Open Access BASE2021

Anerkennung und Macht ; Recognition and power

Abstract

In der vorliegenden Untersuchung habe ich das Ziel verfolgt, einen sachlich-eigenständigen Beitrag für eine Debatte gegen Honneths kritische Gesellschaftstheorie zu leisten. In dieser Debatte wird Honneth dahingehend kritisiert, dass es ihm mit seiner kritischen Gesellschaftstheorie entgegen seiner eigenen systematischen Zielsetzung nicht gelingt, in modernen liberaldemokratischen Gesellschaften sämtliche Phänomene von sozialer Herrschaft kritisch zu hinterfragen. Denn soziale Anerkennung, die Honneth als Schlüsselbegriff für diese kritische Hinterfragung behandelt, bei der soziale Herrschaft in Verbindung mit sozialer Missachtung (als mangelnde soziale Anerkennung) steht, kann laut der Kritik faktisch selbst ein Medium für die Stiftung von sozialer Unterwerfung sein. Dies geschieht in Prozessen von Identitätsentwicklung, in denen soziale Anerkennung für Individuen als Anerkannte bestimmte Identitätsmöglichkeiten einräumt und auf diese Weise gleichzeitig andere Identitätsmöglichkeiten ausschließt, womit sie auf diese Identität einschränkend und insofern herrschend wirkt. Es handelt sich um eine Form von sozialer Herrschaft, die durch soziale Anerkennung gestiftet wird. Honneth zieht dem Vorwurf zufolge nicht in Erwägung, dass soziale Anerkennung bei Individuen als Anerkannte einen solchen negativen Effekt erzielen kann. Hieraus ergeben sich die Fragen, ob soziale Anerkennung in Prozessen von Identitätsentwicklung jeweils mit sozialer Herrschaft einhergeht und wie dieser Typus von sozialer Herrschaft kritisiert werden kann. Diese Fragen hat Honneth zuletzt in einem persönlichen Gespräch mit Allen und Cooke (als zwei Teilnehmerinnen der Debatte gegen Honneth) beantwortet. An dieser Stelle vertritt er mit beiden Gesprächsteilnehmerinnen die Auffassung, dass die Operation der Einschränkung von Identitätsmöglichkeiten an sich keine Operation darstellt, welche, wie sonst in der Debatte gegen seine kritische Gesellschaftstheorie behauptet wird, auf soziale Herrschaft zurückführt. Diese Auffassung beruht auf der Idee, wonach soziale Anerkennung sich in jenem praktischen Kontext nur unter der Bedingung als herrschaftsstiftend erweist, dass sie immanente Prinzipien verletzt, die substanziell kritische Maßstäbe definieren. Mein Beitrag zu dieser Debatte gegen Honneth besteht auf der einen Seite in der Erklärung, dass sowohl jene Auffassung als auch jene Idee argumentativ mangelhaft sind, und auf der anderen Seite in der Ausführung des Vorhabens, diesen argumentativen Mangel selbst zu beheben. Gegen jene Auffassung behaupte ich, dass die drei Autoren in ihrem Gespräch nicht erläutern, inwiefern soziale Anerkennung nicht herrschend wirkt, wenn sie die Identitätsmöglichkeiten von Individuen als Anerkannte einschränkt, denn mit dieser Einschränkung wird vielmehr faktisch über diese Individuen geherrscht – die Debatte gegen Honneth, so zur Unterstützung dieser Ansicht, baut hauptsächlich auf ebendiesem Faktum auf. Gegen jene Idee habe ich fünf problematische Fragen gestellt und beantwortet, die Bezug eigentlich nicht allein auf diese Idee selbst, sondern überdies auf weitere, naheliegende Ideen nehmen, welche die drei Autoren angesprochen haben. ; In this study, I have pursued the goal of making a factual, independent contribution to a debate against Honneth's critical theory of society. Contrary to his own systematic objective, Honneth is criticised for the fact that his critical social theory fails in critically questioning all phenomena of social domination in modern liberal democratic societies. For social recognition, which Honneth treats as a key concept for this critical questioning, where social domination is related to social disregard (as a lack of social recognition), can in fact itself be a medium for the foundation of social subjugation. This happens in processes of identity development in which social recognition grants certain identity possibilities for individuals as recognised and, in this way, simultaneously excludes other identity possibilities, thus having a restrictive and insofar domineering effect on this identity. It is a form of social domination that is created through social recognition. According to the reproach, Honneth ignores that social recognition can have such a negative effect on individuals as recognised. This raises the questions of whether social recognition in processes of identity development is always accompanied by social domination and how this type of social domination can be criticised. Honneth has answered these questions in a personal conversation with Allen and Cooke (as two participants in the debate against Honneth). At this point, he argues with both participants in the conversation that the operation of restricting identity possibilities is not in itself an operation that traces back to social domination, as is otherwise claimed in the debate against his critical social theory. This view is based on the idea that social recognition only proves to be domineering in that practical context on the condition that it violates immanent principles that define substantive critical standards. My contribution to this debate against Honneth consists, on the one hand, in explaining that both the view and the idea are argumentatively flawed, and, on the other hand, in carrying out the project of remedying this argumentative flaw itself. Against that view, I argue that the three authors do not explain in their discussion how social recognition is not domineering when it restricts the identity possibilities of individuals as recognised, because with this restriction, it is rather factually domineering over these individuals - the debate against Honneth, so in support of this view, is mainly built on this very fact. Against this idea, I have posed and answered five problematic questions, which refer not only to this idea itself, but also to other, more obvious ideas that the three authors have addressed.

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