Prüfen in der Allgemeinmedizin – Staatsexamina im ambulanten hausärztlichen Setting
In: Das Gesundheitswesen: Sozialmedizin, Gesundheits-System-Forschung, public health, öffentlicher Gesundheitsdienst, medizinischer Dienst, Band 85, Heft 3, S. 203-208
ISSN: 1439-4421
ZusammenfassungDie Allgemeinmedizin hat einen großen Stellenwert in der
Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Nur ein kleiner Teil der
behandelten Patienten wird bei spezialisierten Fachärzten, im
Krankenhaus oder in einer Universitätsklinik versorgt. Der
Großteil der Bevölkerung hingegen hat Kontakt zu einem Hausarzt.
Mit Einführung der im Masterplan Medizinstudium 2020 geforderten
Stärkung der Allgemeinmedizin, unter anderem in neuen
Staatsexamina-Prüfungsformaten, wird diese zentrale Stellung in der
Patientenversorgung in Studium und Prüfungen zukünftig
abgebildet. Das allgemeinärztliche Setting obliegt einem spezifischen
Hintergrund mit unausgelesenem Patientenkollektiv und hermeneutischem
Fallverständnis. Die neue Abschlussprüfung fördert
allgemeinmedizinische und fächerübergreifende Kompetenzen in der
ärztlichen Gesprächsführung, bei der
körperlichen Untersuchung, im Umgang mit ambulant behandelbaren
Erkrankungen, bei Prävention wie auch der Anwendung allgemeiner
ärztlicher Richtlinien von Ethik und Recht. Die vom Institut für
medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) neu gestaltete
standardisierte mündlich-praktische Prüfung mit realen Patienten
im ambulanten Setting beinhaltet acht Schritte, die kommunikative und fachliche
Prüfungsaspekte integrieren. Zwei geschulte Prüfende beobachten
und beurteilen die Leistungen anhand standardisierter Bewertungsbögen.
Das neue Prüfungsformat wurde bereits 2019 vom IMPP und Lehrenden
verschiedener medizinischer Fakultäten entwickelt, in fünf
allgemeinmedizinischen Lehrpraxen getestet, überarbeitet und
anschließend in vierzehn Probeprüfungen pilotiert.
Standardisierte Vorgaben zum Prüfungsablauf, zur räumlichen
Ausstattung sowie zu Prüferschulungen wurden vom IMPP entwickelt.
Zukünftig sind bei ca. 10+000 Prüflingen
jährlich sowie bei Prüfung zwei Studierender pro Prüftag
insgesamt 5000 Prüftage in allgemeinärztlichen Praxen
erforderlich. Aufgrund der Expertise der Deutschen Gesellschaft für
Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), der Gesellschaft der Hochschullehrer
für Allgemeinmedizin (GHA) und der universitären Standorte
bezüglich der Gewinnung und Motivation von Praxen sowie des
großen Potentials als größte Fachgruppe Deutschlands
erscheint dieses Ziel erreichbar. Bezüglich der Finanzierung sind
politische Entscheidungen notwendig. In einem immer komplexer werdenden
Versorgungssystem trägt die Neugestaltung der
mündlich-praktischen Prüfung im ambulanten Setting zur
Stärkung der interdisziplinären und multiprofessionellen
Zusammenarbeit bei.