Die Konsensmethode des EGMR: eine kritische Bewertung mit Blick auf das völkerrechtliche Konsens- und das innerstaatliche Demokratieprinzip
In: Archiv des Völkerrechts: AVR, Band 51, Heft 3, S. 312-338
ISSN: 0003-892X
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In: Archiv des Völkerrechts: AVR, Band 51, Heft 3, S. 312-338
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World Affairs Online
In: Journal of peace research, Band 43, S. 413-431
ISSN: 0022-3433
World Affairs Online
Blog: Rechtspopulismus
"Da die demokratischen Institutionen und Haltungen weiterhin existieren, merken wir nicht, dass die Demokratie geschwächt und die Macht innerhalb des politischen Systems auf eine kleine Elite aus Politikern und Konzernen übergegangen ist, die eine Politik nach den Wünschen Letzterer betreiben."Dieses drastische Zitat, welches eine dramatische Betrachtung der gegenwärtigen Lage der westlichen Demokratien darstellt, ist nicht etwa aus dem Wahlprogramm einer populistischen Partei entnommen. Ebenso wenig sind es Auszüge aus einer Wutrede von Alice Weidel oder Sarah Wagenknecht. Diese rigorosen Worte stammen vom britischen Sozialwissenschaftler Colin Crouch und fassen weite Teile seiner Postdemokratie-These pointiert zusammen (Crouch 2021, S. 21).Die vermeintliche Nähe zu rechten Verschwörungsmythen und populistischen Narrativen von korrupten Eliten in angeblichen Scheindemokratien rückt Crouch auf den ersten Blick in kein gutes Licht (vgl. Mudde 2020, S. 55 f.). Ist er durch seine Kritik am Zustand der westlichen Demokratien womöglich als latenter Komplize der aufsteigenden Kräfte des rechtsradikalen Spektrums auszumachen?Hinsichtlich der evidenten Defizite in der Entwicklungsrichtung etablierter Demokratien der westlichen Hemisphäre erscheint eine kritische Analyse als durchaus sinnvoll. So bestätigt die Realität durch Wahlergebnisse und zahlreiche Umfragen beispielsweise zunehmend das vielzitierte Phänomen der Politikverdrossenheit sowie das verbreitete Misstrauen der Bürger*innen in Politik und deren Institutionen (vgl. Best et al. 2023, S. 18-21). Daher möchte der vorliegende Beitrag folgenden Fragestellungen nachgehen:Ist die Postdemokratie-These notwendige Kritik an politischen Missständen oder Wasser auf die Mühlen des Rechtspopulismus?Sind die Ausführungen Crouchs damit als Chance oder Gefahr für die Demokratie zu bewerten? Aus Gründen des begrenzten Umfangs beziehen sich die folgenden Ausführungen explizit auf den Rechtspopulismus und klammern den durchaus existierenden Populismus des politisch linken Spektrums aus. Angesichts des fortwährend wachsenden Einflusses politischer Akteur*innen der Neuen Rechten sowie der Verbreitung einschlägiger rechtsradikaler Narrative im öffentlichen Diskurs scheint dieser Fokus aktuell von ungleich größerer Bedeutung zu sein (vgl. Mudde 2020, S. 13-17).Der inhaltliche Gedankengang des Beitrags sei an dieser Stelle knapp skizziert: Die Leitfrage soll aus verschiedenen Perspektiven bearbeitet werden, um den ambivalenten Potenzialen der These Colin Crouchs gerecht zu werden. Dabei wird der schmale Grat zwischen angebrachter Kritik, welche zu einer verbesserten Demokratie beitragen kann, und der Nähe zu rechtspopulistischen Narrativen mit gegenteiliger Wirkung thematisiert.Insbesondere die zentralen Unterscheidungsmerkmale zwischen Crouchs analytischen Ausführungen und rechtspopulistischer Eliten-Kritik sollen anschließend als sinnvolle Abgrenzung herausgearbeitet werden. Dies wird als Schlüssel zu einer gewinnbringenden praktischen Verwertung der Postdemokratie-These betrachtet, um sie als Chance im Sinne einer konstruktiven Kritik an negativen Entwicklungen der westlichen Demokratien fruchtbar werden zu lassen.Colin Crouch: "Postdemokratie"Der britische Politikwissenschaftler und Soziologe Colin Crouch sorgte bereits in den frühen 2000er Jahren mit Veröffentlichungen um seine These der Postdemokratie für internationales Aufsehen. Seine Gegenwartsanalyse beschreibt einige Tendenzen, die insbesondere in den etablierten Demokratien der westlichen Welt zu beobachten sind und durch komplexe Zusammenhänge eine zunehmende Schwächung der Demokratie bedeuten.Gemäß der Wortneuschöpfung mit der bedeutungsschweren Vorsilbe "post" charakterisiert er den aktuellen Zustand als Niedergang der lebhaften Demokratie nach der politischen und gesellschaftlichen Hochphase demokratischer Prozesse. Solch ein vergangener "Augenblick der Demokratie" (Crouch 2021, S. 22) zeichne sich in der Theorie durch die Verwirklichung sämtlicher demokratischer Ideale aus. Insbesondere eine lebendige Zivilgesellschaft partizipiert dabei öffentlich am politischen Prozess, wobei die aktive Beteiligung der gleichberechtigten Bürger*innen über den regelmäßigen Gebrauch des Wahlrechts hinausgeht. Eine angemessene und wirkungsvolle Verbindung zwischen dem Staat und seinen Bürger*innen gewährleistet eine funktionierende Repräsentation der Bevölkerung durch demokratisch legitimierte politische Amtsträger*innen (vgl. Crouch 2021, S. 22 f.).Die neoliberale Vorherrschaft in grundlegenden politischen Entscheidungen und Handlungen seit den 1980er Jahren führte zu wachsender Ungleichheit, die auch im politischen Diskurs spürbar wurde. So dominieren in Folge von ökonomischer Globalisierung und der Entstehung mächtiger Megakonzerne wirtschaftliche Eliten zunehmend den politischen Diskurs sowie durch gezielten Lobbyismus den Raum der politischen Entscheidungsfindung.Demokratische Prozesse werden subtil ausgehöhlt, indem Wirtschaftseliten den Platz von formal gleichberechtigten Bürger*innen als bedeutendste Instanz im demokratischen Raum einnehmen. Dies führe mitunter zu einer folgenschweren einseitigen Zuwendung politischer Akteur*innen hin zu wirtschaftlichen Eliten und deren Interessen der Profitsteigerung, was mit einer symptomatischen Entfremdung der Volksvertreter*innen von der zu repräsentierenden Bevölkerung einhergehe (vgl. Crouch 2021, S. 9 f.; S. 24-26). Der renommierte Philosoph und Soziologe Jürgen Habermas fasst die Zusammenhänge der These bezüglich der vorherrschenden neoliberalen Ideologie pointiert zusammen:"Ich habe den Begriff 'Postdemokratie' nicht erfunden. Aber darunter lassen sich gut die politischen Auswirkungen der sozialen Folgen einer global durchgesetzten neoliberalen Politik bündeln." (Habermas 2022, S. 87)Ein weiterer einschneidender Umbruch ist in der Zivilgesellschaft selbst verortet. So nimmt die herkömmliche Bindung an soziale Klassen und Kirchen als gesellschaftliche und politische Verortung der kollektiven Milieus innerhalb einer Gesellschaft seit Jahrzehnten massiv ab. Damit gehe in vielen Fällen auch ein Raum der politischen Betätigung und Meinungsbildung verloren, was zuweilen zur politischen Orientierungslosigkeit der Bürger*innen führe. Dies erschwere das Aufrechterhalten der Bindung politischer Akteur*innen an deren Basis in vielerlei Hinsicht. Denn nicht zuletzt orientiert sich auch die etablierte Parteienlandschaft an den einst zentralen sozialen Zugehörigkeiten der Bürger*innen (vgl. Crouch 2021, S. 26-30).Rund 20 Jahre nach den ersten einschlägigen Veröffentlichungen erneuerte Crouch seine These mit einigen Ergänzungen und Korrekturen, welche vor dem Hintergrund zeitgeschichtlicher Entwicklungen durch den Abgleich mit der politischen Realität notwendig erschienen. Doch die Kernthese der Postdemokratie blieb grundlegend erhalten (vgl. Crouch 2021, S. 10-17):
Als knapper inhaltlicher Exkurs am Rande der Kernthematik sei an dieser Stelle ein kritischer Vermerk bezüglich relevanter politischer Entwicklungen seit 2020 eingefügt. Nach der Veröffentlichung der Originalausgabe des Buches "Postdemokratie revisited", welches die damals aktualisierte Version der Postdemokratie-These von Colin Crouch hinsichtlich veränderter politischer Umstände enthält, sind einschneidende weltpolitische Ereignisse zu bedeutenden Prägefaktoren der transnationalen und nationalen Politiken geworden.Die Corona-Pandemie und der anhaltende russische Angriffskrieg auf die Ukraine führten zu politischen Entscheidungen, welche mitunter unmittelbar spürbar für große Teile der Bürger*innen waren und dies noch immer sind. Damit einhergehend wurde eine zunehmende Politisierung der Bevölkerung einiger demokratischer Staaten beobachtet (vgl. Beckmann/Deutschlandfunk 2021). In der deutschen Gesellschaft sind zudem seit einigen Wochen zahlreiche Demonstrationen gegen Rechtsextremismus zu verzeichnen, welche vom Soziologen und Protestforscher Dieter Rucht bereits als "größte Protestwelle in der Geschichte der Bundesrepublik" bezeichnet wurden (Fuhr/FAZ.NET 2024).Crouch spricht in diesem Kontext aktuell von einer durchaus verbreiteten Abneigung gegenüber den rechtsextremen Strategien von Hass und Hetze in entwickelten demokratischen Gesellschaften. Diese müsse aktiviert und politisch mobilisiert werden im Sinne einer gestärkten Demokratie gegen rechtsextreme Bestrebungen. Doch könne dies lediglich einhergehend mit ökonomischen Lösungen der wachsenden sozialen Ungleichheit seitens der politischen Akteur*innen nachhaltig wirksam werden (vgl. Hesse/fr.de 2024). Nicht außer Acht zu lassen sind diese zuweilen folgenschweren Ereignisse in der politischen und zeitgeschichtlichen Gesamtschau, wenngleich die zahlreichen raschen politischen sowie demoskopischen Wendungen der vergangenen Jahre in den folgenden Ausführungen nicht umfänglich Berücksichtigung finden können.Relevanz der AnalyseWie bereits das zustimmende Zitat des namhaften zeitgenössischen Philosophen Habermas im vorausgehenden Abschnitt anklingen lässt, treffen Crouchs Ausführungen hinsichtlich zahlreicher analysierter Missstände politischer und gesellschaftlicher Art durchaus zu. So wird die Relevanz der kritischen Gegenwartsanalyse bezüglich einiger Aspekte in Teilen angesichts der Studienergebnisse zum Thema "Demokratievertrauen in Krisenzeiten" der Friedrich-Ebert-Stiftung aus dem Jahr 2023 deutlich.Unter Berücksichtigung der multiplen Krisen der Gegenwart wurden in einer repräsentativen Zufallsstichprobe volljährige wahlberechtigte Deutsche zu Themen befragt, welche die Funktionalität des repräsentativ-demokratischen Systems sowie den gesellschaftlichen Zusammenhalt betreffen (vgl. Best et al. 2023, S. 5 f.). Dabei konnte ermittelt werden, dass etwas mehr als die Hälfte der Befragten unzufrieden ist mit dem gegenwärtigen Funktionieren der Demokratie. Obgleich in der Gegenüberstellung mit der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2019 ein leichter Rückgang dieses Prozentsatzes auszumachen ist, muss ein anhaltend hohes Niveau der generellen Unzufriedenheit bezüglich der Funktionalität unseres politischen Systems diagnostiziert werden (vgl. Best et al. 2023, S. 17 f.).Dass der soziale Status der befragten Bürger*innen als einflussreicher Parameter in dieser Frage herausgestellt werden konnte, lässt sich widerspruchsfrei in Crouchs Analyse der zunehmend elitär gestalteten Politik einfügen. Denn es erscheint folgerichtig, dass Menschen aus unteren sozialen Schichten mit vergleichsweise wenig Einkommen häufiger unzufrieden sind mit dem politischen System, in welchem vermehrt die Interessen höherer sozio-ökonomischer Gruppen begünstigt werden (vgl. Crouch 2021, S. 44-47).Außerdem beklagen deutliche Mehrheiten in der Befragung die Undurchschaubarkeit komplexer Politik sowie unzureichende Möglichkeiten der politischen Partizipation, was Crouchs Ausführungen zur Entpolitisierung der Mehrheitsgesellschaft im Zuge der zunehmenden Politikverdrossenheit bestärkt (vgl. Best et al. 2023, S. 18-20). Vor die Wahl verschiedener Regierungsmodelle gestellt, bevorzugt lediglich ein Drittel der Befragten die repräsentative Demokratie, während beinahe die Hälfte zur direkten Demokratie tendiert (vgl. Best et al. 2023, S. 21 f.).Passend dazu ist das Vertrauen in die politischen Institutionen lediglich hinsichtlich der Judikative, dem Bundesverfassungsgericht, bei der großen Mehrheit unter den befragten Bürger*innen in hohem Ausmaß vorhanden. Der eklatant angestiegene Anteil der Menschen ohne jegliches Vertrauen in das Parlament und die Bundesregierung könnte im Sinne Colin Crouchs als Folge der Entfremdung der politischen Akteur*innen vom Großteil der Bevölkerung gekennzeichnet werden (vgl. Best et al. 2023, S. 26-31; Crouch 2021, S. 216 f.).Ein weiterer zentraler Kritikpunkt Crouchs wird sinngemäß durch die Frage nach konkreten Problemen der deutschen Demokratie angesprochen. So sehen über 70 Prozent der Befragten den Einfluss von Lobbygruppen als problematisch an, wobei sich diese Ansicht in vergleichbarer Weise durch alle politischen Lager zieht. Colin Crouchs kritischer Blick bezüglich eines überbordenden Lobbyismus mit unverhältnismäßigem Einfluss im politischen Prozess wird somit durch diese Studie demoskopisch gestützt (vgl. Best et al. 2023, S. 32 f.; Crouch 2021, S. 68 f.).Auch andere wissenschaftliche Veröffentlichungen, wie der aktuelle "Transformationsindex BTI 2024" der Bertelsmann-Stiftung, analysieren einen ähnlichen Zustand der politischen und gesellschaftlichen Lage westlicher Demokratien im Sinne einer akuten Krise des Liberalismus vor dem Hintergrund der neoliberalen Vorherrschaft.Das positive Potential der Postdemokratie-These liegt angesichts der ernstzunehmenden Problematiken in einer möglichen Stärkung der Demokratie durch praktische Konsequenzen auf Grundlage dieser kritischen Befunde. Praktische Ansätze im Bereich der strenger regulierten Lobbyarbeit sowie neue Formen der Bürger*innenbeteiligung sind bereits Teil der politischen Agenda und werden erprobt. Ob diese den Zweck einer erstarkenden Demokratie real erfüllen werden, ist aktuell noch offen. Im besten Falle können gestärkte demokratische Strukturen nicht zuletzt demokratiegefährdende Akteur*innen aus dem rechtspopulistischen und rechtsextremen Spektrum zurückdrängen.Jedoch klingt an dieser Stelle ein Widerspruch an. Denn stärkt nicht gerade Crouchs Framing der Kritik an politischen Eliten und an der Entwicklung des politischen Systems die antidemokratischen radikalen Kräfte am rechten Rand angesichts der vermeintlichen narrativen Überschneidungen?Parallelen zu rechtspopulistischen NarrativenCrouch selbst schreibt in seinem Buch von neuen "Bewegungen […], die ähnliche Klagen über die heutigen Demokratien vorzubringen scheinen, wie ich sie in Postdemokratie geäußert habe, und insbesondere den Vorwurf äußern, dass die Politik von Eliten dominiert werde, während normale Bürger kein Gehör mehr fänden." (Crouch 2021, S. 136).Gemeint sind aufsteigende populistische Gruppierungen und Parteien, wovon jenen aus dem rechtsradikalen Lager aktuell die höchste politische Relevanz beigemessen wird. Um die Leitfrage des Beitrags angemessen multiperspektivisch zu beleuchten, sollen nun die vermeintlichen Gemeinsamkeiten zwischen den Erkenntnissen des britischen Sozialwissenschaftlers und rechtspopulistischen Narrativen herausgestellt sowie kritisch betrachtet werden.Die augenscheinlichste Parallele liegt im Bereich der Elitenkritik, wie Crouch es im angeführten Zitat selbst andeutet. Politische Entscheidungsträger*innen und wirtschaftliche Eliten handeln überwiegend im eigenen Interesse und entfernen sich dabei immer mehr von den Bürger*innen, insbesondere von jenen mit geringem sozialen Status, und deren Anliegen. Diese Analyse Crouchs erinnert an die rechtspopulistische Dichotomie, welche die abgehobene Elite dem normalen Volk gegenüberstellt. Der Wille des Volkes werde gemäß diesem Narrativ von der etablierten Politik bewusst übergangen (vgl. Crouch 2021, S. 41 f.; Mudde 2020, S. 55 f.).Doch bereits in der Formulierung wird ein zentraler Unterschied hinsichtlich der Vorstellung der regierten Bürger*innen deutlich. So wird im rechtspopulistischen Narrativ das Volk als homogene Masse mit einheitlichem Willen angesehen, während Crouch von Bürger*innen mit verschiedenen sozioökonomischen Hintergründen und pluralen Interessen spricht (vgl. Wodak/bpb 2023; Crouch 2021, S. 258 f.).Die Globalisierung als nach wie vor prägende Entwicklung mit Auswirkungen auf alle gesellschaftliche Sphären ist Anhaltspunkt einer weiteren vermeintlichen Schnittmenge. Als hintergründige Ursache für die zunehmende Entfremdung politischer Akteur*innen von weiten Teilen der Bevölkerung sowie für den unverhältnismäßig hohen Einfluss kapitalorientierter Großkonzerne konstatiert Crouch die Globalisierung der Wirtschaft.Des Weiteren führe die Tatsache, dass Wirtschaftspolitik vor diesem Hintergrund weitgehend auf transnationaler Ebene betrieben wird, zu einem Bedeutungsverlust der nationalstaatlichen Politik. Debatten im nationalen Kontext seien somit laut Crouch oftmals als politisch gegenstandslose Scheindebatten zu kennzeichnen (vgl. Crouch 2021, S. 25 f.). Diese Beschneidung des Nationalstaats durch eine zunehmende Globalisierung wird von Akteur*innen der Neuen Rechten im Sinne ihres charakteristischen Nationalismus massiv beklagt. Damit einher geht eine misstrauische bis konsequent ablehnende Haltung gegenüber transnationaler Politik insbesondere bezüglich einschlägiger Institutionen wie der Europäischen Union (vgl. Mudde 2020, S. 56-59; S. 132 f.).Populist*innen gerieren sich grundsätzlich als wahre Stimme des Volkes, welches exklusiv durch sie vertreten werde in einem von eigennützigen Eliten regierten System (vgl. Mudde 2020, S. 46). Hinsichtlich der Postdemokratie-These lässt dies vermuten, dass populistische Bewegungen als basisdemokratischer Stachel im Fleisch der Postdemokratie charakterisiert werden können. Mitunter würde das die massive Abneigung der etablierten Parteien ihnen gegenüber erklären (vgl. Crouch 2021, S. 139-141).An dieser Stelle könnte auf eine zumindest teilweise Zustimmung Colin Crouchs hinsichtlich rechtspopulistischer Narrative geschlossen werden. Im Vorgriff auf die Ausführungen der folgenden Abschnitte sei jedoch vor einer voreiligen Gleichsetzung