Die Ukraine und die Europäische Union: Stand und Perspektiven bilateraler Beziehungen
In: MA-Thesis/Master
Abstract
Inhaltsangabe:Einleitung: Die günstige, zugleich aber komplizierte, geopolitische Lage der Ukraine bestimmt die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Kiew und Brüssel. Dabei kommt dem Umstand, dass das osteuropäische Land direkt an die Russische Föderation grenzt, keine geringe Bedeutung zu. Zwar gehört rein offiziell die multivektorale Schaukelpolitik im östlichen EU-Nachbarland der Vergangenheit an, jedoch ist die Durchsetzung eines einheitlichen außenpolitischen Kurses nicht unproblematisch. Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit widmet sich somit dem Thema 'Die Ukraine und die Europäische Union: Stand und Perspektiven bilateraler Beziehungen'. Da die Bandbreite bilateraler Zusammenarbeit sehr groß ist, war eine Einschränkung auf einige Themenbereiche nötig. Die Gliederung der Hausarbeit umfasst sechs Kapitel. Zunächst wird einleitend auf die vertragsrechtlichen Grundlagen sowie den institutionellen Rahmen der EU-Ukraine-Beziehungen eingegangen. Des Weiteren werden die Folgen der Verschiebung der EU-Außengrenze Richtung Osten unter besonderer Berücksichtigung der Erweiterung des Schengen-Raums für die Bevölkerung auf beiden Seiten dargestellt. Anschließend wird geprüft, unter welchen Bedingungen der Ukraine die Mitgliedschaftsperspektive in der EU gewährt werden kann. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welche Folgen die Aufnahme des größten rein europäischen Landes in den Staatenverbund haben könnte und wie die EU-europäische und ukrainische Öffentlichkeit einer EU-Mitgliedschaft entgegensieht. Im nächsten Kapitel werden externe Einflussfaktoren auf die Beziehungen zwischen Kiew und Brüssel analysiert, wie Russlands Rolle, eine mögliche Integration in den Nordatlantikpakt sowie der bereits erfolgte Beitritt der Ukraine in die Welthandelsorganisation. Folgend wird eine Untersuchung des Wirtschafts-standortes Ukraine vorgenommen, in welcher der Schwerpunkt in den Bedingungen für internationale Investitionstätigkeit sowie den wirtschaftlichen Verflechtungen des osteuropäischen Landes mit der EU besteht. Eigene Überlegungen zur Zugehörigkeit der Ukraine zu Europa, dessen Bestandteil auch das supranationale Staatengebilde ist, schließen den Hauptteil der Arbeit ab. In den darauf folgenden Anhängen werden außer den wichtigsten chronologischen Etappen in den bilateralen Beziehungen auch repräsentative Meinungsumfragen sowie statistische Daten in tabellarischer und graphischer Form dargestellt. Während der ganzen Recherche wurde großer Wert darauf gelegt, dass alle Angaben auf dem neuesten Stand sind. Bei der Darstellung jedes einzelnen Themenbereiches wurde auf das Vorhandensein einer ausreichenden Menge an primären Literaturquellen geachtet. Die Aktualität des zu untersuchenden Themas besteht darin, dass seit der Orangen Revolution der Annäherung der Ukraine zur Europäischen Union eine hohe Priorität eingeräumt wird. Nur leider wird diese außenpolitische Strategie nicht nur von Fortschritten gekennzeichnet, sondern auch von Ambivalenzen geprägt. Die vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, die langjährige bilaterale Kooperation sowie die in der Zukunft liegenden Perspektiven zu untersuchen.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: EINLEITUNGS. 4-5. 1.Der vertragsrechtliche und institutionelle Rahmen der EU-Ukraine-BeziehungenS. 6. 1.1Das Partnerschafts- und KooperationsabkommenS. 6-7. 1.2Die neue Europäische NachbarschaftspolitikS. 7-10. 1.3Kritikpunkte an der ENP und dem ENPIS. 10-12. 1.4Die Östliche PartnerschaftS. 13. 1.5Das AssoziierungsabkommenS. 13-14. 2.Regelungen an der neuen Schengen- und EU-AußengrenzeS. 15. 2.1Situation vor der Erweiterung des Schengen-RaumsS. 