Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2004

Spur und Umschrift - Erinnerung aus psychoanalytischer Perspektive

In: Repräsentationen des Holocaust im Gedächtnis der Generationen: zur Gegenwartsbedeutung des Holocaust in Israel und Deutschland, S. 28-41

Abstract

"Über lange Zeit prägten Abbild- und Speichertheorien die Vorstellungen vom Gedächtnis; das Alltagsverständnis, nach dem erlebte Szenen als Erinnerungen gespeichert und unter bestimmten Bedingungen unverändert wieder abgerufen werden können, steht im Einklang mit der philosophischen Tradition von Aristoteles über den Empirismus bis hin zum logischen Positivismus. Diese 'historischen' Konzeptionen wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen wie dem Kulturhistoriker Aby Warburg, dem Sozialpsychologen Frederick Bartlett oder dem Soziologen Maurice Halbwachs in Frage gestellt und durch 'konstruktivistische' Konzepte ersetzt. Mit der Theorie des 'sozialen Gedächtnisses' (Warburg) oder des 'kollektiven Gedächtnisses' (Halbwachs) wurde der Einsicht Rechnung getragen, dass der Prozess des Erinnerns - analog zur Geschichtsschreibung - Ereignisse nicht einfach widerspiegelt, sondern dass Erinnern eine Konstruktionsleistung darstellt. Wenn man diesen Konstruktionsprozess der Erinnerung aus einer psychoanalytischen Perspektive darstellt, ist man zunächst auf Freuds Konzept der Umschrift und der Nachträglichkeit verwiesen. Der Metapher der Erinnerungsspur kommt in der psychoanalytischen Erinnerungstheorie zentrale Bedeutung zu. Sinnvoll erscheint diese Metapher vor allem, um die Aspekte des Bewahrens und der Kontinuität von Erinnerungen zum Ausdruck zu bringen, die den Gegenpol zur permanenten Veränderung und Flexibilisierung von Gedächtnisprozessen beschreiben. Diese beiden Pole befinden sich im Schrift-Modell einerseits sowie im Konzept der Nachträglichkeit andererseits, die komplementär erscheinen und in der Gedächtnistheorie zusammengedacht werden müssen. Diese theoretischen Konzepte werde ich in einem zweiten Schritt anhand einer Krankengeschichte Freuds exemplarisch erläutern. In einem dritten Schritt werden diese Überlegungen zu einer psychoanalytischen Erinnerungstheorie dann auf die Erinnerung des Holocaust bezogen." (Textauszug)

Problem melden

Wenn Sie Probleme mit dem Zugriff auf einen gefundenen Titel haben, können Sie sich über dieses Formular gern an uns wenden. Schreiben Sie uns hierüber auch gern, wenn Ihnen Fehler in der Titelanzeige aufgefallen sind.