit. Lebensumstände. Politische Fragen.
Themen: 1. Mündliche Befragung:
Arbeit: Berufstätigkeit in der letzten Woche; Wochenarbeitszeit im Hauptberuf und eventuellen Nebenjobs; beruflicher Status; Art des Arbeitsverhältnisses; Vorgesetztenfunktion; Einstellen von Angestellten; Pendeln; Wegezeit zur Arbeitsstelle (Stunden und Minuten); genutztes Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle; Beschäftigung im öffentlichen Dienst, in einem selbständigen Unternehmen, dem Hauptsitz oder der Zweigstelle eines Unternehmens; Branchenzugehörigkeit; Berufsbezeichnung; Beruf (ISCO); Wochenarbeitstage; reguläre Wochenstundenzahl; Jahre der Betriebszugehörigkeit in Jahren; Betriebsgröße; Gewerkschaftsmitgliedschaft; Arbeitszufriedenheit; Kündigungsabsicht; Arbeitsplatzgefährdung; Einschätzung der Chancen im Falle des Arbeitsplatzverlustes einen äquivalenten Job zu finden; Gründe für fehlende Berufstätigkeit; Berufstätigkeit in der Vergangenheit; Alter bei Kündigung der letzten Arbeitsstelle; Hauptgrund für die Kündigung der letzten Arbeitsstelle; beruflicher Status der letzten Arbeitsstelle; Art des Arbeitsverhältnisses des letzten Jobs; Berufsbezeichnung, Beruf (ISCO) und Betriebsgröße der letzten Arbeitsstelle; derzeitige Jobsuche.
Familie: Beschreibung der Beschäftigungssituation des Ehepartners: Berufstätigkeit; Grund für fehlende Berufstätigkeit; Wochenarbeitszeit im Hauptberuf und eventuellen Nebenjobs; beruflicher Status; Art des Arbeitsverhältnisses; Vorgesetztenfunktion; Einstellen von Angestellten; Branchenzugehörigkeit; Berufsbezeichnung; Beruf (ISCO); Wochenarbeitstage; reguläre Wochenstundenzahl; Jahre der Betriebszugehörigkeit; Betriebsgröße; Alter des Ehepartners; Zusammenleben mit dem Ehepartner; Angaben zu den Eltern des Befragten: Zusammenleben mit einem oder mit beiden Elternteilen bzw. Eltern verstorben; Alter, Familienstand und derzeitige Berufstätigkeit der Eltern; Angaben zu den Kindern: Gesamtzahl der Kinder; Geschlecht der Kinder, noch im elterlichen Haushalt lebend; Alter, Familienstand und Berufstätigkeit der Kinder; Haushaltsgröße; Angaben zu sämtlichen Familienmitgliedern hinsichtlich Verwandtschaftsgrad, Geschlecht und Alter; Anzahl der Familienmitglieder mit Ausnahme und einschließlich des Befragten; Haushaltsvorstand; Anzahl der Familienmitglieder, die temporär von der Familie entfernt wohnen, deren Beziehung zum Befragten sowie Grund für Wohnen außerhalb der Familie; Einkommensquellen des Haushalts sowie Haupteinkommensquelle; Selbsteinschätzung auf einer Oben-Unten-Skala; Urbanisierungsgrad des Wohnortes; Haushaltsbruttoeinkommen des letzten Jahres; Einkommen des Befragten und seines Ehepartners (jeweils insgesamt und im Hauptberuf); Anzahl jüngerer und älterer Brüder und Schwestern des Befragten und seines Ehepartners; jemals verheiratet; Anzahl der Eheschließungen; Alter bei jeder Eheschließung; Erlebnis von Scheidung bzw. Witwenstand und deren Anzahl; Alter bei Scheidung bzw. dem Tod des Ehepartners; Aufgabe des Jobs aufgrund von Heirat oder Geburt eines Kindes.
Bezogen auf die Kindheit des Befragten im Alter von 15 Jahren: Größe des damaligen Wohnortes; dörflicher Charakter des damaligen Wohnortes; Berufstätigkeit und beruflicher Status des Vaters; Vorgesetztenfunktion des Vaters; Berufsbezeichnung; Betriebsgröße der damaligen Arbeitgeberfirma des Vaters; berufliche Position der Mutter.
Bildung: Bildungsgrad des Befragten, des Ehepartners und der Eltern; für den Befragten und dessen Ehepartner wurde erfragt: Abschluss oder Abbruch der zuletzt besuchten Schule; Schuljahr bei derzeitigem Schulbesuch; Besuch einer Fachschule.
Erster Job nach Schulabschluss: Zeitdauer zwischen Schulabschluss und Arbeitsbeginn; berufliche Position und Beruf des Befragten; Betriebsgröße.
2. Schriftliche Befragung (drop off): Es wurden zwei unterschiedliche Fragebögen verwendet. Dabei wurden Frageformulierungen bei einzelnen Fragen bzw. Fragenkomplexen methodisch variiert.
Alltag: Fernsehkonsum pro Tag; Anzahl monatlich gelesener Bücher; Häufigkeit des Zeitungslesens; Kommunikationsmedien: Computernutzung (daheim, auf der Arbeit/in der Schule); Mobiltelefonnutzung; Informationssuche im Internet bzw. über Mobiltelefon; Internet-Shopping; Online-Banking; Erstellen von Web-Seiten; Online-Spiele; keine Internetnutzung; Häufigkeit von: Sportaktivitäten, Familienessen, Essen mit Freunden, Abendessen kochen, Lebensmitteleinkäufen, Wäsche waschen, Hausputz und Müll entsorgen; Häufigkeit von: Autofahren aus Spaß, Karaoke, Filme schauen, Musikhören, Videospiele, Gartenarbeit, Shogi bzw. Go, Lotterie, Pachinko;
Gesundheit: Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes; Raucherstatus; Versuche, das Rauchen aufzugeben; Trinkgewohnheiten; traumatische Erlebnisse in den letzten fünf Jahren; Zufriedenheit mit: Wohnumfeld, Freizeitaktivitäten, Familienleben, finanzieller Situation des Haushalts, Freundschaften, Gesundheitszustand und Partnerschaft; Glücksempfinden; Hoffnungslosigkeit in Bezug auf die Zukunft und das Erreichen von Zielen; psychische Gesundheit in den letzten vier Wochen (ruhig und friedlich, voller Energie, niedergeschlagen und depressiv); Lieblingsfarbe; Farbe, die das moderne Zeitalter repräsentiert.
Lebensumstände: Wohnstatus; persönliche Nutzung ökologischer Produkte (Solarenergie, Nachtstrom, gasangetriebene Warmwasserbereitung mit heimischer Stromerzeugung (Ecowill), Wärmetauscher (Ecocute), emissionsreduziertes Auto (Hybrid Fahrzeug), keine); Häufigkeit von ökologischem Verhalten (Licht ausschalten, Strom sparen); Wohndauer in derselben Gegend; Ortsverbundenheit; derzeitiger oder früherer Besuch von berufsorientierten Kursen bzw. mit Bezug auf ein Hobby; Häufigkeit von Aktivitäten im Alter von 10-12 Jahren (Paukschule, außerschulische Aktivitäten wie Klavierspielen oder Kalligraphie, Mannschaftssport wie Schwimmen oder Volleyball, Aufräumen in der Gemeinde sowie traditionelle Feste); Häufigkeit von Gelegenheiten zur Konversation mit Kindern und Menschen unterschiedlicher Altersgruppen; Freundeskreis: Anzahl enger Freunde; Anteil der Freunde mit demselben Geschlecht, derselben Generation, ähnlichem Bildungsniveau, ähnlichem Einkommen wie der Befragte sowie Anteil der Ausländer im Freundeskreis; Veränderung der finanziellen Situation; Vergleich des persönlichen Familieneinkommens derzeit und im Alter von 15 Jahren mit dem Familieneinkommen japanischer Familien; Rang innerhalb der Klasse im dritten Jahr der Junior High School; Einschätzung der Möglichkeiten zur Verbesserung des persönlichen Lebensstandards innerhalb der japanischen Gesellschaft; erwartete Alterspension im Vergleich zu heute; Selbsteinschätzung der Schichtzugehörigkeit; Besorgnis im Hinblick auf die zukünftige persönliche wirtschaftliche Situation; Verantwortlichkeit des Einzelnen oder des Staates für den Lebensunterhalt von Älteren, die medizinische Versorgung und Pflege von Älteren, die Bildung von Kindern sowie die Erziehung und Pflege von Kindern; politische Position konservativ-progressiv (5-stufig); empfundene Steuerbelastung; Meinung zur Verantwortung des Staates zur Reduzierung von Einkommensunterschieden; unterstützte politische Partei; kompetenteste Partei zur Kontrolle der politischen Macht; präferierter Regierungstyp; für oder gegen zunehmende ausländische Bevölkerung; gefährliche Orte im Wohnumfeld; Viktimisierungserfahrung (Überfall, Gelegenheitsdiebstahl).
Familie und soziales Umfeld: Ideale Kinderzahl; Präferenz für Junge oder Mädchen bei Einzelkind; Einstellung zum Drei-Generationen-Haushalt; Meinung zum Stromsparen; Meinung zum Beitritt Japans zum Bündnis TPP (Trans-Pacific Partnership); angemessener Prozentsatz der Konsumsteuer; Geschlechterrolle und Ehenormen: Einstellung zur Scheidung und zur Berufstätigkeit der Ehefrau; Zusammenhang zwischen Glück und Heirat; Männer und Haushaltsführung; Rolle der Frau bzw. des Mannes in Beruf und Ehe; Einfluss der Berufstätigkeit von Müttern auf die Kinder; Notwendigkeit von Kindern in einer Ehe, Karriere des Mannes wichtiger als Karriere der Frau; Meinung zu einer Frau als Kaiserin; Meinung zur Thronfolge des ersten Kindes unabhängig vom Geschlecht; Politikinteresse; Wunsch nach eigenem gesellschaftlichen Beitrag; gegenseitige Besorgnis und Bereitschaft zur Unterstützung in der Nachbarschaft; Problemlösung unabhängig von anderen; Beurteilung der Legalisation von Kasinos; generelles Personenvertrauen; Einschätzung der menschlichen Natur (Skalometer: der Mensch als grundsätzlich gut oder böse); soziale Akzeptanz (freundliche Menschen im Umfeld, Gefühl, ausgeschlossen zu sein, persönliche Rechte werden geachtet, Wahrnehmung als Person, die ihren Beitrag zur Gesellschaft leistet); Vertrauenspersonen bei Problemen; Absicht zu ehrenamtlicher Tätigkeit; Mitgliedschaft in ausgewählten Vereinen und Organisationen; Teilnahmehäufigkeit bei Nachbarschaftsaktivitäten; ehrenamtliches Engagement im letzten Jahr; persönliches Spendeverhalten im letzten Jahr; Spendenhöhe; Institutionenvertrauen: Vertrauen in Großunternehmen, kirchliche Organisationen, Schulen, Ministerien und Regierungsbehörden, Gewerkschaften, Zeitungen, Krankenhäuser, Fernsehen, Gerichte, Wissenschaftler, Parlamentsmitglieder, Gemeinderat, Selbstverteidigungskräfte, Polizei und Finanzinstitute; Meinung zur Todesstrafe; Befolgen einer Religion; Name dieser Religion; Selbsteinschätzung der Religiosität.
Naturkatastrophen: Wahrscheinlichkeit des Eintritts ausgewählter Naturkatastrophen in der Wohnregion (Erdbeben, Tsunami, Flut, Vulkanausbruch, Erdrutsch und Lawinen aus Sand und Stein, Unfälle von Kernkraftwerken); Angst vor Naturkatastrophen; präferierte Kernkraftpolitik für Japan; Bewertung des Katastrophenmanagements der japanischen Regierung unmittelbar nach dem großen Erdbeben in Osten Japans sowie beim Wiederaufbau derzeit; persönliches Engagement in Bezug auf Naturkatastrophen (z.B. Spenden etc.); Veränderung der Kommunikationsmöglichkeiten mit ausgewählten Personen nach diesem Erdbeben; Auswirkungen des Erdbebens auf die Arbeit oder den Arbeitsplatz (z.B. reduzierte Arbeitszeit, Anweisung zuhause zu bleiben, etc.); Angst vor radioaktiver Verseuchung von Lebensmitteln; Schwere der Umweltbeeinträchtigungen am Wohnort durch Luftverschmutzung, Wasserverschmutzung und Bodenverschmutzung; Fähigkeit der Menschen am Wohnort zur gemeinsamen Bewältigung der Folgen einer Naturkatastrophe; Befürwortung von Steuererhöhungen zur Finanzierung des Wiederaufbaus nach dem Erdbeben.
Zusätzlich verkodet wurde: Gesundheitszustand (EASS Skala); Glücksempfinden (EASS Scale); Haupttätigkeit des Befragten und des Ehepartners in einer öffentlichen oder gemeinnützige Einrichtung; aktive Teilnahme in ausgewählten Vereinigungen, Gruppen und Organisationen (z.B. politischen Vereinigung, etc.); Organisation, in welcher der Befragte am meisten aktiv war im letzten Jahr; hierarchische Struktur und Homogenität der Mitglieder der Organisationen, in denen der Befragte aktiv war; Anzahl der Kontaktpersonen im Alltag (Familienmitglieder bzw. Verwandte und andere Personen); soziale Stellung dieser Kontaktpersonen; Beruf dieser Bekannten; Verwandte, Freunde und Bekannte im Ausland; Ausländer im Bekanntenkreis; Netzwerk für die Arbeitssuche: Anzahl der Personen, die bei der Jobvermittlung geholfen haben und Nützlichkeit dieser Hilfe; Häufigkeit von Essengehen; Charakteristika gesellschaftlichen Trinkens bzw. Essens (z.B. ranghöhere Person spricht zuerst, etc.); Ansprechperson bei Sorgen und mentalen Problemen, Gesundheitsproblemen, Problemen im Haushalt, in der Kinderpflege oder Pflege von Älteren, bei finanziellen Problemen und im Notfall oder bei Naturkatastrophen; Nachbarschaftsverhältnis: Anzahl der gegrüßten Nachbarn und der Nachbarn, die man um einen Gefallen bittet; soziale Toleranz von Personen mit gleichem, höheren und niedrigeren sozialen Status; gemeinschaftliche Treffen zu Themen Umwelt, Bildung, Sicherheit und Verbraucher; ehrenamtliche Tätigkeit in den letzten 12 Monaten (Verbesserungen in der Gemeinde, Sport, Kultur, Kunst, für sozial gefährdete Gruppen, andere, politische Themen, keine); Personen, die zur Unterstützung der Wahlkampagne aufgefordert haben; Personenvertrauen und Institutionenvertrauen (EASS Scale); Meinung zum Einfluss von Bürgern auf die Politik (EASS Scale); Meinung zur Kompliziertheit von Politik (EASS Scale); Politikinteresse (EASS Scale); Wunsch, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten (EASS Scale); Nachbarschaftsumfeld (gegenseitiges Kümmern und Bereitschaft Hilfe zu leisten (EASS Scale); Wunsch nach Problemlösung unabhängig von anderen (EASS Scale); Kraft, wichtige lebensverändernde Entscheidungen zu treffen; Besitz ausgewählter finanzieller Instrumente (z.B. Bonds, Anlagefonds, etc.); Gewichtungsfaktor.
Die Diskussion um die Patientenverfügung in der Bundesrepublik Deutschland geht bis in die 1970er Jahre zurück, seit Mitte der 90er Jahre nahm sie an Intensität zu. Meilensteine ihrer Entwicklung waren die Entscheidungen des BGH im Kempten-Fall (1994), im Frankfurter Fall (1998) und im Lübeck-Fall (2003). Nach dem Lübeck-Fall mehrten sich die Stimmen, wonach der Gesetzgeber das Betreuungsrecht ändern und die Patientenverfügung gesetzlich verankern sollte. Ein Entwurf des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2004 erreichte jedoch nicht den Deutschen Bundestag, er wurde dem Gesetzesentwurf unter der Leitung von Joachim Stünker angegliedert. Erst Anfang des Jahres 2007 erhielt die Diskussion mit einer Orientierungsdebatte Einzug in das Deutsche Parlament. In den Jahren 2007 bis 2008 wurden dann drei Gesetzesentwürfe zum Thema Patientenverfügung in den Bundestag eingebracht. Der erste Entwurf wurde im Mai 2007 unter Federführung von Wolfgang Bosbach (CDU) veröffentlicht. In ihm waren Formvorschriften für die Patientenverfügung verankert. Diese müsse in schriftlicher Form vorliegen sowie eine Unterschrift oder ein notariell beglaubigtes Handzeichen enthalten. Ein Widerruf der Patientenverfügung wäre jederzeit und ohne weiteres sowohl mündlich als auch zum Beispiel durch Gesten möglich gewesen. Der Gesetzesentwurf beinhaltete eine Reichweitenbegrenzung. Eine lebensverlängernde Maßnahme hätte demnach nur abgebrochen beziehungsweise nicht eingeleitet werden dürfen, wenn der Patient ein irreversibel zum Tode führendes Grundleiden gehabt hätte oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Bewusstsein nicht wiedererlangen würde. Eine unmittelbare Todesnähe wäre nicht notwendig gewesen. Ende 2008 wurde dieser Entwurf basierend auf einem Änderungsantrag unter Federführung von Katrin Göring-Eckardt (Bündnis90/Die Grünen) modifiziert. Es sollte ein zweistufiges Modell geben. Für eine Patientenverfügung mit Reichweitenbegrenzung sollten die gleichen Formvoraussetzungen wie im bisherigen Entwurf gelten, es sollte jedoch auch eine Patientenverfügung ohne Reichweitenbegrenzung möglich sein, für die schärfere Voraussetzungen gelten sollten, zum Beispiel eine regelmäßige Aktualisierungs- und Beratungspflicht. Ein zweiter Gesetzesentwurf entstand unter Federführung von Wolfgang Zöller (CSU) im Jahre 2007. Dieser Entwurf sah keine Reichweitenbegrenzung vor. Die Patientenverfügung sollte unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung gelten. Weiterhin wären nicht nur schriftliche Verfügungen möglich gewesen, auch Tonträger oder Videos wären zu berücksichtigen gewesen, wenn sie eindeutig den Willen des Patienten gespiegelt hätten. Das Vormundschaftsgericht hätte nur bei Dissens zwischen Arzt und Betreuer eingeschaltet werden müssen, allerdings hätte es in diesem Fall das Gutachten eines Sachverständigen einholen müssen. Ein dritter Antrag wurde 2007 unter Federführung von Joachim Stünker (SPD) erarbeitet und im Jahre 2008 veröffentlicht. Auch dieser Gesetzesentwurf sah keine Reichweitenbegrenzung vor, eine Patientenverfügung sollte unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung gelten können mit der formalen Voraussetzung der Schriftform. Das Vormundschaftsgericht sollte lediglich bei einem Dissens zwischen Arzt und Betreuer eingeschaltet werden, es müsste jedoch im Gegensatz zum Zöller-Entwurf vor seiner Entscheidung kein Gutachten einholen. In allen drei Entwürfen sollten jeweils §§ 1901 und 1904 BGB geändert werden. Am 29.05.2009 wurde unter der Leitung von Hubert Hüppe (CDU) zusätzlich ein Antrag auf Verzicht auf ein Gesetz eingebracht. Am 18.06.2009 entschied sich die Mehrheit des Bundestages für den Gesetzesentwurf der Gruppe um Joachim Stünker. Die anwesenden Abgeordneten der SPD, der FDP und der Partei Die Linke stimmten zum großen Teil für den Stünker-Entwurf und sicherten so die Mehrheit, die Vertreter der CDU/CSU stimmten mit nur einer Ausnahme gegen diesen Entwurf, fünf Abgeordnete enthielten sich bei dieser Abstimmung. Die Rolle des Betreuers gewann mit der Verabschiedung des Gesetzes an Bedeutung. Das Gesetz sieht vor, dass der Betreuer anhand der Patientenverfügung (bei Nichtvorliegen anhand des mutmaßlichen Willens des Betreuten) prüfen muss, ob " diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen"297. Das Vormundschaftsgericht muss nur eingeschaltet werden, wenn zwischen behandelndem Arzt und Betreuer ein Dissens über die Behandlung des Betreuten beziehungsweise den Abbruch einer lebensverlängernden Maßnahme herrscht. ; The discussion about advanced health care directives (Patientenverfügungen) in the Federal Republic of Germany dates back to the seventies of the 20th century. The intensity of the debate began increasing significantly in the mid nineties. Defining milestones were the rulings of the Federal Court of Justice in the "Kempten-case" (1994), the "Frankfurt-case (1998) and the "Lübeckcase" (2003). After the "Lübeck-case" public pressure increased for legislative action to change the law concerning the guardianship of persons of full age (Betreuungsrecht) protecting advanced health care directives by law. A draft by the federal ministry of justice from 2004 did not reach the german parliament. This bill was later integrated in the draft-bill introduced by Joachim Stünker. Only in 2007 was the discussion over advanced health care directives introduced to German Parliament (Deutscher Bundestag) with a first debate. From 2007 to 2008 three proposed bills concerning advance health care directives were presented to the German Parliament. The first bill introduced by Wolfgang Bosbach (CDU) was made public in May 2007. The bill laid out formal requirements for advanced health care directives. It required advanced health care directives to be in written form and should contain a signature or a notarized power of attorney. It may be cancelled at any time and without further ado, for example verbally or by gesture. The bill included a defined scope of limitations. Life prolonging procedures could herein only be terminated or may not be initiated if the patient had an ailment which was irreversibly lethal or it was deemed impossible the patient would regain consciousness. An immediate proximity of death was not required. At the end of 2008 the bill was modified based on an amendment introduced by Katrin Göring-Eckardt (Bündnis90/Die Grünen). It proposed a two-tier model. For advance health care directives with a defined scope of limitations the same formal requirements applied as in the previous bill. In addition it would allow advance health care directives without these limitations. This option would be tightly regulated requiring routine evaluations and counselling. Another bill was introduced by Wolfgang Zöller (CSU) in the year 2007. This bill didn't include a defined scope of limitations. The advance health care directive would be valid independently of the kind and stage of the disease. Furthermore not only written directives but also sound recording mediums or videos would be honoured if they clearly reflected the will of the patient. The guardianship court (Vormundschaftsgericht) should solely intervene if there was dissent between the doctor and the custodian. In this case the guardianship court had to obtain an expert opinion. A third bill was introduced under the direction of Joachim Stünker (SPD) in 2007 and made public in 2008. This bill similarly did not set a scope of limitations. The advanced health care directives would be valid independent of the kind and stage of the disease, but a written form would be required. The guardianship court should also solely intervene if there was a dissent between the doctor and the custodian. In contrast to the proposal by Zöller an expert opinion would not be necessary. All three bills required changing paragraph 1901 and 1904 of the German Civil Code (Bürgerliches Gesetzbuch). On May 29th 2009 an application for the relinquishment of a law under the direction of Hubert Hüppe (CDU) was filed. On June 18th 2009 the majority of the German Parliament decided on the bill proposed by Joachim Stünker. The members of the SPD and Die Linke voted in favor of the bill, assuring the majority of the votes. The members of the CDU/CSU voted with a sole exception against this bill. The new legislature has increased the responsibility held by the custodian. As described in the bill the custodian has to evaluate if the path set in the directive applies to the current situation of treatment and the patient's life. If there is no advanced health care directive the custodian must consider the presumable will of the patient. The guardianship court shall solely intervene if there is a dissent between the doctor and the custodian regarding the treatment of the patient or the termination of a life prolonging procedure.