ohne die notwendige politikwissenschaftliche Differenzierung gewarnt. So weist Crouch selbst deutlich auf die Diskrepanz hin, welche die antidemokratischen Tendenzen rechtspopulistischer Bewegungen zweifellos von einer zukunftsorientierten Kritik an postdemokratischen Problemen trennt (vgl. Crouch 2021, S. 139).GefahrenpotentialIst Crouchs These angesichts der verwandten Anklagen Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulist*innen? Trägt die Publizierung seiner massiven Kritikpunkte womöglich zur fortschreitenden Enttabuisierung radikaler Positionen im öffentlichen Diskurs bei?In der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatte lässt sich eine einflussreiche rechtspopulistische Strategie der Diskursverschiebung beobachten. Einschlägige illiberale Narrative werden hierbei im politischen Diskurs salonfähig durch schrittweises Verrücken der roten Linien, welche das legitime demokratische Meinungsspektrum umgrenzen. Das "Perpetuum mobile des Rechtspopulismus" (Wodak/bpb 2023) lässt in einem schleichenden Prozess xenophobe und diskriminierende Haltungen durch kalkulierte rhetorische Grenzüberschreitungen rechtspopulistischer Akteur*innen zunehmend vertretbar erscheinen.Des Weiteren wird so Einfluss auf die Themensetzung im demokratischen Diskurs genommen, was nicht zuletzt durch die partielle Übernahme seitens ursprünglich gemäßigter konservativer Parteien des politischen Establishments befördert wird. Die beobachtbare Diskursverschiebung stellt eine ernstzunehmende Gefahr für liberale Demokratien dar, wie bereits an autokratischen Entwicklungen in einigen Ländern mit Regierungen des äußerst rechten Spektrums abzulesen ist (vgl. Wodak/bpb 2023).Crouchs Ausführungen bezüglich postdemokratischer Tendenzen bergen insbesondere mit Blick auf die Elitenkritik das Gefahrenpotential einer narrativen Instrumentalisierung durch illiberale Akteur*innen. Doch hinsichtlich eines entscheidenden Aspekts eignet sich die Argumentation Colin Crouchs nur schwerlich als Hilfestellung zur Enttabuisierung rechtsradikaler Positionen. So sind vereinfachende Schuldzuweisungen mitnichten Teil der analytischen Ausführungen Crouchs, und es werden keine Feindbilder unter gesellschaftlichen Minderheiten ausgemacht, was der zentralen Ideologie der äußersten Rechten entgegensteht (vgl. Crouch 2021, S. 143 f.). Vortrag von Ruth Wodak über Rechtsruck und Normalisierung: Die von Crouch geforderte Politisierung der Zivilgesellschaft sollte in diesem Zusammenhang nicht mit der fortschreitenden Polarisierung der Öffentlichkeit einhergehen oder gar gleichgesetzt werden. Dies würde gefährliche aktuelle Tendenzen der gesellschaftlichen Spaltung verstärken und somit den gesellschaftlichen Zusammenhalt zusätzlich gefährden. In jener Hinsicht kann enorme politische und gesellschaftliche Polarisierung Demokratien destabilisieren, wie dies beispielsweise in der US-Amerikanischen Gesellschaft zu beobachten ist (vgl. Crouch 2021, S. 150-154). Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes können soziale Bewegungen der äußersten Rechten kaum als anerkennenswerte Belebung der Demokratie gewertet werden, ganz zu schweigen von der antidemokratischen Ideologie, welche dahintersteht (vgl. Mudde 2020, S. 152-155).Crouch selbst geht im Buch in einem eigenen Kapitel auf die "Politik des nostalgischen Pessimismus" (Crouch 2021, S. 136) ein und stellt durch eine eingehende Analyse der populistischen Strategien und Inhalte eine kritische Distanz zu einschlägigen Bewegungen heraus. Insbesondere den Rechtspopulismus heutiger Akteur*innen der Neuen Rechten ergründet der Soziologe als antipluralistisch, antiegalitär und im Kern antidemokratisch, wenngleich diese Ausrichtungen in vielfältiger Weise öffentlich verschleiert werden (vgl. Crouch 2021, S. 169-172).ZwischenfazitDie Postdemokratie-These hat Potenziale für beide politischen Stoßrichtungen, welche in der Leitfrage des Beitrags pointiert gegenübergestellt wurden. Entscheidend sind ein reflektierter Umgang mit den Analysen sowie die gebotene Einordnung der Schlussfolgerungen im jeweiligen politischen Kontext. Zweifelsfrei ist dabei die Maxime zu beachten, niemals den Populismus antidemokratischer Kräfte zu stärken. Gleichermaßen darf die mögliche Angst vor dem schmalen Grat zwischen reflektierter sozialwissenschaftlicher Kritik und rechtspopulistischer Aufwiegelung keinesfalls zur Ignoranz postdemokratischer Missstände führen. Denn im Sinne von Jan-Werner Müllers Definition von Populismus sind "[a]lle Populisten [..] gegen das »Establishment« – aber nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist ein Populist." (Müller 2016, S. 18 f.).Um die missbräuchliche argumentative Übernahme von Crouchs These durch demokratiefeindliche Rechtspopulist*innen wirksam zu verhindern, ist eine differenzierte Klarstellung im Sinne der politischen Einordnung von Crouchs Analysen erforderlich.Lösungsansatz: DifferenzierungAls Schlüssel zur fruchtbaren Berücksichtigung von Crouchs These im politikwissenschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Diskurs kann die Differenzierung zur Abgrenzung von rechtspopulistischen Narrativen dienen. Eine deutliche Unterscheidung ist im Sinne Colin Crouchs herauszustellen und in der Argumentation im Kontext der öffentlichen Debatte stets zu beachten, um sich deutlich von rechtspopulistischen Parolen abzugrenzen. So kann einer drohenden Enttabuisierung radikaler Positionen vorgebeugt werden, um diese Gefahr für die liberale Demokratie nicht zusätzlich argumentativ zu stützen. Zentrale Unterscheidungsmerkmale sollen nachfolgend erläutert werden.Rechtspopulistische Bewegungen sind lediglich vordergründig für mehr Demokratie und Mitbestimmung des Volkes. Denn im Kern widersprechen ihre kennzeichnenden Ideologeme liberaldemokratischen Werten, wie insbesondere der Antipluralismus deutlich macht. Die antipluralistische Ideologie steht in enger Verbindung mit dem exklusivistischen Vertretungsanspruch des Volkes und deren homogenen Interessen. Alle Gruppen und Individuen, welche sich aus diversen Gründen nicht diesem normalen Volk zurechnen lassen, werden rhetorisch exkludiert und sind Feindbilder der Rechtspopulist*innen. Dieser xenophobe Antipluralismus veranlasst die grundlegende Einordnung jener Bewegungen als illiberal und antidemokratisch (vgl. Wodak/bpb 2023).Crouch dagegen plädiert für die plurale Interessensvertretung heterogener Gruppen und Individuen als gleichberechtigte Teile einer demokratischen Gesellschaft. Darüber hinaus wird die Emanzipation jeglicher unterdrückter Gruppen innerhalb Crouchs Theorie als erstrebenswerter Moment der Demokratie angesehen, was in diametralem Gegensatz zum ideologischen Antifeminismus und Rassismus sowie zur Queerfeindlichkeit der äußersten Rechten steht (vgl. Crouch 2021, S. 22 f.).Das Verhältnis zum neoliberalen Kapitalismus markiert ebenfalls eine signifikante Differenz zwischen Crouchs Thesen und vorherrschenden Denkweisen der äußersten Rechten. Akteur*innen rechtspopulistischer Politik weisen deutliche antiegalitäre Überzeugungen auf, was programmatisch beispielsweise im angestrebten faktischen Abbau des Sozialstaats ersichtlich wird. Politisch forcierte Umverteilung im Sinne stärkerer sozialer Gerechtigkeit und striktere Regulierung von Lobbyarbeit, wie es von Crouch gefordert wird, steht dieser antiegalitären Haltung entgegen. Der sozialpolitisch im linken Spektrum einzuordnende Soziologe Crouch zeigt sich deutlich kritisch gegenüber neoliberal dominierter Politik und der Macht von Wirtschaftseliten. Als grundlegender zentraler Angriffspunkt der politischen Entwicklungen seit mehreren Jahrzehnten gilt der Neoliberalismus innerhalb seiner gesamten Analyse (vgl. Crouch 2021, S. 143; S. 234-238).Die Art der Beschreibung von Ursachen hinter beklagten Problemen der aktuellen politischen Situation stellt ein weiteres Unterscheidungsmerkmal dar. So weisen rechtspopulistische Narrative zuvörderst liberale Eliten und Migrant*innen als schuldige Sündenböcke aus, wobei diesen Akteur*innen prinzipiell unlautere Absichten unterstellt werden. Die vereinfachende Personifizierung von Schuld fungiert als bedeutender Aspekt der rechtspopulistischen Kommunikationsstrategien (vgl. Mudde 2020, S. 49-56).Die kritische Auseinandersetzung Crouchs mit postdemokratischen Tendenzen hingegen ist geprägt von der Darstellung komplexer Zusammenhänge von multiplen Ursachen. Simple Schuldzuweisungen werden dabei vermieden (vgl. Crouch 2021, S. 9; S. 24-26). Generell unterscheiden sich die Ausführungen Colin Crouchs im Charakter diametral von rechtspopulistischen Narrativen. Die nüchterne sozialwissenschaftliche Analyse beinhaltet die Herausarbeitung komplexer Entwicklungen und Zusammenhänge, während der Rechtspopulismus von allgemeiner Vereinfachung mit personalisierten Schuldzuweisungen und Feindbildern geprägt ist, welche zentrale Bestandteile rechtspopulistischer Kommunikation sind (vgl. Wodak/bpb 2023).FazitZusammenfassend ist zunächst die Relevanz der kritischen Ausführungen Crouchs zu rekapitulieren. Um die Zukunftsvision einer verbesserten Demokratie mit konkreten Maßnahmen anzustreben, ist eine analytische Grundlage bezüglich gegenwärtiger Probleme von Nöten, welche in der Postdemokratie-These gefunden werden kann. Die Ambivalenz der These angesichts einer möglichen Instrumentalisierung durch Populist*innen wurde verdeutlicht, wenngleich keine konkreten Zusammenhänge zwischen Crouchs These und dem Aufstieg der neuen Rechten nachgewiesen werden konnten.Die anschließende Erläuterung der Unterscheidungsmerkmale stellt eine unzweifelhafte Abgrenzung der Postdemokratie-These von der polemischen Ideologie der Rechtspopulist*innen dar. Dies verdeutlicht die aktuelle Notwendigkeit, im gesellschaftlichen Diskurs auf differenzierte Weise Entwicklungen des politischen Systems zu kritisieren, ohne dabei Wasser auf die Mühlen des Rechtspopulismus zu geben. Denn die Gefahr, haltlose rechtspopulistische Parolen durch unangemessene Gleichsetzungen mit sachlichen Gegenwartsanalysen soziologisch aufzuladen und damit substantiell zu überhöhen, ist schließlich nicht zu missachten. Wenn jedoch die sozialwissenschaftlichen Analysen der Postdemokratie-These Crouchs wahrheitsgetreu Eingang in die politische Debatte finden, könnten sie der polemischen Argumentation vom rechten Rand die Substanz entziehen und diese als antidemokratisch entlarven, ohne dabei angezeigte Kritik am Status Quo der etablierten Demokratien auszuklammern.Die Fähigkeit zu einer solchen Differenzierung stellt insbesondere für angehende politische Bildner*innen eine bedeutende Kompetenz dar. Neben der stetigen Arbeit an den eigenen Fähigkeiten in diesem bedeutsamen Bereich kommt Lehrkräften die elementare Aufgabe zu, die Kompetenz der reflektierten Differenzierung an Schüler*innen zu vermitteln. Denn diese ist unerlässlich hinsichtlich der übergeordneten Zielperspektive, sie zu mündigen Bürger*innen als Teil einer lebendigen Demokratie werden zu lassen. Insbesondere angesichts der zunehmenden Polarisierung sämtlicher politischer und gesellschaftlicher Themen, die nicht zuletzt durch den Einfluss von Sozialen Medien und deren einschlägigen Mechanismen gefördert wird, ist dieser Ansatz nicht zu unterschätzen (vgl. Crouch 2021, S. 259 f.).Außerdem sind neue politische und gesellschaftliche Entwicklungen stets mitzudenken, was die Notwendigkeit einer fortwährenden Aktualisierung der sozialwissenschaftlichen Gegenwartsanalyse Colin Crouchs hervorhebt und eine stetige kritische Prüfung der Postdemokratie-These vor dem Hintergrund neuartiger Entwicklungen zweifellos miteinschließt.LiteraturBeckmann, Andreas (2021): Pandemie und Demokratie. Wurde der Kurs in der Corona-Politik ausreichend ausgehandelt? (Deutschlandfunk vom 02.09.2021), https://www.deutschlandfunk.de/pandemie-und-demokratie-wurde-der-kurs-in-der-corona-100.html [25.03.2024].Best, Volker; Decker, Frank; Fischer, Sandra et al. (2023): Demokratievertrauen in Krisenzeiten. Wie blicken die Menschen in Deutschland auf Politik, Institutionen und Gesellschaft? Friedrich-Ebert-Stiftung e.V. (Hrsg.), Bonn.Crouch, Colin (2021): Postdemokratie revisited, Suhrkamp: Berlin.Fuhr, Lukas (2024): Protestforscher Dieter Rucht: "Der Höhepunkt der Demowelle liegt wohl hinter uns" (FAZ.NET vom 16.02.2024), https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/demos-gegen-rechtsextremismus-werden-laut-protestforscher-nachlassen-19518795.html#void [20.03.2024].Habermas, Jürgen (2022): Ein neuer Strukturwandel der Öffentlichkeit und die deliberative Politik, Suhrkamp: Berlin.Hesse, Michael (2024): "Im Westen hält die Brandmauer noch": Politologe Colin Crouch über Rechtsextremismus (Frankfurter Rundschau vom 12.02.2024), https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/rechtsextremismus-politologe-colin-crouch-im-westen-haelt-die-brandmauer-noch-populismus-92826654.html [20.03.2024].Mudde, Cas (2020): Rechtsaußen. Extreme und radikale Rechte in der heutigen Politik weltweit, Dietz: Bonn.Müller, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus?, Suhrkamp: Berlin.Wodak, Ruth (2023): Rechtspopulistische Diskursverschiebungen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (bpb.de vom 20.10.2023), https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/diskurskultur-2023/541849/rechtspopulistische-diskursverschiebungen/ [26.03.2024].
Blog: Emotionen in Politik und politischer Bildung
Vortrag von Sina Marie Nietz bei Festo am 24.10.2019 (verschriftlichte Form)Der Titel dieses Vortrags beinhaltet mehrere "Riesenbegriffe": Globalisierung und Digitalisierung, zwei Begriffe, die heutzutage geradezu inflationär genutzt werden und dabei ganz unterschiedliche Prozesse und Entwicklungen beschreiben. Autonomer Individualverkehr, Pflege-Roboter, softwaregesteuerte Kundenkorrespondenz und Social Media, Big-Data-Ökonomie, Clever-Bots, Industrie 4.0. Die Digitalisierung hat ökonomische, kulturelle und politische Auswirkungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Die zunehmenden technischen Möglichkeiten vor allem durch KI zwingen uns auch zu einer Auseinandersetzung mit ethischen Fragen und unseren bisherigen Konzepten von Intelligenz. Was zeichnet menschliches Handeln aus? Wie unterscheidet sich menschliche, natürliche Intelligenz von Künstlicher? Die Frage, was menschliches Handeln und menschliche Intelligenz von Maschinen unterscheidet, wird aus einem Alltagsverständnis heraus häufig mit Emotionen wie Empathie, Mitgefühl, Einfühlungsvermögen, Mitmenschlichkeit beantwortet. All diese Begriffe wollen wir nun zunächst einmal unter "emotionaler Intelligenz" zusammenfassen, bevor wir uns zu einem späteren Zeitpunkt näher damit auseinandersetzen werden.Globalisierung – ein weiterer überaus komplexer Begriff, der genutzt wird, um ganz unterschiedliche Prozesse zu beschreiben. Globalisierung meint die Verflechtung von Handelsbeziehungen und Kommunikationstechnologien sowie den Anstieg von Mobilität. Globalisierung umfasst zunehmende transnationale Abhängigkeiten in Form von losen Abkommen, Verträgen und Gesetzen. Globalisierung bedeutet auch, dass Organisationen wie NGOs, transnationale Institutionen, Konzerne und Staaten über Ländergrenzen hinweg agieren und kooperieren. Globalisierung meint jedoch auch globale Herausforderungen wie internationalen Terrorismus und vor allem die Klimakatastrophe. In dieser Zeit zunehmender Verflechtungen und internationaler Abhängigkeiten lassen sich gleichzeitig nationalistische Tendenzen beobachten, die der zunehmenden Öffnung gesellschaftliche Abschottung entgegenzusetzen versuchen. Die Frage nach Öffnung oder Abschottung polarisiert und spaltet. In der Wissenschaft wird von einer neuen gesellschaftlichen Konfliktlinie, einer cleavage gesprochen. Die cleavage zwischen Öffnung und Abschottung, zwischen Kosmopoliten und Nationalisten, zwischen Rollkoffer und Rasenmäher.Die Ergebnisse der letzten Europawahlen im Mai 2019 haben jene cleavage eindeutig widergespiegelt. Die etablierten Parteien, allen voran CDU/CSU und SPD, haben erneut massiv Wählerstimmen eingebüßt. Wohingegen auf der einen Seite der neuen gesellschaftlichen Konfliktlinie die AfD mit ihrem Abschottungskurs und auf der anderen Seite die Grünen, die klare Kante für Kosmopolitismus verkörpern, Stimmenzuwächse verzeichnen konnten. Auch in anderen europäischen Ländern sahen die Wahlergebnisse programmatisch vergleichbarer Parteien ähnlich aus.Bereits seit der Wirtschafts- bzw. "Eurokrise" erhalten rechtspopulistische Parteien zunehmend Zuspruch in ganz Europa. Deutschland war mit der AfD in dieser Hinsicht ein Nachzügler. Der Begriff "Rechtspopulismus" ist dabei nicht ganz unproblematisch. Zum einen dient er als sogenannter "battle term", um gegnerische Parteien oder PolitikerInnen zu degradieren. Zum anderen findet er keine einheitliche Verwendung, sondern wird genutzt, um einen Politikstil, eine rhetorische Strategie, eine Mobilisierungsstrategie oder eine politische Ideologie zu bezeichnen. Des Weiteren bildet sich zunehmend der Konsens heraus, dass mit dem Begriff auch die Gefahr der Verharmlosung in Bezug auf Parteien oder Personen einhergeht, die ihrer politischen Gesinnung nach eigentlich als rechtsradikal bis rechtsextrem einzuordnen sind. Trotz dieser Schwierigkeiten hat sich in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Publikationen ein wissenschaftlicher Konsens geformt. Im Folgenden soll die Definition von Rechtspopulismus nach Jan Werner Müller, einem der federführenden Populismusforscher in Deutschland, umrissen werden. Populismus leitet sich von dem lateinischen Wort "populus", zu deutsch "Volk", ab. Der Bezug auf das Volk ist für jede Form des Populismus essenziell. In der Logik des Populismus stehen "dem Volk" die "korrupten Eliten", das Establishment gegenüber ("Altparteien", "Eurokraten"…). Es ist prinzipiell variabel, wer zu den Eliten zählt. In diesem