Latenz und Aktivierung antisemitischer Stereotype und Ideologien in Österreich
In: Der gewöhnliche Antisemitismus: zur politischen Psychologie der Verachtung, S. 105-124
Abstract
Angesichts der aktuellen Entwicklung in Österreich im Kontext des Präsidentschaftswahlkampfes von 1986 (Waldheim) wird in dem Beitrag diskutiert, wieweit die Aktivierung antisemitischer Vorurteile und die Verteidigung nationalsozialistischer Rechtfertigungsideologien dabei eine Rolle gespielt haben. Es wird analysiert, wie Antisemitismus nach 1945 in Österreich definiert wurde und wie schließlich als Folge des Wahljahres 1986 "neue" Definitionen von Antisemitismus gesucht wurden. Die Stadien der Definitionsausweitung von 1945 bis 1986 werden nachgezeichnet. Dabei wird gezeigt, wie es mittels bestimmter kognitiver Strategien in Österreich gelungen ist, einen tabuisierten und öffentlich unterdrückten Antisemitismus wieder zu einem öffentlich demonstrierbaren Verhalten zu machen mit der Folge einer deutlichen Zunahme des Vorurteils. Die Analyse zeigt, daß die Aktivierung des Vorurteils nicht bedeutet, daß ein radikaler Teil noch radikaler wird, sondern daß sich die Einstellung der meisten, "durchschnittlichen" Antisemiten in Richtung eines stärker werdenden Vorurteils verlagert. Die Bedeutung des Faktors Antisemitismus gegenüber anderen Einflußfaktoren bei der Präsidentschaftswahl wird diskutiert. (ICA)
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