Wir wollen mehr Open Access wagen! Bericht zum Online-Workshop über Wege, Modelle und Services für die Politikwissenschaft im Bereich Open Access vom 9. Februar 2022
7. März 2022 00:00
Von Linda Martin und Regina Pfeifenberger
Unter dem Motto "Wir wollen mehr Open Access wagen" teilten Wissenschaftler*innen, Fachreferent*innen und Publizierende am 9. Februar 2022 ihre Erfahrungswerte und Fragen zu Open Access in der Politikwissenschaft. Der thematische Workshop ist Teil des Projektangebots von open-access.network und wurde gemeinsam von dem Open-Access-Büro Berlin und dem Fachinformationsdienst Politikwissenschaft (FID Pollux) ausgerichtet. Nach einer Einführung zu Möglichkeiten verschiedener Publikationswege und Services von Infrastrukturbetreibenden konnten sich die knapp 30 Teilnehmenden dirket mit zwei Open-Access-Publizierenden austauschen.
Ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für ein Journal: Open Access
"Es ist Glück, wenn die Co-Autorin Corresponding Author ist und ihre Einrichtung Open Access fördere", sagte Jun.-Prof. Arndt Leininger, Ph.D. von der Technischen Universität Chemnitz in seinem Vortrag. Die Erfahrungswerte, Zugriff auf eine breitere Quellenlage durch Open-Access-Literatur zu haben, prägten die Zeit seiner Affiliation an einer kleineren Einrichtung, der Hertie School of Governance. Auch die erhöhte Sichtbarkeit der eigenen Forschung zählten zu seiner Motivation, Open Access zu publizieren. Darüber hinaus beschrieb Leininger die Vielfalt der von ihm genutzten Wege der Veröffentlichung: von der Publikation im Portfolio der DEAL-Zeitschriften, über die Möglichkeit zur Zweitveröffentlichung auf dem disziplinspezifischen Repositorium bis zur Publikation im eigenständigen Gold Open Access Journal. Dabei verriet der Juniorprofessor für politikwissenschaftliche Forschungsmethoden seine Tricks zur erfolgreichen Umsetzung des Open-Access-Publizierens:
- Co-Autor*innen frühzeitig anschreiben, ob eine Zweitveröffentlichung eines gemeinsam verfassten Artikels in einem Repositorium möglich ist.
- Ein wichtiges Auswahlkriterium einer Zeitschrift: Das Vorhandensein von Gold-Open-Access-Publikationsmöglichkeiten.
- Auf die Affiliation kommt es an. So sollten der*die Wissenschaftler*in als Corresponding Author auftreten, deren*dessen Einrichtung über Transformationsverträge oder Vereinbarungen mit Verlagen verfügt.
- Informationen über bestehende Transformationsverträge der eigenen Einrichtung einholen und Netzwerke bilden.
Forschungsförderung ist relevant für Nachwuchswissenschaftler*innen
Wie die eigenen Forschungsschwerpunkte Einfluss auf die Entscheidung des Publizierens haben können, führte Dr. Philipp Schulz von der Universität Bremen im folgenden Vortrag aus. Open Access ermöglicht es den Menschen, die er in Uganda interviewte und auf deren Aussagen seine Dissertation fußt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse nachzunutzen. Die zentralen Beweggründe für die Entscheidung gegen Closed Access seien Transparenz, Sichtbarkeit, aber auch im Besonderen ethischer und moralischer Art.
Der am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien Tätige veröffentlichte seine Hochschulschrift als Monographie bei University of California Press. Damit einher gingen Aspekte der Qualitätssicherung in Form eines Editorial Boards sowie der Begutachtung seines Manuskripts.
Trotz aller Open-Access-Euphorie verwies Schulz auch auf die daraus resultierende Verstetigung eines Ungleichgewichtes zwischen Wissenschafltler*innen weltweit: Die Erhöhung der eigenen Sichtbarkeit, der Abschluss einer Karrierestufe mithilfe einer Open-Access-Publikation ist häufig nur durch die Unterstützung von Forschungsförderorganisationen möglich. Wiederum erleichtert der Zuwachs des eigenen Renommees die Einwerbung neuer Fördergelder. Open Access sollte somit immer auch aus einer postkolonialen Perspektive beleuchtet werden.