Zusammenhang wird häufig das vermeintliche Paradoxon Donald Trump angeführt. Dieser zählt aufgrund seines Vermögens definitiv zu einer finanziellen Elite, kann sich jedoch aufgrund seines Mangels an Politikerfahrung als Politikaußenseiter, als "Mann aus dem Volk" und Sprachrohr des Volkes darstellen.Jan Werner-Müller zufolge sind RechtspopulistInnen immer anti-elitär, doch nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist auch automatisch ein Rechtspopulist. Es muss immer noch ein zweites Kriterium gegeben sein, nämlich das des Anti-Pluralismus. In einer pluralistischen Gesellschaft konkurrieren zahlreiche verschiedene Organisationen, gesellschaftliche Gruppierungen und Parteien um wirtschaftliche und politische Macht. Es herrscht außerdem Vielfalt in Form von Meinungen und unterschiedlichen Lebensentwürfen. Rechtspopulismus lehnt diese Vielfalt ab. Es findet demnach nicht nur eine Abgrenzung nach oben zu "den Eliten", sondern auch nach unten ("Sozialschmarotzer") bzw. außen ("der Fremde", "der Islam", "die Flüchtlinge", Homosexuelle) statt. Rechtspopulistische Repräsentanten behaupten, ein homogen gedachtes "wahres Volk" mit einem einheitlichen Volkswillen zu vertreten. So wird ein moralischer Alleinvertretungsanspruch postuliert. Da der homogen konstruierte Volkswille in der Logik des Rechtspopulismus a priori feststeht und RechtspopulistInnen diesen repräsentieren, bedarf es keiner anderen Parteien oder Vertreter. Daraus ergibt sich jedoch ein Logikproblem, wenn sie dann bei Wahlen nicht die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen können. So betrug der Stimmenanteil der AfD bei der Bundestagswahl 2017 12,6%. Um diese Differenz "erklären" zu können, werden verschwörungstheoretische Erklärungsmuster wie das einer "schweigenden Mehrheit" herangezogen. Es werden gezielt Zweifel am politischen System, an den Medien ("Lügenpresse") und der Wissenschaft gesät. Es wird auf vermeintliche Fehler im System und die angebliche Unterdrückung des "eigentlichen Volkswillens" verwiesen. So schaffen RechtspopulistInnen eine Parallelwelt der "alternativen Fakten" und tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei.Betrachtet man die verschiedenen rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen in Europa, stößt man auf Unterschiede in deren Inhalten und Strategien. So hat Geert Wilders in den Niederlanden beispielsweise immer eine sehr liberale Gesellschaftspolitik vertreten, etwa in Form liberaler Abtreibungsgesetze und der Befürwortung gleichgeschlechtlicher Ehen. In Polen fährt die PiS-Partei hingegen einen katholisch geprägten konservativen Kurs hinsichtlich gesellschaftspolitischer Themen, wie auch die FPÖ in Österreich. Als gemeinsame Klammer dient allen rechtspopulistischen Parteien ihre ablehnende bis feindliche Haltung gegenüber Migration und "dem Islam". Die ausgrenzende Gesinnung bildet demnach das Kernelement rechtspopulistischer Ideologien. Das bedeutet, dass es keinen Rechtspopulismus ohne Feindbilder gibt.Und damit wären wir bei der ersten These meines heutigen Vortrags: Feindbilder sind das Kernelement von Rechtspopulismus. Rechtspopulistische Parteien greifen gezielt xenophobe Vorurteile, Stereotype und Emotionen wie Angst und Hass auf, schüren diese und verbreiten sie so. Wir werden gleich noch darauf zu sprechen kommen, wie sie dies genau machen. Vorurteile sind eine effektive Strategie, um Ungleichheit oder die Entstehung von Ungleichheit zu legitimieren. Hier dockt der Populismus perfekt an die bereits vorhandene Ungleichheitsideologie unserer meritokratischen Leistungsgesellschaft an. Unsere freie Marktwirtschaft basiert auf der Annahme der Notwendigkeit von Ungleichheit und legitimiert diese durch unterschiedliche Mechanismen. Stichworte in diesem Kontext lauten: survival of the fittest, Leistungsprinzip, Konkurrenzdruck in Zeiten von Outsourcing von Arbeitsplätzen und Zeitarbeit, Selbstoptimierung, Humankapital.Ich würde Sie an dieser Stelle gerne zu einem kurzen Exkurs in die Kognitionswissenschaft einladen, um die Bedeutung von Vorurteilen und Stereotypen für das menschliche Denken und Handeln näher zu erläutern. Der menschliche Verstand benötigt Kategorien zum Denken, zum Einordnen und Verarbeiten von Sinneseindrücken und Informationen. Andernfalls würde der Prozess der Informationsverarbeitung viel zu viel Zeit beanspruchen und wir wären nicht handlungsfähig. Wir ordnen unsere Eindrücke also bestimmten, vorgefertigten Kategorien zu. Innerhalb einer Kategorie erhält nun alles dieselbe Vorstellungs- bzw. Gefühlstönung. Der Grad der Verallgemeinerung hängt mit dem Wissen über die einzuordnende Information zusammen. Auf die rechtspopulistischen Ausgrenzungsstrategien bezogen ergibt sich Folgendes: Es wird das Feindbild "Islam" konstruiert und mit Eigenschaften wie "Gewalt" und "Terror" verknüpft. Dabei wird nicht zwischen verschiedenen Strömungen und Glaubensrichtungen unterschieden, sondern alles zu einem homogenen Gebräu innerhalb derselben Kategorie umgerührt. Individuen, die aufgrund von Herkunft, Religionszugehörigkeit, Ethnie etc. dieser Gruppe zugezählt werden, werden als Teil der Feindgruppe gedacht, nicht als Individuen. Sie werden objektiviert und entmenschlicht. Das Leiden des Einzelnen geht in der Masse unter und Empathie wird verhindert. Einzelne Ausnahmen werden als solche anerkannt, um das Gesamtbild, bzw. die gebildeten Kategorien, aufrechterhalten zu können. Und damit sind wir bei der zweiten These angelangt: Die Verallgemeinerung rechtspopulistischer Ausgrenzungsstrategien verhindert Empathie.Die einfache Zweiteilung des Freund-Feind-Denkens geht mit einer enormen Reduktion von Komplexität einher - ein attraktives Angebot in Zeiten zunehmender Komplexität und Undurchschaubarkeit (Stichwort Globalisierung). Doch wie werden diese Feindbilder nun genau erzeugt und aufrechterhalten? Hierzu bedienen sich rechtspopulistische Akteure unterschiedlicher rhetorischen Strategien.Rechtspopulistische Sprache ist zumeist eine reduktionistische und sehr bildhafte Sprache. Es werden häufig Metaphern verwendet, die Träger einer Botschaft sind. So ist der im Kontext der Migrationsbewegungen ab 2015 oft verwendete Begriff "Flüchtlingswelle" kein neutraler Begriff. Die Zusammensetzung der beiden Worte "Flüchtlinge" und "Welle" impliziert eine unaufhaltsame Naturgewalt, gegenüber der es sich durch Bauen eines Dammes abzuschotten gilt. Zudem finden auch biologistische Metaphern wie "Flüchtlingsschwärme" ihren Einzug in rechtspopulistische Narrative. Die Entlehnung nationalsozialistisch geprägter Begriffe wie beispielsweise "völkisch" durch Akteure der AfD hat nicht nur einmal zu medialer Aufmerksamkeit geführt. Weitere häufig verwendete rhetorische Strategien und Stilmittel sind Wiederholungen, Wortneuschöpfungen, Tabubrüche, kalkulierte Ambivalenz und auch die eingangs erwähnten Verschwörungstheorien. Ich möchte diese Stilmittel nicht im Einzelnen näher ausführen. Aber ich möchte auf die Beziehung zwischen Rechtspopulismus und Medien aufmerksam machen. Es gab in den vergangenen Monaten zahlreiche Beispiele für Tabubrüche seitens der AfD, die nach und nach zu einer Diskursverschiebung geführt hat, die mit einer Normalisierung von Gewalt in der Sprache im öffentlichen Diskurs einhergeht.Medien und Populismus folgen ähnlichen Kommunikationsstrategien wie beispielsweise Personalisierung, Emotionalisierung, Dramatisierung und Komplexitätsreduktion. Trotz der grundlegend feindlichen Einstellung rechtspopulistischer Parteien gegenüber der "Lügenpresse" gehen Populismus und Massenmedien eine Art Symbiose ein. Die Massenmedien sind auf Schlagzeilen angewiesen und die PopulistInnen auf mediale Aufmerksamkeit. Eine besondere Rolle spielen insbesondere seit dem letzten US-Wahlkampf soziale Medien wie Twitter. Trump bezeichnete sich einmal selbst als den "Hemingway der 140 Zeichen". Durch seine kurzen Tweets in einer einfach gehaltenen Sprache vermittelt er Nahbarkeit und inszeniert sich als Sprachrohr des Volkes. Immer in Abgrenzung zu der abgehobenen, korrupten Politikelite mit ihrer "political correctness". Es scheint, als würden "gefühlte Wahrheiten" schwerer wiegen als Fakten, so wird häufig vom Anbruch des postfaktischen Zeitalters gesprochen. Das Leugnen wissenschaftlicher Erkenntnisse bei gleichzeitiger Fokussierung auf "alternative" und "gefühlte Wahrheiten" birgt die Gefahr einer zunehmenden Parallelwelt der Fakten.Durch Echokammern und Filterblasen verfestigen sich eigene Einstellungen und die politische Meinung. Die neue Rechte hat sich zudem die Funktionsweise von Algorithmen und Bots zunutze gemacht und wirkt dadurch in Sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter, aber auch in Foren und Blogs unheimlich präsent. Medien sind hier keine Einrichtungen im Sinne von Organisationseinheiten mit besonderen Rechten, Sach- und Personalmitteln, sondern Räume und Kanäle. Dialogroboter sind zugleich Werkzeug und Medium einer neuen Kommunikationswelt. In den Massenmedien kann man eine stetige Zunahme von dialogischer Kommunikation beobachten. Dialogroboter werden funktional wie Massenmedien eingesetzt, funktionieren strukturell aber nach den Prinzipien interpersoneller Kommunikation.Kehren wir zu den beiden Ausgangsthesen zurück. Erstens: Feindbilder sind ein Kernelement von Rechtspopulismus. Zweitens: Die Verallgemeinerung von Feindbildern verhindert Empathie. Nun stellt sich die Frage nach möglichen Lösungsansätzen. Wie kann der dargelegten Objektivierung von Menschen durch Feindbilder entgegengewirkt werden? Welche Gegenstrategien gibt es? Häufig werden sehr allgemeine Handlungsempfehlungen ausgesprochen oder die Ausführungen zu möglichen Lösungen sehr kurz gehalten, sodass der politikwissenschaftliche Diskurs bisweilen in Bezug auf die Gegenstrategien ungenau und schwammig bleibt.Ich möchte Ihnen heute einen spezifischen Ansatz vorstellen, der darauf abzielt, Empathie als Teil emotionaler Intelligenz zu stärken, um rechtspopulistischen Feindbildern präventiv zu begegnen. Die gezielte Schulung von Empathie als Teil emotionaler Intelligenz. Das Konzept der emotionalen Intelligenz (EQ) kam in den 1990er Jahren auf, federführend unter den Sozialpsychologen John D. Mayer und Peter Salovey. Das gleichnamige Buch veröffentlichte 1995 Daniel Goleman. Bereits damals wurde Empathie als eine "Schlüsselkompetenz" emotionaler Intelligenz gefasst. Hier wurde zum einen der Versuch unternommen, auf die Bedeutung von Gefühlen beim Erreichen beruflicher Ziele und des eigenen Lebensglücks zu verweisen, zum anderen EQ messbar zu machen, sodass bald darauf zahlreiche EQ-Tests folgten. Der Versuch, Intelligenz anhand von Testsituationen oder ähnlichen Verfahren messbar zu machen, geht jedoch mit einigen Aspekten einher, die es kritisch zu betrachten gilt. Vor allem stellt sich, wie auch bei den klassischen IQ-Tests (auf denen im Übrigen unser heutiges Verständnis von Intelligenz beruht) die Frage, ob tatsächlich das gemessen wird, was gemessen werden soll. In einer Leistungsgesellschaft, die dem Diktat der Transparenz und Messbarkeit (PISA, Evaluationen etc.) unterworfen ist, haben es schlecht messbare emotionale Kompetenzen wie Empathie schwer.Die zunehmenden Abhängigkeiten im Kontext der Globalisierung weisen eigentlich in Richtung Kooperation. Die vorherrschende Ideologie unserer Gesellschaft basiert jedoch nach wie vor auf dem Konkurrenzprinzip. Die meritokratische Leistungs- und Wettbewerbsideologie des freien Marktes hat ein empathiefeindliches Umfeld geschaffen. Zudem lässt die Hyperindividualisierung Empathie unwahrscheinlicher werden. Das Wachstum des "Ichs" als Instanz der Nicht-Ähnlichkeit führt zur Kultivierung eines Bewusstseins für Differenzen anstatt für Gemeinsamkeiten. Je mehr wir uns auf die Unterschiede konzentrieren, desto schwieriger werden empathische Empfindungen und Handlungen, da diese eine Identifikation mit dem Anderen voraussetzen. Des Weiteren hat insbesondere im Bildungsdiskurs viele Jahre lang eine einseitige Fokussierung auf Rationalität stattgefunden. Diese impliziert eine künstliche Trennung zwischen Emotionalität und Rationalität. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass verschiedene gesellschaftliche, politische, aber vor allem auch ökonomische Faktoren wie die neoliberale Konkurrenz- und Wettbewerbsideologie, das Diktat der Messbarkeit, die Hyperindividualisierung sowie die einseitige Fokussierung auf Rationalität der Etablierung von Empathie als Schlüsselkompetenz des 21. Jahrhunderts im Weg standen und noch immer stehen. Doch was bedeutet Empathie eigentlich konkret in einem wissenschaftlichen Verständnis? Empathie stammt von dem griechischen Wort "Pathos", zu deutsch "Leidenschaft". Umgangssprachlich ist mit Empathie die Fähigkeit des Sich-in-jemand-Einfühlens oder Hineinversetzens gemeint. Empathie hat eine kognitive (Wahrnehmung der Interessen des Anderen) und eine affektive (dabei entstehende Gefühle) Komponente. Die Entstehung von Empathie erfolgt in drei Schritten: Soziale Perspektivenübernahme, Identifikation, Empathie. Die Übernahme einer anderen Perspektive erlernen wir bereits im Kleinkindalter. Zunächst anhand der Übernahme räumlicher Perspektiven. Durch den zweiten Schritt, die Identifikation mit einer anderen Person oder einem anderen Lebewesen, entsteht das Potenzial für die empathische Einfühlung in jene Person oder jenes Lebewesen. Aus dieser empathischen Empfindung kann wiederum ein gewisses Aktionspotenzial entstehen, wenn beispielsweise eine Ungerechtigkeit Empörung auslöst und zur Aktion gegen jene Ungerechtigkeit führt.Wir kommen nun zu der dritten These meines Vortrags: Empathie kann gezielt gelehrt und gelernt werden. Jüngste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Empathie eine erlernbare Fähigkeit ist. Die deutsche Neurowissenschaftlerin und Psychologin Tania Singer hat im Rahmen einer großangelegten Untersuchung, dem "ReSource-Projekt" am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften die Wirkung von Meditation auf das Verhalten und die damit verbundenen Veränderungen im Gehirn untersucht. Die Idee, die hinter diesem Forschungsprojekt steht, war die Suche nach einer Möglichkeit, gezielt soziale Fähigkeiten wie Mitgefühl, Empathie und die "Theory of Mind" zu fördern. Die Untersuchung ging über einen Zeitraum von elf Monaten und bestand aus unterschiedlichen Modulen. Im "Präsenzmodul" lag der Schwerpunkt vor allem auf der Achtsamkeit gegenüber geistigen und körperlichen Prozessen. Das Modul "Perspektive" konzentrierte sich auf sozio-kognitive Fähigkeiten, insbesondere die Perspektivenübernahme. Ein drittes Modul "Affekte" sollte den konstruktiven Umgang mit schwierigen Emotionen sowie die Kultivierung positiver Emotionen schulen. Die Probanden führten die entsprechenden Übungen täglich mit ihren zugeordneten Partnern durch Telefonate oder Videoanrufe aus.Das Team um Tania Singer konnte nach den drei Monaten mithilfe von Gehirnscans eine tatsächliche Verbesserung der Kompetenzen der TeilnehmerInnen feststellen, die mit struktureller Gehirnplastizität in den spezifischen neuronalen Netzwerken einhergingen. Das sozio-affektive Modul konnte so tatsächlich zur Verbesserung der Fähigkeit des Mitgefühls beitragen. Das sozio-kognitive Modul hingegen hat die Fähigkeit verbessert, sich gedanklich in die Perspektive eines anderen zu versetzen. Die Studie hat gezeigt, dass Empathie und Mitgefühl erlernbare Kompetenzen sind, die durch entsprechende Übungen gezielt gefördert werden können. Dazu bedarf es jedoch zunächst einer Anerkennung von Empathie als einer erlernbaren Kompetenz.Fassen wir zusammen: Rechtspopulismus agiert immer über Feindbilder. Diese Feindbilder basieren auf der Konstruktion einer homogenen Feindgruppe. Durch Verallgemeinerung werden den Individuen innerhalb dieser Feindgruppe Subjektivität und Individualität abgesprochen und so die Entstehung von Empathie verhindert. Die rechtspopulistische Ungleichheitslogik schließt an die Ungleichheitslogiken unserer kapitalistischen Gesellschaftsordnung an. Die Wettbewerbs- und Konkurrenzideologie hat ein empathiefeindliches Umfeld geschaffen. Zudem hat sich die Bildung zu lange einseitig auf Rationalität konzentriert. Daher gilt es, Empathie als eine soziale und emotionale Fähigkeit mit kognitiven Anteilen im bildungswissenschaftlichen Diskurs zu verankern. So können rechtspopulistische Differenzierungskategorien wie Nationalität oder Religion sowie die Verallgemeinerungen zugunsten einer Fokussierung auf Gemeinsamkeiten und Mitmenschlichkeit überwunden werden. Um in einer vernetzten, globalisierten Welt intelligent handeln zu können, nützt ein Rückzug in nationalistische Freund-Feind-Denkweisen nicht. Vielmehr gilt es, auf Kooperation und Empathie zu setzen, auch wenn diese nicht immer messbar ist. Vielen Dank.Literatur- und Quellenverzeichnis:Allport, Gordon W. (1971): Die Natur des Vorurteils. Köln: Kiepenheuer & Witsch. Bischof-Köhler, Doris (1989): Spiegelbild und Empathie. Die Anfänge der sozialen Kognition. Hans Huber: Berlin, Stuttgart, Toronto.Decker, Frank (2017): Populismus in Westeuropa. Theoretische Einordnung und vergleichende Perspektiven. In: Diendorfer, Gertraud u.a. (Hrsg.) (2017): Populismus – Gleichheit – Differenz. Herausforderungen für die politische Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Wissenschaft, S. 11-28.Holtmann, Everhard (2018): Völkische Feindbilder, Ursprünge und Erscheinungsformen des Rechtspopulismus in Deutschland. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.Mudde, Cas / Kaltwasser, Cristóbal Rovira (2017): Populism. A Very Short Introduction. New York: Oxford University Press.Müller, Jan-Werner (2016): Was ist Populismus? Ein Essay. Berlin: Edition Suhrkamp.ReSource-Projekt: https://www.resource-project.org/ [10.09.2019]Wodak, Ruth (2016): Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse. Wien/Hamburg: Edition Konturen.
