Thesis2001

Die Kommunikation mit Investoren in Risiko- und Krisensituationen am Neuen Markt: Diplomarbeit

In: Wirtschaft

Abstract

Aus der Einleitung: Wie der Abgesang auf die New Economy und den Neuen Markt lesen sich die aktuellen Schlagzeilen der Tageszeitungen und Wirtschaftsmagazine: Da ist die Rede von "Börsen im Sturzflug", bösem "Erwachen" und "Panikverkäufen am Neuen Markt", "postkommunikativer Tristesse" und "düpierten Anlegern". Der Aktionär ist König der börsennotierten Aktiengesellschaft - zumindest theoretisch. Zufrieden aber waren die Kunden nicht mit der Kommunikation deutscher AGs im krisengeschüttelten Jahr 2000. Aus gutem Grund: Viele Unternehmen haben sich angesichts der Kursverluste und Skandalmeldungen am Neuen Markt kommunikativ zurückgezogen. Gemeinsam mit der Financial Community starren sie wie gelähmt auf den Scherbenhaufen, der nach nur vier Jahren vom hoffnungsvoll gestarteten Wachstumssegment der Deutschen Börse übrig geblieben ist. Bis ins Frühjahr 2000 sah das noch ganz anders aus: Der Neue Markt schlug alle Rekorde, und Investments in die dort notierten aufstrebenden Wachstumsunternehmen der viel zitierten New Economy waren in den meisten Fällen wie eine "Lizenz zum Geld drucken", DAX und NEMAX jagten von einem Allzeithoch zum nächsten. Der Neue Markt im Gipfelrausch brachte Börsenlieblinge "mit Kursphantasie" und "Traumfabriken" hervor, wurde zum "Dauer-Los für alle". Investoren - private wie institutionelle - wurden kommunikativ heiß umworben, konnten sich der Flut von Neuemissionen und den damit verbundenen Werbemaßnahmen kaum entziehen. Zusätzlich heizten schier unglaubliche Erfolgsgeschichten das Interesse an der "neuen Ökonomie" an, die die Wirtschaft zu revolutionieren und traditionelle Marktgesetze außer Kraft zu setzen schien. Etliche Start-Up-Unternehmen erreichten unmittelbar nach dem Börsengang ungeahnte Höchstbewertungen und beflügelten selbst die kühnsten Gewinnerwartungen und -fantasien so manches Anlegers. Doch dann kam der Umschwung, "die Geldmaschine stotterte". Rund um den Globus platzte mit einem Mal die ".com-Aktienblase" - die New Economy hat seit ihren Höhenflügen weltweit Anlegergelder von 5.000 Mrd. Euro in Luft aufgelöst, machte "Milliarden zu Konfetti". Die Kurseinbrüche an den internationalen Aktienmärkten haben den Anlegern schmerzhafte Verluste in ihren Portfolios beschert und besonders die Wachstumsbranchen für viele Investoren zum Albtraum werden lassen. Zunehmend mit kritischen Fragen zur Validität ihrer vollmundigen Prognosen und zum wahren Zukunftspotenzial ihrer Unternehmen konfrontiert, gingen mehr und mehr Vorstände - und mit ihnen auch ihre Gesellschaften - kommunikativ in Deckung. Wo vorher eine Erfolgsmeldung an die nächste gereiht und die Financial Community auf vielfältigen Events rund um die Börsengänge schmeichelnd umworben wurde, gab es plötzlich nur noch betretene Gesichter und eisiges Schweigen. Kritisch hinterfragt und diskutiert wird derzeit daher vor allem auch das Verhältnis von Aktiengesellschaften zu ihren Investoren. Während noch vor ein paar Monaten nahezu jedes Unternehmen am Neuen Markt als Überflieger gehandelt wurde, haben heute fast alle ein massives Imageproblem. Angesichts ständig nach unten korrigierter Gewinnprognosen und Enthüllungen über geschönte Bilanzen, stehen viele Anleger vor der Frage, welchen Informationen von Seiten der Unternehmen sie überhaupt noch Glauben und Vertrauen schenken können. Besonders kontraproduktiv wirkt dabei die oftmals sehr verschlossene oder - im anderen Extrem - die übertrieben aktionistische Haltung vieler Unternehmen im Angesicht der Krise. Während die einen bis auf die Pflichtveröffentlichungen gar nichts mehr an die Öffentlichkeit geben, wirken die emsigen Versicherungen der anderen, dass bei ihnen "alles ja ganz anders sei", nicht minder unglaubwürdig. Der oftmals unbeholfene Umgang in der Beziehungspflege und Kommunikation mit bestehenden und potenziellen Investoren (Investor Relations, kurz: IR) deutscher Unternehmen mag unter anderem daran liegen, dass diese Kommunikationsdisziplin bei uns eine vergleichsweise kurze Tradition hat und immer noch in den Kinderschuhen steckt. Zwar ist die Erwartungshaltung von Seiten der immer internationaler werdenden Kapitalmärkte seit Jahren gestiegen und viele Unternehmen haben die Notwendigkeit einer professionellen IR-Arbeit nicht erst vor dem Hintergrund der dramatischen Entwicklungen an den Weltbörsen erkannt. Trotzdem fehlt speziell bei vielen Gesellschaften der New Economy die nötige