Benötigen wir eine Harmonisierung der Sozialpolitik in der EU?
In: Schriftenreihe des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung, S. 164-177
Abstract
Ein Ziel der Harmonisierung der Sozialpolitik innerhalb der Europäischen Union ist es, die durch die internationale Wanderung ausgelösten Belastungen der sozialen Sicherungssysteme in den Mitgliedsstaaten zumindest teilweise zu verhindern. Der Beitrag analysiert, inwiefern vor dem Hintergrund existierender und zu erwartender Migrationsströme ein solches Harmonisierungsstreben aus ökonomischer Sicht sinnvoll und notwendig ist. Dazu wird in einem ersten Schritt der gegenwärtige Zustand der sozialen Sicherungssysteme in der EU erörtert. In einem zweiten Schritt werden in einem theoretischen Rahmen mögliche Probleme der Freizügigkeit von Arbeitskräften analysiert. Auf der Basis einer Analyse der im Kontext von Effizienzgewinnen und Umverteilungspolitik entstehenden Verzerrungen und Probleme werden dann mögliche Politikmaßnahmen bezüglich der Harmonisierung der Sozialpolitik de EU kritisch durchleuchtet und evaluiert. Ein empirisch orientiertes Kapitel widmet sich der Quantifizierung des durch die Osterweiterung der EU entstehenden Migrationspotenzials und der verteilungspolitisch bedingten Migrationsanreize. Sowohl die empirschen als auch die theoretischen Ergebnisse begründen eine Ablehnung einer weitgehenden Harmonisierung der Sozialpolik in der EU. Demnach sind die Wanderungsanreize für eine Ost-West-Wanderung durch eine umverteilungsorientierte Sozialpolitik keineswegs so bedeutsam, dass sie eine weitgehende Harmonisierung rechtfertigen, und es muss zudem mit weniger Einwanderung gerechnet werden als üblicherweise befürchtet wird. Außerdem würde durch eine vollkommene Harmonisierung der Wettbewerb zwischen den Nationalstaaten verhindert. Der Beitrag plädiert für eine sozialrechtlich verzögerte Integration, da damit das potenzielle Problem einer ineffizienten, umverteilungsorientierten Sozialpolitik weitestgehend eliminiert wird, ohne dabei die allokativ erwünschte lohninduzierte Wanderung zu verhindern. (IAB)
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