Die Inhalte der verlinkten Blogs und Blog Beiträge unterliegen in vielen Fällen keiner redaktionellen Kontrolle.
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Der Bildungsforscher Kai Maaz koordiniert einen Verbund von über 100 Wissenschaftlern, die das milliardenschwere "Startchancen"-Programm für benachteiligte Schulen wissenschaftlich begleiten sollen. Eine Mammutaufgabe. Aber wie genau wollen sie das eigentlich bewerkstelligen? Ein Interview.
Kai Maaz ist Sozialpädagoge, Erziehungswissenschaftler und Bildungsforscher und Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation. Foto: fotorismus für DIPF.
Herr Maaz, Sie koordinieren den Forschungsverbund für die wissenschaftliche Begleitung des Startchancen-Programms. Neben dem DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation sind zum Beispiel das Deutsche Zentrum für Lehrkräftebildung Mathematik (DZLM) dabei, das Mercator-Institut für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache, das Deutsche Jugendinstitut (DJI), und mehrere Hochschulen. Insgesamt 20 Institutionen mit einer dreistelligen Zahl an Wissenschaftlern, die in einer Vielzahl von Einzelprojekten ein Programm begleiten, an dem 4000 Schulen teilnehmen, und das über zehn Jahre. Wird Ihnen schwindlig bei diesen Dimensionen?
Ein Projekt dieser Größenordnung habe ich als Wissenschaftler noch nie begleitet, auch in der Geschichte des DIPF konnte ich kein vergleichbares Projekt finden. Doch schrecken mich die Dimensionen keineswegs, zumal meines Erachtens mit Superlativen in der Beschreibung des Startchancen-Programms ohnehin etwas locker umgegangen wird. Ja, es werden 4000 Startchancen-Schulen sein, und über zehn Jahre hinweg investieren Bund und Länder 20 Milliarden Euro. Aber nicht alles ist neues Geld, in vielen Länder gab es schon vorher umfangreiche Aktivitäten, um die Bildungsungleichheit in unseren Schulen zu bekämpfen. Diese Aktivitäten fließen jetzt in die "Startchancen" ein.
Ihre Botschaft an die Bildungspolitik lautet: Hängt das Programm in den öffentlichen Diskussionen tiefer?
Mein Ziel ist nicht, das Programm kleiner zu machen, sondern seine Komplexität zu verdeutlichen: diese Mischung aus neuen und bestehenden Initiativen; von Ländern, die schon vor dem Programm sehr aktiv waren, und anderen, die mit den "Startchancen" tatsächlich ein völlig neues Förderinstrument für ihre Schulen einführen. Das bedeutet zugleich, dass wir bei der wissenschaftlichen Begleitung auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort schauen müssen. So, wie das Programm sich in seiner Förderlogik – der gezielten Konzentration auf eine so große Anzahl von bundesweiten Schulen – von allen bisherigen Bildungsprogrammen des Bundes unterscheidet, so muss auch die wissenschaftliche Begleitung anders laufen als in der Vergangenheit.
"Es geht um die Institution Schule als Ganzes in ihrem Sozialraum."
Was meinen Sie konkret?
Wir begleiten auch die Unterrichtsentwicklung, vorrangig aber geht es um die Entwicklung der Institution Schule als Ganzes in ihrem Sozialraum. Und zusätzlich um die Steuerungs- und Unterstützungssysteme in den Ländern für die Schulen. Wir werden also nicht für jede "Startchancen"-Schule eigene Begleit-Programme entwickeln, sondern wir schaffen gestufte Angebote, die die Schulen je nach ihrem Entwicklungsstand nutzen können, abhängig auch von dem, was in ihren Bundesländern schon an Strukturen vorhanden ist. Das bedeutet zum Beispiel, dass wir sogenannte Kompetenzzentren einrichten, zwei fachbezogene für Sprachbildung und Mathematik, ein weiteres für überfachliches Lernen und Berufsorientierung, eines für multiprofessionelle Schulentwicklung im Sozialraum und eines für datengestützte Qualitätsentwicklung. Einige dieser Ansätze gibt es wie gesagt schon in Förderprogrammen der Länder. Das Neue ist die Art und Weise, wie die einzelnen Elemente miteinander zusammenwirken werden. Neu ist auch, dass wir ein sechstes Zentrum einweben, ein sogenanntes "Governance-Zentrum", das die Bildungssteuerung in allen 16 Ländern in den Fokus nehmen soll. Ich freue mich, dass Martina Diedrich, bislang Direktorin des Instituts für Bildungsmonitoring und Qualitätsentwicklung (IfBQ) in Hamburg, dieses Zentrum leiten wird, eine hochqualifizierte und in Aushandlungsprozessen zwischen Ländern und Bund sehr erfahrene Systementwicklerin.
Und was genau bedeutet "Bildungssteuerung"?
Im Prinzip geht es darum, dass eine gute neue Bildungsidee nur dann eine Wirkung entfalten kann, wenn es klare Wege und Abläufe gibt von der Konzeptentwicklung über die Bearbeitung in den Ministerien und der Verwaltung bis hin zur Umsetzung in den Schulen. Dafür müssen alle eine gemeinsame Vorstellung davon entwickeln, wie diese Idee umgesetzt werden und an den Schulen ankommen kann; es geht also um eine gemeinsame Praxis, Ziele zu formulieren und zu setzen. Ich spreche davon, welche Mittel und Wege man dafür nutzt und beschreitet und wie für diese Ziele die entsprechende Aufmerksamkeit geschaffen wird. Wir werden jedem Bundesland anbieten, ein eigenes Governance-Board einzurichten, das die Brücke bilden soll zwischen Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Schulpraxis. In diesen Boards soll die Expertise aller Bereiche und Personengruppen zusammenfließen, um gemeinsam für die Schulen nur das zu entwickeln und zu implementieren, was vor Ort wirklich gebraucht wird.
Das klingt immer noch theoretisch. Können Sie das bitte an einem praktischen Beispiel verdeutlichen?
Nehmen wir das Kompetenzzentrum für Mathematik, das unter der Leitung von Susanne Prediger vom DZLM Mathematikdidaktiker aus ganz Deutschland für das Programm zusammenbringen wird. Sie werden gemeinsam mit den Schulen vorhandene Materialien und Konzepte für den Mathematikunterricht evaluieren und weiterentwickeln, sie werden Fortbildungen konzipieren und nach Bedarf direkt Lehrkräfte zu Multiplikatoren schulen. Das Kompetenzzentrum für datengeschützte Qualitätsentwicklung wiederum wird die Schulen beim Aufbau und Einführung entsprechender Konzepte unterstützen. Alle sechs Zentren werden jeweils die drei Ebenen individuell, institutionell und systemisch zusammenbringen. Auch hierzu ein Beispiel: Wenn etwa in einem Bundesland wie Hamburg schon umfangreiche Strukturen zur datengestützten Qualitätsentwicklung bestehen, weil das Land an der Stelle seit 15 Jahren ein Vorreiter ist, wollen wir unbedingt dafür sorgen, diese Expertise in andere Länder zu transferieren. Denn es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle Schulen und Schulsysteme davon profitieren können.
"Wir sprechen von 0,5 Prozent der 20 Milliarden. Ich sage das, um von Anfang an Erwartungsmanagement zu betreiben."
Komplexe Pläne. Und aufwändig. Wie viel Geld erhalten Sie als Forschungsverbund eigentlich?
Vorgesehen sind maximal ein Prozent der "Startchancen"-Fördersumme, allerdings nur des Bundesanteils. So dass wir tatsächlich von 0,5 Prozent der 20 Milliarden sprechen. Ich sage das so deutlich, um von Anfang an Erwartungsmanagement zu betreiben.
Moment, wir reden von zehn Millionen Euro pro Jahr!
Aber rechnen Sie das runter auf die Vielzahl an Projekten und Institutionen. Oder auf die 4000 "Startchancen"-Schulen. Dann sehen Sie schnell, was ich meine. Wir können nur an den Strukturen arbeiten, nicht jede einzelne Schule begleiten, das darf auch gar nicht die Aufgabe der Wissenschaft sein. Wir können bestimmte Unterrichtsvorhaben und Schulentwicklungsprojekte mit den Akteuren gemeinsam betrachten, wir können evidenzbasierte Aussagen dazu treffen, ob sich ihre Übertragung auf andere Schulen lohnt. Wir können die Schulen in ihrer Netzwerkarbeit unterstützen, damit sie ihre Ziele innerhalb des Programms erreichen. Vor allem aber können wir, wenn es gut läuft, innerhalb der zehn Jahre zur Entwicklung eines neuen Berufsfelds beitragen, das der Vernetzung von Bildungseinrichtungen und ihrer wissenschaftsgestützten Unterstützung dient. Was nicht nur für das Schulsystem ein Fortschritt wäre. Alle Analysen zeigen, dass die Bildungschancen zu einem großen Teil vor der Einschulung verteilt werden, da können sich die Grund- und weiterführenden Schulen anstrengen, wie sie wollen. Mit anderen Worten: Eigentlich bräuchten wir zusätzlich ein "Startchancen"-Programm für die Kitas, und mit unserer Arbeit schaffen wir Expertise, die auch für Kitas gebraucht wird.
Bereits seit 2021 läuft das Bund-Länder-Programm "Schule macht stark", das laut Selbstbeschreibung "bestmögliche Bildungschancen für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler" erreichen soll. Auch da leiten Sie die Begleitforschung, allerdings sind nur 200 Schulen beteiligt. Sind die Startchancen eine Art großgezoomtes "Schule macht stark", und gilt dann für Ihre Begleitforschung dasselbe?
Die beiden Programme kann man weder von Umfang noch Struktur vergleichen. In einer Hinsicht aber hat "Schule macht stark" tatsächlich wichtige Vorarbeit geleistet. Als ich vor einigen Jahren das erste Mal in eine Sitzung mit Direktoren der für Schulqualität zuständigen Landesinstitute gegangen bin, um dort "Schule macht stark" vorzustellen, herrschte in etlichen Kultusministerien Empörung, dass ich mir anmaßte, ohne Absprache einfach so in ihren nachgeordneten Dienstbehörden aufzutauchen. Obwohl es allen Sinn ergab, dass Wissenschaft und Administration sich zusammentun und austauschen, wenn sie doch an den gleichen Problemen arbeiten. Das hat sich geändert, die "Startchancen" sehen diesen engen Austausch zwischen Wissenschaft und Schuladministration, Landesinstituten und Schulaufsicht von Anfang an vor.
"Dass war am Anfang von "Schule macht stark" das Missverständnis, als wir in die Schulen gegangen sind: 'Da kommen die Wissenschaftler, die sagen uns jetzt, was wir tun sollen.' Das können wir aber nicht."
Das klingt mehr nach dem Job von Beratern oder Organisationsentwicklern. Sie sind aber empirischer Bildungswissenschaftler.
Und als solche haben wir gelernt, Evaluationsdesigns aufzusetzen, Daten zu erheben, auszuwerten und zu interpretieren. Das ist unsere Expertise. Aber das reicht nicht. Das Bildungssystem braucht mehr. Allerdings nicht die Art von Beratung, wie Sie sie gerade beschrieben haben. Das war am Anfang von "Schule macht stark" genau das Missverständnis, als wir in die Schulen gegangen sind und die Kollegien sagten: Da kommen die Wissenschaftler, die sagen uns jetzt, was wir tun sollen. Das können wir aber nicht. Ja, wir schauen auf die Daten, auf das, was da ist. Aber im Austausch zwischen Wissenschaft, Bildungsadministration und Schulpraxis entsteht dann etwas Neues. Und dieser ko-kreative Ansatz, der wird auch die wissenschaftliche Begleitforschung der "Startchancen" prägen, aber wie gesagt: nicht auf der Schulebene, sondern auf der Systemebene. Das ist der große Unterschied zu "Schule macht stark".
Und woran messen Sie am Ende, ob Sie Erfolg hatten mit dieser Art der wissenschaftlichen Begleitung?
Genau deshalb ist es ja so wichtig, dass wissenschaftliche Begleitung und Evaluation des Programms getrennt sind. Nach fünf Jahren wird geschaut, ob die "Startchancen" sich in die richtige Richtung bewegen. Sehen wir an den "Startchancen"-Schulen zum Beispiel eine Veränderung in der Schulentwicklung oder bei dem Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindest- und Regelstandards vor allem in Mathematik und Deutsch erreichen? Und natürlich steht dann auch die wissenschaftliche Begleitung auf dem Prüfstand. Gelingt es, die Veränderungslogik im System zu erzeugen, das strategische Miteinander, von dem ich die ganze Zeit rede? Eines ist schon jetzt klar: Der Aufbau der dafür nötigen Kommunikationsstrukturen zwischen Wissenschaft, Administration und Praxis wird dauern, innerhalb und zwischen den Bundesländern. Deshalb betone ich die Komplexität so oft. Damit nicht nach zwei Jahren die ersten ungeduldig sagen: Das bringt alles nichts.
"Natürlich müssen wir so viel wie möglich aus den "Startchancen" herausholen. Aber hört auf, von diesem Programm die Lösung aller Bildungsprobleme zu erwarten."
Und wenn sie es doch tun?
Dann antworte ich: Gerade in der Startphase wird es notwendig sein, theoretisch fundiert und zugleich klar und transparent zu beschreiben, wie Startchancen im System, in den Schulen und letztlich bei den Schülern wirken kann, um das bildungspolitische Ziel zu erreichen. Dem sind dann verschiedene Zwischenziele (zum Beispiel: Sichtung von vorhandenen Materialien, Neuentwicklungen von Materialien oder Multiplikatorenschulungen) vorgelagert. Diese zu erreichen ist die Voraussetzung für die jeweils nächsten Ziele. Solcher Pfadabhängigkeiten muss man sich bewusst sein. Und das wollen wir gleich zu Anfang deutlich machen.
Sie reden wiederholt von Erwartungsmanagement, während das BMBF in jeder öffentlichen Äußerung zu den Startchancen die 20 Milliarden betont und die historischen Dimensionen des Programms. Und wann immer irgendeine Bildungsstudie oder ein internationaler Schulvergleich mit mauen Ergebnissen herauskommt, lautet die Antwort aus dem Ministerium von Bettina Stark-Watzinger (FDP): Wir haben ja jetzt die "Startchancen". Kann ein politisch derart gehyptes Programm nur noch enttäuschen?
Eine solche Schlussfolgerung mag naheliegen, aber mein Appell lautet: Lasst uns das Programm jetzt erstmal starten, geben wir den beteiligten Schulen und den verschiedenen Akteuren im System die Chance, anzufangen und ihren Weg zu finden. Natürlich müssen wir die "Startchancen" so gut umsetzen und so viel aus ihnen herausholen, wie es nur geht. Aber hört bitte auf, von diesem Programm allein die Lösung aller bildungspolitischen Probleme zu erwarten. Sonst heißt es danach: 20 Milliarden investiert, und wieder nichts passiert. Wie ich vorhin sagte: Ein Großteil der Weichen für erfolgreiche Bildungskarrieren wird schon vor der Schule gestellt, in den Kitas. Und wenn wir wirklich mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen wollen, müssen wir zudem das sogenannte Übergangssystem ernsthaft in den Blick nehmen…
…in das noch schulpflichtige junge Menschen wechseln, wenn sie aus den allgemeinbildenden Schulen raus sind und keinen Ausbildungsplatz erhalten haben…
… und das von den "Startchancen" nur in geringem Umfang adressiert werden kann. Auch da fließen Milliarden in Maßnahmen, von denen wir oft nicht wissen, was sie wirklich bringen.
Jede Überhöhung der "Startchancen" durch die Bildungspolitik lehnen sie also ab?