Einführung Tropische asiatische Entwicklungs- und Schwellenländer zeigten rasches städtisches Wachstum dadurch, dass Bauern einwanderten, um ein besseres Leben in der Stadt zu suchen. Dadurch ergab sich in vielen Städten ein Mangel an geeigneter Infrastruktur und an sozialen Diensten. Die städtische Müllversorgung bildet keine Ausnahme; sie wird sogar oft an das Ende der Prio-ritätenliste für städtische Aufgabenpläne gestellt, da dabei zuerst die Gesetze und Verordnun-gen formuliert und umgesetzt werden müssen. Das Problem des nicht entsorgten städtischen Mülls führt (mit Sicherheit) zu Luftverschmutzung, Krankheit und zur Verseuchung des Bo-dens und des Wassers. Diese Probleme stehen in tropischen Klimaten im Zusammenhang mit hoher Temperatur und Feuchtigkeit, mit heftigem Regen und mit häufigen Überschwemmun-gen. Stehendes Wasser und Ausschwemmung aus dem Abfall werden sehr schnell zu Brutstät-ten von Insekten, Nagern und Bakterien, und damit zu einer Gesundheitsgefahr für Arbeiter und die allgemeine Bevölkerung. Darüber hinaus kann Wasser- und Grundwasserverschmut-zung/Kontamination zu einer ernsten Umweltzerstörung führen, mit direkten Auswirkungen auf die Wasserressourcen, und auf raschen Qualitätsverlust der pflanzlichen Erzeugnisse, des Rückgrates der meisten tropischen asiatischen Länder. Müllentsorgung und die Verantwortlichkeiten Lokale Regierungen müssen die öffentliche Gesundheit ihrer lokalen Bevölkerung sicherstellen und sind deshalb für die Müllentsorgung verantwortlich. Asiatische tropische Klimate sich rasch ändernde Müllzusammensetzung machen die Müllbehandlung und –entsorgung zu einer dauernden Herausforderung der Entscheidungsträger. Vor einer Entscheidung über das ver-wendete Entsorgungssystem muss eine geeignete Abfall-Charakterisierung treten. Diese Cha-rakterisierung liefert Kenntnisse über die Abfallmenge, die Feuchte, den Heizwert und die Menge der verschiedenen Komponenten im Abfallstrom, wie z. B.: organisches Material, Plas-tik, Papier, Karton, Holz, Textilien, Gummi, Leder, Glas, Metalle, Nichtmetalle, Steine und Keramiken. Darüber hinaus ist die Herausforderung, der sich asiatische Länder gegenüber se-hen, ein Mangel an Raum und damit wird die Platzierung eine Deponie zunehmend schwierig. Die Abfallwirtschaft ist eine kostenintensive, aber trotzdem notwendige Maßnahme, um das Wohlergehen sowohl der Bevölkerung als auch für die Umwelt sicher zu stellen. Es wird ge-schätzt, dass Asien im Jahr 2025 etwa 47 Milliarden US$ aufwenden muss, um 0,5 bis 1 Kg städtischen Müll je Person und Tag abzufahren und zu behandeln, oder 5 US$ je Kopf und Jahr. In Entwicklungsländern sind unzählige Leute nicht in der Lage, diese hohen Preise für die Ab-fallentsorgung zu zahlen. Deshalb liegt es in der Verantwortung der Regierung, die Abfallent-sorgung zu betreiben und zu finanzieren, um die Bevölkerung, die Gemeinde und die Umwelt zu schützen. Tropische asiatische Städte müssen jetzt bezahlbare und nachhaltige Verfahren für die Entsorgung ihrer zunehmenden Menge täglichen Abfalls benennen, wobei gleichzeitig auf minimale Umweltbelastung, auf soziale Akzeptanz und auf minimale Landverbrauch zu achten ist. Eine leicht anwendbare Entscheidungshilfe zur Wahl des geeignetesten Abfallbehandlungs-system der Gemeinde wäre deshalb sehr nützlich. Proposition Der Zweck dieser Dissertation war die Entwicklung eines nutzerfreundlichen Instrumentariums für das Verwaltungs- und Regierungspersonal in tropischen Entwicklungs- und Schwellenlän-der. 1. Diese Vorgehensweise basiert auf einem Netzwerk, das eine Liste ausgewählter entschei-dungsrelevanter Tatsachen in Betracht zieht, die nötig sind, um eine informierte Entschei-dung machen zu können. Das entscheidungshelfende Verfahren muss von Entscheidungs-trägern bei einer vorläufigen Feststellung des Abfallentsorgungs- und -behandlungssystems für ihre Gemeinde benutzt werden. 2. Tropische asiatische Städte müssen eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, wenn sie über ihren Abfallwirtschaftsplan entscheiden. Dazu gehören die immerwechselnde Menge und Zusammensetzung des Abfalls infolge der zunehmenden Bevölkerungszahl und des Ein-kommens je Kopf, der hohe Feuchtigkeitsgrad, Verbrennungswärme-Werte und die oft be-grenzten finanziellen Möglichkeiten. 3. Ferner sind gesetzliche, politische, verwaltungstechnische, soziale, finanzielle, ökonomi-sche und technische Faktoren bestimmend. 4. Die Verwaltung muss dabei die Wichtigkeit jedes Teilschrittes der Abfallwirtschaft im Au-ge behalten, also Abfallerzeugung, Sammlung, Transport, Abfallcharakterisierung, Entsor-gung und Behandlung. 5. Die Rolle der lokalen Gemeinden in der Entscheidungsfindung ist nicht hoch genug einzu-schätzen; deshalb müssen Mitglieder der Gemeinde aktiv am Schutz der Umwelt und an der Verhinderung ihrer Zerstörung mitwirken. Mehrere Entscheidungshilfsverfahren für ver-schiedene Anwendungen wurden entwickelt. Jedoch zieht die Mehrzahl von ihnen nicht notwendigerweise eine öffentliche Teilnahme in Betracht, und sie sind auch nicht benutzer-freundlich. 6. Um die Komplexität der Probleme besser zu verstehen, die bei tropischen asiatischen Städ-ten auftreten, wurde die Innenstadt von Bangkok, Thailands größte Stadt und Hauptstadt, als repräsentativer Fall ausgewählt, für die Entsorgung der 9000 t Müll der täglich produ-ziert wird. Thailands Klima ist, besonders während der jährlichen Monsunzeit, heiß und feucht mit einer mittleren Temperatur von 28,4°C und einer Feuchtigkeit zwischen 70 und 100%. Die Gesetze und Verordnungen zeigen sehr deutlich an, wie wichtig die Behandlung des städtischen Abfalls genommen wird. Zahlreiche Interviews, verbunden mit der Durch-sicht von Dokumenten, Berichten und Ortsbesichtigungen ergaben Kenntnisse der zahlrei-chen Entscheidungsmaßnahmen, denen sich die städtischen Entscheidungsträger einer tro-pischen Stadt gegenüber sehen. Die Durchsicht und die Analyse der Entscheidungsmaß-nahmen in Bangkoks Abfallentsorgungsstrategien zeigten, wie das Entscheiden als Werk-zeug in verschiedenen asiatischen tropischen Städten benutzt werden kann. 7. Ein Entscheidungsrahmen wurde erstellt auf der Grundlage von Literatur-Recherchen und persönliche Erfahrungen, und anhand der in der Stadt Bangkok gesammelte Daten über-prüft. Die Entscheidungspunkte im Netzwerk umfassen eine allgemeine Beschreibung der Stadt, ihre klimatischen und hydrogeologischen Bedingungen, die Menge und Art des er-zeugten Mülls, einen Überblick über die bestehenden Anlagen und die existierenden Pro-gramme, öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen, den sozioökonomischen Aspekt eines Abfallbehandlungssystems und die öffentliche Teilnahme. Es berücksichtigt ferner Ge-sundheits- und Sicherheitsüberlegungen im Zusammenhang mit Abfallentsorgungsmög-lichkeiten und ihrer Kosten. 8. Das Entscheidungsinstrumentarium hat als Ziel, ein geeignetes Abfallbehandlungssystem zu ermöglichen, das als Grundlage soziale, klimatische und technische Informationen be-nutzt. Ihre Einfachheit erlaubt einem Verwaltungspersonal, das wenig Erfahrung mit Ab-fallwirtschaft und Computerwissen besitzt, verschiedene Optionen zu analysieren und Sze-narien auszutesten. Des weiteren werden verschiedene Möglichkeiten überprüft, und es wird versucht, die Optionen in die Abfallwirtschaft zu integrieren. 9. Das Instrumentarium beinhaltet über ein Hundert geschlossene Fragen, die auf das Analy-sieren der Bedürfnisse und der gegenwärtigen Situation der Abfallwirtschaft einer be-stimmten Gesellschaft ausgerichtet sind und die es ermöglichen, ein geeignetes Abfallwirt-schaftssystem für die entsprechende Gesellschaft zu wählen. Diese Fragen hatten als Grundlage die Rahmen und Eckpunkte des Entscheidungsinstrumentariums. Dieses Instru-mentarium ist selbsterklärend, und gleichzeitig bietet es Flexibilität bei der Entscheidung, um wie viel Prozent des Abfalls wieder verwertet wird, kompostiert oder behandelt durch irgend eine von den sechs Behandlungsoptionen; Kompostierung, Vergärung, nicht-Verbrennungssysteme, Verbrennung, Deponierung und Energiegewinnung. 10. Die Ziele eines integrierten Abfallwirtschaftssystems können vom Benutzer geändert und modifiziert werden. Dies ermöglicht die Überprüfung verschiedener Szenarien und die Auswahl des geeignetesten Abfallbehandlungssystems. Das System kann sehr einfach sein und nur ein Behandlungssystem beinhalten oder mit einer Auswahl mehrere Behandlungs-systeme sehr kompliziert sein. In einigen Ländern ist es Vorschrift mehrere Systeme anzu-wenden. Integrierte Abfallwirtschaftssysteme, die mindestens zwei oder drei Abfallbe-handlungssysteme beinhalten, sind deshalb gefragt. 11. Die Ziele der Gesellschaft sind ausschlaggebend und sind die Schlüsselfaktoren für den Entscheidungsprozess. Die Menge der wiederverwertbaren Materialien, die Brauchbarkeit des Komposts, die Interesse an Vergärung, die Möglichkeit einer Verbrennungsanlage, das Verstehen eines nicht-Verbrennungssystems und die Verfügbarkeit von Land für Deponien, die Notwendigkeit für Elektrizität sind einige Schlüsselfaktoren die überlegt werden müs-sen. Integrierte Abfallwirtschaft ist wahrscheinlich die vernünftigste Vorgehensweise. Dies ermöglicht Flexibilität bei Abfallwirtschaftstechniken und ergänzt sie gegenseitig. 12. Öffentliche Verwaltungen können DMT als eine erste Bewertung der geeignetesten Tech-nologie benutzen. Des weiteren gibt DMT dem Verwaltungspersonal Flexibilität in ihrer Wahl bezüglich der Menge an wiederverwertbarem Abfall unter der Anwendung verschie-denen Technologien, welches eine gut konstruiertes und gut integriertes Abfallbehand-lungssystem für die Gesellschaft darstellt. Fazit Das Fazit ist: die Abfallwirtschaft in einem tropischen Schwellenland ist mit bestimmten Her-ausforderungen verbunden, die behandelt werden müssen. Ökonomische, technische und sozi-ale Kriterien müssen in Betracht gezogen werden bei der Wahl geeigneter städtischer Abfall-wirtschaftsysteme. Begrenzte finanzielle Möglichkeiten, Mangel an öffentlichem Bewusstsein und ein schwaches Wirtschaftssystem sind manchmal verantwortlich für die Wahl eines schlechtes Abfallbehandlungssystems, mit kurzsichtigen und über die Jahren teuren Entschei-dungen statt langfristigen und vernünftigeren Entscheidungen. Wetterbedingungen und die Knappheit an Land in Stadtnähe sind besondere Herausforderungen. Das Entscheidungsinstru-mentarium DMT macht die Identifizierung von Schlüsselfragen nötig für die Formulierung eines nachhaltigen Abfallwirtschaftskonzepts und für die Wahl eines technisch-, ökonomisch- und sozial-akzeptierbaren Abfallwirtschaftssystems, das besonders geeignet ist für tropische Klimate. Die Ergebnisse der DMT-Daten-Analyse bietet eine faire Auswertung für ein adäquates integ-riertes Abfallbehandlungssystems. Wenn einmal ein System identifiziert wurde, werden weitere Studien bezüglich Umsetzbarkeit und Anwendbarkeit nötig sein. Jedoch wird die Notwendig-keit, ausführliche Studien am multiplen Szenarien durchzuführen, minimiert, was erhebliche Ersparnisse für die Stadtverwaltung bedeutet. Eine Feasibility-Study und ein Masterplan haben zu folgen, um die standortspezifischen und Finanzierungsfragen zu klären sowie die Auswahl der spezifischen Anlagentechnik zu definieren. ; Abstract Developing and emerging tropical Asian countries have encountered fast urban development due to the migration of farmers seeking a better life in the city. This resulted in a lack of appro-priate infrastructure and inappropriate social services in many cities. Municipal solid waste management is no exception and is in fact often placed at the bottom of the list of priorities for the cities' appropriate urban management plans since laws and regulations must first be for-mulated and implemented. The problem of unmanaged municipal solid waste certainly leads to air pollution, disease, and to soil and water contamination. These problems in tropical climates are compounded with high temperature, high-level humidity, heavy rainfall and frequent flooding. Stagnant water and leachate from waste quickly become the breeding grounds of in-sects, rodents and bacteria, thus creating a health hazard for workers and local populations. Moreover, water and groundwater contamination may lead to serious environmental degrada-tion with direct impacts on water supplies, and in the fast degradation of agricultural products, the backbone of most tropical Asian countries. Many cities still allow or tolerate dumping of waste in uncontrolled sites, and open burning that disperses particulates that most likely contain dioxins and furans. Even with increasingly scarce land availability within or in proximity of the cities, sanitary landfill is still the most often cho-sen disposal method around Asia because of its lower cost when compared to modern treatment systems. Yet, most of these landfill sites do not have proper lining, daily covering, methane recovery devices, leachate control systems, nor do they have long-term closure and monitoring plans, which implies short and long-term hazards. Some municipalities opted for incineration, which usually entails high operation and maintenance costs because of the need for supple-mental fuel and often-inappropriate running conditions. Although tropical conditions appear to favor certain disposal systems such as composting, appropriate technology needs to be identi-fied in order to reduce operation and maintenance costs while ensuring good quality outputs; compost plants have often been closed because of poor quality products due to the high content of plastic and glass particulates in the finished product. Tropical Asian cities are now required to identify affordable and sustainable solutions for the management of their increasing amount of waste generated daily, while ensuring minimal environmental impact, social acceptance and minimal land use. The purpose of this dissertation was to develop a user-friendly decision-making tool for public administrators and government officials in tropical Asian developing and emerging cities. This tool was developed based on a list of selected decision-making issues necessary in making an informed decision. The decision-making tool is to be used by decision-makers in making a pre-liminary assessment of a most appropriate waste management and treatment system for their municipality. Tropical Asian cities must consider a number of issues when deciding on their waste management plan such as the continuously changing quantum and composition of waste associated with the increasing population and income per capita, the high humidity levels, and the often-limited financial resources. Other determinant factors include legal, political, institu-tional, social and technical issues. Furthermore, administrators must realize the importance of each stage involved in waste management, which includes waste generation, collection, trans-port, waste characteristics, disposal and treatment. To better understand the complexity of the issues involved in tropical Asian municipalities, the city of Bangkok, Thailand's largest city and capital, was selected as a case study for the management of its 9,000 tonnes of waste gen-erated daily. Numerous interviews, meetings along with the review of documents, reports and site visits offered an inside view of the tropical city's various decision-making issues towards its waste management plan, and examine specific problems encountered by the city's decision-makers. The review and analysis of the decision-making issues involved in Bangkok's waste management plan showed how the decision-making tool can be used in various Asian tropical cities. In conclusion, waste management in an emerging tropical country involves specific challenges that need to be addressed. Economical, technical and social criteria need to be fully understood as to capacitate government officials in the selection of the most appropriate urban waste man-agement system. Limited budgets, lack of public awareness and poor systems' management often cloud decision-makers in choosing what appears to be the best solution in the short term, but more costly over the years. Weather conditions and scarcity of land in proximity of the city make waste management especially challenging. The decision-making framework offers a tool to decision-makers, as to facilitate the understanding and identification of key issues necessary in the formulation of a sustainable urban waste management plan and in the selection of a tech-nically, economically and socially acceptable integrated MSW management system. A detailed feasibility study and master plan will follow the preliminary study as to define the plant´s specifications, its location and its financing.
BASE
The modelling of energy systems, which coevolved from socio-technological interactions and their interplay with the economy, plays a key role in the development of national and international policies to solve the problem of energy poverty. The other important issues addressed by energy system modelling are change in energy infrastructure, develop energy strategies, paving pathways towards technological sustainability and predicting future energy demand. Almost all energy system models are based on optimization of the lowest energy production cost, where the total cost is contributed jointly by the energy carrier's price and the cost of the associated technology subject to technical parameters. Minimizing the investment cost associated with a given technology is extremely important to sustain the surge in energy demand of the global market. Therefore, how the model applies endogenous investment costs to forecast the future benefit associated with the current knowledge subject to uncertainty in learning rates is an important aspect of energy system modelling and analysis. The influence of uncertainties in learning rates on global learning concepts without and with a technology gap (knowledge gap and time lag) is of concern in order to identify the road map of the technologies across regions. In this modelling study, five regional global models based on TIMES have been developed (TIMES is a model generator and stands for "The Integrated MARKAL EFOM System"). The regions are defined as 25 European nations (EU25), Rest of OECD (R_OECD), Rest of Non-OECD (R_NOECD), India and China, according to the nations included inside each region and also on their economic categorisation. It is a demand driven, bottom-up and technology abundant model, where GDP, population, and traffic demands are the main drivers for the development of energy demand in the past, present and future. It is a long-term model (1990-2100) consisting of 19 periods with unequal period lengths (5, 8 and 10 years). Each year is divided into three seasons and each season is further divided into day and night, as the smallest time resolution. The entire Reference Energy System (RES) is represented in the Global TIMES G5 model by extraction; inter-regional exchange; refineries; hydrogen (H2) production; synthetic fuel production; bio-fuel production; electricity and heat production; Carbon Capture and Storage (CCS); and sector-wise energy demands of industry, commerce, residential and transport, non-energy use and finally an integrated climate module. In the extraction sector, hard coal, lignite, crude oil and natural gas are modelled in four steps with the help of default cost-potential curves. Inter-regional exchanges of ten commodities are modeled for each region inside the TIMES G5 model. The final energy demand of end-use sectors such as industry, commerce and residential are modelled by different end use technologies to satisfy the users' energy demand. Natural and artificial carbon pools are included in the modelling aspect for the abatement of CO2 or carbon concentrations in the atmosphere to reduce climate warming. Two climate stabilization scenarios of CO2emissions of 500-ppmv and 550-ppmv have been used in order to estimate the sectoral restructuring of the energy system across different regions as well as its effect on atmospheric and deep ocean layer temperature rise. The phaseout of polluting fuels and the integration of non-polluting or less polluting fuels and renewable energy sources inside the sectoral energy system predominate across all regions. Sectoral energy demand and total final energy demand decreases in individual regions. Technologies such as fuel cells, fusion technology, Integrated Gasification Combined Cycle (IGCC) with CO2 sequestration, Combined Cycle Gas Turbine (CCGT) with CO2 sequestration and hydrogen production with CO2 sequestration are selected in the stabilization scenarios. The CO2 emission by fossil fuels, by sectors and by regions decreases. The atmospheric temperature rises by a maximum of 2.41oC and the ocean bed temperature rises by a maximum of 0.33oC up to the year 2100. The TIMES G5 global model has been developed to test global learning processes for the effect of uncertainties on learning rates of innovative technologies, i.e., technology diffusion across world regions subject to uncertainty in LRs for three PRs has been considered on implementation of floor cost approach The global learning process considering technology gap methodologies (knowledge gap and time lag) has been developed and tested for three different progress ratios of each technology for uncertainty of the technological return. Knowledge gap represents higher specific cost of the technology for developing regions and time lag approach presents a time lag in capacity transfer to developing regions compared to developed regions. This study shows the penetration and integration of new technologies such as IGCC, CCGT, solar photovoltaic (PV), wind onshore, wind offshore and geothermal heat pumps inside the energy system of different regions. Variations result observed by the inclusion of global learning without and with technology gaps in the form of higher specific cost (knowledge gap) and time lag. IGCC technology reaches its maximum potential in all scenarios across the globe. IGCC technology is preferred in the case of global learning without knowledge gap and time lag across developing regions compared to global learning with knowledge gap. CCGT technology development in manufacturing region decreases in global learning with technology knowledge gap compared to without knowledge gap concept. Wind onshore penetrates more in EU25 and R_OECD regions and in energy systems in a global learning concept without knowledge gap. Developed regions use more learning technology in the global learning with time lag concept because of the advantage of early investment cost reduction of learning technologies contributed by developing regions. Geothermal Heat Pump (geothermal HP) penetrates more across all regions and in all scenarios as the technology is modeled for global learning without knowledge gap and time lag. Bio-gasification, solid oxide fuel cells and molten carbonate fuel cells do not enter any energy system under any scenario. It is observed that learning technology diffuses more in higher learning rates and less in lower learning rates across the regions and the globe. The development of specific costs of innovative technologies is observed differently by period for developing and developed regions in global learning with technology gap in the form of higher specific cost approach. ; Die Modellierung von Energiesystemen entwickelte sich im Spannungsfeld von sozio-ökonomischen und technologischen Fragestellungen. Sie spielt eine Schlüsselrolle für Strategien in der nationalen und internationalen Energiepolitik und dient dazu, Probleme wie die Verknappung von Energieressourcen zu erkennen und zu lösen, Möglichkeiten zur Veränderung von Infrastrukturen im Energiesektor aufzuzeigen, den Weg für eine technologische Nachhaltigkeit zu ebnen und den zukünftigen Energiebedarf zu prognostizieren. Fast alle Energiesystemmodelle basieren auf der Optimierung der Kosten der Energieerzeugung, welche die Kosten