Wahrheitsschäden: gibt es eine soziale Verantwortung für wissenschaftliche Hypothesen?
In: Freiheit der Wissenschaft: Beiträge zu ihrer Bedeutung, Normativität und Funktion, S. 149-175
Abstract
Der Verfasser schildert den Fall des amerikanischen Molekularbiologen und Nobelpreisträgers James Watson, der 2007 für öffentliche Irritationen und Proteste gesorgt hat, als er die Untersuchung von Unterschieden im Intelligenzniveau ethnischer Gruppen forderte. Der Protest richtete sich gegen die rassistischen Tendenzen dieser Forschungshypothese und führte zu der Forderung, eine solche Forschung habe zu unterbleiben. Dieser Fall wird zum Ausgangspunkt einer historisch und soziologisch weit gespannten Analyse der öffentlich geforderten und geförderten Verselbständigung des Wissenschaftssystems in der Neuzeit einerseits und der latent auftretenden öffentlichen Forderungen nach Limitierung von Forschung wegen problematischer Folgen andererseits. Dabei ist die Ausdifferenzierung der Wissenschaft zugleich die Lizenz, der Gesellschaft Wahrheitsschäden aufzuerlegen, denn wie der Autor zeigt, wird die Wissenschaft für moralische und politische Kosten ihrer Forschung nicht selbst belangt, sondern sie sind von der Gesellschaft zu übernehmen. Tatsächlich aber bewegt sich die soziale Verantwortung auch in einer anderen Sphäre als der der Wissenschaft selbst. Das kann auch als wechselseitige Entlastung von Wissenschaft und Öffentlichkeit verstanden werden. (ICB2)
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