15-16. 2.2Folgen des Schengen-Abkommens für ukrainische StaatsbürgerS. 16-18. 2.3Weitere Konsequenzen der neuen 'Berliner Mauer'S. 18-20. 2.4Bilaterale Regelungen zu VisaerleichterungenS. 20-21. 2.5Zusammenarbeit im Bereich der AußengrenzpolitikS. 21-22. 3.Die Mitgliedschaftsperspektive der Ukraine in der EUS. 23. 3.1Die Aufnahmemöglichkeiten der EUS. 23-24. 3.2Die EU-BeitrittsbedingungenS. 24-26. 3.3Die Beitrittsfähigkeit der UkraineS. 26-27. 3.4Folgen einer Aufnahme der Ukraine in die EUS. 28. 3.4.1Bilaterale Vorteile einer MitgliedschaftS. 28-30. 3.4.2Bilaterale Nachteile eines BeitrittsS. 30-33. 3.5Die öffentlichen Meinungen zur EU-Mitgliedschaft der UkraineS. 33. 3.5.1Positionen der UkrainerS. 33-34. 3.5.2Einstellungen in den EU-StaatenS. 34-39. 4.Externe Einflussfaktoren auf die EU-Ukraine-BeziehungenS. 40. 4.1Die Rolle des Faktors RusslandS. 40-42. 4.2Diskussionen um den NATO-Beitritt der UkraineS. 42-44. 4.3Die Mitgliedschaft der Ukraine in der WTOS. 44-47. 5.Wirtschaftsstandort UkraineS. 48. 5.1Bedingungen für internationale InvestitionstätigkeitS. 48. 5.1.1StandortvorteileS. 48-53. 5.1.2Standortspezifische ProblemeS. 53-57. 5.2Wirtschaftliche Verflechtungen der Ukraine mit der EUS. 57-59. 6.Die Zugehörigkeit der Ukraine zu EuropaS. 60. 6.1Kulturhistorische AnsätzeS. 60-61. 6.2Soziokulturelle TrennlinienS. 61-62. 6.3Ambivalenz außenpolitischer PrioritätenS. 62-63. 6.4Europäisches WertesystemS. 63-66. 6.5Das europäische Gesicht der UkraineS. 66-67. SCHLUSSFOLGERUNGENS. 68-73. LITERATURVERZEICHNISS. 74-87. AnhangverzeichnisS. 88. AnhängeS. 89-109. Verzeichnis der verwendeten AbkürzungenS. 110-111.Textprobe:Textprobe: KAPITEL 4, EXTERNE EINFLUSSFAKTOREN AUF DIE EU-UKRAINE-BEZIEHUNGEN. 4.1, Die Rolle des Faktors Russland: Die Beziehungen zwischen Kiew und Moskau sind nach der Orangen Revolution vermehrt zahlreichen Konflikten ausgesetzt, die vor allem im außenpolitischen Bereich ihre Wurzeln haben. So ist die entschlossene Orientierung der Ukraine Richtung Westen für die russische Regierung ein Dorn im Auge. Und das ist angesichts der Tatsache, dass das Land seinen östlichen Nachbarn in puncto Beitritt zur Welthandelsorganisation überholt hat, nicht weiter verwunderlich. Außerdem kann sich Russland nach 17 Jahren der ukrainischen Unabhängigkeit nicht damit abfinden, dass das Land nicht mehr zu seiner Einflußzone gehört. Die Verbrüderung von Putin und Kutschma hinterließ ohnehin genug wirtschafts-politische Bereiche, in denen die Russen das Sagen haben. Umso komplizierter ist es heutzutage, gleichberechtigte wirtschaftliche und politische Beziehungen mit Moskau aufzubauen. Die russischen Großmachtambitionen stehen einer partnerschaftlichen Kooperation auf gleicher Augenhöhe allerdings noch im Weg. Auch die Gestaltung der Beziehungen zu Brüssel wird leider nicht ohne Rücksicht auf Russlands Interessen und Bedenken vollzogen: 'Gegenwärtig entscheidet die Europäische Union auf ihrem Marsch nach Osten nichts ohne Zustimmung Russlands. Man macht uns Ukrainer zu Vasallen Russlands, und damit sind alle zufrieden: die EU, weil sie keineswegs die Absicht hat, uns eines Tages die Tür zu öffnen; und Russland, weil man dort sehr glücklich ist über den wiedergewonnenen Einfluss auf das verlorene Imperium'. Der leider fest verankerte Russozentrismus geht auch aus einem vertraulichen Bericht der deutschen und französischen Außenministerien hervor: 'Der Beitritt der Ukraine würde zur Isolierung Russlands führen. Eine enge Zusammenarbeit mit Kiew wird als ausreichend angesehen.' Tatsächlich ist Deutschland unter den westeuropäischen EU-Mitgliedern der Staat mit der ausgeprägtesten 'unausgesprochenen' Zurückhaltung bezüglich einer Osterweiterung der Union um die Ukraine. Moskau scheint in der Wahrnehmung von Berlin einfach näher als Kiew zu liegen. Aus