für Energieträger und Anlagentechnologien in Abhängigkeit verschiedener technologisch-ökonomischer Parameter beinhalten. Die Anlagentechnologien stellen hierbei die Hauptkomponente sowohl der Energiekosten als auch für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Die Reduktion der Investitionskosten für Anlagen zur Energieerzeugung ist eine wesentliche Fragestellung. Hierbei ist von großer Bedeutung, wie das Energiesystemmodell endogen Investitionskosten einsetzen kann, um zukünftige Potenziale ausgehend von den derzeitigen Kenntnissen zu prognostizieren. Der Einfluss der Unsicherheit von Lernraten bei der Endogenisierung des Lernprozesses und der Technologieauswahl muss hierzu untersucht werden. In einem globalen Lernkonzept unter Berücksichtigung von sogenannten Technologielücken, d. h. von zeitlichen Verzögerungen zwischen Verfügbarkeit und Implementierung von Technologien, kann die Entwicklung und Implementierung von neuen Technologien anhand von spezifischen Kosten und einer ggf. verzögerten Marktdurchdringung in verschiedenen Regionen untersucht werden. Im Rahmen dieser Studie wurde ein fünf Regionen Modell auf Basis des TIMES (The Integrated Markal Efom System) Modell-Generators entwickelt. Die Regionen sind definiert als die 25 europäischen Staaten (EU25), die restlichen Länder der OECD, die restlichen Länder außerhalb der OECD, Indien und China. Das Modell ist gesteuert durch den Energiebedarf, verwendet einen "Bottom-up"-Ansatz und beinhaltet die unterschiedlichsten Technologien. GDP, Bevölkerung und Verkehrsleistung sind die wesentlichen Faktoren für die Entwicklung des Energiebedarfs. Bei dem Modell handelt es sich um ein Langzeitmodell (Zeitraum 1990 bis 2100), das aus 19 Zeitperioden mit unterschiedlichen Längen (5, 8 und 10 Jahre) besteht. Jedes Jahr ist in drei Abschnitte unterteilt und jeder Abschnitt in Tag und Nacht als der höchsten zeitlichen Auflösung. Das gesamte Referenzenergiesystem (RES) wird im globalen TIMES G5 Modell durch die Energieträgergewinnung, den überregionalen Markt, Raffinerien, die Produktion von Synthesekraftstoffen, Biokraftstoffen, Wasserstoff, Strom und Wärme, Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung, den sektoralen Energiebedarf von Industrie, Gewerbe, Haushalten und Verkehr, den stofflichen Einsatz von fossilen Energieträgern und schließlich durch ein integriertes Klimamodul abgebildet. Die Gewinnung der Energieträger Steinkohle, Braunkohle, Rohöl und Erdgas wird in vier Schritten mit Kostenpotenzialkurven modelliert. Für jede Region wird der überregionale Handel von zehn Gütern innerhalb des TIMES G5-Modells abgebildet. Der Endenergiebedarf von Sektoren wie der Industrie, dem Gewerbe und den Haushalten wird mit unterschiedlichen Endnutzertechnologien modelliert. Natürliche und anthropogene Verfahren der CO2-Abscheidung und -Speicherung werden als CO2-Senken und Maßnahmen zur Minderung der Klimaerwärmung berücksichtigt. Im Rahmen der Arbeit wurden zwei Szenarien zur Stabilisierung der CO2-Emissionen auf einem Niveau von 500 ppmv und 550 ppmv betrachtet, um die sektorale Restrukturierung des Energiesystems in verschiedenen Regionen sowie den Temperaturanstieg in der Atmosphäre und am Meeresgrund abzuschätzen. In allen Regionen des sektoralen Energiesystems geht die Nutzung klimaschädlicher Energieträger zurück. Stattdessen dominiert die Nutzung nicht- oder weniger klimaschädlicher Energieträger sowie die Verwendung erneuerbarer Energiequellen. Der sektorale Energiebedarf und der totale Endenergiebedarf der einzelnen Regionen verringern sich. Technologien wie Brennstoffzellen, Fusionstechnologie, kombinierte Gas- und Dampf-Prozesse mit CO2-Abscheidung (mit integrierter Kohlevergasung (IGCC) oder mit Gasturbine (CCGT)) und Wasserstoffproduktion mit CO2-Abscheidung werden in den Stabilisierungsszenarien eingesetzt. Die CO2-Emissionen je Brennstoff, Sektor und Region verringern sich, die Temperatur der Atmosphäre steigt bis zum Jahr 2100 um maximal 2,41 °C an, die Temperatur am Meeresboden um maximal 0,33 °C. Das globale Modell TIMES G5 wurde entwickelt, um die globalen Lernprozesse im Hinblick auf die Unsicherheit der Lernrate von innovativen Technologien untersuchen zu können. Um die mögliche Bandbreite der Modellergebnisse zu begrenzen, wurde ein Ansatz basierend auf Mindestkosten entwickelt und angewendet. Die globalen Lernprozesse unter Berücksichtigung von Technologielücken wurden mit drei unterschiedlichen Fortschrittsraten je Technologie untersucht, welche die Unsicherheiten der technologischen Entwicklung in Bezug auf Implementierung und Kosten darstellen. Es wurde untersucht, inwiefern Technologielücken bei vergleichbaren Prozessen und Zeitperioden sich als höhere spezifische Kosten der Technologien in Entwicklungsländern und niedrigere spezifische Kosten in entwickelten Regionen widerspiegeln. In einem weiteren Ansatz wurden die Technologielücken als zeitlich verzögerte Kapazitätsentwicklungen abgebildet. Die spezifischen Kosten neuer Technologien in den Regionen unterscheiden sich bei beiden gewählten Ansätzen in Abhängigkeit von Diskontraten, Technologielücken je Periode und der Länge der untersuchten Zeitperioden. Im Ergebnis stellt die Arbeit die Marktdurchdringung und Integration von neuen Technologien wie IGCC, CCGT, Photovoltaikanlagen, "Onshore"- und "Offshore"-Windkraftanlagen und geothermischen Wärmepumpen in den Energiesystemen verschiedener Regionen dar. Unterschieden wird dabei zwischen der Anwendung eines globalen Lernkonzepts mit und ohne Berücksichtigung von Technologielücken, die in Form von höheren spezifischen Kosten der Technologien (knowledge gap) und einer zeitlichen Verschiebung ihrer Verfügbarkeit (time gap) abgebildet werden. IGCC Technologien erreichen in allen Szenarien ihr maximales Potenzial. Sie werden in sich entwickelnden Regionen bevorzugt bei Anwendung des globalen Lernkonzepts ohne knowledge gap und ohne time gap eingesetzt. Die Entwicklung der CCGT-Technologie in produzierenden Regionen verlangsamt sich beim globalen Lernkonzept mit knowledge gap gegenüber dem Konzept ohne knowledge gap. Die Marktdurchdringung von Onshore Windkraftanlagen findet vor allem in den Regionen EU25 und R_OECD und bei Anwendung des Lernkonzepts ohne knowledge gap statt. Entwickelte Regionen setzen Lerntechnologien insbesondere beim Lernkonzept mit time gap ein, wegen des Vorteils der frühen Investitionskostenreduzierung von Lerntechnologien aus sich entwickelnden Regionen. Geothermische Wärmepumpen werden in allen Regionen und Szenarien bevorzugt eingesetzt, da diese Technologie mit dem globalen Lernkonzept ohne knowledge gap und ohne time gap modelliert wurden. Biomassevergasung, Festoxid-Brennstoffzellen und Schmelz-Karbonat-Brennstoffzellen finden in keinem der Szenarien Eingang in eines der Energiesysteme. Weiter wurde beobachtet, dass das Spektrum der eingesetzten Lerntechnologien bei Annahme hoher Lernraten größer ist als bei niedrigen Lernraten. Die Entwicklung der spezifischen Kosten für innovative Technologien verläuft in Abhängigkeit vom globalen Lernkonzept, den betrachteten Technologielücken und den resultierenden verschiedenen spezifischen Technologiekosten in Entwicklungsländern und entwickelten Ländern unterschiedlich.
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Einführung Tropische asiatische Entwicklungs- und Schwellenländer zeigten rasches städtisches Wachstum dadurch, dass Bauern einwanderten, um ein besseres Leben in der Stadt zu suchen. Dadurch ergab sich in vielen Städten ein Mangel an geeigneter Infrastruktur und an sozialen Diensten. Die städtische Müllversorgung bildet keine Ausnahme; sie wird sogar oft an das Ende der Prio-ritätenliste für städtische Aufgabenpläne gestellt, da dabei zuerst die Gesetze und Verordnun-gen formuliert und umgesetzt werden müssen. Das Problem des nicht entsorgten städtischen Mülls führt (mit Sicherheit) zu Luftverschmutzung, Krankheit und zur Verseuchung des Bo-dens und des Wassers. Diese Probleme stehen in tropischen Klimaten im Zusammenhang mit hoher Temperatur und Feuchtigkeit, mit heftigem Regen und mit häufigen Überschwemmun-gen. Stehendes Wasser und Ausschwemmung aus dem Abfall werden sehr schnell zu Brutstät-ten von Insekten, Nagern und Bakterien, und damit zu einer Gesundheitsgefahr für Arbeiter und die allgemeine Bevölkerung. Darüber hinaus kann Wasser- und Grundwasserverschmut-zung/Kontamination zu einer ernsten Umweltzerstörung führen, mit direkten Auswirkungen auf die Wasserressourcen, und auf raschen Qualitätsverlust der pflanzlichen Erzeugnisse, des Rückgrates der meisten tropischen asiatischen Länder. Müllentsorgung und die Verantwortlichkeiten Lokale Regierungen müssen die öffentliche Gesundheit ihrer lokalen Bevölkerung sicherstellen und sind deshalb für die Müllentsorgung verantwortlich. Asiatische tropische Klimate sich rasch ändernde Müllzusammensetzung machen die Müllbehandlung und –entsorgung zu einer dauernden Herausforderung der Entscheidungsträger. Vor einer Entscheidung über das ver-wendete Entsorgungssystem muss eine geeignete Abfall-Charakterisierung treten. Diese Cha-rakterisierung liefert Kenntnisse über die Abfallmenge, die Feuchte, den Heizwert und die Menge der verschiedenen Komponenten im Abfallstrom, wie z. B.: organisches Material, Plas-tik, Papier, Karton, Holz, Textilien, Gummi, Leder, Glas, Metalle, Nichtmetalle, Steine und Keramiken. Darüber hinaus ist die Herausforderung, der sich asiatische Länder gegenüber se-hen, ein Mangel an Raum und damit wird die Platzierung eine Deponie zunehmend schwierig. Die Abfallwirtschaft ist eine kostenintensive, aber trotzdem notwendige Maßnahme, um das Wohlergehen sowohl der Bevölkerung als auch für die Umwelt sicher zu stellen. Es wird ge-schätzt, dass Asien im Jahr 2025 etwa 47 Milliarden US$ aufwenden muss, um 0,5 bis 1 Kg städtischen Müll je Person und Tag abzufahren und zu behandeln, oder 5 US$ je Kopf und Jahr. In Entwicklungsländern sind unzählige Leute nicht in der Lage, diese hohen Preise für die Ab-fallentsorgung zu zahlen. Deshalb liegt es in der Verantwortung der Regierung, die Abfallent-sorgung zu betreiben und zu finanzieren, um die Bevölkerung, die Gemeinde und die Umwelt zu schützen. Tropische asiatische Städte müssen jetzt bezahlbare und nachhaltige Verfahren für die Entsorgung ihrer zunehmenden Menge täglichen Abfalls benennen, wobei gleichzeitig auf minimale Umweltbelastung, auf soziale Akzeptanz und auf minimale Landverbrauch zu achten ist. Eine leicht anwendbare Entscheidungshilfe zur Wahl des geeignetesten Abfallbehandlungs-system der Gemeinde wäre deshalb sehr nützlich. Proposition Der Zweck dieser Dissertation war die Entwicklung eines nutzerfreundlichen Instrumentariums für das Verwaltungs- und Regierungspersonal in tropischen Entwicklungs- und Schwellenlän-der. 1. Diese Vorgehensweise basiert auf einem Netzwerk, das eine Liste ausgewählter entschei-dungsrelevanter Tatsachen in Betracht zieht, die nötig sind, um eine informierte Entschei-dung machen zu können. Das entscheidungshelfende Verfahren muss von Entscheidungs-trägern bei einer vorläufigen Feststellung des Abfallentsorgungs- und -behandlungssystems für ihre Gemeinde benutzt werden. 2. Tropische asiatische Städte müssen eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, wenn sie über ihren Abfallwirtschaftsplan entscheiden. Dazu gehören die immerwechselnde Menge und Zusammensetzung des Abfalls infolge der zunehmenden Bevölkerungszahl und des Ein-kommens je Kopf, der hohe Feuchtigkeitsgrad, Verbrennungswärme-Werte und die oft be-grenzten finanziellen Möglichkeiten. 3. Ferner sind gesetzliche, politische, verwaltungstechnische, soziale, finanzielle, ökonomi-sche und technische Faktoren bestimmend. 4. Die Verwaltung muss dabei die Wichtigkeit jedes Teilschrittes der Abfallwirtschaft im Au-ge behalten, also Abfallerzeugung, Sammlung, Transport, Abfallcharakterisierung, Entsor-gung und Behandlung. 5. Die Rolle der lokalen Gemeinden in der Entscheidungsfindung ist nicht hoch genug einzu-schätzen; deshalb müssen Mitglieder der Gemeinde aktiv am Schutz der Umwelt und an der Verhinderung ihrer Zerstörung mitwirken. Mehrere Entscheidungshilfsverfahren für ver-schiedene Anwendungen wurden entwickelt. Jedoch zieht die Mehrzahl von ihnen nicht notwendigerweise eine öffentliche Teilnahme in Betracht, und sie sind auch nicht benutzer-freundlich. 6. Um die Komplexität der Probleme besser zu verstehen, die bei tropischen asiatischen Städ-ten auftreten, wurde die Innenstadt von Bangkok, Thailands größte Stadt und Hauptstadt, als repräsentativer Fall ausgewählt, für die Entsorgung der 9000 t Müll der täglich produ-ziert wird. Thailands Klima ist, besonders während der jährlichen Monsunzeit, heiß und feucht mit einer mittleren Temperatur von 28,4°C und einer Feuchtigkeit zwischen 70 und 100%. Die Gesetze und Verordnungen zeigen sehr deutlich an, wie wichtig die Behandlung des städtischen Abfalls genommen wird. Zahlreiche Interviews, verbunden mit der Durch-sicht von Dokumenten, Berichten und Ortsbesichtigungen ergaben Kenntnisse der zahlrei-chen Entscheidungsmaßnahmen, denen sich die städtischen Entscheidungsträger einer tro-pischen Stadt gegenüber sehen. Die Durchsicht und die Analyse der Entscheidungsmaß-nahmen in Bangkoks Abfallentsorgungsstrategien zeigten, wie das Entscheiden als Werk-zeug in verschiedenen asiatischen tropischen Städten benutzt werden kann. 7. Ein Entscheidungsrahmen wurde erstellt auf der Grundlage von Literatur-Recherchen und persönliche Erfahrungen, und anhand der in der Stadt Bangkok gesammelte Daten über-prüft. Die Entscheidungspunkte im Netzwerk umfassen eine allgemeine Beschreibung der Stadt, ihre klimatischen und hydrogeologischen Bedingungen, die Menge und Art des er-zeugten Mülls, einen Überblick über die bestehenden Anlagen und die existierenden Pro-gramme, öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen, den sozioökonomischen Aspekt eines Abfallbehandlungssystems und die öffentliche Teilnahme. Es berücksichtigt ferner Ge-sundheits- und Sicherheitsüberlegungen im Zusammenhang mit Abfallentsorgungsmög-lichkeiten und ihrer Kosten. 8. Das Entscheidungsinstrumentarium hat als Ziel, ein geeignetes Abfallbehandlungssystem zu ermöglichen, das als Grundlage soziale, klimatische und technische Informationen be-nutzt. Ihre Einfachheit erlaubt einem Verwaltungspersonal, das wenig Erfahrung mit Ab-fallwirtschaft und Computerwissen besitzt, verschiedene Optionen zu analysieren und Sze-narien auszutesten. Des weiteren werden verschiedene Möglichkeiten überprüft, und es wird versucht, die Optionen in die Abfallwirtschaft zu integrieren. 9. Das Instrumentarium beinhaltet über ein Hundert geschlossene Fragen, die auf das Analy-sieren der Bedürfnisse und der gegenwärtigen Situation der Abfallwirtschaft einer be-stimmten Gesellschaft ausgerichtet sind und die es ermöglichen, ein geeignetes Abfallwirt-schaftssystem für die entsprechende Gesellschaft zu wählen. Diese Fragen hatten als Grundlage die Rahmen und Eckpunkte des Entscheidungsinstrumentariums. Dieses Instru-mentarium ist selbsterklärend, und gleichzeitig bietet es Flexibilität bei der Entscheidung, um wie viel Prozent des Abfalls wieder verwertet wird, kompostiert oder behandelt durch irgend eine von den sechs Behandlungsoptionen; Kompostierung, Vergärung, nicht-Verbrennungssysteme, Verbrennung, Deponierung und Energiegewinnung. 10. Die Ziele eines integrierten Abfallwirtschaftssystems können vom Benutzer geändert und modifiziert werden. Dies ermöglicht die Überprüfung verschiedener Szenarien und die Auswahl des geeignetesten Abfallbehandlungssystems. Das System kann sehr einfach sein und nur ein Behandlungssystem beinhalten oder mit einer Auswahl mehrere Behandlungs-systeme sehr kompliziert sein. In einigen Ländern ist es Vorschrift mehrere Systeme anzu-wenden. Integrierte Abfallwirtschaftssysteme, die mindestens zwei oder drei Abfallbe-handlungssysteme beinhalten, sind deshalb gefragt. 11. Die Ziele der Gesellschaft sind ausschlaggebend und sind die Schlüsselfaktoren für den Entscheidungsprozess. Die Menge der wiederverwertbaren Materialien, die Brauchbarkeit des Komposts, die Interesse an Vergärung, die Möglichkeit einer Verbrennungsanlage, das Verstehen eines nicht-Verbrennungssystems und die Verfügbarkeit von Land für Deponien, die Notwendigkeit für Elektrizität sind einige Schlüsselfaktoren die überlegt werden müs-sen. Integrierte Abfallwirtschaft ist wahrscheinlich die vernünftigste Vorgehensweise. Dies ermöglicht Flexibilität bei Abfallwirtschaftstechniken und ergänzt sie gegenseitig. 12. Öffentliche Verwaltungen können DMT als eine erste Bewertung der geeignetesten Tech-nologie benutzen. Des weiteren gibt DMT dem Verwaltungspersonal Flexibilität in ihrer Wahl bezüglich der Menge an wiederverwertbarem Abfall unter der Anwendung verschie-denen Technologien, welches eine gut konstruiertes und gut integriertes Abfallbehand-lungssystem für die Gesellschaft darstellt. Fazit Das Fazit ist: die Abfallwirtschaft in einem tropischen Schwellenland ist mit bestimmten Her-ausforderungen verbunden, die behandelt werden müssen. Ökonomische, technische und sozi-ale Kriterien müssen in Betracht gezogen werden bei der Wahl geeigneter städtischer Abfall-wirtschaftsysteme. Begrenzte finanzielle Möglichkeiten, Mangel an öffentlichem Bewusstsein und ein schwaches Wirtschaftssystem sind manchmal verantwortlich für die Wahl eines schlechtes Abfallbehandlungssystems, mit kurzsichtigen und über die Jahren teuren Entschei-dungen statt langfristigen und vernünftigeren Entscheidungen. Wetterbedingungen und die Knappheit an Land in Stadtnähe sind besondere Herausforderungen. Das Entscheidungsinstru-mentarium DMT macht die Identifizierung von Schlüsselfragen nötig für die Formulierung eines nachhaltigen Abfallwirtschaftskonzepts und für die Wahl eines technisch-, ökonomisch- und sozial-akzeptierbaren Abfallwirtschaftssystems, das besonders geeignet ist für tropische Klimate. Die Ergebnisse der DMT-Daten-Analyse bietet eine faire Auswertung für ein adäquates integ-riertes Abfallbehandlungssystems. Wenn einmal ein System identifiziert wurde, werden weitere Studien bezüglich Umsetzbarkeit und Anwendbarkeit nötig sein. Jedoch wird die Notwendig-keit, ausführliche Studien am multiplen Szenarien durchzuführen, minimiert, was erhebliche Ersparnisse für die Stadtverwaltung bedeutet. Eine Feasibility-Study und ein Masterplan haben zu folgen, um die standortspezifischen und Finanzierungsfragen zu klären sowie die Auswahl der spezifischen Anlagentechnik zu definieren. ; Abstract Developing and emerging tropical Asian countries have encountered fast urban development due to the migration of farmers seeking a better life in the city. This resulted in a lack of appro-priate infrastructure and inappropriate social services in many cities. Municipal solid waste management is no exception and is in fact often placed at the bottom of the list of priorities for the cities' appropriate urban management plans since laws and regulations must first be for-mulated and implemented. The problem of unmanaged municipal solid waste certainly leads to air pollution, disease, and to soil and water contamination. These problems in tropical climates are compounded with high temperature, high-level humidity, heavy rainfall and frequent flooding. Stagnant water and leachate from waste quickly become the breeding grounds of in-sects, rodents and bacteria, thus creating a health hazard for workers and local populations. Moreover, water and groundwater contamination may lead to serious environmental degrada-tion with direct impacts on water supplies, and in the fast degradation of agricultural products, the backbone of most tropical Asian countries. Many cities still allow or tolerate dumping of waste in uncontrolled sites, and open burning that disperses particulates that most likely contain dioxins and furans. Even with increasingly scarce land availability within or in proximity of the cities, sanitary landfill is still the most often cho-sen disposal method around Asia because of its lower cost when compared to modern treatment systems. Yet, most of these landfill sites do not have proper lining, daily covering, methane recovery devices, leachate control systems, nor do they have long-term closure and monitoring plans, which implies short and long-term hazards. Some municipalities opted for incineration, which usually entails high operation and maintenance costs because of the need for supple-mental fuel and often-inappropriate running conditions. Although tropical conditions appear to favor certain disposal systems such as composting, appropriate technology needs to be identi-fied in order to reduce operation and maintenance costs while ensuring good quality outputs; compost plants have often been closed because of poor quality products due to the high content of plastic and glass particulates in the finished product. Tropical Asian cities are now required to identify affordable and sustainable solutions for the management of their increasing amount of waste generated daily, while ensuring minimal environmental impact, social acceptance and minimal land use. The purpose of this dissertation was to develop a user-friendly decision-making tool for public administrators and government officials in tropical Asian developing and emerging cities. This tool was developed based on a list of selected decision-making issues necessary in making an informed decision. The decision-making tool is to be used by decision-makers in making a pre-liminary assessment of a most appropriate waste management and treatment system for their municipality. Tropical Asian cities must consider a number of issues when deciding on their waste management plan such as the continuously changing quantum and composition of waste associated with the increasing population and income per capita, the high humidity levels, and the often-limited financial resources. Other determinant factors include legal, political, institu-tional, social and technical issues. Furthermore, administrators must realize the importance of each stage involved in waste management, which includes waste generation, collection, trans-port, waste characteristics, disposal and treatment. To better understand the complexity of the issues involved in tropical Asian municipalities, the city of Bangkok, Thailand's largest city and capital, was selected as a case study for the management of its 9,000 tonnes of waste gen-erated daily. Numerous interviews, meetings along with the review of documents, reports and site visits offered an inside view of the tropical city's various decision-making issues towards its waste management plan, and examine specific problems encountered by the city's decision-makers. The review and analysis of the decision-making issues involved in Bangkok's waste management plan showed how the decision-making tool can be used in various Asian tropical cities. In conclusion, waste management in an emerging tropical country involves specific challenges that need to be addressed. Economical, technical and social criteria need to be fully understood as to capacitate government officials in the selection of the most appropriate urban waste man-agement system. Limited budgets, lack of public awareness and poor systems' management often cloud decision-makers in choosing what appears to be the best solution in the short term, but more costly over the years. Weather conditions and scarcity of land in proximity of the city make waste management especially challenging. The decision-making framework offers a tool to decision-makers, as to facilitate the understanding and identification of key issues necessary in the formulation of a sustainable urban waste management plan and in the selection of a tech-nically, economically and socially acceptable integrated MSW management system. A detailed feasibility study and master plan will follow the preliminary study as to define the plant´s specifications, its location and its financing.
