Aufsatz(elektronisch)2006

Eine verbogene Meßlatte?: über Mitleid in der Rechtsprechung

In: Berliner Debatte Initial: BDI, Band 17, Heft 1/2, S. 21-35

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Abstract

In der "Rhetorik" behauptet Aristoteles, ein Richter, der es zulasse, dass seine Entscheidungsfindung durch Mitleid beeinflusst wird, werde ungefähr ebenso erfolgreich sein wie ein Zimmermann, der eine verbogene Messlatte verwendet. Für Aristoteles besteht bei der richterlichen Entscheidung das Ziel der Gerechtigkeit in der unparteiischen Anwendung von Gesetzen. In einem gut regierten Staat wird man Rechtsvertreter darauf beschränken, dass sie über die relevanten Fakten sprechen, und man wird sie daran hindern, sich in irgendwelchen nicht zur Sache gehörigen Reden zu ergehen, die den Richter vom geraden Weg ablenken könnten. Der gute Richter unterstellt den Parteien vorgängige Gleichheit, und er beschränkt sich auf die Betrachtung derjenigen Unterschiede, die durch streng juristisch definierte Rechtsverletzungen hervorgerufen werden. Mitleid kann den Geist des Richters nur abschweifen lassen, und es kann ihn nicht auf vernünftige Weise lenken. Der vorliegende Beitrag resümiert die gegenwärtigen Debatten zur Rolle des Mitgefühls vor Gericht und widerspricht insgesamt dabei (im Sinne der obigenaristotelischen Auffassung und des römischen 'sine ira et studio') der immer wieder vertretenen Meinung, der Richter müsse sich mitfühlend auf die Seite des Opfers stellen. (ICA2)

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