Es kommt auf die Dosis an. Bei allem Erwartungsmanagement braucht es ein bisschen übersteigerte Ambitionen. Als Kanzlerin Merkel und die Regierungschefs der Länder 2008 beim Bildungsgipfel in Dresden das Ziel formulierten, die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss zu halbieren, wusste jeder, der sich halbwegs auskannte: Das kann nicht funktionieren. Trotzdem war die Aussage richtig, weil sie Schwung ins System gebracht hat. Und diesen Schwung erhoffe ich mir jetzt auch. Daher ist es schon wegweisend, dass sich "Startchancen" das bildungspolitische Ziel gesetzt hat, die Gruppe, welche die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik nicht erreicht, halbieren zu wollen. Und ganz nebenbei setzt sich das Programm weitere nicht weniger wichtige Ziele wie die Förderung sozio-emotionaler Kompetenzen, Demokratiebildung, Berufsorientierung und die Verbesserung der Teilhabechancen junger Menschen.
Und als nächstes dann ein "Startchancen"-Programm für die Kitas, Herr Maaz? Ampel-Politiker diskutierten darüber zuletzt schon im Zusammenhang mit dem Kitaqualitätsgesetz.
Das sehe ich so. Auch wenn man zu Recht einwenden kann: Damit ein solches Bildungsprogramm in der Kita wirksam werden könnte, bräuchte es erstmal eine Verständigung zwischen Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Praxis über die Frage, was Bildung in der Kita eigentlich ist. Aber vielleicht wäre ein "Startchancen"-Programm für die Kita auch der entscheidende Schritt hin zu solch einem gemeinsamen Verständnis.
"Die Realität ist: Es braucht den Bund angesichts des eklatanten Digitalisierungsrückstandes noch einmal."
Während wir hier über weitere "Startchancen"-Programme philosophieren, zittern die Schulen, ob sie überhaupt noch eine Digitalpakt-Fortsetzung bekommen.
Angesichts des immer noch eklatanten Digitalisierungsrückstandes in Deutschland wird es, fürchte ich, ohne ein erneutes Engagement des Bundes nicht gehen. Allerdings müssen sich die Länder vorhalten lassen, dass die Verfügbarkeit digitaler Technologien zu ihren genuinen Aufgaben zählt und eigentlich genauso eingepreist gehört wie vernünftige Schultoiletten. Es erwartet auch keiner, dass der Bund ein Toilettenprogramm auflegt.
Obwohl das vielen Schulen guttun würde.
Die Realität ist: Es braucht den Bund noch einmal. Aber umso wichtiger ist es, den Pakt mit innovativen Elementen zu koppeln. Es kann nicht sein, dass die Welt um uns herum sich in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit ändert, die Schule aber bleibt wie sie ist – abgesehen von ein paar digitalen Tools, die dazukommen. Wir brauchen neue Formen von Unterrichtsgestaltung, kognitiver Aktivierung und Kompetenzprüfungen, und ihre Etablierung könnte man mit dem Digitalpakt 2.0 verbinden.
Sehen Sie den Bildungsföderalismus eigentlich insgesamt auf einem guten Weg, nachdem die Kultusministerkonferenz sich entschieden hat, an ihrem Einstimmigkeitsprinzip festzuhalten?
Ich nehme wahr, dass Teile der KMK die Notwendigkeit verspüren, sie zu verändern, zu modernisieren. Ich verstehe aber die ganze Debatte nicht. Was nützt das Einstimmigkeitsprinzip, wenn es auf der einen Seite viele Reformen aufhält, auf der anderen Seite aber nicht einmal wirklich verbindlich ist, weil jedes Land trotzdem machen kann, was es will? Dann kann man es auch sein lassen und sich als Länder kreativ an neue Entscheidungsmodalitäten herantrauen. Aber gerade "Startchancen" ist für die Akteure im politischen und administrativen System die Chance, gemeinsam und damit auch länderübergreifend, daran zu arbeiten, worauf man sich in langen Verhandlungen mit dem Bund verständigt hat. Und ich bin überzeugt, dass dies auch die handlungsleitende Prämisse der Länder und des Bundes sein wird.
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Einleitung: Verschiedenartige Formen der Gewaltausübung sind in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens zu beobachten. Das Phänomen der Gewalt wurde in zahlreichen soziologischen, politikwissenschaftlichen und psychologischen Arbeiten ausführlich untersucht. Der Gewalt wird ein großer Stellenwert im menschlichen Zusammenleben zugeschrieben. Sie sei in allen menschlichen Lebenswelten zu finden und die Triebfeder jeder menschlichen Gemeinschaft, ohne Gewalt sei Vergesellschaftung überhaupt nicht möglich. Die Übertragung des Gewaltmonopols an übergeordnete Instanzen ermöglicht es, das Naturrecht in seine Schranken zu weisen und auch den Schwächeren ein gleichberechtigtes Leben zu ermöglichen. Die Umverteilung der Möglichkeiten zur Gewaltausübung schafft Sicherheit und Freiheit in einer sich ständig neu austarierenden Ausprägung. Durch die große Ausbreitung des Internets, mit seinen vielen Subsystemen, sowie anderer Telekommunikationssysteme sind zahlreiche virtuelle Räume entstanden. Räume, in denen Menschen zusammen arbeiten, kommunizieren oder Unterhaltungsangebote gemeinsam konsumieren. In den meisten Fällen befinden sich die Besucher der virtuellen Räume nicht in geographischer Nähe zueinander. Räumliche Distanzen sind bei diesen Tätigkeiten durch die Telekommunikationsnetzwerke irrelevant geworden. Der Kommunikationspartner kann sich auf einem anderen Kontinent befinden, ohne dass dies die Kommunikation unmöglich machen würde. Bilder, Texte, Sprache, Filme, Spiele und andere denkbare Daten und Medien können in kürzester Zeit auf virtuellem Weg versandt und empfangen werden. Bieten die beschleunigten Kommunikationskanäle der wachsenden virtuellen Welt auch einer 'virtuellen Gewalt' ein immer schnelleres Vehikel? Besteht auch in virtuellen Räumen die menschliche Verletzungsoffenheit fort? Kann Gewalt ohne physische Nähe auf elektronisch-virtuellem Weg ausgeübt werden? Die vorliegende Arbeit wird eine Annäherung an einen Begriff der 'virtuellen Gewalt' bieten und diesen danach anhand von aktuellen Ereignissen verdeutlichen und belegen. Die folgenden Fragestellungen sollen geklärt werden: Ist Gewalt angewiesen auf geographische Nähe der Teilnehmer zueinander, oder existieren auch Formen virtueller Gewaltausübung, die weder auf örtliche Nähe, noch auf physische Verletzung des Gewaltopfers angewiesen sind? Welche Formen virtueller Gewaltausübung existieren? Wer kann virtuelle Gewalt ausüben, wer kann Opfer virtueller Gewalt werden? Lässt sich virtuelle Gewalt in reale Gewalt transferieren? Entspringt virtuelle Gewalt aus realer Gewalt? Existiert eine Form von Gewalt, die ausschließlich virtuell stattfindet?Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung4 2.Gewalt6 3.Virtualität und virtuelle Räume11 4.Virtuelle Gewalt17 4.1Begriffsabgrenzung18 4.2Besondere Eigenschaften virtueller Gewaltausübung22 4.2.1Zeitliche und räumliche Ungebundenheit22 4.2.2Multiplizierbarkeit und Automatisierbarkeit23 4.2.3Große Rezipientenbasis25 4.2.4Hohe Anonymität26 4.3Urheber und Opfer virtueller Gewalt27 4.3.1Individuen27 4.3.2Gruppen28 4.3.3Privilegierte Individuen und Gruppen28 4.3.3.1Datensetzende Macht28 4.3.3.2Einfluss auf Subsysteme29 4.3.3.4Mediale und technische Kompetenz29 4.3.4Technisches System30 5.Formen virtueller Gewaltausübung31 5.1virtuelle Gewaltausübung, die psychische und soziale Schäden verursacht32 5.1.1Überblick32 5.1.2Kanalgebundenheit36 5.1.3Einblick in die US amerikanische Situation37 5.1.4Einblick in die deutsche Situation41 5.1.5Weitere Ausprägungen und Gewaltbewältigung42 5.2virtuelle Gewaltausübung, die technische Schäden verursacht44 5.2.1Überblick44 5.2.2Virtuelle Kriegsführung50 5.2.3Einblick in die deutsche Situation52 5.2.4Technisch-virtuelle Verletzungsoffenheit56 5.2.5Konsequenzen für Benutzer virtueller Räumen57 5.2.6Privilegien durch technische Kompetenz am Beispiel von Botnetzen59 5.3virtuelle Gewaltausübung, die Freiheit oder Grundrechte beschränkt66 5.3.1Überblick66 5.3.2Aufweichung des Telekommunikationsgeheimnisses69 5.3.3Schwerwiegende Einschnitte in virtuelle Freiheit72 5.3.4Einschränkung virtueller Freiheit in Subsystemen75 5.4Virtueller Vandalismus78 5.4.1Überblick78 5.4.2Virtueller Vandalismus am Beispiel der Wikipedia79 5.4.3Virtueller Vandalismus in weiteren Subsystemen82 5.4.4'Trolling'84 5.4.5'Defacing'86 5.5virtuelle Gewaltausübung, die körperlich-physische Schäden verursacht89 5.5.1Überblick89 5.5.2Auditive virtuell-physische Gewalt90 5.5.3Virtuell-physisches Erschrecken91 5.5.4Weitere Formen virtuell-physischer Gewalt93 6.Schluss95 7Anhang100 7.1Begriffsverzeichnis100 7.2Literatur107 7.3Tagesaktuelle Onlinequellen111 7.4Weitere Onlinequellen119 7.5Bildnachweise122Textprobe:Textprobe: Kapitel 5.2, Virtuelle Gewaltausübung, die technische Schäden verursacht: 5.2.1, Überblick: Diese Form virtueller Gewaltausübung ist an den virtuellen Raum gebunden, im Gegensatz zu der psychisch-sozialen Ausprägung. Es existiert kein Pendant in der realen Welt, da sie auf den technischen Unterbau virtueller Räume abzielt. Bereits vor fast 20 Jahren prognostizierte Alexander Roßnagel in 'Die Verletzlichkeit der Informationsgesellschaft': 'In einer aus dem heutigen Trend sich entwickelnden künftigen 'Informationsgesellschaft' wird die Abhängigkeit vom Funktionieren der automatischen Informationsverarbeitung und Telekommunikation und damit das potentielle Schadensausmaß noch beträchtlich ansteigen. Informationsverarbeitung und Telekommunikation werden in Umfang, Verbreitung und Bedeutung zunehmen, noch stärker in die Gesellschaft eindringen und zu einem vernetzten System zusammenwachsen. Dabei werden sie andere Formen der Informationssammlung, -verarbeitung und Kommunikation verdrängen und schließlich weitgehend ohne Alternativen und Substitutionsmöglichkeiten sein. Störungen in einem Bereich werden sich dann schnell auf andere Bereiche übertragen'. Diese mit viel Weitsicht gemachte Aussage spiegelt die aktuelle Situation sehr gut wieder. Tatsächlich gibt es eine Entwicklung hin zum allumfassenden, alle Lebensbereiche berührenden virtuellen Raum. Dieser virtuelle Raum ist auf einer niedrigeren Abstraktionsebene ein technisches System. Er besteht aus einer Unmenge von Kabeln, Funkverbindungen, Computern, Verteilerstellen, Energiezufuhreinrichtungen und Endgeräten. Über dieser Ebene der Hardware liegt eine schier unüberschaubare Menge von Softwareprogrammen um den Informationsfluss zu ermöglichen, zu steuern, zu verändern oder auch zu behindern. Dieses komplexe technische Gebilde selbst bietet viele Angriffspunkte und ist gleichzeitig der technische Unterbau des virtuellen Raumes. Software und Hardware können fehlerhaft und dadurch angreifbar sein und sind es häufig auch. Durch die weltweite Vernetzung sind diese Angriffspunkte von jedem anderen Punkt des Netzes aus erreichbar. Dies schafft ein großes Gewaltpotential. Systeme des virtuellen Raumes können durch technische virtuelle Gewaltakte verlangsamt, manipuliert, abgeschaltet und sogar zerstört werden. Da die Menge von im virtuellen Raum auf technischem Wege verwaltetem Buchgeld ständig wächst, steigt auch das Risiko das Opfer eines technisch virtuellen Gewaltaktes zu werden, der auf Besitztümer abzielt oder der einfach nur die Anrechtsoptionen auf diese Besitztümer zerstört. Besitzoptionen auf Güter sind im virtuellen Raum ebenso beweglich wie jede andere Information. Sie sind zeitlich und räumlich ungebunden und können in kürzester Zeit von einem Besitzer zum anderen wandern. Dazu müssen keine physischen Güter ausgetauscht werden, der Besitzanspruch auf Geld oder Waren wird lediglich durch virtuelle Datensätze verbrieft. Bereits hier ergab sich ein erhebliches Schadenspotential. So machte J.Mack Adams bereits in den 1970er Jahren mit einem einfachen Planspiel deutlich, welche Gefahren der technische Transport von Besitzansprüchen mit sich bringen kann: 'For example, consider a computer that that handled stock transactions. A program that was supposed to make stock and corresponding fund transfers could, rather than transfer, for example, $100,000 directly from account X to account Y, let the $100,000 rest in account Z for several minutes in the process of being transfered. If the volume of transactios were high enough, there would always be another $100,000 ready to 'rest' in account Z on its way from one account to another account. Thus, by 'boworing' the $100,000 from many different people for at most several minutes per person, one could manage to 'borrow the $100,000 indefinitely'. Diese virtuellen Besitzansprüche wurden bisher größtenteils von professionellen Institutionen verwaltet. Banken, Versicherungen und Konzerne betrieben ihre eigenen virtuellen Räume, die abgeschottet waren vom allumfassenden 'Allnet'. Seit den 1990er Jahren wandert jedoch immer mehr privat verwaltbares Buchgeld in öffentliche virtuelle Räume. Dies geschieht in Form von Zugängen zu Buchgeldkonten bei Banken, aber auch reine virtuelle Kreditinstitute, wie zum Beispiel Paypal [woq 18] sind entstanden. Anrechtsoptionen auf Güter oder Geld verbergen sich weiterhin hinter Optionen auf virtuelle Dienstleistungen. Selbst rein virtueller, nicht physisch-monetärer, Besitz ist entstanden in Form von Avataren für Onlinespiele oder in Form virtueller Immobilien in Subsystemen des virtuellen Raumes. Einen weiteren Anstieg der Anrechtsoptionen auf Güter und Geld prognostiziert, wenn auch mit Einschränkungen, Karlheinz Steinmüller: 'Nun wäre dies nicht die erste Umwälzung des Geldwesens seit der Muschelwährung. Die kulturellen Barrieren sind jedoch hoch. Wie weit vertraut man einem Geld, das man nur noch virtuell in der Tasche hat? Wir Normalverbraucher werden ganz rational nach dem Nutzen fragen. Und den haben wir bislang nur in Spezialfällen. [..] Dennoch haben Transaktionen im Internet schon heute eine merkliche finanztechnische Wirkung: die generell im Umlauf befindliche Geldmenge – in der Fachsprache M3 – wächst immer schneller an'. Dieser Anstieg von virtuell transferierbaren Werten, die in der realen Welt in echte Werte umgemünzt werden können, eröffnet ein großes Bedrohungspotential für virtuelle Gewaltopfer. Eine Person kann virtuell um ihren Besitz gebracht werden. Gewaltakte um an virtuelle Besitztümer zu gelangen, sind inzwischen an der Tagesordnung. Besitzansprüche werden losgelöst von real verbrieften monetären Dingen und werden ein virtuelles Datum, das auf einen funktionstüchtigen technischen Unterbau angewiesen ist. Neben der Gefährdung technisch verwalteter Besitztümer im virtuellen Raum besteht weiterhin die Verletzungsoffenheit des technischen Unterbaus im Allgemeinen. Schlagworte wie 'Cyberterrorismus' und 'Cyberkrieg' 'elektronischer Jihad' werden inzwischen sogar von nationalstaatlicher Seite benutzt um auf drohende Gefahren aufmerksam zu machen. So machte die Clinton-Administration in den USA bereits im Jahre 1998 den Schutz gegen technische virtuelle Verletzungsoffenheit in einer schriftlichen Stellungnahme zu einem erklärten Ziel: 'The 1998 Clinton memorandum that directed agencies to address vulnerabilities in eight critical infrastructures -- including banking networks, transportation systems, telecommunications, water, and power -- and created the National Infrastructure Protection Center (NIPC) and the CIAO'. Doch nicht nur nationalstaatliche Infrastrukturen sind von technischer virtueller Gewaltausübung bedroht. Jeder Nutzer von virtuellen Räumen ist ein potentielles Opfer technischer virtueller Gewalt. Das Unbrauchbarmachen eines Benutzerendgerätes auf technischem Wege kommt einem privaten virtuellen Exitus gleich - ist der Zugang gestört, ist der Benutzer in der virtuellen Welt nicht mehr vorhanden. Technische virtuelle Gewalt richtet sich immer zunächst gegen ein System und nur indirekt gegen die Benutzer desselben. Das technische Vehikel ist das primäre Opfer, Folgeschäden für die Benutzer des Systems können allerdings katastrophal sein. Technische virtuelle Gewalt benötigt keinen physischen Zugang zu den Zielsystemen. Sie wirkt im und über den virtuellen Raum und zerstört Teile von ihm. Diese Schadenswirkung kann auch wirtschaftliche Folgen haben oder sogar ursprünglich auf wirtschaftlichen Schaden abzielen, in etwa wenn kritische Infrastrukturen nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn virtuelle repräsentierte Werte zerstört oder entwendet werden und wenn die Reparatur von technischen Systemen notwendig wird. Das System selbst ist das einzige nicht-menschliche Ziel virtueller Gewalt. Es bietet selbst das Vehikel für die Gewalt gegen sich selbst, kann aber selbst keine Gewalt ausüben. Das System hat das Potential inne, sich selbst mit menschlicher Mithilfe zu zerstören. Ohne menschliche Interaktion - ist - es lediglich, ohne selbst agieren zu können. Da die Funktionstüchtigkeit moderner Gesellschaften in einem erheblichen Maße von der Funktionstüchtigkeit ihrer technischen Systeme abhängt, ist technische virtuelle Gewalt ein großer Gefahrenfaktor. Im größeren Kontext werden Versorgungsinfrastrukturen, Kommunikationsinfrastrukturen und Geldsysteme über, mit virtuellen Räumen verbundene, technische Steuersysteme betrieben. Im privaten Bereich findet bereits heute ein Teil des persönlichen Lebensmanagements in virtuellen Räumen statt. Geschäfte werden abgeschlossen, Amtsgeschäfte werden erledigt, Verabredungen werden koordiniert, privates Kapital wird mit Hilfe virtueller Räume bewegt. Während die Abhängigkeit von technisch einwandfrei funktionierenden virtuellen Räumen wächst, wächst gleichzeitig auch die Verletzungsoffenheit dieser und damit auch die ihrer Benutzer. Gewaltakte gegen das technische System können mit sehr geringen Ressourcen ausgeübt werden und dennoch große Schäden anrichten. Mit dem entsprechenden technischen Sachverstand genügt der Zugang zu einem Endgerät, um automatisierbare und multiplizierbare Schadenswirkungen zu erzielen.
Wirksamkeit der Aufklärungsmaßnahmen der Bundesregierung zur Volkszählung 1987.
