Über den Einfluss des Religiösen: Anmerkungen zur Renaissance religiös motivierter Politik
In: Politik als Wissenschaft: Festschrift für Wilfried Röhrich zum 70. Geburtstag, S. 565-570
Abstract
Die "Wiederkehr des Religiösen" trifft die Sozialwissenschaften allgemein und die Politikwissenschaft im Speziellen an einem heiklen Punkt. Im sozialwissenschaftlichen mainstream ist Religion durchaus ein legitimer Forschungsgegenstand. Religion als Triebfeder der Politik wurde aber lange - wie der neue Nationalismus nach der Wende - als ein Phänomen der Welt von gestern gesehen, die nur noch in Restbeständen in die Welt von morgen hineinrage. Die Politikwissenschaft kann jedoch nicht ignorieren, was real Politik bewegt. Gefordert ist eine Gratwanderung zwischen akademischer Distanz und unkritischer Nähe. Gefordert ist weiterhin, das Religiöse als einen Motor der Politik zu erkennen - und den politischen Charakter von Religion an den Maßstäben zu messen, die von der Politikwissenschaft als normative Standards weitgehend selbstverständlich akzeptiert sind: universelle Menschenrechte, liberale und soziale Grundrechte, politischer Pluralismus, interreligiöse Toleranz. Nur so kann für den Autor vermieden werden, dass religiöse Motive in der Politik auf sekundäre Phänomene des "Überbaus" reduziert werden, die sich allmählich von selbst auflösen. Es ist aber auch - vom Standpunkt der liberalen Demokratie aus - ebenso naiv, falsch und arrogant, die Grundnormen eben dieser Demokratie für völlig beliebig zu erklären und zu akzeptieren, dass sie zum Spielball religiöser Fundamentalismen werden. Die Demokratie kann und muss mit religiösen Triebkräften in der Politik leben. Das heißt aber nicht, dass die Demokratie auf ihre eigene Wertigkeit zu verzichten hätte. (ICA2)
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