Sammelwerksbeitrag(gedruckt)1984

Mündliche Geschichte: kritischer Forschungsansatz oder politische Fluchtdroge?

In: Mündliche Geschichte und Arbeiterbewegung: eine Einführung in Arbeitsweisen und Themenbereiche der Geschichte "geschichtsloser" Sozialgruppen, S. 39-51

Abstract

Der Aufsatz soll Möglichkeiten und Grenzen der Mündlichen Geschichte (Oral History) aufzeigen. Die Geschichte der Arbeiterbewegung, die bisher aus der Perspektive ihrer eigenen bürokratischen Apparate oder staatlicher Instanzen geschrieben worden ist, bedarf in besonderem Maße der Ergänzung durch die Mündliche Geschichte. In der Bundesrepublik hat die Orientierungskrise der SPD zu einem Boom an weitgehend mündlich recherchierten lokalen Geschichten von Ortsvereinen, Unterbezirken und Arbeitsgemeinschaften geführt. Dies bedeutet sowohl eine Politisierung als auch eine Demokratisierung des Forschungsprozesses, da tausende engagierter Laienforscher einbezogen werden. Die Gefahren der neuen Geschichtsschreibung liegen einerseits in einer eskapistischen Instrumentalisierung, die Beschäftigung mit Vergangenheit zur Flucht aus der unbewältigbaren Gegenwart nutzt, und andererseits darin, daß ästhetische Bewertungen politische verdrängen. Es geht dann vorwiegend um die Originalität der Analysen, die Arbeiter werden zum Objekt der Forschung degradiert. Trotz dieser Einwände ist die Mündliche Geschichte für Historiker, Sozialwissenschaftler, Erwachsenenbildner und politische Funktionäre unverzichtbar; außerdem kann sie einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der gegenwärtigen Orientierungslosigkeit der Arbeiterbewegung liefern. (RÖ)

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