Themen: In der ersten Panelwelle (10.01.-05.02.1986) wurde gefragt: Wichtigste aktuelle politische Fragen; eigene Meinungsführerschaft in politischen Fragen; aktuelle Gesprächsthemen mit anderen (Auswahl); wichtigste Informationsquellen zu aktuellen Themen; Bekanntheit ausgewählter Logos und Symbole (Deutsche Bank, Sparkasse, Mercedes-Benz, Bundesadler, Volkszählung, Shell, Frauensymbol, Glücksspirale, Malteserkreuz, Abakus u.a.); Kenntnis des Scheiterns der Volkszählung 1983; Kenntnis von einer späteren Durchführung und des Zeitpunktes; Bekanntheit des Zeitpunktes der letzten Volkszählung; Assoziationen zur Volkszählung; eigene sowie vermutete Einstellung der Bevölkerungsmehrheit zur Volkszählung; Bekanntheit ausgewählter Personen des öffentlichen Lebens; Kenntnis des Amts von Egon Hölder sowie für ihn empfundene Sympathie; Einstellung zu Politik und Politikern (Skala); Häufigkeit der Lektüre ausgewählter Zeitschriften (Mediennutzung); Zeitraum seit der letzten Lektüre ausgewählter Zeitschriften, Zeitungen und Nachrichtenmagazine (Skalometer); Intensität und Dauer des Rundfunkkonsums; Häufigkeit des Hörens von Rundfunknachrichten; Einstellung zu Datenerhebung und Datenschutz (Skala); Zufriedenheit mit den Verhältnissen in der BRD; gleiche politische Einstellung im näheren persönlichen Umfeld; Häufigkeit und Tageszeit des Fernsehkonsums; präferierte Fernsehsendungen; Intensität des Konsums der Fernsehnachrichten; regelmäßige Lektüre der Lokalpresse; psychologische Selbstcharakterisierung (Skala): Zielorientierung, Durchsetzungsfähigkeit, Verantwortung, Erfolgsorientierung, Optimismus, Pessimismus, Selbstsicherheit und Lebenszufriedenheit; Einstellung zum technologischen Fortschritt; eigenes Sternzeichen; Selbsteinschätzung der Größe des Bekanntenkreises; Selbsteinschätzung des Informationsstands zur Volkszählung; soziale Machtlosigkeit, Schicksalsgläubigkeit, Pessimismus, Motivation und interpersonelles Vertrauen (Skala); eigene Beteiligungsabsicht an der Volkszählung sowie Beteiligungsbereitschaft des persönlichen Umfelds; positive oder negative Tendenz in den wahrgenommenen Medienveröffentlichungen; Befragungsthemen über die man bereitwillig Auskunft geben würde und Kenntnis darüber, ob diese Themen in der Volkszählung abgefragt werden; Furcht vor staatlichem Missbrauch der Volkszählungsdaten; geschätzte Dauer zur Beantwortung des Volkszählungs-Fragebogens; bemerkte Werbeanzeigen zur Volkszählung in der Presse und Erinnerung daran; Furcht vor Missbrauch der persönlichen Daten; Einstellung zur Volkszählung (Skalometer); Postmaterialismus; Zuständigkeit für Behördenangelegenheiten im Haushalt und Bereitschaft, diese auch für andere Personen zu übernehmen; Politikinteresse; Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl; Parteipräferenz (Sonntagsfrage); erwarteter Wahlsieger bei einer angenommenen Bundestagswahl am nächsten Sonntag; Wahrscheinlichkeit für eine absolute Mehrheit von CDU/CSU oder SPD.
Demographie: Geschlecht; Alter; eigene Beteiligung an der Hausarbeit; Schulbildung; Erwerbstätigkeit; berufliche Position; Beschäftigung im öffentlichen Dienst; Haushaltsvorstand; Schulbildung, Erwerbstätigkeit und berufliche Position des Haushaltsvorstandes; Haushaltsvorstand im öffentlichen Dienst; Familienstand; Anzahl der Personen und der Minderjährigen im Haushalt; Konfession; Kirchgangshäufigkeit; Anzahl der Einkommensempfänger im Haushalt; monatliches Nettoeinkommen des Haushalts insgesamt; Höhe des eigenen Einkommens.
Themen: In der zweiten Panelwelle (10.04.-21.04.1986) wurde gefragt: Wichtigste aktuelle politische Fragen; aktuelle Gesprächsthemen mit anderen; Häufigkeit des Einkaufs in Naturkost- und Reformläden; Bekanntheit ausgewählter Logos und Symbole (Deutsche Bank, Sparkasse, Mercedes-Benz, Bundesadler, Volkszählung, Shell, Frauensymbol, Glücksspirale, Malteserkreuz, Abakus u.a.); Präferenz für Arbeits- oder Freizeit; präferierte Erziehungsziele; Kenntnis von der Durchführung der Volkszählung und des Zeitpunktes; eigene sowie vermutete Einstellung der Bevölkerungsmehrheit zur Volkszählung; Einstellung des persönlichen Umfelds zur Volkszählung; Einschätzung des eigenen Informationsstandes zur Volkszählung und Interesse diesen zu verbessern; geschätzter diesbezüglicher Informationsstand im persönlichen Umfeld; eigene Beteiligungsabsicht an der Volkszählung sowie die des persönlichen Umfelds; Assoziationen zur Volkszählung; Intensität des eigenen gesellschaftlichen Engagements und der Integration in die Gesellschaft (Skala); Existenz einer Buchführung im Haushalt; Vergleich des eigenen Haushaltseinkommens mit dem vermuteten Durchschnitt; ausreichendes Haushaltseinkommen zum Lebensunterhalt; Teilnahmebereitschaft an einer Mikrozensus-Erhebung; Selbsteinschätzung auf einem Links-Rechts-Kontinuum; generelles Vertrauen in andere Menschen; Glücksempfindung; positive oder negative Tendenz in den wahrgenommenen Medienveröffentlichungen; vermutete Inhalte der Volkszählungsbefragung; geschätzte Dauer zur Beantwortung des Volkszählungs-Fragebogens; Furcht vor staatlichem Missbrauch der Volkszählungsdaten; bemerkte Werbeanzeigen zur Volkszählung in der Presse und Erinnerung daran; Einstellung zur Volkszählung (Skalometer); Kenntnis der Teilnahmeverpflichtung sowie der Sanktionen bei Weigerung; Befürchtung staatlicher Kontrolle durch die Volkszählung; akzeptierte Gründe für die Volkszählung; Vertrauen in den Datenschutz bei der Volkszählung und Toleranz gegenüber politisch Andersdenkenden; Bekanntheit von Werbeslogans zur Volkszählung und aus der Wirtschaft anhand ausgewählter Beispiele; Lebenszufriedenheit; akzeptierte Formen öffentlichen Protests; Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl; Parteipräferenz (Sonntagsfrage); erwarteter Wahlsieger bei einer angenommenen Bundestagswahl am nächsten Sonntag; Chance für eine absolute Mehrheit von CDU/CSU oder SPD; Kenntnis weiterer ausgewählter Slogans aus Anzeigen zur Volkszählung; vermutete eigene Zahlungsmoral bei Aufhebung der Steuerpflicht (Steuerehrlichkeit); Interesse des Befragten am Interview.
Demographie: Geschlecht; Alter.
Zusätzlich verkodet wurde: subjektives Empfinden der Interviewdauer; tatsächliche Interviewdauer.
Themen: In der dritten Panelwelle (26.08.-28.09.1986) wurde gefragt: Wichtigste aktuelle politische Fragen; aktuelle Gesprächsthemen mit anderen; Interesse an ausgewählten Schlagzeilen zur Volkszählung im Vergleich zu anderen Themen; Wahrnehmung von Werbematerialien zur Volkszählung; Kenntnis von der Durchführung der Volkszählung und des Zeitpunktes; eigene sowie vermutete Einstellung der Bevölkerungsmehrheit zur Volkszählung; Einstellung des persönlichen Umfelds zur Volkszählung; Einschätzung des eigenen Informationsstandes zur Volkszählung und Interesse diesen zu verbessern; geschätzter diesbezüglicher Informationsstand im persönlichen Umfeld; eigene Beteiligungsabsicht an der Volkszählung sowie Beteiligungsbereitschaft des persönlichen Umfelds; vermutete Reaktion des persönlichen Umfelds bei konträrer Einstellung zur Volkszählung und welche Bedeutung dies für den Befragten hat; beabsichtigter Umfang der Teilnahme an der Volkszählung (ganz oder teilweise beantworten); Assoziationen zur Volkszählung; Bevorzugung bereits bekannter Urlaubsziele; Langeweile an Sonn- und Feiertagen; Vertrauen in andere; Bedeutung des Ansehens bei der Nachbarschaft; Bekanntheit von ausgewählten Presseschlagzeilen; Selbsteinschätzung der Neigung zu Hedonismus oder Pflichtbewusstsein; Einschätzung der Lebensqualität in der Stadt und auf dem Land; positive oder negative Tendenz in den wahrgenommenen Medienveröffentlichungen; geschätzte Dauer zur Beantwortung des Volkszählungs-Fragebogens; Furcht vor staatlichem Missbrauch der Volkszählungsdaten; allgemeines Interesse an Anzeigen; bemerkte Werbeanzeigen zur Volkszählung in der Presse und Erinnerung daran; Herkunft, Urheber und Inhalt der Anzeigen; Bewertung der Anzeigen; Einstellung zur Volkszählung (Skalometer); Interesse an einem Gespräch mit Volkszählungsbefürwortern und Volkszählungsgegnern; Kenntnis der Teilnahmeverpflichtung sowie der Sanktionen bei Weigerung; Befürchtungen staatlicher Kontrolle durch die Volkszählung; akzeptierte Gründe für die Volkszählung; Unternehmungslust in der Freizeit; Vermutung, dass gut aussehende Menschen ein leichteres Leben haben; eigener Wunsch nach einfachem Leben auf dem Land; Sinn von Sparsamkeit; Häufigkeit von Viktimisierungsangst; Bekanntheit von Werbeslogans zur Volkszählung und aus der Wirtschaft anhand ausgewählter Beispiele; Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl; Parteipräferenz (Sonntagsfrage); erwarteter Wahlsieger bei einer angenommenen Bundestagswahl am nächsten Sonntag; Chance für eine absolute Mehrheit von CDU/CSU oder SPD Präferenz für Helmut Kohl oder Johannes Rau als Bundeskanzler sowie diesbezüglich vermutete Präferenz der Bevölkerungsmehrheit; Bekanntheit zielgruppenspezifischer Werbeanzeigen zur Volkszählung; Interesse des Befragten am Interview.
Zusätzlich verkodet wurde: subjektives Empfinden der Interviewdauer; Interviewdauer in Minuten.
Themen: In der vierten Panelwelle (04.03.-02.04.1987) wurde gefragt: Wichtigste aktuelle politische Fragen; aktuelle Gesprächsthemen mit anderen; Bekanntheit ausgewählter Logos und Symbole (Deutsche Bank, Sparkasse, Mercedes-Benz, Bundesadler, Volkszählung, Shell, Frauensymbol, Glücksspirale, Malteserkreuz, Abakus u.a.); Interesse an ausgewählten Schlagzeilen zur Volkszählung und anderen Themen; Wahrnehmung von Werbematerialien für und gegen die Volkszählung; Kenntnis des Zeitpunktes der nächsten sowie der letzten Volkszählung eigene sowie vermutete Einstellung der Bevölkerungsmehrheit zur Volkszählung; Einstellung des persönlichen Umfelds zur Volkszählung; Einschätzung des eigenen Informationsstandes zur Volkszählung und Interesse diesen zu verbessern; geschätzter Informationsstand über die Volkszählung im persönlichen Umfeld; eigene Beteiligungsabsicht an der Volkszählung sowie Beteiligungsbereitschaft des persönlichen Umfelds; Sicherheit der eigenen Teilnahme bzw. Verweigerung; vermutete Reaktion des persönlichen Umfelds bei konträrer Einstellung zur Volkszählung und welche Bedeutung dies für den Befragten hat; Einsatz des Befragten oder einer nahestehenden Person bei den Erhebungen zur Volkszählung; beabsichtigter Umfang der Teilnahme an der Volkszählung (ganz oder teilweise beantworten); Assoziationen zur Volkszählung; eigene Meinungsführerschaft; Bereitschaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit im sozialen- oder Wohlfahrtsbereich; politisches Interesse; Gewohnheit des Befragten, Weihnachten im Kreis der Familie zu verbringen; Treffen mit Freunden und Verwandten beim letzten Weihnachtsfest; politische Gespräche; Häufigkeit von geselligem Beisammensein bei Kaffeekränzchen oder Stammtisch; Häufigkeit sportlicher Betätigung; Häufigkeit von Besuchen durch Bekannte sowie von diesen erhaltene Einladungen; Mitgliedschaft in Vereinen, Partei, Bürgerinitiative oder Gewerkschaft; Erfahrung des Befragten, dass Behörden oder Institute über persönliche Daten verfügten, die dieser nicht mitgeteilt hatte; positive oder negative Tendenz in den wahrgenommenen Medienveröffentlichungen zur Volkszählung; Befragungsthemen, über die man bereitwillig Auskunft geben würde und Kenntnis darüber, ob diese Themen in der Volkszählung abgefragt werden; geschätzte Dauer zur Beantwortung des Volkszählungs-Fragebogens; Befürchtungen staatlicher Kontrolle durch die Volkszählung; bemerkte Werbeanzeigen zur Volkszählung in der Presse und Erinnerung daran; Wahrnehmungshäufigkeit und wann ein Plakat zur Volkszählung zuletzt gesehen wurde; allgemeine Wahrnehmung von Plakatwerbung als Hilfe für Kaufentscheidungen; Häufigkeit der bemerkten Fernsehbeiträge zur Volkszählung; emotionale Anteilnahme und Einstellung zur Volkszählung (Skala); regelmäßige Lektüre der Lokalpresse, präferierte Teile derselben sowie Gewohnheiten bei der Lektüre; Häufigkeit der Lektüre ausgewählter Zeitungen (Mediennutzung); Einstellung zur Volkszählung (Skalometer); Interesse an Gesprächen mit Volkszählungsbefürwortern und -gegnern; Kenntnis der Teilnahmeverpflichtung sowie der Sanktionen bei Weigerung; Furcht vor staatlichem Missbrauch der Volkszählungsdaten; akzeptierte Gründe für die Durchführung einer Volkszählung; Bekanntheit von Werbeslogans zur Volkszählung und aus der Wirtschaft anhand ausgewählter Beispiele; Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl; Parteipräferenz (Sonntagsfrage); erwarteter Wahlsieger bei einer angenommenen Bundestagswahl am nächsten Sonntag; Chance für eine absolute Mehrheit von CDU/CSU oder SPD; Interesse des Befragten am Interview.
Zusätzlich verkodet wurde: subjektives Empfinden der Interviewdauer; tatsächliche Interviewdauer in Minuten.
Themen: In der fünften Panelwelle (19.05.-23.06.1987) wurde gefragt: Wichtigste aktuelle politische Fragen; aktuelle Gesprächsthemen mit anderen; Interesse an ausgewählten Schlagzeilen zur Volkszählung und anderen Themen; Wahrnehmung von Werbematerialien zur Volkszählung; wahrgenommene Werbung in den elektronischen Medien; Kenntnis vom Zeitpunkt der Durchführung der letzten Volkszählung eigene sowie vermutete Einstellung der Bevölkerungsmehrheit zur Volkszählung; Einstellung des persönlichen Umfelds zur Volkszählung; Einschätzung des eigenen Informationsstandes zur Volkszählung und Interesse diesen zu verbessern;
Bei bereits Gezählten wurde gefragt:
Besuch des Zählers und Ausfüllen des Fragebogens bereits erfolgt; Zuständigkeit für das Ausfüllen des Fragebogens im Haushalt des Befragten; Anwesenheit des Zählers während des Ausfüllens; Fragebogen vollständig beantwortet;
Bei noch nicht Gezählten wurde gefragt:
eigene Beteiligungsabsicht an der Volkszählung sowie Beteiligungsbereitschaft des persönlichen Umfelds; vermutete Reaktion des persönlichen Umfelds bei konträrer Einstellung zur Volkszählung; beabsichtigter Umfang der Teilnahme an der Volkszählung (ganz oder teilweise beantworten); Unterstützung anderer Personen seitens des Befragten beim Ausfüllen des Fragebogens;
Alle Tielnehmer wurden gefragt:
Intensität des Rundfunkkonsums und Häufigkeit der gehörten Nachrichten; Assoziationen zur Volkszählung; psychologische Selbstcharakterisierung (Skala): Zielorientierung, Durchsetzungsfähigkeit, Verantwortung, Erfolgsorientierung, Optimismus, Pessimismus, Selbstsicherheit und Lebenszufriedenheit; Häufigkeit und Dauer des Fernsehkonsums; präferierte Fernsehsendungen; positive oder negative Tendenz in den wahrgenommenen Medienveröffentlichungen; vermutete bzw. erinnerte Inhalte der Volkszählungsbefragung; geschätzte Dauer zur Beantwortung des Volkszählungs-Fragebogens; Furcht vor staatlichem Missbrauch der persönlichen Daten; bemerkte Fernsehbeiträge und Presseanzeigen zur Volkszählung und Urheber derselben; wahrgenommene Werbematerialien und Plakatwerbung zur Volkszählung; Beurteilung der Werbekampagne zur Volkszählung; Nutzung eines telefonischen Auskunftsdienstes zur Volkszählung durch den Befragten und Initiator desselben; emotionale Anteilnahme an und Einstellung zur Volkszählung; psychologische Selbstcharakterisierung: Zielorientierung, Durchsetzungsfähigkeit, Verantwortung, Erfolgsorientierung, Optimismus, Pessimismus, Selbstsicherheit und Lebenszufriedenheit; Einstellung zur Volkszählung (Skalometer); Interesse an Gespräch mit Volkszählungsbefürwortern und -gegnern; Kenntnis der Teilnahmeverpflichtung sowie der Sanktionen bei Weigerung; Furcht vor staatlichem Missbrauch der Volkszählungsdaten; akzeptierte Gründe für die Durchführung einer Volkszählung; Wahlverhalten bei der letzten Bundestagswahl; Parteipräferenz (Sonntagsfrage); erwarteter Wahlsieger bei einer angenommenen Bundestagswahl am nächsten Sonntag; Interesse des Befragten am Interview.
Zusätzlich verkodet wurde: subjektives Empfinden der Interviewdauer; Postleitzahl; Interviewdauer in Minuten.
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Die Ständige wissenschaftliche Kommission der KMK präsentiert ihre Empfehlungen für eine hochwertige Demokratiebildung in den Schulen. Was folgt daraus für den Fachunterricht und für die Schulentwicklung? Eine fordernde Stellungnahme inmitten der Demokratiekrise.
Foto: Pxhere, CCO.
"WIE WICHTIG DEMOKRATIEBILDUNG IST, sehen wir jeden Tag", sagt die Berliner Schulpädagogik-Professorin Felicitas Thiel. Deshalb hat die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz, deren Ko-Vorsitzende Thiel ist, jetzt eine umfangreiche Stellungnahme erarbeitet. Sie lag dem Wiarda-Blog exklusiv vorab vor.
76 Seiten, die aufzeigen sollen, welch zentrale Rolle die Schulfächer Geschichte und Politik einnehmen, damit Kinder und Jugendliche zu selbstbestimmten, politisch entscheidungsfähigen Bürgern heranreifen können. Und was daraus für diese Fächer folgen sollte. Doch, betonen die 16 Forscher, die die Bildungspolitik beraten, damit Demokratiebildung in der Schule gelingen kann, brauche es noch mehr. "Nehmen Sie den Krieg in Nahost", sagt Thiel. "Die Konflikte zwischen den Schülern warten nicht, bis der Fachunterricht anfängt, sie sind eine Angelegenheit der gesamten Schule." Genauer: eine Angelegenheit der Schulfächer und der Schule als Lebensort.
