Debatte zum Thema "Verteidigung" von Ulrike Merten-Hamann vom 06.05.2004
In: Legislaturperiode 15 des deutschen Bundestags
Abstract
Frau Präsidentin! Sehr verehrter Herr Dr. Penner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Jahresbericht 2003 liegt uns eine detaillierte Information über Zustand und inneres Gefüge der Bundeswehr vor, die wir nie bekommen würden, wenn es den Wehrbeauftragten nicht gäbe. Wir könnten gar nicht so viele Besuche bei der Truppe machen, die notwendig wären, um die Informa-tionen zusammenzutragen, die wir Jahr für Jahr durch den Wehrbeauftragten und sein Team bekommen, bei dem ich mich ganz ausdrücklich dafür bedanken möchte. Einsatz und Reform der Bundeswehr haben sich im Berichtsjahr - es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen - gewandelt und weiterentwickelt. Wichtige Impulse dafür gingen unter anderem auch von der Entwicklung auf europäischer und internationaler Ebene aus. Die Belastungen für die Soldatinnen und Soldaten sind dabei keineswegs geringer geworden. Deshalb müssen wir auch genau abwägen, wenn wir politische Entscheidungen treffen, die neue, zusätzliche Belastungen mit sich bringen. Wer meint, er könne die Bundeswehr mit zusätzlichen Aufgaben im Inneren belasten, der muss auch aufrichtig vor die Soldaten und Soldatinnen treten und sagen, wie sie das leisten sollen und wie das finanziert werden soll. Herr Kollege Raidel, Ihre Klage über die Belastungen und über die Mängel in der Ausbildung aufgrund der Auslandseinsätze ist vor dem Hintergrund dessen, was Sie hier fordern, ein wenig unehrlich. Das muss man an dieser Stelle einmal sagen. Wenn wir über Belastungen reden, dann muss man auch auf den Einsatz der Bundeswehr im Zuge des Irakkrieges zu sprechen kommen. Bundeswehrsoldaten hatten amerikanische Liegenschaften in Deutschland zu schützen. Der Einsatz war zwar durchaus überschaubar. Trotzdem führte er zu erheblichen personellen und zeitlichen Belastungen der Truppe. Überdies - ich glaube, der Kollege Nachtwei hat dies angesprochen - stellten die Soldaten die Frage nach der Rechtmäßigkeit ihres Dienstes. Ich finde, wir sollten dies nicht kritisieren, sondern die Zweifel als Beleg dafür nehmen, dass wir es in der Bundeswehr mit Soldaten zu tun haben, die als kritische, zu eigenem Urteil befähigte und zivilcouragierte Staatsbürger in Uniform ihren Dienst tun. Dies ist im Übrigen das Ergebnis von fast 50 Jahren innerer Führung, die mehr denn je ihre Berechtigung hat. Deutsche Soldaten, die tatenlos zusehen, wie Jahrtausende alte Kulturgüter der Plünderung anheim fallen, werden wir - da bin ich mir ganz sicher - nicht erleben, gar nicht zu reden von den Anschuldigungen wegen Misshandlungen von Gefangenen, die jetzt im Irak gegen amerikanische und britische Soldaten erhoben wurden. Unsere Soldaten in den Einsatzgebieten sind doch auch deshalb so hoch geschätzt, weil sie eben nicht als Besatzer auftreten. Auch deshalb verdient ihr Einsatz uneingeschränkten Respekt und Anerkennung. Unsere Soldaten sind gut ausgebildet und gut vorbereitet auf ihren Einsatz in fremdem Gebiet, das eine andere Kultur hat, und im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit anderen Nationen. Ich glaube, dass der Aspekt der interkulturellen Kompetenz mit der Ableistung erfolgreicher Einsätze im Ausland zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Dieser Punkt sollte in der Ausbildung stärker berücksichtigt werden. Schon Graf Baudissin, der Ideengeber der inneren Führung, konzipierte die Bundeswehr im Rahmen einer europäischen Sicherheitsstruktur, das heißt mit einer internationalen Perspektive. Das Leitbild der inneren Führung ist der kritische, zu eigenem Urteil befähigte und zivilcouragierte Staatsbürger in Uniform. Vorgesetzte in der Bundeswehr tragen gegenüber den ihnen anvertrauten Soldatinnen und Soldaten eine besondere Verantwortung, für die sie adäquat ausgebildet werden müssen. Leitlinie dafür sind die Grundsätze der inneren Führung. Wie dieses Leitbild weiterentwickelt werden kann, darüber diskutieren wir im Unterausschuss; Kollege Raidel hat darauf hingewiesen. Dass unter den neuen Bedingungen der Bundeswehr neue Lösungen für neue Fragen im Bereich der inneren Führung gefunden werden müssen, liegt auf der Hand. Wir wissen, dass dies kein statisches Konzept ist, sondern durchaus an neue Bedingungen angepasst werden muss. Nicht nur das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr stellt fest, dass die soziale Integration fortgesetzt und vertieft werden muss. Probleme der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewinnen für Soldatinnen und Soldaten immer größere Bedeutung, auch für Alleinerziehende, die sich fragen: Was mache ich eigentlich mit meinem Kind, wenn ich in den Einsatz muss? All das gehört im Übrigen auch zur Steigerung der Attraktivität des Soldatenberufes. Der Kollege Nachtwei hat dies angesprochen und der Herr Wehrbeauftragte geht in seinem Bericht besonders darauf ein. Ich glaube, wir tun gut daran, den Bericht des Wehrbeauftragten, in dem natürlich auch Mängel genannt werden, als eine Chance zu begreifen, ein weiteres Mal als Gesellschaft genau hinzuschauen, was in den Streitkräften vorgeht, und damit erneut unter Beweis zu stellen, dass wir eng mit den Streitkräften verbunden sind. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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