Alles was (Urheber-)Recht ist
Dipl.-Wirt.Jur. Thomas Hartmann, LL.M., vom FIZ Karlsruhe - Leibniz- Institut für Informationsinfrastruktur gab den Teilnehmenden einen Einblick in das Thema (Urheber-)Recht und sprach sich dafür aus, dass Open Access gestärkt werden sollte. Es braucht mehr Openness, so sein Credo. Denn gerade in der digitalen Welt seien “some rigths reserved”, welches durch die Möglichkeit der Wahl einer Creative-Commons-Lizenz (CC-Lizenz) betont würde. Wo Autor*innen oder Herausgeber*innen eine CC-Lizenz auch restriktiverer Art vergeben, sei ein wichtiger Schritt zu mehr Offenheit in der Wissenschaft und zur Wahrung eigener Rechte getan.
Neben einem Austausch im Peer-to-Peer-Format, hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit einen Einblick in die Services dreier Infrastrukturen - das Social Science Open Access Repository (SSOAR), die transcript Open Library Politik und das International Journal of Conflict and Violence (IJCV) - zu gewinnen.
Ob Gold, Grün oder Diamond - Wege des Publizierens
Dr. Agathe Gebert erläuterte, wie Wissenschaftler*innen auf dem Grünen, aber auch dem Goldenen Weg im größten sozialwissenschaftlichen Open-Access-Repositorium (SSOAR) publizieren können. Die Langzeitarchivierung von Forschungsergebnissen, die Vergaben von persistenen Identifikatoren (z.B. DOI), die Wahl freier Creative-Commons-Lizenzen und die Anwendung von Suchmaschinenoptimierung sind nur einige Vorteile des Publizierens auf dem Dokumentenserver von GESIS – dem Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. Besonders einfach ist das Hochladen eigener Publikationen über Pollux, da die Metadaten der ausgewählten Publikation automatisch an SSOAR übertragen werden.
Die transcript Open Library Politik ist ein auf Basis von Crowdfunding – mit besonderer Unterstützung seitens des FID Pollux – geschaffenes Angebot des Verlages transcript. Stefanie Hanneken erläuterte wie die Forschungsliteratur über Plattformen wie JSTOR oder OAPEN an Sichtbarkeit gewinnt. Hanneken betonte die Idee, dass die Forschenden durch die eigenständige Wahl einer Creative-Commons-Lizenz und die ledigliche Abgabe einfacher Nutzungsrechte an den Verlag zu Co-Herausgeber*innen würden. Am häufigsten wählten bisherige Autor*innen die Lizenz CC-BY, aber auch die restriktivere Variante CC-BY-NC.
Dr. Kurt Salentin (Universität Bielefeld) stellte das von ihm und weiteren Herausgeber*innen betreute, interdisziplinär ausgerichtete Journal of Conflict and Violence vor. Das Journal wird über BieJournals (Software: Open Journal Systems der Universität Bielefeld) gehostet und bietet den Autor*innen die Möglichkeit des kostenfreien Publizierens (Diamond Open Access), inklusive eines Peer Reviews. Inhaltlich und technisch fußt das Medium auf der Arbeit des Editorial Boards. Auch Salentin hob wie die Referenten des Vormittags hervor, dass seine Motivation für das Diamond-Open-Access-Publizieren darin begründet ist, selbst etwas zur Bildungsgerechtigkeit beizutragen und der Zivilgesellschaft das öffentlich finanzierte Wissen frei zur Verfügung zu stellen.
Wichtige Takeaways des Workshops
- Die Motivation der Publizierenden reicht von dem Wunsch nach erhöhter Sichtbarkeit der eigenen Forschung hin zu globaler Gerechtigkeit und dem Verständnis öffentlich finanzierter Wissenschaft, die auch der Zivilgesellschaft zu Gute kommen sollte.
- Die zentrale Rolle der Forschungsförderorganisationen, die Open Access weitere Relevanz einräumen sollten.
- Die wiederkehrenden Unsicherheiten bei der Wahl einer passenden Creative-Commons-Lizenz, sei es für eigene Publikationen oder aber als Herausgeber*in eines Zeitschriftenangebotes.
- Die Unsicherheiten bzgl. der Finanzierung und die Herausforderungen bei der Publikation einer Qualifikationsarbeit innerhalb Deutschlands.
- Die Frage nach der Positionierung und passgenauer Services, die verschiedene Wege des Publizierens berührt. Welche Konfliktlinien zeichnen sich ab? Einen Blick auf die Chancen von Diamond-Open-Access-Angeboten und auf das Angebot von kleineren und mittleren Verlagen zu werfen, scheint lohnenswert. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der persönlichen Motivation der Herausgebenden.
Quelle: https://open-access.network/services/news/artikel/wir-wollen-mehr-open-access-wagen