Sieben Empfehlungen hat die SWK formuliert. Die erste und irgendwie auch erwartbarste für ein Gremium voller Bildungswissenschaftler: So, wie es die Hauptfächer wie Deutsch, Mathematik, Englisch oder die Naturwissenschaften längst haben, so brauche es auch für die Demokratiebildung in Geschichte und Politik genau definierte und verbindliche Kompetenzziele. Auf die, fordert die SWK, sollten alle Bundesländer sich verständigen auf der Grundlage vorliegender bildungswissenschaftlicher Kompetenzmodelle und unter Einbeziehung der Fachgesellschaften für die Didaktik der Geschichte und der Politik. Warum verbindlich? Weil sich dann daraus, ebenfalls wie in anderen Fächern, Bildungsstandards ableiten lassen.
Bildungsstandards für die Demokratiebildung
"Die Festlegung von Bildungsstandards für diese Fächer ist sicher komplexer als beispielsweise für Mathematik, aber eine Auseinandersetzung mit der Frage, was hier erreicht werden soll, wäre wichtig", sagt SWK-Mitglied Petra Stanat, die zusammen mit Thiel die Federführung bei der Stellungnahme hatte.
Das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB), das Stanat leitet, ist in Deutschland im Auftrag der Länder für die Weiterentwicklung von Bildungsstandards zuständig. Und für deren Operationalisierung und Prüfung. Denn auch das gehört zur Logik der Bildungsstandards: dass man ihr Erreichen durch die Schüler, Stichwort Bildungsmonitoring, zumindest teilweise auch abprüfen kann.
Moment mal, könnte man an der Stelle einwenden, lässt sich die Befähigung zur Demokratie wirklich so testen, wie Pisa oder die IQB-Bildungstrends es bei den Grundkompetenzen im Lesen, Schreiben oder Rechnen tun?
Ja, hatte schon vergangenes Jahr der Münchner Bildungsökonom Ludger Wößmann hier im Blog gesagt. Wößmann hatte da gerade seine Mitarbeit in der Kommission "Demokratie und Bildung" abgeschlossen, die auf Initiative der Hertie-Stiftung ebenfalls Empfehlungen für die Demokratiebildung an Schulen zu erarbeitet hatte. Am wichtigsten, sagte Wößmann, sei die Feststellung, dass Demokratiebildung in der Schule unbedingt auf die nationale politische Agenda gehört. Es brauche verbindliche Bildungsstandards für die Demokratiebildung entwickeln, "wie wir sie bereits für Deutsch, Englisch oder Mathematik haben. Und zweitens brauchen wir eine Art Demokratie-Pisa."
IQB-Chefin Stanat äußert sich da ein Stückweit zurückhaltender. "Ganz am Ende steht dann die Frage, in welcher Form man die Zielerreichung überprüfen will und für welche Kompetenzbereiche dies überhaupt möglich ist. Hierzu gibt es bereits einige Vorarbeiten, an denen man sich orientieren kann."
Tatsächlich: So abwegig ist das nicht. Auch in Deutsch, Mathe oder Englisch werden parallel abprüfbare und nicht abprüfbare Kompetenzen vermittelt, warum nicht auch in Geschichte oder Politik? Wenn dafür im Gegenzug ein gelegentlich diffus erscheinendes Ziel – Demokratiebildung! – fassbarer wird.
"Es gibt ja längst aussagekräftige Vorbilder, an denen wir uns orientieren können, zum Beispiel die International Civic and Citizenship Education Study (ICCS), bei der in der Vergangenheit die meisten westlichen Länder mitgemacht haben. Im Gegensatz zu Deutschland", sagte bereits im vergangenen Jahr der Bildungsökonom Wößmann. Das ist das "Demokratie-Pisa", auf das er anspielt und das auch die Ständige Wissenschaftliche Kommission auf ihren 76 Seiten gleich ein knappes Dutzendmal erwähnt.
Demokratiebildung ohne Kenntnis der Geschichte geht nicht
Die zweite Empfehlung der Kommission ist wie die erste eigentlich eine Forderung: Es brauche ein "durchgängiges Unterrichtsangebot in den Fächern Politik und Geschichte" sowie die "Orientierung an einem Spiralcurriculum von der Grundschule bis zum Ende der Sekundarstufe I", "das am Leitbild geschichtsbewusster, mündiger Bürger:innen ausgerichtet ist".
Das mit dem "geschichtsbewusst" ist ein Aspekt, auf den die SWK immer wieder pocht, und zugleich der Grund, warum die Stellungnahme der Kommission die Fächer Geschichte und Politik in einem Atemzug nennt: Demokratiebildung ohne Kenntnis der Geschichte, das geht nicht. "Historische Narrative sind zentral für die Ausbildung kollektiver Identitäten", sagt Felicitas Thiel. In einer Einwanderungsgesellschaft träfen unterschiedliche Narrative aufeinander. Es sei wichtig, dass Schüler:innen historisch falsche oder verzerrte Narrative erkennen. "Das gilt für Narrative der Reichsbürger ebenso wie für die der türkischen Grauen Wölfe, um nur einmal zwei aktuelle Beispiele herauszugreifen. Das bedeutet: Auch der Geschichtsunterricht trägt zur Demokratiebildung bei."
Die Realität allerdings, auf die die SWK ebenfalls hinweist, sieht so aus, dass in etlichen Bundesländern in den Klassen 5 und 6 gar kein Politik- und Geschichtsunterricht stattfindet. Und dass der Sachunterricht sich bis in diesen Jahrgängen oft mit allem Möglichen beschäftigt, aber allzu selten mit Demokratiebildung oder der Bearbeitung historischer Zusammenhänge. Thiel warnt: "Wenn wir das Wahlalter senken wollen, müssen die Jugendlichen früher politisch entscheidungsfähig sein." Dazu passe keine Politik- und Geschichts-Lücke in der 5. und 6. Klasse.
Aber woher die Stunden nehmen, wenn die Länder gleichzeitig – und ebenfalls auf Empfehlung der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission – aufgrund unter anderem der schlechten Pisa- und IQB-Ergebnisse den Umfang des Deutsch- und Matheunterrichts hochschrauben?
Welche Rolle die anderen Schulfächer spielen sollen
"Natürlich gibt es einen Zielkonflikt, weil die vorhandenen Schulstunden endlich sind", räumt SWK-Kochefin Thiel ein. "Trotzdem ist es richtig, dass die Länder das Stundenkontingent für Deutsch und Mathe erhöhen. Wenn die Schüler zum Beispiel in Deutsch das Argumentieren einüben, zahlt das als Kompetenz auch auf die Demokratiebildung ein." Sie würde eher woanders hinschauen, fügt Thiel hinzu: "Bevor wir Wirtschaft als zusätzliches Fach einführen, sollten wir die Grundlagenfächer Politik und Gesellschaft stärken. Und wenn die Kultusminister wie kürzlich beschlossen den Sachunterricht ebenfalls ausbauen, was sinnvoll ist, dann sollten dafür auch Kompetenzziele in der Demokratiebildung definiert werden."
Den Sachunterricht also besser nutzen, ihn in Bezug auf die Demokratiebildung genau wie Politik, Geschichte und ähnliche Verbundfächer gezielt weiterentwickeln, das ist zugleich die SWK-Empfehlung Nummer 3. So wie die Empfehlung 4 darin besteht, Demokratiebildung als fachübergreifendes Prinzip in allen Schulfächern zu verankern.
Im restlichen Teil ihrer Stellungnahme beschäftigt sich die Kommission vorrangig mit der Frage, wie Schulentwicklung, Partizipation und eine demokratische Schulkultur miteinander zusammenhängen – und wie die Lehrkräftebildung speziell in Geschichte, Politik und in den Verbundfächern, dann aber auch übergreifend für alle Fächer auf eine hochwertige Demokratiebildung hin ausgerichtet werden kann.
Die Begeisterung für derlei Ansinnen, das wissen sie auch in der Kommission, wird sich in der ohnehin mitten in der Transformation steckenden Lehrkräftebildung (ein anderes SWK-Schwerpunktthema) genauso in Grenzen halten wie in vielen Schulen, die angesichts des Lehrermangels am Limit operieren. "Die Frage, ob die Schule mit all den Erwartungen an sie überfordert wird, ist berechtigt", sagt Felicitas Thiel. Umgekehrt sei Schule aber "der einzige Ort, an dem man alle Kinder und Jugendlichen erreichen kann. Darum gehört auch die Demokratiebildung in ihrer ganzen Breite dorthin."
Das Signal der SWK-Wissenschaftler
Entsprechend klingt die letzte Empfehlung der Kommission fast ein wenig wie der Ausdruck von schlechtem Gewissen angesichts all der geäußerten Erwartungen. "Strukturelle und materielle Voraussetzungen für die Verankerung der Demokratiebildung auf allen Ebenen schaffen", lautet sie, womit die SWK unter anderem ein "länderübergreifendes Monitoring" von den Kultusministern fordert , "das Daten zu Gelegenheitsstrukturen und Ergebnissen historisch-politischer Bildung systematisch erfasst und für unterschiedliche Akteure im Bildungssystem aufbereitet" – also eine Art Best-Practice-Service zum Nachmachen.
Außerdem und vor allem aber raten die Experten, "ausreichende und verlässliche Unterstützungsstrukturen für Lehrkräfte und Schulen zu Demokratiebildung (Akteure der außerschulischen Bildungsarbeit) und Extremismusprävention (insbesondere Schulpsychologie, externe Beratungsstellen sowie Polizei und Justiz)" bereitzustellen. Lasst die Schulen nicht allein, das ist die Botschaft an Politik und Gesellschaft.
Schüle könne und solle sich von außen unterstützen lassen, betont auch Thiel. Es gebe "hervorragende außerschulische Träger der Demokratiebildung, es gibt verschiedene Initiativen, die sich alle gern in der Schule einbringen. Der Ganztag ist eine sehr gute Möglichkeit dafür." Nur der Ganztag allein werde es eben nicht richten. "Es braucht den Fachunterricht."
"Stellungnahme" steht auf der Titelseite der SWK-Empfehlungen – was in der Nomenklatur des Gremiums bedeutet, dass sie aus Eigeninitiative der Experten entstanden sind, anders als die von den Kultusministern beauftragten "Gutachten". Diese Feststellung ist nicht trivial. Sie zeigt das Selbstverständnis der Kommissionsmitglieder, die mehr sein wollen als wissenschaftliche Stichwortgeber. Sie wollen angesichts des erstarkenden Antisemitismus, in Zeiten des politischen Rechtsrucks und eines drohenden Erdrutsches bei den Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst ein Signal senden: Demokratie fängt mit – guter – Schule an. Und: Demokratiebildung ist kein Gedöns, kein Nice-to-Have, sondern genauso fundamental wie korrekte Rechtschreibung und das große Einmaleins. Nein, seien wir ehrlich: wichtiger.
Dem wird keine und keiner der gegenwärtigen Kultusminister widersprechen. Doch, sagt die SWK sehr deutlich, dann handelt jetzt auch so.
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"So isser, der Ossi" titelte Der Spiegel am 25.8.2019. Nur vier Tage später erschien in der New York Times ein Artikel von Anna Sauerbrey mit dem Titel "30 Years After Reunification, Germany Is Still Two Countries". Hierdurch wird beispielhaft dargestellt, dass im dreißigsten Jahr nach dem Mauerfall deutsche BürgerInnen weiterhin in Ossis und Wessis unterteilt werden und die anscheinend mangelhafte deutsche Einheit internationale Beachtung erfährt. Doch ist Deutschland wirklich noch so gespalten? Zahlreiche Studien zeigen, dass sich der Graben zwischen Ost und West verringert. Beispielsweise nähern sich die Arbeitslosenquoten einander immer weiter an und es herrscht eine positive Grundstimmung im Land. Nach wie vor scheinen sich die beiden Teile jedoch voneinander zu unterscheiden; weiterhin ist die Rede von einer "Mauer in den Köpfen". Bei Wahlumfragen wird herausgestellt, dass Ost- und Westdeutsche ein unterschiedliches Wahlverhalten zeigen und auch die Differenz der Löhne zwischen den neuen und alten Bundesländern ist weiterhin Grundlage der Debatte, wenn es um die Frage der deutschen Einigkeit geht. Die Frage, ob Divergenzen auch medial existieren, ist Grundlage des vorliegenden Forschungsprojekts. Hierbei wird versucht eine Forschungslücke in der Kommunikationswissenschaft zu schließen. Zwar wurden bereits zahlreiche Untersuchungen zur deutschen Medienlandschaft durgeführt, diese fokussieren sich jedoch meist auf die 1990er Jahre oder liegen bereits zehn Jahre oder länger zurück. Ziel ist es die deutsche Presselandschaft auf Konvergenzen und Divergenzen hin zu untersuchen, wobei einerseits betrachtet wird welche Themen behandelt und andererseits, wie diese dargestellt werden. Mit der Annahme der Existenz medialer Teilöffentlichkeiten und strukturgleich abgebildeter heterogener Kommunikationsräume in Deutschland, wurde der Medienraum auf Grundlage des arenatheoretischen Modells der Öffentlichkeit von Tobler (2010) in drei Teilöffentlichkeiten geteilt um festzustellen, wie sehr sich diese thematisch ähneln. So wurde unterschieden zwischen der medialen Teilöffentlichkeit West, bestehend aus Westdeutsche Allgemeine Zeitung, der Rheinischen Post und der Neuen Westfälischen, der medialen Teilöffentlichkeit Ost, bestehend aus der Thüringer Allgemeinen, der Sächsischen Zeitung und der Mitteldeutschen Zeitung und der medialen Teilöffentlichkeit national, aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Süddeutschen Zeitung. Diese acht Tageszeitungen wurden mittels eines Zwei-Methoden-Designs empirisch untersucht. Zuerst wurde eine quantitative Themenfrequenzanalyse durchgeführt, im Anschluss eine qualitative Analyse von Frames. Durch das Prinzip der künstlichen Woche ist eine Cluster-Stichprobe gezogen worden. Es ergab sich ein Sample von N = 3.934 Artikeln. Die Ergebnisse wurden hypothesengeleitet ausgewertet, nach welchen davon ausgegangen wurde, dass Divergenzen zwischen den medialen Teilöffentlichkeiten messbar sind. Zwischen den drei Medienagenden konnte jedoch eine Themenkonvergenz von 71,9% festgestellt werden. Die Rangkorrelationskoeffizienten der behandelten Themen in den drei Teilöffentlichkeiten bestätigen eine Angleichung: Ost und West rs=.744 (p < .001), National und Ost rs=.603 (p < .001), National und West rs=.658 (p < .001). Es liegt demnach eine sehr ähnliche Themensetzung und Presseberichterstattung zwischen den medialen Teilöffentlichkeiten vor. Auch wurde darauf eingegangen, ob sich die Medienagenda- West der nationalen Medienagenda eher angleicht als Letztere der Medienagenda- Ost. Diese Hypothesen lassen sich nicht bestätigen, da sich die Ränge der Teilöffentlichkeiten West und National zwar eher gleichen, Ost und National sich jedoch in Hinblick auf die Häufigkeiten der behandelten Themen ähnlicher sind. In einer zweiten vertiefenden Inhaltsanalyse wurden exemplarisch ein wirtschaftliches und ein politisches Thema (der Diesel-Skandal und Rechtsextremismus, anhand des NSU-Prozesses und der Ereignisse in Chemnitz) herangezogen und auf Medienframes hin untersucht. Die Ergebnisse der Frame-Analyse weisen darauf hin, dass Aussagen zu Divergenzen und Konvergenzen in der Darstellung nur themenabhängig möglich sind und sich nicht verallgemeinern lassen. So wird deutlich, dass in Bezug auf den Dieselskandal starke Divergenzen zwischen den erhobenen Deutungsmustern zu erkennen sind. Zwischen den Teilöffentlichkeiten liegen hierbei überwiegend unterschiedliche Medienframes vor. Entgegen der Annahmen verhalten sich die Medienframes zwischen nationaler und Ost-Ebene eher konvergent, während die zwischen nationaler und West-Ebene eher divergieren. Im Gegensatz dazu kann, bei den Fallbeispielen zum Rechtsextremismus, von größtenteils konvergent existierenden Medienframes zwischen den Ebenen gesprochen werden. Insgesamt kann eine positive Bilanz zur deutschen Presseberichterstattung gezogen werden. Es können zwar einige Divergenzen zwischen den konvergent verlaufenden Medienagenden festgemacht werden, jedoch sind diese weitestgehend regional und strukturell zu begründen. Durch eine hohe inhaltliche Konvergenz zwischen den Teilöffentlichkeiten liegt eine einheitliche Presseberichterstattung in Deutschland vor und es kann nicht von ost- beziehungsweise westspezifischen Medien gesprochen werden. ; "So isser, der Ossi" was the title of the German magazine Der Spiegel on the 25th of August, meaning "So he is, the East German". Only four days later, the New York Times published an article by Anna Sauerbrey titled "30 Years After Reunification, Germany Is Still Two Countries". This example shows that in the thirtieth year after the fall of the Berlin Wall, German citizens are still divided based on whether they come from Eastern or Western Germany, and the seemingly inadequate German unity is receiving international attention. But is Germany still that divided? Various studies show, that both parts of Germany are converging constantly. For instance, the unemployment rates in both are nearly identical, and there is an optimistic mood present within the country. Nevertheless, there seem to be differences; there still is talk of an existing wall within the heads. Citizens of Eastern and Western Germany often show different electoral behaviour in the voting booths and polls. Similarly, the wage gap between the new and old states is often referred to when talking about the question of the German unification. In addition, this research project questions whether such divergences also exist in the media. In this way, the study aims to fill a gap within the literature in this field which has previously been underresearched. Although the German media has been looked at several times in previous investigations, these works are almost all more than a decade old. The ambition of the project is to find out how the German press system is shaped by convergences and divergences nowadays. On the one hand, it tries expose which issues are discussed and on the other how they are referred to. Predicated on the assumption that there are differing communication spaces in Germany that are incongruently made up of public arenas portrayed by the mass media, the study differed between three public spheres using the Arenatheoretical Model of Public Sphere by Tobler (2010). The aim was to find out to what point they resemble each other. This study distinguishes the media-agenda-west, made up of the newspapers Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Rheinische Post and Neue Westfälische, the media-agenda-east, including the Thüringer Allgemeine, Sächsische Zeitung and Mitteldeutsche Zeitung and the national media-agenda, containing the Frankfurter Allgemeine Zeitung and the Süddeutsche Zeitung. These eight daily newspapers have been examined through the use of a multiple- method design. First a quantitative issue-frequency-analysis was conducted. Secondly, two inner-German issues were selected to analyse existing convergent and divergent media-frames in a qualitative matter. Following the principle of an artificial week a cluster-sample of N=3.934 was drawn. The results were evaluated through several hypotheses to be able to interpret the media agendas. Between all three of them a convergence of issues of 71.9% was determined. Using a rank correlation coefficient by Spearman, the issues were compared by their order of ranks, showing that they are rather similar: media agendas East and West rs=.704 (p < .001), media agendas National and East rs=.603 (p < .001), media agendas National and West rs=.658 (p < .001), the perfect convergence being one. Thus, the data indicate that there is a unified news coverage within the German press system. It has also been surveyed if the western media agenda is more similar to the national media agenda than the eastern one. This could not be confirmed since the rankings of issues between media agendas in the west and national in Germany equal one another, but a comparison of issues between east and national media agendas show that they are more similar. Following a more deepened content analysis, the framing of two topics were specifically analysed, one concerning the economy and the other politics (on the one hand far-right extremism, represented by the court case of the NSU and the incidents in Chemnitz of summer 2018, and on the other the emissions scandal). The results of the frame-analysis suggest that generalizing statements about divergences and convergences within the portrayal of issues are only possible separately. Furthermore, it is apparent that in terms of the emissions scandal, there are many clearly recognizable divergences between the interpretive patterns. As a whole, there appears to be largely juxta positional content in the media from different public spheres. Unexpectedly, the media frames of the eastern public sphere are more convergent to the national one, while the western public sphere is more divergent to it. Contrastively, the two case examples on far-right extremism show mostly convergent media frames. In conclusion, a positive picture of the German press system seems apparent. While there are some divergences within the convergent media agendas, these can to a great extend be explained through regional and structural differences. Due to a high media convergence between the three separate public spheres analysed in this project, a unified reporting within the German press system appears to exist. To differ between specifically Eastern or Western German media is not possible.
