Forschungsdaten GESIS2011

Arbeitsmarktpolitik im Deutschen Kaiserreich

Abstract

Sieht man von wenigen Einzelstudien ab, erscheinen der Arbeitsmarkt und seine Segregationen, das Verhältnis der Angebots- zu den Nachfragegrößen, Beschäftigungsstruktur und Arbeitslosigkeit noch immer als weiße Flecken auf der historischen Landkarte. Gleiches gilt für die Geschichte der Arbeitsmarktpolitik. Die vorliegende Studie soll diese Lücke mit einer Darstellung der damals wichtigsten Elemente der Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitsvermittlung, der Arbeitsbeschaffung und der Arbeitslosenunterstützung schließen helfen. Sie greift einer der wichtigsten Probleme der modernen hochgradig arbeitsteilig organisierten Volkswirtschaft auf: die Versorgung des Arbeitsmarktes mit Arbeitskräften hinreichender Qualifikation. Diese Aufgabe ist deswegen so schwierig, da der Arbeitsmarkt sehr stark segmentiert (zahlreiche Teilmärkte mit höchst unterschiedlichen Anforderungen an die Qualifikation) und sich überdies seit dem großen Umbruch im Verlauf der Industrialisierung in ständigem, oft kurzfristigem Wandel befindet. Um sie zu bewältigen, muss zunächst eine möglichst weitgehende Markttransparenz geschaffen werden, ein zentrales Feld der Arbeitsvermittlung. Diese grundlegende Funktion der Arbeitsvermittlung (Versorgung des Arbeitsmarktes mit geeigneten Arbeitkräften, von Anselm Faust 'Marktfunktion' genannt) schließen sich andere wichtige Funktionen an, z.B. die soziale Funktion der Vermeidung von Arbeitslosigkeit. Nichtgewerbsmäßige Arbeitsvermittlung konstituierte sich in Deutschland in einer Zeitspanne von 30 bis 40 Jahren zu einem fest etablierten Element moderner Arbeitsmarktpolitik. Im ausgehenden 19. Jahrhundert noch quantitativ unbedeutend uns institutionell wie interessenpolitisch zersplittert, wurde sie 1927 mit dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in ein System aufeinander abgestimmter öffentlicher Einrichtungen und Maßnahmen integriert, das dem Ausgleich und der Beeinflussung des Arbeitsmarktes, der Beschäftigungspolitik und der materiellen Sicherung der Erwerbslosen dient.
Die Ziele der Arbeitsmarktpolitik, wie sie sich in einem längeren historischen Prozess bis heute konstituiert haben, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
"Menge, Zusammensetzung und Qualität des möglichen und tatsächlichen Arbeitspotentials in Richtung auf optimale Strukturen und Entwicklungen zu beeinflussen;
- auf dem Arbeitsmarkt die bestmögliche gegenseitige Anpassung von verfügbaren Arbeitskräften und Arbeitsplätzen herbeizuführen;
- das Arbeitspotential produktiv, möglichst vollständig und kontinuierlich zur individuellen und gesellschaftlichen Wohlfahrtssteigerung zu nutzen
- und die Erwerbsbevölkerung von den Folgen der Arbeitslosigkeit zu schützen.
Aus diesen Katalog greift die Untersuchung mit der Arbeitsvermittlung, der Arbeitsbeschaffung und der Arbeitslosenunterstützung die drei historisch und politisch wichtigsten Instrumente heraus Ist der Arbeitsmarkt der Raum, in dem Angebot und Nachfrage aufeinander treffen, bezeichnet Arbeitsvermittlung, bzw. in der älteren Terminologie Arbeitsnachweis, sowohl den organisierten Marktvorgang als auch die 'Kontaktstellen', in denen sich Angebot von und Nachfrage nach Arbeitskräften begegnen …
Die Geschichte der Arbeitsvermittlung, der Arbeitsbeschaffung und der Arbeitslosenunterstützung in Deutschland zwischen 1890 und 1918 wird vor allem befragt
- nach ihren sozialen und ökonomischen Voraussetzungen: der Struktur des Arbeitsmarktes, der Entwicklung und sozialen Bedeutung von Beschäftigung und Erwerbslosigkeit; ihrer theoretischen und ideologischen Einordnung sowie den aus ihnen abgeleiteten gesellschaftlichen Interessen;
- nach der Funktion der Arbeitsmarktpolitik im Interessenkonflikt des Kaiserreiches und ihren daraus resultierenden politischen Stellenwert;
- nach den Strategien zur Lösung der arbeitsmarktpolitischen Konflikte, den Maßnahmen und Institutionen und ihrer organisatorischen Ausgestaltung;
- nach der Rolle des Staates bei der Lösung der Konflikte und der Organisierung des Arbeitsmarktes;
- nach der Relevanz des Instrumentariums für die Arbeitsmarktabläufe und den Erwerbslosenschutz".
(Faust, A., 1986: Arbeitsmarktpolitik im Deutschen Kaiserreich. Arbeitsvermittlung, Arbeitsbeschaffung und Arbeitslosenunter¬stützung 1890-1918. Stuttgart: Franz Steiner, S. 2f, S. 10).


Datentabellen in HISTAT:
A. Arbeitslosigkeit
A.01 Arbeitsgesuche auf 100 offene Stellen (1907-1918)
A.02 Die Arbeitslosenquote in den Gewerkschaften (1904-1918)
A.03 Die Arbeitslosenquoten in den Gewerkschaftsverbänden (1904-1918)
A.04 die geschlechtsspezifische Arbeitslosenquote in den Gewerkschaftsverbänden (1914-1918)
A.05 die Arbeitslosenquoten in den Angestelltenverbänden (1908-1918)
B. Arbeitsnachweise
B.01a Die nichtgewerbsmäßigen Arbeitsnachweise, Anzahl (1904-1927)
B.02b Der Vermittlungsanteil der öffentlichen Arbeitsnachweise (1913-1928)
B.02 Die Vermittlungsergebnisse der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsnachweise (1913-1918)
B.03 Die Gründungsjahre der Arbeitsnachweise (1865-1912)
B.04 Gründungsjahre der im Januar 1910 in Preußen bestehenden öffentlichen Arbeitsnachweise (1864-1909)
B.05 Tarifvertragliche Arbeitsnachweisvereinbarungen (1910-1914)
B.06 Die Vermittlung von Frauen (1910-1918)
B.07 Notstandsarbeiten (1891-1913)
C. Arbeitslosenunterstützung
C.01 Arbeitslosenunterstützung in den Einzelverbänden der Freien Gewerkschaften (1891-1914)
C.02 Die Ausgaben der Freien Gewerkschaften für Reise- und Arbeitslosenunterstützung (1891-1918)
C.03 Die Arbeitslosenunterstützung in den christlichen Gewerkschaften und den Gewerkvereinen (Hirsch-Duncker) (1904-1918)

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