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In: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung, Band 55, Heft 1, S. 523-532
ISSN: 2304-4861
In: Krankenhaus-Report 2008/09
Zugang zum Internetportal des "Krankenhaus-Report" mit allen Abbildungen und Tabellen sowie Zusatzmaterial unter Berücksichtigung des Copyrights. - Literaturangaben - TEIL I Schwerpunktthema: Versorgungszentren - Kapitel 1 Zentrierte Versorgung - Ziele und Optionen - Günter Neubauer und Christof Minartz - 1.1 Problemstellung - 1.2 Theoretische Erklärungsansätze - 1.2.1 Economies of Scale - 1.2.2 Spezialisierung und Qualität - 1.2.3 Reduktion der Transaktionskosten - 1.3 Ausprägungsformen der zentrierten Versorgung - 1.3.1 Veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen - 1.3.2 Zentrumsbildung in einem Betrieb - 1.3.3 Versorgungszentrierung in einer Unternehmensgruppe - 1.3.4 (Sektorübergreifende) Versorgungszentrierung in einer Region - 1.4 Weiterentwicklung - 1.5 Europäische Perspektive - 1.6 Literatur - Kapitel 2 Zentrenbildung in Deutschland - eine Bestandsaufnahme auf Basis der - Qualitätsberichte - Bettina Gerste - 2.1 Hintergrund und Ziel - 2.2 Qualitätsberichte als Datengrundlage - 2.3 Empirische Analyse der Zentrenbildung - 2.4 Fazit - 2.5 Literatur - Kapitel 3 Eine empirische Analyse der MVZ am Krankenhaus - Leonhard Hansen - 3.1 Einleitung - 3.2 Entwicklung der Medizinischen Versorgungszentren 2004 bis 2008 - 3.2.1 Anzahl und Rechtsform - 3.2.2 In MVZ tätige Ärzte und vertretene Fachgruppen - 3.2.3 Räumliche Verbreitung der MVZ - 3.3 Medizinische Versorgungszentren mit Krankenhausbeteiligung - 3.3.1 Anzahl und Rechtsform - 3.3.2 In MVZ mit Krankenhausbeteiligung tätige Ärzte und vertretene Fachgruppen - 3.3.3 Räumliche Verbreitung der MVZ mit Krankenhausbeteiligung - 3.4 Fazit - 3.5 Literatur - Kapitel 4 Ausländische Erfahrungen mit ambulanten Leistungen am Krankenhaus - Reinhard Busse und Markus Wörz - 4.1 Einleitung - 4.2 Typen von Gesundheitssystemen - 4.3 Ambulantes Operieren im internationalen Vergleich - 4.4 Gegebenheiten und Entwicklungstrends in ausgewählten Ländern - 4.4.1 Österreich - 4.4.2 England - 4.5 Schlussfolgerungen für Deutschland - 4.6 Literatur - Kapitel 5 Zentrenbildung im Krankenhaus - ein ungesteuerter Großversuch - Uwe Deh und Ralf Dralle - 5.1 Überblick - 5.2 Medizinisch-inhaltliches vs. vergütungsrechtlich-allokatives Primat - Das Henne-Ei-Problem der Zentrenbildung - 5.3 Medizinisch-inhaltliche Zentrenbildung - Versorgungspolitischer Aspekt - 5.4 Vergütungsrechtliche Zentrenbildung - ökonomischer Aspekt - 5.5 Der versorgungspolitische Aspekt als inhaltliche Füllung für die leere Hülle des Vergütungstatbestandes - ein Ausweg für die Zentrumsbildung - 5.6 Fazit - Kapitel 6 Zentrierte Versorgungsformen als Antwort auf die Bevölkerungsentwicklung - Matthias Schäg, Markus Herrmann, Andreas Klement, Thomas Lichte und Bernt-Peter Robra - 6.1 Einführung - 6.2 Regionale Versorgungszentren in Regionen mit drohender Unterversorgung - 6.3 Personalentwicklung durch ein regionales MVZ - 6.4 Mobile medizinische Teams - 6.5 Möglichkeiten für die Krankenhäuser einschließlich der Universitätsklinika - 6.6 Ausblick - 6.7 Literatur - Kapitel 7 Zentrenbildung zur Verbesserung von Qualität und Effizienz - Evidenz am Beispiel der Universitätsklinik Köln - Ludwig Kuntz und Michael Wittland - 7.1 Einleitung - 7.2 Das Zentrum als Organisationsform der Wahl - 7.2.1 Zentrenstrukturen an Universitätskliniken und Krankenhäusern - 7.2.2 Potenziale der Zentrenbildung - 7.3 Zentrenbildung an der Universitätsklinik Köln - 7.3.1 Ziele - 7.3.2 Erfahrungen - 7.4 Diskussion - 7.5 Fazit - 7.6 Literatur - Kapitel 8 Psychosoziale Interaktionsqualität aus Patientenperspektive in den NRW-Brustzentren - Petra Steffen, Oliver Ommen, Nicole Ernstmann und Holger Pfaff - 8.1 Einleitung - 8.2 Methode - 8.2.1 Stichprobe - 8.2.2 Messinstrument - 8.2.3 Analysen - 8.3 Ergebnisse - 8.4 Diskussion - 8.5 Implikationen und weiterer Forschungsbedarf - 8.6 Literatur - Kapitel 9 Die Bildung von Versorgungszentren und Leistungsnetzen im Praxistest am Beispiel der Rhön-Klinikum AG - Wolfgang Pföhler - 9.1 Der Ansatz der Rhön-Klinikum AG als privatem Gesundheitsdienstleister - 9.2 Die Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien für die - standortübergreifende Zusammenarbeit von Krankenhäusern - 9.3 Die Bildung von Kompetenzzentren und Netzwerken am Beispiel onkologischer - Behandlungen - 9.4 Beispiele für die konzerninterne und trägerübergreifende Vernetzung von - Kliniken - 9.5 Schlussfolgerungen und Zusammenfassung - TEIL II Zur Diskussion - Kapitel 10 Wirtschaftliche Steuerung von Krankenhäusern in Zeiten der G-DRGs - Markus Lüngen, Christina Hochhuth und Christian Ernst - 10.1 Hintergrund - 10.2 Zielsetzung und Methode - 10.3 Instrumente der wirtschaftlichen Steuerung im stationären Bereich - 10.3.1 Kostenträgerrechnung - 10.3.2 Prozesskostenrechnung - 10.3.3 Behandlungspfade (Clinical Pathways) - 10.3.4 Balanced Scorecard - SWOT- Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats)/ - 10.3.5 Portfolioanalyse - 10.4 Kritik/Diskussion - 10.5 Literatur - Kapitel 11 Neue Wege der Krankenhausfinanzierung - leistungsbezogene Investitionsförderung in NRW - Arndt Winterer - 11.1 Einleitung - 11.2 Bisherige Investitionsförderung der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen - 11.3 Wesentliche Kritikpunkte am Status Quo - 11.4 Eckwerte des neuen Ordnungs- und Finanzierungsrahmens - 11.5 Flexible Verwendung und verwaltungsarmes Verfahren für die Baupauschale - 11.6 Die Baupauschale in der Diskussion - 11.7 Erste Zwischenbilanz - 11.8 Literatur - Kapitel 12 Patientenwege ins Krankenhaus: Räumliche Mobilität bei Elektiv- und Notfallleistungen am Beispiel von Hüftendoprothesen - Jörg Friedrich und Andreas Beivers - 12.1 Ausgangslage: Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung bei zunehmender Patientensouveränität - 12.2 Zielsetzung: Empirische Validierung der Patientenwege - 12.3 Untersuchungsmethodik - 12.3.1 Datengrundlage - 12.3.2 Geokodierung der Krankenhausstandorte - 12.3.3 Geokodierung der Patientenwohnorte - 12.3.4 Distanzmessung - 12.3.5 Bestandsaufnahme: Patientenwege in Deutschland - 12.4 Empirische Detailuntersuchungen am Beispiel der Hüftoperationen - 12.4.1 Auswahl der untersuchten Leistung und Identifikation der Erbringer - 12.4.2 Patientenwege bei Notfällen und elektiven Leistungen im Vergleich - 12.4.3 Wohnortnächste Versorgung und Zusatzdistanz - 12.4.4 Patientenwege und Alter - 12.4.5. Patientenwege und Siedlungsstruktur - 12.4.5.1 Nach siedlungsstrukturellen Kreistypen - 12.4.5.2 Nach den Regionstypen des BBR - 12.4.6 Krankenhauswahl wandernder Patienten - 12.4.7 Krankenhauswahl bei wohnortnächster Versorgung - 12.5 Fazit - 12.6 Literatur - Kapitel 13 Auswirkungen der Einführung von Mindestmengen in der Behandlung von sehr untergewichtigen Früh- und Neugeborenen (VLBWs) - Eine Simulation mit Echtdaten - Günther Heller - 13.1 Einführung - 13.2 Material und Methoden - 13.3 Ergebnisse - 13.4 Diskussion - 13.5 Zusammenfassung - 13.6 Literatur - TEIL III Krankenhauspolitische Chronik - Kapitel 14 Krankenhauspolitische Chronik - Jutta Visarius und Andreas Lehr - TEIL IV Daten und Analysen - Kapitel 15 Die Krankenhausbudgets 2005 bis 2007 unter dem Einfluss der Konvergenz - Gregor Leclerque und Jörg Friedrich - 15.1 Einführung - 15.2 Auswirkungen der Konvergenz auf die Krankenhausbudgets - 15.2.1 Gewinner und Verlierer - 15.2.2 Abstand zum LBFW - 15.2.3 Annäherung an den LBFW - 15.3 Allgemeine Budgetentwicklung - 15.3.1 Budget aus DRGs, sonstigen Entgelten und Zusatzentgelten - 15.3.2 Budgetverteilung - 15.4 Entwicklung der Basisfallwerte - 15.5 Fazit - 15.6 Literatur - Kapitel 16 Statistische Krankenhausdaten: Grund- und Kostendaten der Krankenhäuser 2006 - Ute Bölt - 16.1 Vorbemerkung - 16.2 Kennzahlen der Krankenhäuser - 16.3 Die Ressourcen der Krankenhäuser - 16.3.1 Sachliche Ausstattung - 16.3.2 Angebot nach Fachabteilungen - 16.3.3 Personal der Krankenhäuser - 16.4 Die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen - 16.4.1 Vollstationäre Behandlungen - 16.4.2 Teil-, vor- und nachstationäre Behandlungen. - 16.4.3 Ambulante Operationen - 16.5 Psychiatrische Krankenhäuser - 16.6 Kosten der Krankenhäuser - Kapitel 17 Statistische Krankenhausdaten: Diagnosedaten der Krankenhauspatienten 2006 - Torsten Schelhase - 17.1 Vorbemerkung - 17.2 Kennzahlen der Krankenhauspatienten - 17.3 Strukturdaten der Krankenhauspatienten - 17.3.1 Alters- und Geschlechtsstruktur der Patienten - 17.3.2 Verweildauer der Patienten - 17.3.3 Regionale Verteilung der Patienten - 17.4 Struktur der Hauptdiagnosen der Krankenhauspatienten - 17.4.1 Diagnosen der Patienten - 17.4.2 Diagnosen nach Alter und Geschlecht - 17.4.3 Verweildauer bei bestimmten Diagnosen - 17.4.4 Regionale Verteilung der Diagnosen - 17.5 Entwicklung ausgewählter Diagnosen 2001 bis 2006 - 17.6 Ausblick - Kapitel 18 Fallzahlbezogene Krankenhausstatistik: Diagnosen und Prozeduren der Patienten auf Basis des § 21 Krankenhausentgeltgesetz - Jutta Spindler - 18.1 Vorbemerkung - 18.2 Erläuterungen zur Datenbasis - 18.3 Eckdaten der vollstationär behandelten Krankenhauspatientinnen und -patienten - 18.4 Ausgewählte Hauptdiagnosen mit den wichtigsten Nebendiagnosen der Behandelten - 18.5 Operationen und medizinische Prozeduren - 18.6 Behandlungsspektrum bei den Patientinnen und Patienten in den Fachabteilungen - Kapitel 19 Statistische Krankenhausdaten: Grund- und Diagnosedaten der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen 2006 - Thomas Graf - 19.1 Vorbemerkung - 19.2 Kennzahlen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen - 19.3 Das Angebot von Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen - 19.3.1 Sachliche Ausstattung - 19.3.2 Personelle Ausstattung - 19.3.3 Fachlich-medizinische Ausstattung - 19.4 Die Inanspruchnahme von Leistungen der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen - 19.4.1 Vollstationäre Behandlungen (Grunddaten) - 19.4.2 Diagnosedaten der Patienten in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit mehr als 100 Betten - TEIL V Krankenhaus-Directory - Kapitel 20 Krankenhaus-Directory 2007: DRG-Krankenhäuser im dritten Jahr der - Budgetkonvergenz
Deutschland ist ein Einwanderungsland, das in den letzten Jahren große Wanderungsgewinne verzeichnet hat. Gleichzeitig lagen allerdings auch die Zahlen der Fortzüge in den Jahren 2019 mit 1,2 Millionen und 2020 mit 970.000 auf sehr hohem Niveau. Dies erklärt sich vorwiegend damit, dass viele Migrationsformen einen temporären Charakter haben, und ist daher auch nicht unbedingt kritisch zu sehen. Jedoch besteht in dieser Konstellation die Gefahr, dass für den deutschen Arbeitsmarkt ungünstige Abwanderungstendenzen in einzelnen Qualifikationsbereichen lange unentdeckt bleiben und entsprechend auch erst sehr spät nachgesteuert werden kann. Daher ist gerade vor dem Hintergrund der mit dem demografischen Wandel immer weiter zunehmenden Fachkräfteengpässe ein gezieltes Monitoring der Wegzüge aus Deutschland sehr wichtig. Dies ist mit den aktuell verfügbaren Daten allerdings nur in sehr beschränktem Umfang möglich. So erfasst die Wanderungsstatistik nur sehr wenige Charakteristika der fortziehenden Personen. Allerdings lässt sich mit ihr feststellen, dass die Nettoabwanderung von Inländern im Alter zwischen 23 und 31 Jahren am stärksten ausgeprägt ist, was mit Blick auf die Fachkräftesicherung relevant sein kann. Gehen Personen in dieser Lebensphase des Berufseinstiegs und der ersten Karriereschritte für den deutschen Arbeitsmarkt verloren, fehlen sie hier für einen längeren Zeitraum. Etwas differenzierter lassen sich die Abwanderungsbewegungen von Ausländern mit der Ausländerstatistik betrachten. So zeigt sich etwa, dass Personen aus den neuen EUMitgliedsländern Deutschland derzeit vergleichsweise häufig auch wieder verlassen. Zum für die Einordnung der Wanderungsbewegungen sehr wichtigen Bildungsstand der abwandernden Personen, lassen sich allerdings auch mit der Ausländerstatistik keine Aussagen treffen. Dass zumindest in der Vergangenheitsehr viele Personen mit tertiären Bildungsabschlüssen Deutschland verlassen haben, zeigt die auf den Bevölkerungsstatistiken der OECD-Länder basierende Database on Immigrants in OECD-Countries (DIOC). Ihr zufolge lag in den Jahren 2015/2016 der Anteil der Hochqualifizierten an den in Deutschland geborenen Personen im Alter zwischen 25 und 64 Jahren, die in den anderen OECD-Ländern lebten, bei 48,0 Prozent im Vergleich zu nur 29,2 Prozent bei den in Deutschland geborenen und lebenden Personen in diesem Alter. Vor diesem Hintergrund ist ein vergleichsweise hoher Akademikeranteil unter den Zuwanderern notwendig, um die Qualifikationsstruktur im Land konstant zu halten, was bei der Entwicklung migrationspolitischer Ziele und Maßnahmen zu beachten ist. Anders als zu den tatsächlich erfolgten Wegzügen sind auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) sehr differenzierte Analysen zum Zusammenhang zwischen den sozioökonomischen Charakteristika und den Abwanderungsabsichten der in Deutschland lebenden Personen möglich. Allerdings ist dabei zu beachten, dass viele dieser Pläne letztlich nicht realisiert werden und der sozioökonomische Hintergrund auch bei ihrer Umsetzung eine Rolle spielt. Dennoch sind die Befunde für die Einordnung der Abwanderungsbewegungen sehr hilfreich. So planen junge Erwachsene und Personen mit einem akademischen Werdegang zwar, wie nicht anders zu erwarten, besonders häufig, das Land zu verlassen, streben dabei aber meist nur einen vergleichsweise kurzen Aufenthalt von einigen Monaten oder Jahren im Ausland an. Vor diesem Hintergrund dürften auch die tatsächlichen Wanderungsbewegungen dieser Personengruppen vorwiegend einen temporären Charakter haben, was sie für die langfristige Entwicklung der Fachkräftebasis deutlich weniger problematisch macht. Hingegen liegen die Anteile der Personen, die dauerhaft im Ausland bleiben wollen, im mittleren Alter zwischen 45 und 49 Jahren und bei den Niedrigqualifizierten ohne berufsqualifizierenden Abschluss besonders hoch. ; Germany is an immigration country that has recorded large migration gains in recent years. However, the numbers of departures were also at a very high level in 2019 with 1.2 million and 2020 with 970,000. This is mainly explained by the fact that many forms of migration have a temporary character. Therefore, it is not necessarily to be regarded as critical. However, there is a danger in this constellation that migration trends in specific qualification groups that are unfavourable for the German labour market can remain undetected for a long time and that it will therefore only be possible to take corrective action at a very late stage. For this reason, a well-elaborated monitoring of emigration from Germany is very important, especially against the backdrop of the increasing shortage of skilled workers due to demographic change. However, this is only possible to a very limited extent with the data currently available. The official migration statistic records only very few characteristics of the people moving away. Nevertheless, it shows that the net outflow of nationals is most pronounced between the ages of 23 and 31, which can be relevant in terms of securing skilled labour. If people are lost to the German labour market in this phase of life, when they are entering the labour market and taking their first career steps, they will be lacking for a long period of time. The migration movements of foreigners can be analysed in a more differentiated way with the officialstatistic on foreigners. For instance, it can be found that people from the new EU member states leave Germany again relatively frequently. However, the statistic on foreigners does not give information on the educational level of the migrants, which is very important for the assessment of migration movements. The Database on Immigrants in OECD-Countries (DIOC), which is based on the population statistics of the OECD countries, shows that, at least in the past, many people with tertiary education qualifications left Germany. According to the DIOC, in 2015/2016 the proportion of highly educated people born in Germany and aged between 25 and 64 who lived in other OECD countries was 48.0 per cent, compared to only 29.2 per cent of people of this age born and living in Germany. Against this background, a comparatively high proportion of academics among immigrants is necessary to keep the qualification structure in the country constant. Developing migration policy goals and measures, this must be taken into account. In contrast to the actual number of departures, the Socio-Economic Panel (SOEP) allows very differentiated analyses of the connection between socio-economic characteristics and the intention of people living in Germany to emigrate. However, it should be noted that many of these plans are ultimately not realised, and the socio-economic background also plays a role in their realisation. Nevertheless, the findings are very helpful for classifying emigration movements. Young adults and people with an academic career indeed plan particularly often to leave the country, as is to be expected, but usually only aim for a comparatively short stay of a few months or years abroad. Against this background, the actual migration movements of these groups are also likely to be mainly temporary, which makes them much less problematic for the long-term development of the skilled labour base. On the other hand, the shares of people who want to stay abroad permanently are particularly high in the middle age group between 45 and 49 and among the low-skilled without a vocational qualification.