Konsequenz im Einsatz der Investor Relations als strategisch angelegtes, kommunikationspolitisches Instrumentarium. Dabei reicht das Befolgen der gesetzlich vorgeschriebenen Vorgaben, der sogenannten Pflichtpublizität, heute und speziell in Krisen bei weitem nicht mehr aus, um den steigenden Informationsbedürfnissen der Anlegerkreise gerecht zu werden. Wenngleich in Theorie und Praxis unbestritten ist, von welch entscheidender Bedeutung Unternehmenskommunikation (und somit auch Investor Relations) gerade in Risiko- und Krisensituationen ist, gibt es kaum Fachliteratur, die sich mit Unternehmens- oder Marktkrisen und deren Folgen für die Kommunikation mit Investoren befasst. Diese Tatsache und die in den vergangenen Monaten offensichtlich gewordenen Wissensdefizite auf Seiten der Unternehmen am Neuen Markt liefern die Begründung für die vorliegende Arbeit. Zum Thema der vorliegenden Arbeit gibt es derzeit weder wissenschaftliche Abhandlungen noch Studien. Die Krise am Neuen Markt, deren Ausgang derzeit noch schwer abzusehen ist, und der Beitrag, den Investor Relations zu deren Bewältigung leisten kann, wird vorwiegend in Zeitungsartikeln behandelt, deren Anteil an den verwendeten Quellen folglich vergleichsweise groß ist. Es existieren viele Untersuchungen zu Investor Relations im Allgemeinen - meist wird dort allerdings das gesamte Spektrum der Kapitalmarktkommunikation oder aber die Nutzung einzelner Kommunikationskanäle für die Kommunikation von Finanzinformationen beleuchtet. Allerdings beschränken sich die Studien neben den einzelnen Kanälen häufig auf Unternehmen der Old Economy und haben meist deskriptiven Charakter. Erhoben wird im Wesentlichen, in welchem Ausmaß und in welcher Form Unternehmen Finanzinformationen bereitstellen und wie diese Informationen aufbereitet sind. Es liegt derzeit keine Untersuchung vor, die sowohl explizit auf die Besonderheiten im Kommunikationsverhalten der am Neuen Markt notierten Unternehmen mit ihren Investoren als auch auf die Notwendigkeiten eingeht, die sich aus der derzeitigen Krisensituation in diesem Marktsegment für eben dieses Verhalten und die Ausgestaltung der verschiedenen Kommunikationsmaßnahmen ergeben. Diese Lücke möchte diese Arbeit in soweit füllen, wie dies im Rahmen einer Diplomarbeit möglich ist. Es geht dabei sowohl um den Kommunikationsbedarf gegenüber der Financial Community, der sich aus einer krisenhaften Entwicklung eines einzelnen Unternehmens ableitet, als auch um die Notwendigkeiten, die sich ergeben, wenn sich - wie in den letzten Monaten - ein gesamtes Segment des Finanzmarktes (speziell der Neue Markt) im Abwärtstrend befindet. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es, theoretisch ausführlich darzustellen, welche kommunikativen Möglichkeiten den Verantwortlichen für Investor Relations der in Deutschland am Neuen Markt notierten Aktiengesellschaften zur Verfügung stehen, wenn sich diese Unternehmen in Risiko- bzw. Krisensituationen befinden. Auf Grundlage dieser Darstellung wird eine Hierarchie der unterschiedlichen Zielgruppen und die Praktikabilität der einzelnen IR-Maßnahmen skizziert und diskutiert. Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, wie die Kapitalmarktkommunikation eines Unternehmens mittel- und langfristig gestaltet werden muss, um auch bei problematischen Unternehmenssituationen oder bei schwierigem Marktumfeld ihre Aufgabe erfüllen zu können. Als Ergebnis wird eine Aussage darüber erwartet, in welcher Form die Kommunikation mit Investoren in Risiko- und Krisensituationen sinnvoll und effektiv ist, welche Voraussetzungen sie erfüllen muss und welche Anforderungen von Seiten der Investoren an sie gestellt werden. Außerdem werden die Wirkungsmöglichkeiten aber auch die Grenzen von Investor Relations in den oben genannten Situationen beleuchtet. Ziel der Arbeit ist es, einen komprimierten Überblick über das Spektrum der Anforderungen an effiziente Risiko- und Krisenkommunikation mit Investoren am Neuen Markt zu geben sowie wesentliche Hypothesen für erfolgreiche Investor Relations im Krisenfall herauszuarbeiten. Da aufgrund der hohen Aktualität des Themas der vorliegenden Arbeit - wie bereits erwähnt - nur wenig Sekundärmaterial zur Verfügung stand, das sich explizit auf die Kommunikation mit Investoren in Risiko- und Krisensituationen am Neuen Markt bezieht, wurde zur Herleitung von tragfähigen Hypothesen eine explorative Untersuchung unter Praktikern und Experten der Kapitalmarktkommunikation durchgeführt.

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