Inhaltsangabe: Einleitung: Das Internet ist sozial – und das in vielerlei Hinsicht. Diesen Eindruck vermitteln zum einen die technischen Entwicklungen des Web 2.0 und deren rasante Ausbreitung zu Beginn des Jahres 2010. Die Nutzung von Blogs, Wikis und Media-Sharing-Plattformen ist zum Internet-Alltag geworden. Insbesondere soziale Netzwerke sind aufgrund ihrer weltweit wachsenden Nutzerschaft und der entsprechenden medialen Begleitung in aller Munde. Das mobile Internet breitet sich aus und verbindet soziale Anwendungen immer stärker in dem alltäglichen Leben ihrer Nutzer. Dabei haben sogenannte Social-Media-Anwendungen das Ziel, Interaktion, Zusammenarbeit und das Teilen von Inhalten über das Internet zu erleichtern (Kap. 3.2). Zum anderen finden die sozialen Ausprägungen der neuen online-Technologien nunmehr auch im Bereich des sozialen Engagements ihre Anwendung. Seit 2007 haben sich im deutschsprachigen Raum Online-Spendenplattformen entwickelt, die Funktionen von Social Media in den Spendenprozess integrieren und diesen damit sozialisieren. Auf Sozialen Online-Spendenplattformen (SOS), ein für diese Arbeit neu eingeführter Begriff, entstehen Orte im Internet, die zum Treffpunkt und zur Artikulationsplattform sozial engagierter Menschen, Organisationen und Unternehmen werden und sich zu Beginn des Jahres 2010 eines großen Wachstums erfreuen. Der Anspruch der neuen Spendenplattformen auf ein transparenteres und effizienteres Spendensystem ist dabei groß. Die Aktivität der Nutzer selbst soll zu einem schlaueren Geben über die Plattformen führen und neue, junge Zielgruppen ins Spendenboot holen. Die Organisation, Überwachung und Bewertung sozialer Aktivitäten wird auf SOS weitgehend von der Community übernommen. Im Sinne einer bottom-up Philosophie kann jeder Nutzer auf SOS (reale) soziale Projekte präsentieren und sich um Spendengelder bemühen. Dabei reicht die Bandbreite der auf den Plattformen präsentierten sozialen Aktivitäten von persönlichen Fundraisingeinsätzen über regionale Initiativen und Nachbarschaftshilfe bis hin zu internationalen Hilfsprojekten. Doch gerade kleine Hilferufe finden auf SOS immer öfter Gehör und damit neue Möglichkeiten der Finanzierung. Das Prinzip des Long Tail, dem zufolge Nischenthemen und -produkte im Internet immer stärker an Bedeutung gewinnen, greift somit über SOS auch im sozialen Internetsektor (Kap. 3.4). Da bisher wenig Literatur über die Verbindung von Social Media mit Online-Spenden besteht, wird in der vorliegenden Arbeit zunächst das Forschungsobjekt der SOS definiert und abgegrenzt. Dafür befassen sich die ersten Kapitel mit jenen Trends, die zur Entstehung von SOS geführt haben, sowie jenen Social-Media-Charakteristika, die einen Großteil der Innovation der neuen Spendenplattformen ausmachen. In einem ersten Resumee wird der Nutzen von SOS für Organisationen und Einzelpersonen festgehalten, da es die Aktivität jener Akteure ist, welche die Funktionalität der Plattformen bedingen und begründen. Der Fokus der Arbeit liegt im weiteren auf dem Nutzen von SOS für den Einsatz im sozialen Tätigkeitsbereich von Unternehmen. Dabei wird das Augenmerk zum einen auf den unternehmerischen Mehrwert eines Einsatzes von SOS im Corporate Giving gelegt, zum anderen werden SOS aus philanthropischer Perspektive als Instrument für die Wahrnehmung und Umsetzung unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung kritisch hinterfragt. Die einzelnen Abschnitte der Arbeit behandeln folgende Themenbereiche. Kapitel 2 gibt eine kurze geschichtliche Einführung in das Thema Spenden und reflektiert deren gesellschaftliche Funktion im Laufe der vergangenen Jahre und Jahrhunderte. Es folgt eine Zusammenfassung über das Ausmaß und die Funktionen heutiger privater und unternehmerischer Spendentätigkeiten. Abschließend wird der Online-Spendenmarkt als Grundlage für die weitere Arbeit einer genauen Analyse unterzogen. Kapitel 3 beschreibt aktuelle Online-Trends und insbesondere das Thema Social Media am vertiefenden Beispiel der sprunghaften Ausbreitung von sozialen Netzwerken. Ein theoretischer Teil gibt Überblick über positive und negative Ansätze der sozialen Internet-Studien, sowie über die Auswirkungen von Web 2.0 und Social Media auf die Unternehmenskommunikation. Kapitel 4 kommt nach einer Kurzbeschreibung über bisherige soziale Initiativen im Internet auf das Thema SOS zu sprechen und beschreibt deren Funktionsweise am Beispiel der Plattform www.betterplace.org. In einer ersten Conclusio wird der Nutzen von SOS für Privatpersonen und Organisationen zusammengefasst. Kapitel 5 bildet die theoretische Grundlage für den Forschungsschwerpunkt über den Einsatz von SOS im Unternehmensumfeld. Dafür werden vorab die Instrumente und Motive philanthropischer Tätigkeiten von Unternehmen analysiert und in die Konzepte Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Citizenship (CC) verortet. Dabei wird auf wissenschaftliche Literatur ebenso zurückgegriffen wie auf privatwirtschaftliche Studien, welche die praktische Sichtweise unternehmerischen Engagements in die Arbeit mit einbringen. Kapitel 6 untersucht schließlich auf Basis der in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse die Plattform www.betterplace.org, die aktuell "größte deutsche Internet-Plattform für soziales Engagement" (Betterplace 2009). Auf der einen Seite werden hierbei die Vor- und Nachteile eines Einsatzes von SOS für die interne sowie externe Unternehmenskommunikation abgewogen, auf der anderen Seite wird unter philanthropischen Gesichtspunkten ihr Potential als Instrument zur Übernahme unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung im Rahmen des CC-Konzepts und im Sinne eines nachhaltigen Strategic Giving hinterfragt. In der abschließenden Conclusio werden die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammengefasst und kritisch diskutiert. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf weitere Forschungsansätze.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: Inhaltsverzeichnisii Abbildungsverzeichnisv Abkürzungsverzeichnis1 1.Einleitung2 2.Spenden5 2.1Historische Einführung5 2.2Spendenfunktionen in modernen Gesellschaften7 2.2.1Definitionen10 2.3Online-Spendenmarkt11 2.3.1Daten und Fakten11 2.3.2Demografische Entwicklungen12 2.3.3Online-Spenden in den USA14 3.Internet Trends16 3.1Web 2.019 3.2Social Media22 3.2.1Social-Media-Anwendungen24 3.2.2Social-Media-Trends29 3.2.3Die Ausbreitung von sozialen Netzwerken30 3.2.4Gründe für die Ausbreitung von sozialen Netzwerken33 3.3Die Auswirkungen von Web 2.0 und Social Media auf die Unternehmenskommunikation38 3.4Positive Ansätze der sozialen Internetstudien42 3.4.1Vernetzung, Partizipation und Transparenz42 3.4.2Long Tail Approach Möglichkeit von Basisdemokratie43 3.5Kritische Ansätze der sozialen Internetstudien44 3.6The Googlization of Philanthropy46 4.Online-Spendenplattformen48 4.1Bisherige Forschung49 4.2Soziale Projekte im Internet50 4.2.1Kreditplattformen52 4.2.2Ideen-, Projekt- und Aktionsplattformen53 4.2.3Online-Spendenportale54 4.3Soziale Online-Spendenplattformen (SOS)56 4.3.1Allgemeine Merkmale von sozialen Online-Spendenplattformen61 4.3.2Fallbeispiel betterplace.org62 4.3.3Finanzierungsmodelle weiterer SOS71 4.4Gründe für die verstärkte Nutzung von SOS73 4.4.1Statistische Faktoren73 4.4.2Nutzen für Organisationen und Privatinitiativen74 4.4.3Nutzen für spendende Privatpersonen82 5.Unternehmensspenden85 5.1Philanthropie im Kontext des Corporate Citizenship85 5.1.1Corporate Giving: Spenden und Sponsoring87 5.1.2Corporate Volunteering: Freiwilliger Arbeitseinsatz91 5.1.3Corporate Foundations: Stiftungen92 5.2Ausmaße und Trends von Corporate-Citizenship-Aktivitäten92 5.2.1Zunehmende Aufwertung von Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship98 5.3Motive für unternehmerische Philanthropie100 5.3.1Kriterien für die Spendenvergabe106 5.4Zusammenfassung und Untersuchungsgrundlage107 6.Praxisbeispiel: Unternehmen auf betterplace.org110 6.1Präsentationsmöglichkeiten auf betterplace111 6.2Unternehmensbezogene Spendenformen über betterplace114 6.2.1Fallbeispiele Pennergame, eBay-LIMAL PAYBACK117 6.3Corporate Giving über betterplace120 6.3.1Der wirtschaftliche Mehrwert der Spendentätigkeit120 6.3.2Die Übernahme unternehmerischer gesellschaftlicher Verantwortung124 6.3.3Greenwashing und Astroturfing126 6.4Unternehmensbezogene Ausbaumöglichkeiten der Plattform betterplace127 6.5Fazit: CSR 2.0 über betterplace130 7.Zusammenfassung und Conclusio134 7.1Online-Spenden + Social Media = SOS134 7.2Der Mehrwert von SOS für Organisationen und Privatpersonen137 7.3SOS im sozialen Tätigkeitsbereich von Unternehmen140 7.3.1Vor- und Nachteile des Einsatzes von SOS im Corporate Giving142 7.4Schlussbemerkung und Ausblick144 Literaturverzeichnis145 Anhang157 Lebenslauf161 Abstracts162Textprobe:Textprobe: Kapitel 5.2, Ausmaße und Trends von Corporate-Citizenship-Aktivitäten: Haibach beziffert den Umfang der im Jahr 2006 in Deutschland getätigten Geld- und Sachspenden von Unternehmen auf 4,6 Milliarden Euro. Dazu kommt eine Milliarde Euro als Ertrag aus Stiftungen, sowie 3,1 Milliarden Euro für ehrenamtliche Tätigkeiten der Unternehmer, weswegen der Gesamtwert von (in ihrem Falle) CSR-Maßnahmen jährlich auf 10,3 Milliarden Euro geschätzt wird. Mecking zufolge können derzeit jedoch keine genauen Aussagen zum Umfang und zur zahlenmäßigen Bedeutung der verschiedenen Formen des Corporate Giving gemacht werden, da es an einer zentralen Statistik zum Spendenaufkommen fehlt. So gehen die Schätzungen zu Unternehmensspenden seiner Recherche zufolge für das Jahr 2006 von 400 bis 800 Millionen Euro und die Schätzungen für kommerzielles Sponsoring von 2,7 bis 4,3 Milliarden Euro auseinander. Die durchschnittliche Höhe der Unternehmensspenden in Österreich betrug einer Befragung des Instituts für Sozialforschung Linz zufolge im Jahr 2008 durchschnittlich 852 Euro, hochgerechnet ergab dies ein Volumen von ca. 180 Millionen Euro an Geldspenden für das Jahr 2008 in Österreich (Public Opinion 2008). Der durchschnittliche Sponsoring-Betrag belief sich auf 320 Euro, was der weit verbreiteten Meinung, dass Unternehmen eher sponsern als spenden, entgegen spricht (zumindest für Unternehmen bis 249 Beschäftige für das Jahr 2008 in Österreich; Public Opinion 2008). Neben absoluten Zahlen ist der prozentuelle Anteil der philanthropisch tätigen Unternehmen ein Indikator für die Verankerung sozialer Werte in der Unternehmenskultur. Einer Studie des Centrum für Corporate Citizenship Deutschland (CCCD) zufolge waren im Jahr 2007 91 Prozent der deutschen Unternehmen im Corporate Giving aktiv. Eine Studie des Consulting-Unternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC) aus demselben Jahr besagt, dass sogar 98 Prozent der Unternehmen zumindest gelegentlich Einzelspenden vergeben. 95 Prozent der Unternehmen haben der Studie zufolge darüber hinaus eine unternehmensinterne Spendensystematik und in der Regel auch ein festes Budget, von dem im Durchschnitt 62 Prozent für Einzelspenden und 38 Prozent für wiederkehrende Spenden verwendet werden. In Österreich zählen sich laut der bereits zitierten Studie des Instituts für Sozialforschung Linz im Jahr 2008 74 Prozent der KMUs zu Spendern. 9 Prozent bezeichneten sich als Nichtspender, 17 Prozent machten keine Angaben. Nur 23 Prozent der Unternehmen gaben an, im Sponsoring aktiv zu sein. Im Jahr 2007 hatten nach gleicher Befragungsmethode noch 82 Prozent der österreichischen Klein- und Mittelunternehmen gespendet. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse der umfassenden Studie des CCCD zum gesellschaftlichen Engagement deutscher Unternehmen aufgezählt. Die Studie geht neben dem Länderschwerpunkt Deutschland besonders auf den transatlantischen Vergleich von CC-Maßnahmen deutscher mit US-amerikanischer Unternehmen ein, worauf im nächsten Unterpunkt der Arbeit Bezug genommen wird. - 95,6% der deutschen Unternehmen engagieren sich gesellschaftlich. - 59% der gesellschaftlich engagierten Unternehmen kooperieren mit anderen Partnern (in der Regel NGOs). - Bei mehr als drei Viertel der Unternehmen gehört das gesellschaftliche Engagement zum unternehmerischen Selbstverständnis und ist Bestandteil der Unternehmenskultur. Gleichwohl betreibt die Mehrheit der deutschen Unternehmen CC-Aktivitäten nicht aus eigener Initiative. - Corporate Giving ist die bevorzugte Form für deutsche Unternehmen sich gesellschaftlich zu engagieren (91% der Unternehmen). 83% vergeben Geldspenden, 60% Sachspenden. - Es besteht ein starker lokal-räumlicher Bezug. Geld- und Sachspenden im regionalen Umfeld dominieren das gesellschaftliche Engagement deutscher Unternehmen. - Lediglich 16% der großen deutschen Unternehmen binden ihr gesellschaftliches Engagement kommunikativ in ihre Marketing- und Vertriebsaktivitäten ein. - Weniger als 40% der befragten Firmen suchen aktiv nach eigenen Handlungsfeldern und Einsatzmöglichkeiten. Die meisten Unternehmen in Deutschland betrachten Corporate Citizenship als Feld für Philanthropie und Wohltätigkeit. Vergleich Deutschland – USA: Laut CCCD können einige Unterschiede in der Auffassung und Anwendung von CC-Aktivitäten zwischen Unternehmen in Deutschland und den USA festgestellt werden. Im Verständnis von CC als Geschäftsstrategie bestehen dabei die größten Unterschiede. In Deutschland erwarten den Ergebnissen der Studie zufolge nur 40 Prozent der Unternehmen, unabhängig von ihrer Unternehmensgröße, einen unmittelbaren geschäftlichen Nutzen von ihrem gesellschaftlichen Engagement. Auf US-amerikanischer Seite sind dies 63 Prozent, unter den Großunternehmen sogar 84 Prozent. Mehr als ein Drittel der Unternehmen in Deutschland gehen außerdem davon aus, dass ihr gesellschaftlicher Einsatz keine Bedeutung für die Zufriedenheit ihrer Kunden hat. Knapp die Hälfte misst der sozialen Aktivität auch keine Bedeutung für die Steigerung der Attraktivität gegenüber Mitarbeitern oder für die Bindung ebendieser bei. Die Werte der US-amerikanischen Unternehmen liegen bei diesen Aussagen bei 11 bzw. 15 Prozent. Es wird jedoch auch festgehalten, dass deutsche Unternehmen die Umsetzungsqualität ihrer CC-Maßnahmen deutlich selbstkritischer beurteilen als ihre US-amerikanischen Pendants. Gemeinsam haben Vertreter beider Länder, dass sie staatliche Einflussnahme auf ihr Engagement gleichermaßen stark ablehnen. Insgesamt zeigt der Vergleich in großer Deutlichkeit, dass das Verständnis von gesellschaftlichem Engagement als Teil der Unternehmensstrategie und -kultur in Deutschland erst bei wenigen Unternehmen angekommen ist. Vor allem fehlt bei vielen deutschen Unternehmen noch die Überzeugung, dass gesellschaftliches Engagement auch wirtschaftlichen Nutzen bringt. Haibach merkt in diesem Zusammenhang an, dass auch die Zivilgesellschaft in Deutschland gefordert ist, selbstbewusster ihre Nutzererwartungen und Ansprüche an Unternehmen zu formulieren. Die Öffentlichkeit und Kunden deutscher Unternehmen haben bislang kaum besondere Erwartungen an deren gesellschaftliches Engagement gestellt, obwohl diese Erwartungen ihrer Ansicht nach tendenziell im Steigen begriffen sind. Strategic Giving: Aus den USA lässt sich ein Trend ablesen, der sich verstärkt auch in Europa unter der Bezeichnung Strategic Giving verbreitet. Der Begriff beschreibt das professionell gemanagte und unter strategischen Gesichtspunkten ausgerichtete soziale Engagement von Unternehmen, das regelmäßig ausgewertet und revidiert wird. Das Konzept ist dabei nicht ausschließlich auf unternehmerische Philanthropie beschränkt und kann ebenso auf philanthropische Tätigkeiten bspw. reicher Stifter und Mäzene seine Anwendung finden.