BASE
Zwei Online-Übersichten bieten umfassende Metadaten über die EVS
Datensätze und Variablen.
Die erweiterte Studienbeschreibung für die EVS 2008 bietet länderspezifische
Informationen über das Design und die Ergebnisse der nationalen Erhebungen.
Die Variablenübersicht über die vier Wellen EVS 1981, 1990, 1999/2000 und 2008
ermöglicht die Identifizierung der Trendvariablen in allen vier Wellen sowie
länderspezifischer Abweichungen im Fragewortlaut innerhalb und zwischen den EVS Wellen.
Diese Übersichten sind abrufbar unter:
Extended Study Description EVS 2008
Online Variable Overview
Moralische, religiöse, gesellschaftliche, politische, ökonomische und
soziale Wertvorstellungen der Europäer.
Themen: 1. Wahrnehmung des Lebens: Wichtigkeit der Lebensbereiche:
Arbeit, Familie, Freunde und Bekannte, Freizeit, Politik und Religion;
Häufigkeit von politischen Gesprächen mit Freunden; Glücksempfinden;
Selbsteinschätzung der eigenen Gesundheit; Mitgliedschaften in
Vereinigungen und Ableisten unbezahlter Arbeit (ehrenamtliche
Tätigkeit) in Sozialeinrichtungen, religiösen oder kirchlichen
Organisationen, Bildung oder kulturellen Aktivitäten, Gewerkschaften,
politischen Parteien, lokalen politischen Maßnahmen, Menschenrechts-
oder Umweltschutzgruppen, Berufsverbänden, Friedensbewegung,
Jugendarbeit, Sportvereinen, Frauengruppen, freiwillige Verbände des
Gesundheitswesens; Toleranz (soziale Distanz) gegenüber Minderheiten
(Personen mit Vorstrafen bzw. anderer Rasse, linke bzw. rechte
Extremisten, Alkoholabhängige, kinderreiche Familien, emotional
instabilen Menschen, Muslime, Einwanderer, Aidskranke, Drogensüchtige,
Homosexuelle, Juden, Zigeuner und Christen); Personenvertrauen;
Einschätzung des Verhaltens der meisten Menschen als fair und
hilfsbereit; interne oder externe Kontrolle; Lebenszufriedenheit
(Skalometer).
2. Arbeit: Wichtigste Ursache für die Bedürftigkeit von Menschen;
Bedeutung ausgewählter Aspekte der betrieblichen Arbeit; Erwerbsstatus;
allgemeine Arbeitszufriedenheit; selbstbestimmtes Arbeiten im Job;
Arbeitsorientierung (Arbeits-Ethik-Skala); wichtige Aspekte von
Freizeit; Einstellung zur kritiklosen Befolgung von Arbeitsanweisungen;
Arbeitsplätze vorrangig für Landsleute vor Ausländern sowie für Männer
vor Frauen.
3. Religion: Individuelle oder allgemeingültige klare Leitlinien für
Gut und Böse; Konfession; aktuelle und ehemalige Konfession; derzeitige
Kirchgangshäufigkeit sowie im Alter von 12 Jahren; Bedeutung von
religiösen Feiern bei Geburt, Heirat und Begräbnis; Selbsteinschätzung
der Religiosität; Kirchen geben adäquate Antworten auf moralische
Fragen, bei Problemen des Familienlebens, auf spirituelle Bedürfnisse
und soziale Probleme des Landes; Glaube an Gott, ein Leben nach dem
Tod, Hölle, Himmel, Sünde und Wiedergeburt; persönlicher Gott versus
Geist oder Lebenskraft; persönliche Verbindung mit dem Göttlichen ohne
Kirche; Interesse am Übernatürlichen; Einstellung zur Existenz einer
einzigen wahren Religion; Bedeutung von Gott im eigenen Leben
(10-Punkte-Skala); Erlebnis von Wohlbefinden und Kraft aus Religion und
Glauben; Momente des Gebetes und der Meditation; Häufigkeit von
Gebeten; Glaube an Glücksbringer oder Talisman (10-Punkte-Skala);
Haltung gegenüber der Trennung von Kirche und Staat (ungläubige
Politiker gehören nicht in die Regierung, religiöse Führer sollten
Entscheidungen der Regierung nicht beeinflussen).
4. Familie und Ehe: Wichtigste Kriterien für eine erfolgreiche Ehe
(Skala); Einstellung zur Kinderbetreuung (ein Kind braucht ein Zuhause
mit Vater und Mutter, eine Frau braucht Kinder zur eigenen Erfüllung,
Ehe ist eine veraltete Institution, Frau als Alleinerziehende);
Einstellung zur Ehe, zu Kindern, zur traditionellen Familienstruktur,
Kinder als gesellschaftlicher Auftrag, Elternpflege, Adoption für
homosexuelle Paare (Skala); Haltung gegenüber dem traditionellen
Rollenverständnis von Mann und Frau in Beruf und Familie (Skala)
Respekt und Liebe für die Eltern; Verantwortung der Eltern für ihre
Kinder und Verantwortung erwachsener Kinder für ihre Eltern, wenn diese
der Langzeitpflege bedürfen; Wichtigkeit von Erziehungszielen für
Kinder in der Familie; Haltung gegenüber Abtreibung (außerehelich und
in der Ehe).
5. Politik und Gesellschaft: politisches Interesse; politische
Partizipation (Skala); Präferenz für individuelle Freiheit oder soziale
Gleichheit; Selbsteinschätzung auf einem Links-Rechts-Kontinuum
(10-Punkte-Skala); Präferenz für mehr Eigenverantwortung oder
staatliche Lenkung; freie Entscheidung eines Arbeitslosen für die
Akzeptanz eines angebotenen Arbeitsplatzes; Wettbewerb stimuliert den
Willen zur Arbeit; Freiheit von Unternehmen oder staatliche Kontrolle
(Neoliberalismus); Präferenz für Einkommensangleichung oder Anreize für
individuelle Bemühungen; Präferenz für Marktwirtschaft oder
Staatswirtschaft; Postmaterialismus; gewünschte gesellschaftliche
Entwicklung (Schwerpunkt auf materiellen Besitztümer, mehr Respekt vor
Autorität); Institutionenvertrauen (Skala); Demokratiezufriedenheit;
Bewertung des politischen Systems des Landes als gut oder schlecht
(10-Punkte-Skala); bevorzugte Art des politischen Systems (starke
Führungspersönlichkeit, Expertenentscheidungen, Armee sollte das Land
regieren oder Demokratie); Einstellung zur Demokratie (Skala).
6. Moralische Haltungen und Wertorientierungen (Skala: Einstellung zu
unberechtigter Inanspruchnahme staatlicher Leistungen,
Steuerhinterziehung, unbefugte Nutzung eines fremden Fahrzeugs, Konsum
weicher Drogen, Lügen, Ehebruch, Bestechung, Homosexualität,
Abtreibung, Scheidung, Euthanasie, Selbstmord, Schwarzarbeit,
Gelegenheitssex, Schwarzfahren, Prostitution, Experimente mit
menschlichen Embryonen, genetische Veränderung von Lebensmitteln,
Insemination oder In-vitro-Fertilisation und Todesstrafe).
7. Nationale Identität: geografische Gruppe, der der Befragten sich
zugehörig fühlt (Stadt, Region, Land, Europa, Welt);
Staatsangehörigkeit; Nationalstolz; mit der Europäischen Union
assoziierte Ängste (Verlust der sozialen Sicherheit und der nationalen
Identität, wachsende Ausgaben des eigenen Landes, Machtverlust des
eigenen Landes in der Welt und den Verlust von Arbeitsplätzen);
Einstellung zu einer Erweiterung der Europäischen Union (Skalometer);
Wahlabsicht bei der nächsten Wahl und Parteipräferenz; Partei, die am
meisten zusagt; präferierte Einwanderungspolitik; Einstellung zu
Terrorismus; Haltung gegenüber Einwanderern und ihren Bräuchen sowie
Traditionen (nehmen Arbeitsplätze weg, untergraben das kulturelle Leben
des Landes, verschlimmern Kriminalitätsprobleme, belasten das
Wohlfahrtssystem des Landes, Bedrohung für die Gesellschaft,
unterschiedliche Bräuche und Traditionen aufrechterhalten);
Fremdheitsgefühl im eigenen Land; zu viele Einwanderer; wichtige
Aspekte der nationalen Identität (im Land geboren sein, Respektieren
der politischen Institutionen und Gesetze des Landes, Abstammung,
Sprechen der Landessprache, lange Zeit im Land gelebt haben); Interesse
an Politik in den Medien; Informieren der Behörden um der Gerechtigkeit
willen; Kümmern um eigene Angelegenheiten; Nähe zu: Familie,
Nachbarschaft, den Menschen in der Region, Landsleuten, Europäern und
zur Menschheit; Besorgnis über die Lebensbedingungen von älteren
Menschen, Arbeitslosen, Migranten und kranken oder behinderten Menschen
sowie Kindern in armen Familien.
8. Umwelt: Einstellung zum Umweltschutz (Skala: Bereitschaft zur
Abgabe eines Teils des eigenen Einkommens für die Umwelt,
Überbevölkerung, verheerende Konsequenzen menschlicher Eingriffe in die
Natur, menschlicher Scharfsinn erhält die Erde bewohnbar, das
Gleichgewicht der Natur ist stark genug, um die Auswirkungen der
modernen Industrienationen zu bewältigen, Menschen sind dazu bestimmt,
über den Rest der Natur zu herrschen, eine ökologische Katastrophe ist
unvermeidlich).
Demographie: Geschlecht; Alter (Geburtsjahr); geboren im Land des
Interviews; Geburtsland; Jahr der Einwanderung in das Land;
Herkunftsland des Vaters und der Mutter; Familienstand; Zusammenleben
mit dem Partner vor der Ehe oder vor der Eintragung der Partnerschaft;
Zusammenleben mit einem Partner derzeit bzw. in der Vergangenheit;
fester Partner; verheiratet mit dem früheren Partner; Ende der
Beziehung; Kinderzahl; Geburtsjahr des ersten Kindes; Haushaltsgröße
und Haushaltszusammensetzung; traumatische Ereignisse: der Tod eines
Kindes, von Vater oder Mutter, Scheidung eines eines Kindes, Scheidung
der Eltern oder anderer Verwandter; Alter des Befragten zum Zeitpunkt
dieser Ereignisse; Alter bei Schulabschluss; höchster erreichtes
Bildungsniveau; Beschäftigungsstatus; Arbeitnehmer oder Selbständige im
letzten Job; Beruf (ISCO-88) und berufliche Stellung; Leitungsfunktion
und Kontrollspanne.
Soziale Herkunft und Charakteristik des Partners: Partner des
Befragten oder Ehegatte: Partner ist im Land geboren bzw. Herkunftsland
des Partners; höchster Bildungsabschluss; Erwerbsstatus des Partners;
Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit der Partner in seinem
bzw. ihrem letzten Job; Beruf des Partners (ISCO-88) und berufliche
Stellung; Leitungsfunktion des Partners und Kontrollspanne;
Arbeitslosigkeit und Abhängigkeit von sozialer Sicherung des Befragten
und seines Partners länger als drei Monate in den letzten fünf Jahren;
Höhe des Haushaltseinkommens; Zusammenleben mit den Eltern, als der
Befragte 14 Jahre alt war; höchstes Bildungsniveau von Vater und
Mutter; Beschäftigungsstatus von Vater und Mutter, als der Befragte 14
Jahre alt war; Beruf von Vater und Mutter (ISCO-88); Anzahl der
Beschäftigten (Unternehmensgröße bei Selbständigen); Leitungsfunktion
und Kontrollspanne von Vater und Mutter, Charakterisierung der Eltern
als der Befragte 14 Jahre alt war (Skala: gerne Bücher gelesen,
politische Diskussionen zu Hause mit ihrem Kind, gerne die Nachrichten
verfolgt, Probleme über die Runden zu kommen, Probleme Unbrauchbares zu
ersetzen); Region, in der der Befragten im Alter von 14 Jahren lebte;
derzeitiger Wohnort; Ortsgröße; Region.
Interviewerrating: Interesse des Befragten am Interview.
Zusätzlich verkodet wurde: Interviewernummer; Interviewdatum;
Interviewlänge; Zeitpunkt des Interviews: Interviewbeginn
(Stunde und Minute) und Interviewende (Stunde und Minute); Sprache,
in der das Interview durchgeführt wurde.
Zusätzliche länderspezifische Variablen sind in den nationalen
Datensätzen enthalten.
