Aufsatz(elektronisch)2010

Krisenherd Iran: Risse im Fundament des "Gottesstaates"

In: Aktuelle Ostinformationen: AO, Band 42, Heft 1/2, S. 39-53

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Abstract

Nicht der Atomkonflikt, sondern der Antagonismus verschiedener Lebenswelten zwischen Tradition und Moderne ist die Hauptachse der verschiedenen Konfliktlinien, die das iranische System herausfordern. Wer den Clash of Civilizations sucht, dürfte hier eher fündig werden als in imaginären Frontlinien auf der Weltkarte, die als ideologische Konstrukte empirisch wenig belastbar sind. Im Widerspruch zum Selbstverständnis der Islamischen Republik, aber auch zur verbreiteten Außenwahrnehmung zeigt sich der Iran als ein sehr heterogenes und pluralistisches System, das von zahlreichen inneren Widersprüchen mit zum Teil erheblicher Sprengkraft bedroht ist. Weder dem Schah-Regime, noch den Khomeinisten, weder den Moderaten der Khatami-Ära, noch den Radikalen Ahmadinedjads gelang es, die drängenden politischen, sozialen und ökonomischen Probleme des Landes in einem Maße zu lösen, welches ihnen das Vertrauen eines zur dauerhaften Stabilisierung des Landes ausreichend großen Bevölkerungsanteils gesichert hätte. Hörte man im Iran vor einigen Jahren noch bisweilen die Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage durch eine Intervention externer Kräfte, so wird diese Option heute von allen politischen Lagern vehement abgelehnt. Die als Verrat wahrgenommene US-amerikanische Politik gegenüber den schiitischen Arabern, die ihren Aufstand gegen Saddam Hussein teuer bezahlten, die Kriegsverbrechen von Abu Ghraib und Haditha sowie die wenig erstrebenswerte Lage im Irak und in Afghanistan nach der Intervention ließen selbst erklärte Gegner des Teheraner Regimes auf Distanz zu Washington rücken. Wo die Versuche des Ahmadinedjad-Lagers scheiterten, mit Themen wie dem Holocaust oder dem Palästinakonflikt die Massen hinter sich zu scharen, eröffnete der Atomkonflikt eine geradezu ideale Möglichkeit erstens von den geschilderten inneren Problemen des Landes abzulenken, zweitens die Nation gegen äußere Bedrohungen zu einen und drittens unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit noch massiver gegen Kritiker vorzugehen. (ICF2)

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