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,,Künstliche Intelligenz'' ist momentan ein Schlagwort, das mit Innovation und Fortschritt verbunden wird. In vielen Lebensbereichen wird künstliche Intelligenz (KI) verstärkt in unterschiedliche Prozesse integriert, sei es z.B. beim autonomen Fahren oder in der Medizin. Während einige den völligen Kontrollverlust des Menschen über die KI befürchten, setzen andere ihre Hoffnungen auf eine digitale Revolution durch die große Bandbreite an Aufgaben, die KI-generierte Systeme in Zukunft übernehmen könnten. Auch im Bereich Migration gibt es eine Vielzahl neuer technologischer Entwicklungen, die mit künstlicher Intelligenz operieren. Durch sie soll die häufig als unübersichtlich und ineffizient wahrgenommene Migrationspolitik in Zukunft maßgeblich verändert werden. Menschenrechtsorganisationen warnen jedoch vor teilweise verheerenden Gefahren von künstlicher Intelligenz für Menschen auf der Flucht und Migrant*innen. Als besonders vulnerable Gruppe bräuchten sie den Organisationen zufolge mehr Schutz, weshalb zu großer Vorsicht und Zurückhaltung im Umgang mit KI an Grenzen aufgefordert wird. Doch wie sieht der Einsatz von KI im Politikfeld Migration konkret aus? Welche Chancen erhofft man sich davon und wie groß sind die Gefahren? Im Folgenden werden anhand von Beispielen fünf Bereiche vorgestellt, in denen auf künstlicher Intelligenz basierende Instrumente Einfluss auf Migrationsprozesse nehmen. Im Fokus stehen dabei Vorhersagetools, neue Möglichkeiten zur Grenzüberwachung, der Einsatz von KI bei Grenzkontrollen, in Asylverfahren und als Unterstützung im Alltag von Migrant*innen bzw. von Menschen auf der Flucht. Nach der näheren Betrachtung dieser fünf Bereiche wird eingeschätzt, welche Auswirkungen künstliche Intelligenz auf Migrationsprozesse hat und in Zukunft haben könnte. Zu Beginn wird außerdem der jüngst in Kraft getretene AI-Act der Europäischen Union (EU) und damit der rechtliche Rahmen von KI in der EU in Bezug auf Aspekte der Migration beleuchtet.AI-ActSeit dem 1. August 2024 ist der AI-Act in der EU in Kraft, eine Verordnung zum Umgang mit künstlicher Intelligenz. Global handelt es sich dabei um die bislang umfangreichste Verordnung zu diesem Thema, der vielfach eine Vorreiterrolle zugesprochen wurde (vgl. Born 2024). Insgesamt wurde drei Jahre lang am AI-Act gearbeitet, wobei die rasante Entwicklung von KI immer wieder neue Fragen und Überlegungen aufwarf (vgl. Köver 2024). Das Ziel des AI-Acts ist es, die ,,Nutzung und Entwicklung von künstlicher Intelligenz'' (Born 2024) in der EU zu regulieren.Ein Kernelement des AI-Acts ist die Einstufung von KI-Systemen in ein Risiko-Raster. Ein ,,unannehmbares Risiko'' (Europäisches Parlament 2024) liegt bei ,,kognitive[r] Verhaltensmanipulation von Personen oder bestimmten gefährdeten Gruppen'' (ebd.), ,,soziale[…][m] Scoring'' (ebd.), ,,biometrischer Identifizierung und Kategorisierung natürlicher Personen'' (ebd.) sowie bei ,,biometrische[n] Echtzeit-Fernidentifizierungssystemen'' (ebd.) vor. Wenn ein unannehmbares Risiko vorliegt, ist das System dem AI-Act entsprechend in der EU unzulässig. In der ,,Strafverfolgung'' (ebd.) oder bei ,,schwerwiegende[…][n] Fälle[n]'' (ebd.) können jedoch einzelne Ausnahmen gemacht werden.Die darauffolgende Stufe beinhaltet ,,Hochrisiko-KI-Systeme'' (ebd.). Darunter fallen Systeme, ,,die ein hohes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit oder für die Grundrechte natürlicher Personen darstellen'' (ebd.). Hochrisiko-KI-Systeme werden wiederum in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bezieht sich auf die Anwendung von KI in Produkten, die von Produktsicherheitsvorschriften der EU betroffen sind. Die zweite Gruppe umfasst den Gebrauch von KI in besonderen Bereichen, zu denen neben der kritischen Infrastruktur oder der Bildung unter anderem auch die ,,Verwaltung von Migration, Asyl und Grenzkontrollen'' (ebd.) gehört. KI-Systeme, die in hochriskanten Bereichen eingesetzt werden, müssen dem AI-Act entsprechend vor und während des Einsatzes geprüft werden. Außerdem können Bürger*innen über derartige Systeme Beschwerden bei nationalen Behörden einreichen.Das Risiko-Raster im AI-Act beinhaltet außerdem ,,Transparenzanforderungen'' (ebd.). Systeme, die hiervon betroffen sind, gelten zwar nicht als riskant, müssen sich jedoch an Transparenzanforderungen und das Urheberrecht der EU halten. Zu Systemen, die Transparenzanforderungen erfüllen müssen, zählt z.B. ChatGPT. Bei anderen KI-basierten Systemen wie z. B. Spam-Filtern sind keine Regulierungen vorgesehen (vgl. Born 2024).Einige Akteure, wie z.B. Firmen, die KI-basierte Tools entwickeln, sind durch den AI-Act und die neuen Regulierungen verunsichert. Sie befürchten einen Mehraufwand und wirtschaftliche Nachteile durch bürokratische Hürden bei der Entwicklung neuer Technologien (vgl. ebd.). Für andere Akteure gehen die Regulierungen im AI-Act nicht weit genug. Besondere Kritik betrifft in diesem Zusammenhang der Umgang des AI-Acts mit dem Thema Migration, welches im Regelwerk als hochriskantes Gebiet eingestuft wird.Kritik am AI-ActDiese Einordnung reicht nach Einschätzungen verschiedener Nichtregierungsorganisationen jedoch nicht aus, um Menschen auf der Flucht bzw. Menschen während eines Migrationsprozesses ausreichend vor den Gefahren künstlicher Intelligenz zu schützen (vgl. Amnesty International 2024b, S. 22). Das Bündnis ,,#ProtectNotSurveil'' veröffentlichte ein dementsprechendes Statement (vgl. #ProtectNotSurveil 2024). Zu ,,#ProtectNotSurveil'' gehören unter anderem Organisationen wie Amnesty International, Algorithm Watch, European Digital Rights und das European Network Against Racism.Ein Kritikpunkt des Bündnisses ist, dass einige im Migrationskontext angewandte Systeme, die nach Einschätzung der Organisationen ein unannehmbares Risiko tragen, nicht in den Bereich des unannehmbaren Risikos aufgenommen wurden. Einzelne in anderen Bereichen verbotene Praktiken wie die KI-gesteuerte Emotionserkennung sind im Migrationskontext erlaubt. Außerdem bemängelt #ProtectNotSurveil, dass sich Datenbanken wie Eurodac, das Schengen Information System und das Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem (ETIAS), die im Bereich Migration von hoher Bedeutung sind, erst nach mehreren Jahren an die im AI-Act vereinbarten Regelungen halten müssen. Ungeklärt ist außerdem, welche KI-Systeme in der EU entwickelt und aus der EU exportiert werden dürfen. Auch wenn sie in der EU verboten sind, könnten diese Systeme negative Auswirkungen auf Geschehnisse außerhalb der EU haben.Zudem wird kritisiert, dass es einige im AI-Act dokumentierte Ausnahmen der Regeln des AI-Acts gibt, die den Missbrauch von KI im Kontext von Migration begünstigen können. Eigentlich beinhaltet der AI-Act eine Regel, dass öffentliche Akteure transparent mit dem Nutzen hochriskanter Systeme umgehen müssen. Die Öffentlichkeit muss einen Zugang zu Informationen über die genaue Verwendung der Systeme besitzen. Ausgenommen von dieser Pflicht zur Transparenz sind Behörden, die sich mit Strafverfolgung und Migration befassen. Obwohl Menschen- und Persönlichkeitsrechte in diesen Bereichen besonders gefährdet sind, herrscht hier keine Transparenz, sodass #ProtectNotSurveil zufolge der Gesamtbevölkerung und Journalist*innen die nötige Kenntnis über das Vorgehen der Behörden vorenthalten wird.Weitere Ausnahmen von den Regeln im AI-Act können gemacht werden, wenn Nationalstaaten ihre nationale Sicherheit bedroht sehen und der Einsatz künstlicher Intelligenz für diese Sicherheit notwendig ist. Mit diesem Argument, das sich auch auf Migrationsprozesse beziehen kann, könne dem Bündnis entsprechend theoretisch jede Vereinbarung des AI-Acts gebrochen werden.Einsatzmöglichkeiten von KI im Kontext von MigrationBis der AI-Act gänzlich umgesetzt wird, dauert es noch einige Jahre. Während dieses Zeitraums ist absehbar, dass auch im Bereich Migration neue Technologien entwickelt werden, die dann möglicherweise neue Regeln fordern. Einige Entwicklungen, die heute schon in der Praxis angewandt oder getestet werden, werden im Folgenden vorgestellt. Ein Fokus liegt dabei auf Vorgängen innerhalb der EU und der Bundesrepublik.Viele von ihnen verbindet, dass sie eine stärkere und strengere Kontrolle und Beschränkung von Migration bewirken sollen. Einer Umfrage der ARD aus dem Jahr 2023 entsprechend hielten damals 82% der Befragten eine ,,Verstärkung von Grenzkontrollen'' (Ehni 2023) für richtig. Die ,,Integration in die Gesellschaft'' (ebd.) sowie die ,,Integration in den Arbeitsmarkt'' (ebd.) von Geflüchteten bewerteten dagegen jeweils 78% der Befragten eher schlecht oder sehr schlecht (vgl. ebd.). Es herrscht demnach Unzufriedenheit mit der momentanen Migrationspolitik, für die nach der Einschätzung von 64% der in der Studie befragten Personen auf europäischer Ebene Lösungen gefunden werden müssten (vgl. ebd.).Insgesamt besitzt die EU eine ca. 12.000 km lange Land- sowie eine ungefähr 45.000 Kilometer lange Seegrenze (vgl. Rust 2020). Für das Passieren dieser Grenze nehmen jährlich Tausende eine lebensgefährliche Flucht auf sich. Wenn Grenzgebiete stärker kontrolliert und bewacht werden, so wählen viele Menschen noch gefährlichere Routen (vgl. Beiter/Ammicht/Klügel 2022). Nach Angaben der EU starben ,,zwischen 2015 und 2020 mehr als 13.000 Menschen bei dem Versuch, Europa über das Mittelmeer zu erreichen'' (ebd.). Die Route über das Mittelmeer gilt daher als die ,,gefährlichste Fluchtroute der Welt'' (Pesavento 2023).Menschen auf der Flucht sind auf Schutz und Hilfe angewiesen, nach der UN-Menschenrechtskonvention besitzen sie ein Recht auf Asyl (vgl. Cremer 2016, S. 40). Die Notlage der betroffenen Menschen oder der Fachkräftemangel in vielen europäischen Staaten zählen zu einer Vielzahl an Argumenten, die eine allgemein weniger auf Grenzschutz und Abschottung ausgerichtete Migrationspolitik stützen. Bei der Betrachtung der nun aufgeführten Technologien sollte diese Grundsatzüberlegung mitgedacht werden. Begonnen wird mit der Verwendung künstlicher Intelligenz zur Vorhersage von Migration. Dieses Feld ist momentan im Aufschwung begriffen, da immer mehr Tools entwickelt und ihre Möglichkeiten erweitert werden.Vorhersage von MigrationTools zur Vorhersage bestimmter Prozesse werden in beinahe allen Bereichen des politischen Geschehens verwendet, z.B. in Anbetracht der Bevölkerungsentwicklung, ökonomischer Veränderungen oder des Klimawandels. Der Einsatz von KI für derartige Vorhersagen verspricht eine hohe Geschwindigkeit der Vorhersagen, eine schnelle Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen und eine vermeintlich objektive Einschätzung der Lage. Durch die Eingabe von Daten in KI-gesteuerte Vorhersagesysteme kann eine Vielzahl verschiedener Faktoren beachtet werden, aus denen dann Vorhersagen über Migrationsbewegungen, deren Routen und Ursachen getroffen werden sollen (vgl. Bither/Ziebarth 2020, S. 12). Dabei können beispielsweise Daten zur politischen Lage, zu klimatischen Veränderungen oder zu sozialen Situationen kombiniert und ausgewertet werden. Außerdem trägt das Erstellen digitaler Identitäten, z. B. durch die digitale Verfügbarkeit von persönlichen Daten und Bewegungsdaten zu einer leichteren Vorhersage von Migrationsbewegungen bei (vgl. Monroy 2022). Vor allem Daten aus Telefongesprächen, Suchmaschinenanfragen oder Bewegungsdaten, die in klassischen Prognosen noch nicht beachtet wurden, können Erkenntnisse aufzeigen, die aus tradierten Vorhersagen nicht gewonnen werden können (vgl. Angenendt/Koch/Tjaden 2023, S. 11). Im Allgemeinen wird daran kritisiert, dass die Menschen, die sich z.B. auf der Flucht in einer Notsituation befinden, in solchen Vorhersagen als eine Zahl betrachtet werden, hinter der die Individuen, ihr Leid und ihre Not verblassen. Diese Zahl kann auch zu populistischen Zwecken genutzt werden, indem schutzbedürftige Menschen als Gefahr dargestellt werden und Hetze gegen sie betrieben wird (vgl. Langrand 2024). Bei Migration handelt es sich zudem um ein sogenanntes ,,wicked problem[…]'' (Angenendt/Koch/Tjaden 2023, S. 9), das sehr schwer durchschaubar ist. Einige politische Ereignisse, die für Migrationsprozesse entscheidend sind, können auch von künstlicher Intelligenz nicht exakt eingeschätzt werden (vgl. Angenendt/Koch/Tjaden 2023, S. 9). Wie genau eine KI-generierte Prognose ausfallen kann, hängt außerdem von der Qualität und der Quantität der Daten ab. Ob diese Schwierigkeit durch eine genauere Datenerfassung bei Migrant*innen behoben werden sollte, ist jedoch umstritten. Der Gebrauch der Daten von Migrant*innen kann für diese gefährlich werden, wenn beispielsweise die Migrationsrouten verfolgter Menschen berechnet werden. Das Vorhandensein genauer Daten dieser Menschen könnte dazu führen, dass sie der Verfolgung nicht entkommen können (vgl. Bither/Ziebarth 2020, S. 13).Wie in den meisten anderen Lebensbereichen auch, können unzureichend geschützte Daten ausgenutzt werden. So wird auch befürchtet, dass menschenrechtswidrige Pushbacks, also illegale Rückführungen von Menschen auf der Flucht, durch die Möglichkeit einer genauen Ortung betroffener Personen erleichtert werden (vgl. Langrand 2024). Selbst wenn eine hohe Datenmenge verfügbar ist, ist der Umgang mit dieser komplex. Schließlich nehmen auch höchst individuelle Aspekte wie Wünsche und Vorstellungen, die Familienzusammengehörigkeit oder spontane Begegnungen auf Migrationsverläufe Einfluss (vgl. Langrand 2024). Trotz dieser Risiken ist die Forderung nach Vorhersagesystemen im Bereich Migration groß. Ein Grund dafür ist der wachsende Wunsch nach einer stärker evidenzbasierten Migrationspolitik (vgl. Beduschi 2021, S. 576). KI-generierte Prognosen könnten, obwohl sie bislang recht ungenau sind, von diesen Akteuren geforderte Daten liefern. Man erhofft sich außerdem, durch eine gemeinsame Datengrundlage zwischen am Migrationsprozess beteiligten Institutionen besser kooperieren und organisieren zu können.Zum einen könnten bereits im Vorhinein Ressourcen zur Hilfe für schutzbedürftige Personen bereitgestellt werden, zum anderen könnten auch erweiterte Grenzkontrollen etabliert werden (vgl. Bither/Ziebarth 2020, S. 13). Der wohl größte Nutzen, der von Vorhersagetools erhofft wird, ist die Möglichkeit, durch langfristige Vorhersagen bereits Ursachen für Migration vorhersagen und verhindern zu können (vgl. Langrand 2024). Dieser Vorstellung nach müssten sich Menschen dann gar nicht erst auf die Flucht begeben. Schlussendlich sind alle Chancen und Risiken der Vorhersage davon abhängig, wie politische Akteure auf die Prognosen reagieren und wie sie diese nutzen. Wie bei den meisten technischen Entwicklungen können sie positiv und negativ genutzt werden. Schon heute werden KI-gesteuerte Prognosesysteme für Migrationsprozesse in der EU angewandt. Die meisten dieser Systeme stehen jedoch noch am Anfang ihrer Entwicklung oder befinden sich in der Testphase. Ein Beispiel für die zukünftige Verwendung KI-gesteuerter Vorhersagesysteme bietet die European Union Agency for Asylum (EUAA), eine Agentur der EU, welche die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems unterstützt. Für einen Monat im Voraus berechnet der DynENet-Algorithmus der EUAA die ,,Zahl neuer Asylgesuche in der EU'' (Angenendt/Koch/Tjaden 2023, S. 29). Beim DynENet-Algorithmus handelt es sich um den bislang im Vergleich mit anderen Programmen in Europa am weitesten entwickelten Algorithmus. Dennoch ist er noch nicht in der Lage, Migrationsprozesse in ganz Europa für alle Mitgliedsstaaten und unter der Beachtung aller möglicher Routen und Ereignisse vorherzusagen.Daneben wird ein KI-gesteuertes Prognoseinstrument der EU-Kommission namens ,,Forecasting and Early Warning Tool'' entwickelt, welches ,,ungeregelte Wanderungsbewegungen in Richtung EU'' (ebd.) für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten prognostizieren soll. Auch die Bundesrepublik nutzt mit der vorausschauenden Migrationsanalyse ein Tool, das ,,ungeregelte Wanderungsbewegungen in Richtung Deutschland'' (ebd.) für bis zu ein Jahr im Voraus vorhersagen soll. (vgl. ebd.) Neben der EU und Nationalstaaten nehmen auch Hilfswerke wie das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) oder Save The Children KI-generierte Vorhersagesysteme in Gebrauch. Diese Systeme sind meist auf einen bestimmten zeitlichen und räumlichen Kontext fokussiert. Das Vorhersageinstrument ,,Venezuela-Brazil Border Scenarios'' der UNHCR versucht zum Beispiel, Migration aus Venezuela nach Brasilien vorherzusagen, um den Bedarf an humanitärer Hilfe besser einschätzen zu können. Da die wichtigen Einflussfaktoren hierbei begrenzt sind, fällt der KI das Lernen aus den Geschehnissen leichter. Dennoch benötigt auch die Installation eines solchen eher überschaubaren Programms nach Angaben der UNHCR Innovation Unit ca. ein Jahr, um funktionsfähig zu werden (vgl. Angenendt/Koch/Tjaden 2023, S. 29f.).In der EU werden Prognoseinstrumente im Bereich Migration also bereits verwendet und weiterhin entwickelt. Mit ihnen sind Hoffnungen auf eine besser organisierte und vorbereitete Migrationspolitik verbunden. Vor den Gefahren dieser Systeme sind Menschen auf der Flucht momentan nach Einschätzungen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (2024b) unzureichend geschützt. Vorhersagesysteme stellen Zahlen und Daten bereit, die dann von politischen Akteuren in vielfältiger Weise genutzt werden könnten. Eine noch aktivere Rolle könnte KI in Zukunft bei der Überwachung von Grenzen übernehmen.