Open Access BASE2021

Einfluss der Medienberichterstattung auf die Strategien und Taktiken deutscher Interessengruppen zu europäischen Gesetzesvorhaben

Abstract

Das Lobbying von Interessengruppen zu europäischen Gesetzeshaben ist ein zentrales Untersuchungsfeld politikwissenschaftlicher Forschung. Im Mittelpunkt der Forschung stehen hierbei Fragen nach dem Zugang und Einfluss von Interessengruppen auf europäische Entscheidungsprozesse, aber auch nach den angewendeten Strategien und Taktiken im Lobbyingprozess. Die Auswahl der Strategien und Taktiken, die Interessengruppen in politischen Entscheidungsprozessen anwenden, wird durch verschiedene Einflussfaktoren bestimmt. Ein relevanter Kontextfaktor ist hierbei die Salienz der Gesetzesvorhaben oder Issues, zu denen Interessengruppen Lobbyarbeit betreiben. Die Annahme, dass die Salienz von Themen oder Gesetzesvorhaben einen Einfluss auf verwendete Strategien und Taktiken hat, wurde in verschiedenen Studien untersucht. Gewonnene Ergebnisse weisen allerdings in verschiedene Richtungen und sind widersprüchlich. Diese Arbeit knüpft so an die bestehende Forschung an und untersucht unter Berücksichtigung des Lobbykontextes das Lobbying von deutschen Interessengruppen im Mehrebenensystem der EU bei Gesetzesvorhaben mit einem großen bzw. geringem Grad an Mediensalienz. Ziel der Arbeit ist es zu erfassen, inwiefern die Mediensalienz eines europäischen Gesetzesvorhabens das Vorgehen und die Aktivitäten von Interessengruppen im Lobbying beeinflusst. Daraus ergibt sich folgende leitende Fragestellung der Arbeit: Wie agieren Interessengruppen bei europäischen Gesetzesvorhaben mit einem großen bzw. geringen Grad an Mediensalienz und welchen Einfluss hat die Mediensalienz auf verwendete Lobbyingstrategien und Taktiken von Organisationen? Die Fragestellung wird in dieser Arbeit aus einer deutschen Perspektive heraus untersucht. Der Untersuchungsgegenstand wurde im Rahmen eines Fallstudiendesigns bearbeitet. Hierbei wurden vier Fälle mit einem unterschiedlichen Grad an Mediensalienz ausgewählt. Die Mediensalienz wurde im Rahmen einer Medienanalyse deutscher Zeitungen (Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung) ermittelt. Bei den untersuchten Fällen handelt es sich um die Verordnungsvorschläge zur (1) EU-Datenschutzgrundverordnung, (2) Geoblocking-Verordnung, (3) Dublin-IV-Verordnung sowie (4) EU-Düngemittelverordnung, die jeweils einen unterschiedlichen Grad an Mediensalienz besitzen. Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen von 31 Experteninterviews mit ausgewählten deutschen Interessengruppen, die in diesen vier Fällen aktiv waren. Zusätzliche Dokumente, wie Stellungnahmen, Positionspapiere oder Pressemitteilungen wurden hinzugezogen und im Rahmen einer Dokumentenanalyse ausgewertet. Theoretisch eingebettet ist die Arbeit in den tauschtheoretischen Ansatz von Berkhout (2010). Dieser fasst die Lobbyingaktivitäten von Interessengruppen als Teil der Tauschbeziehungen von Interessengruppen mit politischen Entscheidungsträgern, den Medien sowie Mitgliedern und Unterstützern. Gleichzeitig berücksichtigt er in seinem Ansatz Kontextfaktoren und -bedingungen, die diese Tauschbeziehungen bzw. Aktivitäten beeinflussen. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigten, dass die Mediensalienz in den untersuchten Fällen insbesondere bei der Beteiligung der Mitglieder und Unterstützer an den politischen Aktivitäten, bei der Medienarbeit und auch bei der Formulierung von Kommunikationsbotschaften gegenüber politischen Entscheidungs-trägern eine Rolle spielen kann. Allerdings wurde im Verlauf der Arbeit deutlich, dass das Konzept der Mediensalienz erweitert werden muss, um die Aktivitäten von Interessengruppen besser erklären zu können. Hierbei stellten sich die konzeptuellen Überlegungen von Kiousis (2004) als guter Ansatz heraus. Dieser weist der Mediensalienz sowohl externe (Aufmerksamkeit, die ein Thema in den Medien hat sowie Platzierung von Themen) als auch eine interne (Valenz der Berichterstattung) Dimension zu. So zeigte sich in den untersuchten Fällen beispielsweise, dass für Wirtschaftsverbände nicht nur die Aufmerksamkeit, die ein Thema in den Medien genießt für die Aktivitäten von Relevanz ist, sondern auch wie das Thema in den Medien dargestellt wird und inwiefern Darstellungen eigene Positionen und Interessen unterstützen. Darüber hinaus zeigte die Arbeit, dass die Fachmedien eine zentrale Rolle für Interessengruppen im EU-Lobbying spielen. Auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse dieser Arbeit wurde der theoretische Analyserahmen von Berkhout (2010) zu den politischen Aktivitäten von Interessengruppen mit den eigenen Mitgliedern und Unterstützern, mit politischen Entscheidungs-trägern und den Medien sowie gegenüber den Fachmedien durch Annahmen erweitert. Die Arbeit suchte so einen Beitrag zur Forschung zur europäischen Interessenvertretung sowie zur Theoriebildung in diesem Bereich zu leisten.

Sprachen

Deutsch

Verlag

Friedrichshafen : Zeppelin Universität

Problem melden

Wenn Sie Probleme mit dem Zugriff auf einen gefundenen Titel haben, können Sie sich über dieses Formular gern an uns wenden. Schreiben Sie uns hierüber auch gern, wenn Ihnen Fehler in der Titelanzeige aufgefallen sind.