Debatte zum Thema "Verteidigung" von Ulrike Merten-Hamann vom 20.09.2006
In: Legislaturperiode 16 des deutschen Bundestags
Abstract
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute abschließend über die Beteiligung der Bundeswehr an der UN-Mission UNIFIL im Libanon. Die Debatte gestern und auch heute hat gezeigt, dass eine solche Beratung - ganz abgesehen davon, dass es sich um einen besonderen historischen Gegenstand handelt - nie zur Routine für dieses Parlament wird. Es ist wichtig, in der Öffentlichkeit noch einmal deutlich zu machen, dass wir jeden einzelnen Einsatz mit großer Sorgfalt diskutieren, bevor wir darüber beschließen. Es ist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass der Waffenstillstand, der seit dem 14. August errungen wurde, ein erster wichtiger Schritt ist. Jetzt muss er abgesichert werden. Die Europäische Gemeinschaft hat an der schnellen Verabschiedung der UN-Resolution wie an der zügigen und effizienten Ausgestaltung des Mandats, des Operationsplanes und der Einsatzregeln einen sehr großen Anteil. Darüber hinaus wird sie sich an der Truppe mit einer Gesamtstärke von 15 000 Soldaten mit 7 000 Soldaten beteiligen. Dies ist ein wichtiges Signal; denn es zeigt, dass die Europäer bereit sind, UN-Mandate zu unterstützen. Wir können nicht - das ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen - auf der einen Seite lamentieren und beklagen, wie wenig wirksam und durchsetzungsfähig UN-Missionen sind, wenn wir nicht auf der anderen Seite bereit sind, uns mit einem entscheidenden Beitrag daran zu beteiligen. Das Mandat gewährleistet auch, dass die Welt, anders als es in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten der Fall gewesen ist, sehr genau hinsehen wird, was in dieser Region passiert, und sich nicht mehr heraushalten kann. Indem wir in diesen militärischen Prozess eingebunden sind, sind wir aus meiner Sicht auch zwangsläufig in den politischen Prozess, der jetzt verstärkt werden muss, eingebunden. Wenn die Mehrheit des Bundestages dem Antrag der Bundesregierung heute folgt, wird sich Deutschland an diesem robusten Friedenseinsatz im Nahen Osten beteiligen. Es hat im Vorfeld dieser Entscheidung erhebliche Zweifel daran gegeben, ob unsere besondere historische Rolle, unsere Verantwortung dies zulässt. Wir haben im Verteidigungsausschuss lange und mit großer Nachdenklichkeit darüber debattiert. Eine Bedingung, die sehr frühzeitig geäußert worden ist, war, dass die israelische Regierung diesem Einsatz zustimme. Nachdem nicht nur dies der Fall war, sondern die ausdrückliche Bitte, zu helfen, an Deutschland gerichtet worden ist, war meines Erachtens der Weg für ein deutsches Engagement frei. Deutschland genießt auf beiden Seiten hohes Ansehen und Vertrauen. Wir mussten natürlich die Frage beantworten: Stellen wir uns unserer Verantwortung, indem wir uns militärisch an einem Einsatz beteiligen, oder glauben wir, in dieser Region nur dann weiter als glaubwürdiger Makler gelten zu können, wenn wir uns ausschließlich auf politische und diplomatische Instrumente stützen? Nachdem auch der Libanon ausdrücklich darum gebeten hat, seine Küstengewässer in enger Kooperation mit ihm militärisch zu sichern und Waffenschmuggel zu unterbinden, und explizit die Bitte an Deutschland herangetragen hat, hier zu helfen, ist ein weiteres Argument hinzugekommen, unsere Verantwortung auch in Form einer militärischen Komponente wahrzunehmen. Nachdem die Bundesregierung sich zu einem maritimen Beitrag entschlossen hatte, konnte sich die libanesische Regierung aus innenpolitischen Gründen lange nicht dazu durchringen, an die Vereinten Nationen Anforderungen zur seeseitigen Sicherung zu richten. Die Einwände und Bedingungen, die der Libanon in den Verhandlungen über die Einsatzregeln vorbrachte, ließen vergleichsweise lange offen, ob diese und damit das Mandat so effektiv und durchsetzungsfähig sein würden, dass die Voraussetzungen für einen Erfolg dieser militärischen Friedensmission gegeben seien. Ich bin außerordentlich erleichtert darüber, dass es in den letzten Wochen gelungen ist, auf bestimmte Mindeststandards nicht nur zu bestehen, sondern sie auch durchzusetzen und damit die Effektivität und Wirksamkeit der Mission auch zu gewährleisten. Dies ist aus meiner Sicht mehr als eine lediglich semantische Verständigung. Hier geht es um den Nachweis darüber, dass der Beitrag, den wir leisten, mehr als ein symbolischer sein wird. Wir haben lange mit großer Nachdenklichkeit und auch leidenschaftlich über diesen Einsatz debattiert. Wenn wir ihn heute beschließen, gehört zur Seriosität dazu, darüber zu reden, wie die Bundeswehr diesen weiteren Auslandseinsatz bewerkstelligen kann. Der Einsatz im Libanon ist der zweite Auslandseinsatz der Bundeswehr in diesem Jahr, der zu Jahresbeginn noch nicht abzusehen war. Entsprechend konnten weder er noch der EU-Einsatz im Kongo im Verteidigungsetat des Jahres 2006 eingeplant werden. Parallel wurde kein laufender Einsatz beendet. Umso wichtiger ist die Verlässlichkeit eines Satzes in der Koalitionsvereinbarung, auf den der Bundesverteidigungsminister dankenswerterweise hingewiesen hat. Danach wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass der Bundeswehr die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen. Effizienz und Schutz unserer Soldaten sind die Determinanten für den Erfolg und die zeitliche Berechenbarkeit unseres militärischen Engagements. Auch dieser Bundeswehreinsatz birgt Gefahren; das wissen wir. Auch dieses Mal ist es unsere Aufgabe, die Risiken mitzubedenken und sie durch gut ausgebildete und ausgerüstete Streitkräfte sowie durchsetzungsfähige Einsatzregeln zu begrenzen. Die Marine fühlt sich für die Erfüllung ihres Auftrages gut gewappnet. Aber sie wartet - ich glaube, zu Recht - auf eine breite Zustimmung des Parlaments zu diesem Auftrag. Im Falle der mehrheitlichen Zustimmung hier im Bundestag werden sich die Marineeinheiten morgen auf den Weg in den Libanon begeben.
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