Überwachung der Grenzen Eine Flucht über das Mittelmeer ist riskant. Jährlich sterben dort tausende Menschen bei dem Versuch, Europa zu erreichen. Seenotrettungsorganisationen engagieren sich dafür, die Lage für Menschen auf der Flucht zu verbessern und sie zu retten. Andererseits werden immer wieder Fälle illegaler Pushbacks auf dem Mittelmeer bekannt. Unter einem Pushback versteht man ,,illegale Zurückweisungen von Geflüchteten'' (Lehner 2023). Illegal sind sie deshalb, weil Menschen ein Recht auf Asyl haben und nicht in ein Gebiet zurückgeschickt werden dürfen, in dem ihnen ,,Verfolgung, Folter oder Lebensgefahr droht'' (Lehner 2023). In einer solchen Grenzregion am Mittelmeer in Griechenland wurden in der Vergangenheit Überwachungssysteme getestet, die mit KI operieren. Die Systeme sind jedoch im Allgemeinen nicht nur für die Grenzregion, sondern auch zur Überwachung des ,,Grenzvorbereichs'' (Algorithm Watch/ZDF Magazin Royale 2024) angedacht. Dieser umfasst nach Einschätzungen einer Recherche des ZDF Magazins Royale und der Organisation Algorithm Watch (2024) auch noch Gebiete Nordafrikas und der Sahelzone. ROBORDER und NESTOR – so nennen sich zwei der Forschungsprojekte, bei denen der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Grenzüberwachung europäischer Außengrenzen erprobt wurde. Das ältere der beiden Projekte ist ROBORDER, eine Abkürzung für einen ,,autonomous swarm of heterogeneous RObots for BORDER surveillance'' (ebd.). Dabei handelt es sich um ein System aus einem Schwarm autonomer Roboter, die eine automatische Grenzüberwachung vornehmen können. Sie bewegen sich an Land, in der Luft, auf und unter Wasser, und können dadurch große Gebiete überwachen.Die Roboter erkennen Menschen als solche und bewerten eigenständig, ob diese für den Grenzschutz von Interesse sind (vgl. Lulamae 2022b). Wenn dies der Fall ist, geben die Roboter die Informationen an den Grenzschutz oder anderes Sicherheitspersonal weiter (vgl. Jäger/Klima/Lich/Streib 2024b). Im Rahmen des Programms Horizon 2020 wurden ca. acht Millionen Euro von der EU in das Projekt investiert. ROBORDER selbst gibt an, dass es gegen Kriminalität an Grenzen verwendet werden kann.Der Professor für Robotik Noel Sharkey äußerte die Befürchtung, dass Systeme wie ROBORDER leicht mit Munition ausgestattet und dann zu militärischen Zwecken genutzt werden könnten. Außerdem könnten illegale Pushbacks durch Systeme wie ROBORDER deutlich erleichtert werden. Mittlerweile wurde das Projekt ROBORDER abgeschlossen, wobei es nun ein darauf aufbauendes Projekt namens REACTION gibt (vgl. Algorithm Watch/ZDF Magazin Royale 2024). Ein weiteres in diesem Kontext relevantes System ist NESTOR, das ebenfalls von EU-Geldern finanziert wurde. Auch zu diesem Projekt recherchierten das ZDF Magazin Royale und die Nichtregierungsorganisation Algorithm Watch. Der Name NESTOR ist eine Abkürzung für ,,aN Enhanced pre-frontier intelligence picture to Safeguard The EurOpean boRders''. Es funktioniert im Grundsatz ähnlich wie ROBORDER. Das Kernelement ist ein autonomer Schwarm an Robotern, der wieder weitläufige Regionen beobachten und selbst entscheiden kann, wann eine Beobachtung von Interesse ist. Die Roboter sind mit der Virtual-Reality-Brille eines Menschen verknüpft. Diese Person kann sich das von den Robotern übermittelte Bild der Lage in Echtzeit ansehen und die Informationen an weitere Personen übermitteln (vgl. ebd.). Algorithm Watch und das ZDF Magazin Royale forderten Unterlagen bezüglich der beiden Projekte von der European Research Executive Agency (REA) an. In den dem Rechercheteam übermittelten Unterlagen zum Projekt NESTOR waren 169 von 177 Seiten geschwärzt. Im Rest des Textes wurden dennoch einige Gefahren niedergeschrieben. Dazu gehört der Missbrauch von NESTOR ,,für Kriminalität oder Terrorismus'' (ebd.), um ,,Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten zu beschneiden'' (ebd.) und um ,,Menschen zu stigmatisieren, zu diskriminieren, zu belästigen oder einzuschüchtern'' (ebd.). Die Entwicklung und mögliche Etablierung der Technologien gehen also mit tiefgreifenden Risiken einher. Derartige Befürchtungen betreffen jedoch nicht nur die Überwachung von Grenzen, sondern auch die Vorgänge bei Grenzkontrollen.Grenzkontrollen Die Digitalisierung der Grenzkontrollen ist auf Flughäfen und anderen Grenzübergängen heute schon Normalität. Biometrische Informationen von Menschen, die eine Grenze überqueren wollen, werden von Regierungen, aber auch beispielsweise von Fluggesellschaften erfasst und gespeichert (vgl. Beiter/Ammicht/Klügel 2022). Wie bei den Vorhersagesystemen ist auch hier der Schutz der Daten sehr wichtig. Sie können z.B. Aufschluss über gesundheitliche Schwierigkeiten oder die sexuelle Orientierung einer Person geben, was in bestimmten Zusammenhängen zum Verhängnis werden kann (vgl. Amnesty International 2024b, S. 20).Auf Flügen wird teilweise durch biometrische Gesichtserkennung das Boarding automatisiert und kontrolliert. Außerdem ermöglicht die Erfassung biometrischer Daten in Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz eine automatisierte Entscheidung darüber, ob ein Mensch eine Grenze passieren darf oder nicht. Die künstliche Intelligenz kann die biometrischen Daten mit anderen Daten z.B. bezüglich bestimmter Routen abgleichen und daraufhin eine Risikoeinschätzung vornehmen. Derartige Einschätzungen durch KI scheinen auf den ersten Blick objektiver als menschliche Entscheidungen. Für die Digitalisierung der Grenzen in der EU von Bedeutung ist das System iBorderCtrl, das durch die EU finanziert wurde (vgl. Algorithm Watch/ZDF Magazin Royale 2024). IBorderCtrl bezeichnet ein umfangreiches Konzept zur Digitalisierung von Grenzen, welches an einigen Stellen mit KI arbeitet. Ein Teil von iBorderCtrl ist eine Art ,,Lügendetektor''. Wie der Name bereits vermuten lässt, beruht dieser auf der Annahme, dass Menschen an Grenzübergängen lügen.Im ,,Lügendetektor'' von iBorderCtrl spricht ein als Polizist designter Avatar mit Menschen, die die Grenze passieren möchten. Je nach Geschlecht, Herkunft und Sprache wird der Avatar für die jeweiligen Gesprächspartner*innen personalisiert und kann freundlich oder streng sein (vgl. Beiter/Ammicht/Klügel 2022). Bevor der Lügendetektor zum Einsatz kommt, müssen die Migrant*innen ihre Unterlagen zur Verfügung stellen. Ergibt die Betrachtung der Unterlagen die Einschätzung eines höheren von der Person ausgehenden Risikos, so ist das Gespräch mit dem Lügendetektor umfassender und detaillierter als bei anderen Personen (vgl. Boffey 2018). Durch die Erfassung und Verarbeitung verschiedener Aspekte der Sprache und der Mimik soll das System Lügen erkennen und entsprechend auffällige Personen dürften dann nicht die Grenze passieren. Gegenüber der niederländischen Zeitung ,,De Volskrant'' bezweifelte Bruno Verschuere, ein forensischer Psychologe der Universität Amsterdam, die Funktionsfähigkeit des Lügendetektors. Non-verbale Äußerungen in der Mimik eines Menschen könnten keine Auskunft darüber geben, ob ein Mensch lüge oder nicht. Die Annahme, lügende Menschen würden Zeichen von Angst und Unsicherheit zeigen, sei falsch. Ihm zufolge habe das System von iBorderCtrl keine wissenschaftliche Grundlage (vgl. Boffey 2018). In Tests erwies es sich bereits als fehleranfällig. So beantwortete eine Journalistin der Website ,,The Intercept'' alle Fragen korrekt, dennoch wurden vier der 16 von ihr beantworteten Fragen von iBorderCtrl als Lügen eingestuft. Ihr wurde daraufhin von einem zuständigen Polizisten mitgeteilt, dass iBorderCtrl dem Sicherheitspersonal in ihrem Fall weitere Untersuchungen empfiehlt (vgl. Gallagher/Jona 2019). Menschen, die traumatisiert sind oder sich in einer extremen Notlage befinden, reagieren zudem teilweise mit großer Angst auf den Avatar und sind im Gespräch nervös. Die Angst der Menschen, die sich auch in ihrer Mimik zeigt, wird von der künstlichen Intelligenz als Hinweis auf eine Lüge gewertet. In diesem Fall würde also bei psychisch besonders belasteten Menschen, die Angst haben und nervös sind, eine Abweisung empfohlen (vgl. Beiter/Ammicht/Klügel 2022). Außerdem konnten dem System rassistische und sexistische Vorurteile nachgewiesen werden. Fehleinschätzungen geschahen in Tests häufiger bei People of Colour und Frauen (vgl. Lehner 2023). Die Beraterin für die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen bei Amnesty International, Charlotte Phillips, sieht das ,,Recht auf Nichtdiskriminierung und andere Menschenrechte'' (Amnesty International 2024a) durch die neuen Technologien bedroht. Sie würden ,,Grenzregime, die sich unverhältnismäßig stark auf rassifizierte Menschen auswirken'' (ebd.), verstärken. Die Annahme, KI-generierte Systeme seien objektiver und weniger rassistisch oder sexistisch als Menschen, teilt die Expertin in diesem Zusammenhang also nicht. Eher würde derartige Diskriminierung durch die KI verstärkt. Ein ähnliches System wie der Lügendetektor von iBorderCtrl, das auf einem Flughafen in Rumänien getestet wurde, wurde von Frontex in Bezug auf die ,,Treffsicherheit'' (Lehner 2023) als ,,zweifelhaft'' (Lehner 2023) bezeichnet. Von den Entwickler*innen von iBorderCtrl wird betont, dass die Entscheidung über Rückführungen bzw. das Passieren der Grenze nicht alleine dem Lügendetektor überlassen wird (vgl. Jäger/Klima/Lich/Streib 2024a). Dieser ist nur ein Teil in einem längeren Prozess, an dem Mensch und KI beteiligt sind. Die hohe Fehleranfälligkeit und die fragwürdige wissenschaftliche Grundlage des Lügendetektors sind jedoch starke Argumente gegen dessen Implementierung. Auch wenn betont wird, dass finale Entscheidungen immer einem Menschen und nicht der KI obliegen, so können Fehleinschätzungen der KI dennoch die Entscheidung von Menschen beeinflussen (vgl. Windelband 2018).Asyl- und Visaverfahren Auch Asyl- und Visaverfahren werden vermehrt von künstlicher Intelligenz unterstützt. Die Zeitung NCR Handelsblad und die Organisation Lighthouse Reports haben aufgedeckt, dass in den Niederlanden bei Bewerbungen um Visa Risikobewertungen und ein Profiling durch KI-generierte Systeme vorgenommen werden. Auch in Großbritannien wurden solche Systeme bei der Visavergabe eingesetzt.Alter, Geschlecht und Nationalität einer Person wurden von der KI als Kriterien für das von der Person ausgehende Risiko für den Staat und der daraus resultierenden Chance auf ein Visum verwendet. Hierbei wäre es wichtig, dass Menschen, die sich auf ein Visum bewerben, Transparenz über die Kriterien und das Vorgehen der künstlichen Intelligenz erhalten. Wenn jedoch auch Menschen nicht durchschauen können, wie die KI operiert, so liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein ungerechtes und diskriminierendes Verfahren handeln könnte (vgl. Lehner 2023). Ähnliche Vorgehensweisen gibt es auch in Asylverfahren. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung bzw. des organisatorischen Aufwands von Behörden im Zusammenhang mit Asylverfahren soll in Deutschland vermehrt auf KI gesetzt werden (vgl. Kossakowski 2024). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) greift so zum Beispiel schon seit längerem auf eine Software zur Dialektidentifikation zurück. Dabei soll eine künstliche Intelligenz anhand von Sprachproben einer Person erkennen, wo diese Person ihrem Dialekt entsprechend aufgewachsen ist. Das Ziel ist es, vermeintlich falsche Angaben von Asylsuchenden über ihre Herkunft aufdecken bzw. richtige Angaben bestätigen zu können. Dass derartige Systeme überhaupt Anwendung finden, basiert also wie bei dem Lügendetektor von iBorderCtrl auf der Unterstellung, Menschen würden in diesem Bereich lügen (vgl. Biselli 2020). Auf Anfrage von Clara Bunger, einer Bundestagsabgeordneten der Partei DIE LINKE, wurde angegeben, dass das BAMF die Software seit 2022 zur Erkennung von Farsi, Dari-Persisch, Pashto, Irakisch-Arabisch, Maghrebinisch, levantinischem Arabisch, Golf-Arabisch und ägyptischem Arabisch einsetzt. Die Daten zur Erkennung dieser Sprachen bezieht das BAMF unter anderem aus dem Linguistic Data Consortium (LDC) der University of Pennsylvania. Der Leiter des LDC Mark Liberman bezweifelt, dass gesprochenes Farsi, Dari-Persisch und Pashto durch eine Software eindeutig voneinander unterschieden werden könnten (vgl. Lulamae 2022a). Während sich einige Dialekte auch über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg sehr ähneln und kaum zu unterscheiden sind, gibt es auch Dialekte und Sprachen, die sich stark voneinander unterscheiden, obwohl der Großteil der Sprecher*innen im gleichen Nationalstaat oder der gleichen Region wohnt. Hinzu kommt, dass individuelle Lebensgeschichten einen starken Einfluss auf den Sprachgebrauch haben, der dann unter Umständen nicht mit den von der KI verwendeten Daten übereinstimmt. Unter anderem aus diesen Gründen ist es recht schwierig, anhand eines Dialekts auf die genaue Herkunft einer Person schließen zu wollen (vgl. Biselli 2020). Auch das BAMF selbst rechnet mit einer Fehlerquote des Systems von 15 Prozent. Es betont, dass Entscheidungen über Menschenleben nicht allein von den Auswertungen der Dialekterkennungssoftware getroffen werden, sondern immer noch von Menschen getätigt werden (vgl. Biselli/Meister 2019). Welche Auswirkungen die Einschätzungen der Dialekterkennung jedoch in Einzelfällen haben und wie kritisch die Ergebnisse hinterfragt werden, lässt sich schwer nachprüfen. Aufgrund der vielen Unsicherheiten und der hohen Fehlerquote der Dialekterkennungssoftware des BAMF steht dieses Vorgehen stark in der Kritik. Dennoch möchten immer mehr Staaten eine ähnliche Software entwickeln und orientieren sich dabei am in Deutschland eingesetzten Modell (vgl. Lulamae 2022a).KI zur Unterstützung von Migrant*innen und Menschen auf der Flucht Die oben aufgeführten, mit künstlicher Intelligenz arbeitenden Systeme haben häufig zum Ziel, Migration zu begrenzen bzw. stärker zu kontrollieren und zu regulieren. Sie sollen also vorrangig Behörden und andere Akteure im Grenzschutz unterstützen. Neben diesen Systemen wird jedoch auch an einer Vielzahl an Tools gearbeitet, die für Migrant*innen und Menschen auf der Flucht im Alltag von Vorteil sein sollen. Ihnen soll durch derartige Angebote beispielsweise die Organisation ihrer Flucht, der Umgang mit Behörden und der Integrationsprozess erleichtert werden. Allgegenwärtig sind in diesem Zusammenhang Tools zum Erwerb neuer Sprachen oder zum Übersetzen. Derartige Möglichkeiten werden auch von öffentlichen Institutionen wie Krankenhäusern vermehrt etabliert, so z.B. im Kehler Ortenau Klinikum (vgl. Veenstra 2024). Menschen, die eine Übersetzung benötigen, sind dann nicht mehr auf einen Dolmetscher angewiesen und haben die Möglichkeit, ihre Anliegen in eigenen Worten vorzutragen und verstanden zu werden. Außerdem können Chatbots zur Rechtsberatung und zur psychotherapeutischen Erstversorgung für Menschen in Notsituationen sehr hilfreich sein. Der Chatbot ,,Free Robot Lawyers'' bietet z.B. eine kostenlose Rechtsberatung für Menschen auf der Flucht oder während des Migrationsprozesses an (vgl. Bither/Ziebarth 2020, S. 9). Ein anderer Chatbot namens ,,Karim der Chatbot X2AI'' wurde zu psychotherapeutischen Zwecken in einem Flüchtlingslager eingesetzt (vgl. Bither/Ziebarth 2020, S. 9).Weitere Innovationen sollen Menschen im Integrationsprozess dabei helfen, mit der Unterstützung von KI schneller eine Arbeitsstelle zu finden oder bestimmte behördliche Vorgänge zu verstehen und begleiten zu können. Es gibt also auch eine Vielzahl an Tools und Angeboten, die mit künstlicher Intelligenz arbeiten, deren positiver Nutzen für Menschen auf der Flucht und Migrant*innen unumstritten ist.Zusammenfassung und Fazit: Wie kann künstliche Intelligenz in Zukunft auf Migrationsprozesse Einfluss nehmen?Systeme mit künstlicher Intelligenz sind im Bereich Migration in einer rasanten Entwicklung begriffen. So werden z.B. Vorhersagesysteme immer weiter ausgebaut. Sie können einerseits bei der Vorbereitung von Ressourcen für Geflüchtete helfen und im besten Fall sogar Ursachen für Migration vorhersehen und bekämpfen. Andererseits könnten die Daten aus Vorhersagesystemen missbraucht werden, und die Vorhersagen könnten z.B. bei der Durchführung illegaler Pushbacks genutzt werden. Auch die Überwachung von Grenzen wird in Zukunft vermehrt mit KI durchgeführt werden. Die von der EU mitfinanzierten Drohnen- und Robotersysteme tragen ein hohes Risiko zum Missbrauch für militärische Aktionen und Pushbacks mit sich. Beim Grenzübergang und während Asyl- bzw. Visaverfahren werden immer wieder KI-generierte Auswahlsysteme und ,,Lügendetektoren'' eingesetzt. Auch wenn dies eine Arbeitserleichterung für die Behörden bedeutet, können derartige Systeme mit rassistischen und sexistischen Vorurteilen behaftet sein und diskriminierende Praktiken fortschreiben und verstärken. Die wissenschaftliche Grundlage von ,,Lügendetektoren'' an Grenzübergängen ist außerdem höchst umstritten. Positive Auswirkungen von KI für den Alltag von Geflüchteten und Migrant*innen zeigen sich beim Integrationsprozess, da die KI z.B. beim Erwerb einer neuen Sprache oder bei der Jobsuche behilflich sein kann. Schon heute ist künstliche Intelligenz nicht mehr aus dem politischen Geschehen wegzudenken. Im AI-Act der EU, der ersten Verordnung dieser Art, wird betont, dass der Einsatz von KI-basierten Technologien im Bereich Migration ein hohes Risiko mit sich bringt. Das Bündnis #ProtectNotSurveil kritisierte dennoch einen Mangel an Schutz für Migrant*innen und geflüchtete Menschen vor den Gefahren der KI.Ein Blick auf die Vielfalt an Einflussmöglichkeiten, die KI auf Migrationsprozesse nehmen kann, zeigt, dass die Sorge vor problematischen Aktionen durch KI nicht unberechtigt ist. Wie auch bei anderen Technologien zeigt sich bei KI-basierten Systemen, dass sie je nach Verwendung eine Chance aber auch eine Gefahr darstellen können. Bei der Bewertung von KI-gestützten Technologien kommt es also weniger auf die Systeme an sich an, sondern stärker darauf, wie verantwortungsbewusst mit ihnen umgegangen wird.QuellenAlgorithm Watch/ZDF Magazin Royale (2024): Wie die EU mit Künstlicher Intelligenz ihre Grenzen schützen will (fuckoffai.eu) <https://fuckoffai.eu/> (11.09.2024)Amnesty International (2024a): Amnesty warnt vor zunehmendem Einsatz digitaler Technologien zur Migrationskontrolle (Amnesty International vom 05.02.2024) <https://www.amnesty.ch/de/themen/asyl-und-migration/dok/2024/global-amnesty-warnt-vor-zunehmendem-einsatz-digitaler-technologien-zur-migrationskontrolle> (08.09.2024)Amnesty International (2024b): Primer - Defending the Rights of Refugees and Migrants in the Digital Age, Amnesty International: London.Angenendt, Steffen/Koch, Anne/Tjaden, Jasper (2023): Die Prognose ungeregelter Wanderungen - Große Erwartungen, begrenzter Nutzen – SWP-Studie 10, Stiftung Wissenschaft und Politik/Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit: Berlin.Beduschi, Ana (2021): International migration management in the age of artificial intelligence. 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