Debatte zum Thema "Öffentliche Verwaltung" von Ulrike Merten-Hamann vom 08.09.2009
In: Legislaturperiode 16 des deutschen Bundestags
Abstract
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee. Nur mit einem konstitutiven Beschluss des Deutschen Bundestages kann die Bundeswehr auf Antrag der Bundesregierung in bewaffnete Auslandseinsätze entsendet werden. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz ist hierfür die rechtliche Grundlage. Das ist aber lediglich die formale Ebene. Sie ist wichtig, aber hinter dem Parlamentsbeteiligungsgesetz und dem Umstand, dass das Parlament zustimmen oder ablehnen kann, steht für jede Bundesregierung natürlich auch die Notwendigkeit, das Parlament vor einer Antragstellung soweit wie möglich einzubeziehen und zu hören, inwieweit das Parlament bereit und in der Lage ist, mitzugehen. Wenn das gelingt, hat das im besten Fall zur Folge, dass es einen lange andauernden und über alle Parteigrenzen hinwegreichenden Konsens gibt. Deshalb ist die im Parlamentsbeteiligungsgesetz verankerte Pflicht der Bundesregierung, das Parlament über alle Vorfälle im Verlauf eines Einsatzes zu informieren, eine weitere wichtige Grundlage dafür, dass einem im Laufe eines Einsatzes sozusagen nicht das Parlament verloren geht und der Rückhalt, den die Soldaten brauchen, nicht schwindet. Herr Minister, ich will hier deutlich sagen – ich habe das auch an anderer Stelle getan –: Es wäre gut gewesen, wenn Sie dies berücksichtigt und das Parlament frühzeitig eingebunden hätten. Natürlich sind wir durch eine schriftliche Information einbezogen gewesen; das ist auch in Ordnung. Aber darüber hinaus mussten wir in der Zeitung lesen, dass Sie, Herr Minister, und auch der Parlamentarische Staatssekretär Kossendey sich sehr ausführlich über Details geäußert haben. Das ist immer schlecht; das Parlament sollte sich das – ich finde: zu Recht – nicht gefallen lassen. Wie sollen wir den Bundeswehreinsatz in Afghanistan, den ich hier nur stellvertretend für unser Engagement im Ausland nenne, den Bürgerinnen und Bürgern erklären, ja, sie davon überzeugen, wenn nicht in jedem Fall versucht wird, uns als Partner zu gewinnen? Ich meine damit keine Komplizenschaft, sondern den Rückhalt, den, glaube ich, jede Bundesregierung in einer solchen Frage braucht. Wie soll eine breite öffentliche Debatte über unsere Sicherheits- und Verteidigungspolitik entstehen, wenn der Informationsstrom und die Überzeugungsarbeit bereits an der Quelle versiegen? Herr Minister, indem ich – das will ich betonen – den Diskurs verhindere, ernte ich nur kurzfristig eine trügerische Ruhe und keine Ruhe oder Gelassenheit der Akzeptanz für unser Tun. Die Bundeskanzlerin, Sie, Herr Minister, der Bundesaußenminister und andere haben in der Debatte zu Recht darauf hingewiesen, dass wir in Afghanistan sind, nicht weil wir verhindern wollen, dass die Frauen dort Burka tragen müssen, sondern weil Afghanistan nicht wieder zum Rückzugsort für Terroristen werden soll. Gleichzeitig dient unser Engagement dort der Sicherheit der Menschen unseres Landes. Ich sage auch ganz klar: Diese Wahrheit mit Leben zu füllen, bedarf nicht nur einer jährlichen Bundestagsdebatte über die Verlängerung des Mandats; dies muss immer und immer wieder erklärt werden. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir uns ehrlich vor Augen hielten: Hier sind wir weniger vorangekommen, als wir es uns wünschen und es notwendig ist, um die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes davon zu überzeugen, dass das, was wir in Afghanistan tun, keine Verschwendung ist, sondern dass wir es auch für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes tun. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind heute Morgen im Verteidigungsausschuss und im Auswärtigen Ausschuss über die Aspekte, die zu berücksichtigen sind, informiert worden. Ich sage ganz deutlich: Das Bild, das sich uns daraus ergeben hat, lässt aus meiner Sicht immer noch keine voreiligen Schlüsse zu. Vielmehr sollten wir abwarten, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind. Ich wundere mich schon sehr – auch nach der Information heute Morgen in den Ausschüssen –, über welche Erkenntnisse einige verfügen, die mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass das Gebot der Verhältnismäßigkeit verletzt worden ist, und die schon ausmachen können, dass hier gravierende Fehler begangen worden sind. Unsere Soldaten, die im Raum Kunduz eingesetzt sind, haben einen gefährlichen und schweren Auftrag zu erfüllen. Sie sind tagtäglich mit konkreten Gefährdungen für Leib und Leben der Afghanen, aber auch für sich selbst konfrontiert. Sie müssen zum Teil sehr weitreichende Entscheidungen treffen. Sie haben alles Recht darauf, dass dies bei der Kommentierung und Bewertung berücksichtigt wird. Ich sage ganz deutlich: Wir müssen berücksichtigen, dass da, wo Menschen handeln, Fehler gemacht werden können. Dies liegt letzen Endes in der Natur der Sache. Jeder hat das Recht, vor voreiligen Verurteilungen geschützt zu werden. Inzwischen ist es wahrscheinlich, dass auch zivile Opfer zu beklagen sind. Die Bilder, die uns am Wochenende aus dem Krankenhaus von Kunduz erreichten, können niemanden gleichmütig lassen. Ich bin überzeugt, dass die Bundesregierung zusammen mit unseren Partnern auf die Betroffenen und die Familien der Opfer zugehen wird. Ich will abschließend sagen: Die Bundeswehr hat mit der Art und Weise ihres Auftretens und Vorgehens stets das Ziel verfolgt, für die Menschen in Afghanistan zu wirken. Sie will nicht als Besatzer auftreten, sondern als Unterstützer für den Wiederaufbau. Vor diesem Hintergrund kommt dem Vorfall am letzten Freitag eine große Bedeutung zu, nicht weil wir von unserer bisherigen Strategie abgewichen wären, sondern weil wir befürchten müssen, dass die vorschnellen Kommentierungen und Einreden letzten Endes auf fruchtbaren Boden fallen und wir dadurch zunehmend unter Druck geraten. Deswegen ist es so wichtig, dass wir das, was am letzten Freitag passiert ist, mit großer Transparenz aufklären. Wir müssen Afghanistan auf dem Wege zu Stabilität und Sicherheit weiterhin helfen und an unserer nach wie vor richtigen Strategie festhalten.
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