diesem Grund ist die Ukraine politisch und vor allem wirtschaftlich betrachtet nur 'das Land dazwischen'. Aus dieser Definition heraus gestaltet sich auch die bilaterale Kooperation seitens der deutschen Regierung. Dagegen haben weit mehr Misstrauen gegenüber Kreml die ehemals kommunistischen MOEL, die der Europäischen Union angehören. Somit spaltet sich heutzutage die EU in zwei Lager: Staaten, die ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit Russland spannungsfrei gestalten möchten und Staaten, die eine enge Anbindung der Ukraine an die westlichen Bündnisse (EU, NATO) befürworten und somit die Zurückdrängung des russischen Einflusses in direkter EU-Nachbarschaft wollen. Da aber gerade die letzten den außenpolitischen Kurs Brüssels nicht maßgeblich beeinflüssen können, erweist sich die Russische Föderation als ein hemmender Faktor für die Annäherung der Ukraine an die Europäische Union. Der ehemalige Kremlchef Putin hätte nach eigenen Angaben gegen eine Integration keine Einwände, er wäre sogar 'froh darüber, wenn die EU die Ukraine aufnähme'. Einerseits ist diese Äußerung bezüglich ihres Wahrheitsgrades mit Skepsis zu betrachten, da durch einen EU-Beitritt der Einflussbereich Moskaus auf das westliche Nachbarland deutlich schrumpfen würde. Denn kurz zuvor ermahnte noch der einstige russische Präsident den Westen, sich nicht in die innenpolitischen Angelegenheiten der Ukraine einzumischen, da angeblich westliche Agenten alles tun würden, um die Integration zwischen den beiden Nachbarländern zu beeinträchtigen. Andererseits erhofft sich Russland von einer Aufnahme der Ukraine in die EU positive Auswirkungen auf die Wirtschaft durch ihre Einbindung in europäische Strukturen. Dieses Schlüsselargument kann jedoch angezweifelt werden, weil sich sonst Moskau, angesichts der viel versprechenden Beweggründen, bisher viel intensiver für eine Befürwortung des EU-Beitritts seines westlichen Nachbarn eingesetzt hätte. Kiews Intension, sich von der vormundschaftlichen Einflussnahme Russlands zu lösen, verzeichnete infolge der turbulenten Ereignisse im Winter 2004/2005 einige Erfolge. Jedoch kann sich der östliche Nachbarstaat der EU davon nicht vollkommen befreien. Schließlich orientiert sich ein großer Teil der Bevölkerung (darunter auch 8,3 Millionen Bürger, die der russischen Minderheit angehören) vor allem im Osten und Süden des Landes an seinem 'großen Bruder'. Die in den oben dargestellten Studien abnehmende Begeisterung für die Europäische Union geht gleichzeitig mit wachsender Zustimmung für eine verstärkte Kooperation mit Russland einher. Das belegt unverkennbar die im Dezember 2008 durchgeführte Meinungsumfrage: 51,1 % der Probanden sind für die außenpolitische Orientierung der Ukraine Richtung Russland und nur 27,5 % betonen die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit EU-Staaten. Diese Werte sprechen dafür, dass das Bild eines Pendels, das zwischen Moskau auf der einen und Brüssel auf der anderen Seite hin und her schwingt, welches von der ukrainischen Bevölkerung nach außen hin repräsentiert wird, in der letzten Zeit nicht bestätigt werden kann. Es wird hingegen der Eindruck vermittelt, dass enge Beziehungen zum Kreml, nach Ansicht des überwiegenden Teils der Staatsbürger, momentan Priorität zu besitzen scheinen, obwohl der Präsident Viktor Juschtschenko offiziell einen klaren außenpolitischen Kurs in Richtung Westen sowie EU-Mitgliedschaft verkündet hat. Es besteht zudem durchaus die Gefahr, dass durch die Abschottung der EU infolge der letzten Erweiterungsrunden sowie der Ausdehnung des Schengen-Raums in Richtung Osten das Misstrauen in der ukrainischen Bevölkerung gegenüber dem Staatenverbund erhöhen und damit die Zuwendung gegenüber Moskau weiterhin steigern wird.
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