Grundlagen menschlicher Gewaltbereitschaft: Beiträge evolutionärer Forschung
In: Gewalt: Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme, S. 383-410
Abstract
In den Wettbewerb um die Erklärung menschlichen Sozialverhaltens sind seit einiger Zeit Disziplinen wie Ethologie, Soziobiologie und evolutionäre Psychologie eingetreten, zu deren Gemeinsamkeiten die Annahme gehört, dass es bestimmte Gesetzmäßigkeiten gebe, die allen menschlichen Phänomenen zugrunde liege. Ausgangspunkt evolutionären Denkens ist die Annahme, dass sich diese Gesetzmäßigkeiten der Naturgeschichte des Menschen verdanken und durch die "Theorie der Evolution durch natürliche Auslese" (Darwin) einem Verständnis näher gebracht werden können. Dies gilt besonders auch für das Phänomen der Gewalt, dessen Regelmäßigkeiten samt zugrundeliegender Ursachen in evolutionärer Sicht erkennbar werden. Wie der vorliegende Beitrag zeigt, verweist die evolutionäre Erklärung in erster Linie auf die unterschiedliche Rolle der Geschlechter bei der Reproduktion, die geschlechtsspezifische Tendenzen zur Anwendung von Gewalt prämiert. Wenn evolutionäres Denken demnach Gesetzmäßigkeiten von Gewalt aufzudecken vermag, dann kann dieser Ansatz der Gewaltforschung nicht zuletzt auch zur genaueren Bestimmung der Bedeutung körperlicher und sinnlicher Aspekte des Gewalthandelns verhelfen, als dies in der Diskussion zwischen sogenannten "Mainstreamern" und "Innovateuren" der Gewaltforschung bislang möglich war. Im Vergleich zu diesen Ansätzen - so das Fazit des Autors - verschafft der evolutionäre Ansatz ein tiefergehendes Verständnis der Gewaltproblematik, kann doch diese kausale Erklärungsstrategie Regelmäßigkeiten im gewaltsamen Verhalten aufdecken, die sowohl den empirischen Methoden des Mainstream als auch der Verstehensmethode unzugänglich bleiben. (ICA2)
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