GESIS
Der rege Einsatz sozialer Medien für politische Mobilisierungen ließ sich auch im vergangenen Jahr 2020 vermehrt beobachten. Beispiele für das Wirken von Videos auf Facebook, Twitter und YouTube sind innerhalb eines sehr breiten politischen Spektrums zu finden: Von progressiven Protestbewegungen wie Black Lives Matter bis zu dem Pandemie-bedingten Erstarken verschwörungstheoretischer Gruppen wie Q-Anon oder der rechtsextremen Identitären Bewegung. Schon seit dem Arabischen Frühling 2011 wird in Feuilleton und Wissenschaft der Einsatz und Nutzen von Bildern im Internet für Formen des politischen Protests thematisiert. Eine differenzierte Betrachtungsweise der unterschiedlichen politischen Akteure und ihrer Mediennutzung zwischen manipulativer Propaganda und zivilgesellschaftlichem Aktivismus erfolgt in diesen Debatten oft nur partiell. Bewegungsbilder. Politische Videos in Sozialen Medien stellt im Hinblick auf die Prominenz des Themas eine schon länger überfällige Rahmung aus film- und medienwissenschaftlicher Perspektive im deutschsprachigen Raum dar. Denn konnte man in den letzten Jahren immer wieder Artikel und Publikation über Formen eines gegenwärtigen aber auch historischen Medienaktivismus finden, so fokussierten sich diese meist auf spezifische Fragestellungen und Phänomene (bspw. Snowdon 2020; Zutavern 2015) oder gaben als Sammelbände einen Blick auf mitunter sehr unterschiedliche Aspekte der Politiken des Dokumentarischen und insbesondere des Dokumentarfilms (bspw. Büttner/Öhner/Stölzl 2018; Hoffmann/Wottrich 2015). Das von Jens Eder, Britta Hartmann und Chris Tedjasukmana veröffentlichte Buch gestaltet sich als eine nachvollziehbare und wohl abgestimmte Einführung in das Thema. Basierend auf dem Forschungsprojekt Aufmerksamkeitsstrategien des Videoaktivismus im Social Web werden grundlegende Fragen zur Bedeutung von politischen Videos in Sozialen Medien gestellt und Ähnlichkeiten sowie Unterschiede zu vorherigen politischen Film- und Videoaktivismen dargelegt. Zentral in dieser Auseinandersetzung ist dabei die Frage nach der Argumentation und dem Wirken der politischen Videos, wenn diese "[…] Zuschauer*innen emotional bewegen und sie zum Handeln motivieren" (S. 7). Insofern ist es nur folgerichtig, dass gleich zu Beginn die schon erwähnten eher sinisteren medienpolitischen Äußerungen aus den Bereichen des Neonazismus, des Terrors und der verschwörungstheoretischen Fakes als Untersuchungsgegenstand ausgeschlossen werden. Zwar arbeiten diese mit ähnlichen Kommunikationsstrategien und Plattformen wie die im Buch thematisieren Videoaktivist*innen, teilen jedoch, wie im fünften Kapitel sehr schön dargelegt wird (vgl. S. 91), keine demokratische Grundlage im Sinne einer Teilhabe an medienpolitischer Vielfalt. Dadurch wird gleich zu Beginn deutlich: Videoaktivismus wird hier in Anlehnung an den Begriff Gegenöffentlichkeit verstanden, welcher wiederum radikaldemokratischen Prinzipien folgt. Auf die notwendige Definition von Bewegungsbildern als "[…] audiovisuelle Bewegtbilder aus sozialen Bewegungen, die Menschen emotional und politisch bewegen sollen" (S. 11), folgen im zweiten Kapitel Die Macht politischer Videos weitere Erläuterungen über die Funktionen und Medienkontexte des Videoaktivismus im Netz. Die gleich zu Beginn herausgestellten vier Katalysatoren politischen Handelns sind für das weitere Verständnis besonders hilfreich. Videos im Netz "handeln" demnach: epistemisch, appellativ, affektiv und performativ. Eine produktive Unterscheidung für die Analyse aktivistischer Videos, die ebenso auf die historischen Vorläufer im Dokumentarfilm und im militanten Kino angewendet werden könnte. Aktivistische Videos in den sozialen Medien passen die "politischen Praktiken der Dokumentation, Bildung, Kritik, Mobilisierung, Selbstdarstellung und Selbstermächtigung den gegenwärtigen Medienumgebungen an" (S. 19), so die These. Folglich unterteilen die Autor*innen trotz heterogener Formenvielfalt in fünf verschiedene Typen politischer Videos: Zeugenvideos, Webdocs, Vlogs, Mobilisierungsvideos und Kommunikationsguerilla-Videos. Das diese Typen im Gegensatz zu ihren Vorgängern stark mit dem "hybriden Mediensystem" des "Social Web" verbunden sind, und daher auf einer neuen "Logik des konnektiven Handelns" (S. 22) basieren, erscheint zunächst offensichtlich, ist jedoch für ein Verständnis der "emotionalen Involvierung" und der "psychologischen Gruppendynamiken" (S. 25) im Internet unverzichtbar. Der diagnostizierte kommunikative Umbruch durch soziale Medien ist daher besonders durch die Macht der Algorithmen strukturiert. Für die Wirksamkeit politischer Botschaften im Internet stellt sich die Frage, wie Aktivist*innen die bestehenden Plattformen nutzen, Schlupflöcher suchen, um mit und gegen den Plattform-Kapitalismus zu arbeiten. Das sich dabei politische Videos verselbstständigen können, zu Falschinformationen führen und ethische Probleme sowie Diffamierungen mit sich bringen, ist nur ein Aspekt der von den Autor*innen immer wieder betonten Fragilität der vielfältigen Mediensituation aktivistischer Videos im Netz. Im dritten Kapitel wird auf die Geschichte des politischen Dokumentarfilms eingegangen. Für ein Verständnis politischer Medien im Netz sind für die Autor*innen besonders die "ästhetischen Standortbestimmungen" sowie "ethischen Positionierungen" vergangener Konzepte des politischen Films von Interesse. Das Kapitel eröffnet einen Blick auf politisches Filmemachen seit den 1930ern und definiert die Forderung nach Repräsentation und nach politischer Haltung als eines der Hauptziele der medienaktivistischen Vorläufer. Eingebettet in soziale Bewegungen agitieren insbesondere seit den 1960er Jahren politische Filme und setzen in ihrem Politikverständnis neben einer anklagenden Beweisführung ebenfalls auf Partizipation. Die, in Auseinandersetzung mit den 1968 an der DFFB entstandenen Filmen aufgestellte, Unterteilung zweier Pole einer politischen Filmästhetik in "ästhetische" und "politische" Linke erscheint aus filmhistorischer Perspektive etwas zu verkürzt. Das filmtheoretische Beziehungsgefüge zwischen den Vorkriegsavantgarden und der Filmpolitik um 1968 ist wohlmöglich komplexer zu betrachten – zumal die Diskussion um eine "ästhetische" oder "politische" Linke zunächst als eine Debatte über Filmkritik in der gleichnamigen deutschen Zeitschrift geführt wurde. Dennoch ist die Unterscheidung für ein Verständnis von politischen Filmemachens wichtig, da die Streitfrage um eine "Ästhetisierung der Politik" oder eine "Politisierung der Ästhetik" auch für die, das dritte Kapitel abschließende, Thematisierung des frühen Videoaktivismus einen immer noch schwelenden Konflikt innerhalb der Debatten um Filmpolitik darstellt. Das vierte Kapitel befasst sich mit den affektiven Wirkungen politischer Videos. Der "Impact", also jenes Vermögen, Aufmerksamkeit bei gleichzeitiger Beeinflussung zu schaffen, steht dabei eng in Verbindung mit kollektiven Prozesses der Aushandlung und Aneignung. Videos wie das erwähnte "Zerstörung der CDU" des YouTubers Rezo können kurzzeitig eine breite mediale Öffentlichkeit erlangen. Die Aufmerksamkeitsökonomie von Videoplattformen lässt einen Großteil politischer Videos jedoch im "long tail" des Internet verschwinden. Der Kampf um Aufmerksamkeit wird daraufhin sehr plausibel im Kontext der deutschen Migrationsdebatte im Jahr 2015 analysiert. So verdeutlichen die Autor*innen, dass sich NGO's für einen Erfolg ihrer politischen Videos im Netz auf ähnliche Kommunikationsstrategien wie Werbekampagnen stützen müssen. Kollektive Emotionen und Affekte treiben Debatten, Diskurse aber besonders auch die Verteilung der Aufmerksamkeit an. Die verschiedenen eingesetzten Kommunikationsstrategien im Netz werden in "Produktionsstrategien", "Gestaltungsstrategien" und "Verbreitungsstrategien" unterteilt (S. 76). Um Emotionen hervorzurufen und "sharebility" sowie "spreadability" zu erwirken, wird wiederum in die Gestaltungsstrategien Zeigen, Erzählen, Miterleben, Argumentieren und Symbolisieren unterschieden. Die Distribution der Videos hingegen ist eng an eine Interaktion mit der Öffentlichkeit geknüpft: von der für die "crowd production" entscheidende Adressierung der Zuseher*innen bis zum strategischen "seeding" durch ausgewählte Multiplikatoren und Verlinkungen. Es wird deutlich, dass für die politischen Videos im Netz das Vermögen, eine Öffentlichkeit zu finden, entscheidend für ihren Erfolg ist. Das fünfte Kapitel thematisiert in Auseinandersetzung mit Hannah Arendts politischer Theorie, Jürgen Habermas und agonistischen Modellen der politischen Theorie den Begriff der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit der sozialen Medien ist von diversen Machtgefällen, Affekten und Kämpfen um Deutungsmacht geprägt. Zwar eröffnen die Plattformen direkte Kommunikationswege, müssen sich jedoch gleichzeitig den automatisierten Zensur-Algorithmen unterordnen und die Verwertung ihrer Daten akzeptieren. Videoaktivismus in den sozialen Medien ist so nur im fragilen Gefüge von politischen Handlungsspielräumen und technischen wie ökonomischen Abhängigkeiten zu verstehen. Mit dem Beispiel der Black Lives Matter-Bewegung werden die komplexen Zusammenhänge von hybriden Mediensystemen und veränderter Öffentlichkeit für Formen des Videoaktivismus und ihrer Forderung nach Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft abschließend analysiert. Bewegungsbilder führt anhand medienwissenschaftlicher Fragestellungen durch ein vielfältiges und nicht immer eindeutig zu bewertendes Feld zeitgenössischer und historischer Beispiele medienpolitischer Mobilisierung. In einer übersichtlichen und sehr verständlichen Weise werden Problemfelder erörtert und wichtige Fragen gestellt, ohne jedoch alle zu beantworten. Hierin liegt auch das Potential des Buchs, welches besonders durch seine Begriffsarbeit als eine gelungene Grundlage für weitere Fallstudien und Analysen der vielfältigen Formen zeitgenössischer wie historischer Bewegungsbilder dienen kann. Literatur: Büttner, Elisabeth/Öhner, Vrääth/Stölzl, Lena: Sichtbar machen – Politiken des Dokumentarfilms. Berlin: Vorwerk 8 2018. Hoffmann, Kay/Wottrich, Erika (Hg.): Protest, Film, Bewegung. Neue Wege des Dokumentarischen. München: Edition Text + Kritik 2015. Snowdon, Peter: The People Are Not an Image. Vernacular Video After the Arab Spring. London: Verso 2020. Zutavern, Julia: Politik des Bewegungsfilms. Marburg: Schüren 2015.
BASE
Gabriele Dietze untersucht in ihrem Essay Sexueller Exzeptionalismus das Wie und Warum von Überlegenheitserzählungen der Neuen Rechten. Sie konzentriert sich auf das Erklärungspotenzial der Kategorie Geschlecht für die zunehmende Verbreitung rechtspopulistischer Positionen. Ihre Analyse soll etablierte sozioökonomische Erklärungsansätze ergänzen und wendet sich Rassismus und Sexismus als "zweiten Strom des neurechten Kraftfeldes" (S. 9) zu. Für dieses Vorhaben betrachtet sie Zeitschriften, Karikaturen, Socialmediaprofile, Romane und Memes, die durch neurechte Akteur*innen erstellt wurden, sie zu Wort kommen lassen oder ihre Überlegenheitsnarrative aufgreifen. Der Essay führt zwei Begriffe ein, die eine Auseinandersetzung mit der Verquickung von Rassismus und Sexismus ermöglichen sollen. Ethnosexismus erfasst Formen "von Sexismus, dem Rassismus zugrunde" (S. 12) liegen, und eine abwertende und rassifizierende "Kulturalisierung von Geschlecht, Sexualität und Religion" (S. 12). Die so produzierte Hierarchie ermöglicht ein Gefühl von Freiheit und Überlegenheit gegenüber den vermeintlich sexuell Unfreien. Die ethnosexistische Konstellation, die titel- und richtungsgebend für den Essay ist, nennt Dietze sexuellen Exzeptionalismus. Angelehnt an den american exceptionalism steht sexueller Exzeptionalismus für die Überzeugung, dass der globale Norden über die "'beste' aller denkbaren Sexualordnungen" (S. 27) verfügt und dass diese in die Welt getragen werden müsse. Dieses Narrativ lenkt von den eigenen Defiziten und Ambivalenzen in Bezug auf Emanzipationsfragen ab: Das eigene Unbehagen und die eigene Rückständigkeit werden zu jenen der Anderen. Das erste Kapitel beschäftigt sich unter diesem Gesichtspunkt mit der Fixierung auf Sexualität im Zusammenhang mit Migrationsbewegungen und macht drei Themen aus, an denen sich die Wirkungsweise des sexuellen Exzeptionalismus exemplarisch zeigen lassen: Die sogenannte "Kopftuchfrage" (S. 29), die Infragestellung der Akzeptanz von Homosexualität (S. 30) und die Figur "des sexuell gefährlichen Geflüchteten" (S. 31). Diesen aktuellen Beispielen stellt Dietze eine historische Kontextualisierung zur Seite: Vorgänger des gegenwärtigen sexuellen Exzeptionalismus' sind im sexual-hygienischen Kolonialdiskurs (vgl. S. 33) und der Sexualmoral des fin de siècle zu finden. Ethnosexistische Konstellationen verändern sich also mit der Sexualmoral: "Was [früher] als Schande galt, gilt jetzt als Emanzipationsausweis" (S. 36). Gegenstand des zweiten Kapitels sind die Geschehnisse der Silvesternacht 2015 auf der Kölner Domplatte. Diese konnten zu einem wirkungsvollen Ereignis werden, weil sie auf ein "noch unstrukturierte[s] Meinungsklima" (S. 41) zur Ankunft hunderttausender Geflüchteter im selben Jahr gestoßen sind. Sie hatten zahlreiche (rechts)politische Konsequenzen und wurden unter der Chiffre Köln "zu einem Topos für neurechtes Denken und Fühlen" (S. 43). Dieser Topos wird weltweit von Neuen Rechten aufgegriffen. Er konnte so wirkmächtig werden, weil die damit verbundenen Gefühle und vermeintlichen Zusammenhänge gefühlt und gesehen werden wollen (vgl. S. 45). Davor sind auch zunächst betrauerte Schicksale nicht gefeiht: Aus den Toten des europäischen Grenzregimes werden potenzielle Gewalttäter, jedes zugewanderte Kind könnte zu einem "erwachsenen Belästiger" (S. 46) heranwachsen. Fantasien der Vernichtung der Anderen zum Schutze der Eigenen infiltrieren Diskurse, die sich zuvor noch wohlwollend zur Aufnahme von Geflüchteten geäußert haben. Der liberale sexuelle Exzeptionalismus wird vom rechtspopulistischen "überholt und angepasst" (S. 48). Die liberale, bürgerliche Presse beteiligt sich, so vollzieht Dietze einleuchtend nach, an der Konstruktion eines "Wissensobjekt[es] 'arabischer Mann'", das nicht Fakten entsprechen muss, sondern Wahrheiten über dieses Wissensobjekt produziert. Die Presse dokumentiert, welche Auswirkungen sexueller Exzeptionalismus auf die Subjektivierung von jungen muslimischen Männern hat, und bedient sich zugleich der von Edward Said herausgearbeiteten Sexualisierung des 'Orientalen'. Ethnosexistische Konstellationen müssen nicht dauerhaft präsent sein, um Wirksamkeit zu entfalten, sondern werden strategisch aufgerufen, um später, wenn sie keinen Vorteil mehr bieten, wieder zu verschwinden (S. 55). Dabei setzen diese Konstellationen asymmetrische Geschlechterverhältnisse voraus und verstärken sie, indem sie sich immerzu auf eine vermeintlich schützenswerte weibliche Schwäche berufen. Zu Beginn des dritten Kapitels unterzieht die Autorin die diagnostizierte Krise weißer Männlichkeit einer kritischen Revision. Weiße Männlichkeit sei nicht ernsthaft gefährdet, vielmehr nehmen "(heterosexuelle) weiße Männer" (S. 60) wahr, dass vereinzelt Menschen in ihren Machtfeldern auftauchen und mitreden, die nicht mit ihnen identisch sind. Dieser Exklusivitätsverlust sei es, der als Krise empfunden wird. Im Angriff gegenüber dieser Krisenabwehr werden all jene aufgestellt, die keine weißen Männer sind. Und diese Abwehr "bewegt sich also immer in ethnosexistischen Konstellationen." (S. 60) Die von Dietze diskutierten Selbstinszenierungen weißer Männlichkeiten, wie beispielsweise die postheroische und die heroische Männlichkeit, und dessen, was sie abwehren, führen vor Augen, wie vielgestaltig sexueller Exzeptionalismus und seine Konstruktionen sind. Ihre Überlegenheitserzählungen bedienen sich dabei nicht nur offenkundiger Rassismen und Misogynie, sondern greifen auch Remaskulinisierungsfantasien, sozialdarwinistische Ideen und Homonationalismen auf. Das vierte Kapitel widmet sich den Anknüpfungspunkten der Neuen Rechten im Feminismus. Dietze bespricht zu Beginn die Wirkmächtigkeit von Alice Schwarzers Positionen als feministische "Bewegungspionierin" (S. 99) und stellt deren Ermöglichungsbedingungen heraus. Auch Schwarzer nutzt sexuellen Exzeptionalismus als Argumentationsgrundlage. Durch die Universalisierung der weißen Frau in der Kategorie Frau und die "Ethnisierung von Sexismus" (S. 101) als Eigenschaft der Anderen stellt sie eine Überlegenheit weißer Männer her und lässt deren Sexismus und Rassismus vergessen. Der hier fehlenden Verknüpfung von Antirassismus und Feminismus wird Sara Farris' Konzept des Femonationalismus' gegenübergestellt. Dieses identifiziert und erklärt die neoliberale und nationalistische Indienstnahme feministischer Forderungen. Jedoch bewertet Dietze das Konzept als für ihre Analyse zu wenig differenziert und übernimmt lediglich den Begriff des feministischen Ethno-Nationalismus'. Beispielhaft für feministischen Ethno-Nationalismus führt Dietze den französischen Mainstreamfeminismus an. Diesem Feminismus sei es ein Anliegen, muslimische Frauen vom Kopftuch zu befreien und den Männern die Freiheit zu lassen, Frauen gegenüber aufdringlich (oder auch übergriffig) zu sein (vgl. S. 115). Er macht sich so zum Komplizen des französischen Machismo und Nationalismus'. Im Rest des vierten Kapitels widmet sich die Autorin rechten Frauen(politiken). Sie portraitiert Frauen, die innerhalb der Neuen Rechten, sei es in deren ThinkTank, in der identitären Bewegung oder der AfD, eine gewisse Bekanntheit genießen und für unterschiedliche Seiten der Geschlechterpolitiken der Neuen Rechten stehen. Sie knüpfen in ihrer öffentlichen Selbstinszenierung an Bedrohungs- und Überlegenheitserzählungen an und führen teilweise paradoxe Existenzen, wie Dietze am Beispiel der Frauen an der Spitze rechtpopulistischer Parteien herausarbeitet: Sie vertreten eine Frauenpolitik, die politische Arbeit, wie sie sie betreiben, verunmöglichen würde. Zugleich stellen "[r]echtspopulistische Frontfrauen […] ein dynamisches Paradox dar. Als weibliche Anti-Feministinnen delegitimieren sie Gleichheitsforderungen von Frauen. Das geht umso besser, je erfolgreicher und sichtbarer sie selbst sind." (S. 140) Raewyn Connells Konzept hegemonialer Männlichkeit bietet im letzten Kapitel den Interpretationsrahmen für das Verhältnis zwischen den von Dietze herausgearbeiteten Männlichkeiten, deren Vorstellungen von Macht und Überlegenheit und der Komplizinnenschaft bestimmter feministischer Strömungen. Zur Erklärung dieser Komplizinnenschaft führt Dietze, leider etwas knappgehalten, drei Thesen an. Die erste bezieht sich auf die Angst der Frauen vor der Freisetzung als ökonomisches Subjekt im Neoliberalismus, den unter anderem die stete Aushöhlung des Staates kennzeichnet. Die Verunsicherung des Staates übertrage sich auf dessen Subjekte, die darauf mit Renationalisierung reagieren. Die zweite greift das Thema Komplizinnenschaft explizit auf: Sich mit dem Rechtspopulismus gemein zu machen, ermöglicht ein Gefühl der Überlegenheit, das Selbstermächtigung verspricht. Die letzte These geht von einer Emanzipationsverdrossenheit aus. Diese Verdrossenheit stelle sich bei jenen ein, die sich durch die permanente Thematisierung der noch nicht abgeschlossenen Gleichstellung der Geschlechter, abgewertet fühlen. Dietze schließt ihren Essay mit der Forderung nach einer selbst- und herrschaftskritischen, intersektionalen Analyse rechter Erzählungen. Gabriele Dietze bezieht in ihrem Text sprachlich klar Position gegen die neue Rechte. Der Essay macht es so leicht, sich von neurechten Personen, Positionen und ihrer öffentlichen Wirksamkeit zu distanzieren. Pauschalisierungen und Pejorative verhindern an vielen Stellen eine Auseinandersetzung mit der Mehrdeutigkeit des Materials, die ebenfalls zu ihrer Wirkmächtigkeit beiträgt. Diese fehlende Differenzierung holt die Autorin nur in ihrer Diskussion der feministischen Antworten auf die Silvesternacht 2015 in Köln ein. An anderen Stellen bleiben medien- und literaturwissenschaftlich zweifelhafte Einordnungen unkommentiert stehen und trüben die analytische Schärfe des Essays. Der Autorin gelingt es, entlang zahlreicher Beispiele nachzuweisen, wie Sexualität und Geschlecht im Rechtspopulismus diskursiv in Stellung gebracht werden und diese Narrative in liberalen Medien Eingang finden. Die Fülle und Medienwirksamkeit des Materials verdeutlichen, dass die neue Rechte kein Randphänomen (mehr) ist. Die Arbeit mit dem Konzept des sexuellen Exzeptionalismus zeigt, wie Fortschritts- in Überlegenheitserzählungen kippen und von reaktionären politischen Kräften in Dienst genommen werden. Allerdings gerät durch das Augenmerk auf die neue Rechte und ihre Narrative die deutsche Vergangenheit aus dem Blick. Da die neue Rechte im deutschen Kontext keineswegs geschichtslos ist, ist eine Berücksichtigung der Kontinuitäten altrechter Positionen in der neuen Rechten und der deutschen Öffentlichkeit, gerade im Hinblick auf das Erklärungspotenzial von Geschlecht und Sexualität für die Verbreitung derartiger Positionen vielversprechend.
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Um den ökologischen, sozialen und ökonomischen Herausforderungen einer ganzheitlich gedachten Nachhaltigkeit auf regionaler und globaler Ebene heute wie in Zukunft begegnen zu können, ist Bildung international als ein Schlüsselelement zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung bestimmt worden. Seit nahezu 30 Jahren wird deshalb das Bildungskonzept der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) politisch verfolgt und von der Wissenschaft stets weiterentwickelt und adaptiert. Nachdem in Deutschland auf Bundesebene in der Vergangenheit einzelne Modellprogramme durchgeführt wurden, fand inzwischen seit 2016 eine Verankerung der BNE in den Bildungsplänen des Landes Baden-Württemberg als eine von sechs Leitperspektiven statt. Jedes Unterrichtsfach hat seinen spezifischen Beitrag zur Anbahnung der einzelnen Leitperspektiven zu leisten. Dem Fach Biologie wird in diesem Zusammenhang ein hervorgehobenes Potenzial zur Realisierung von BNE beigemessen. Insbesondere die an das Fach angelehnte Schulgartenarbeit rückte in letzter Zeit in den Mittelpunkt politischen und wissenschaftlichen Interesses. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist die Verknüpfung des Lernorts Schulgarten mit einer BNE. Die im Sinne eines Mixed-Method-Ansatzes durchgeführte Fallstudie verfolgte drei wesentliche Ziele. Zunächst wurde in einem ersten Schritt das BNE-bezogene Lernpotenzial ermittelt, das Lehramtsstudierende mit ihrer eigenen Arbeit in einem Lerngarten verbinden. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf dem Verständnis der angehenden Lehrkräfte von Nachhaltigkeit und der im Rahmen von BNE angestrebten Gestaltungskompetenz, welche die Studierenden später bei Schüler*innen gemäß dem Bildungsplan anbahnen sollen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wurden anschließend forschungsgestützt Unterrichtseinheiten mit entsprechenden Materialien entwickelt, die die Realisierung von BNE im Rahmen von bzw. in Anlehnung an Schulgartenarbeit ermöglichen sollen. Abschließend wurde eine Auswahl dieser Materialien evaluiert. Die Studierenden stimmten dem Lernpotenzial ausgewählter BNE-bezogener Kompetenzen bei der Arbeit im Lerngarten zwar zumeist (tendenziell) zu, allerdings erkannten sie nur vereinzelt die Möglichkeiten, die Schulgartenarbeit bietet, um globales Lernen zu realisieren oder generationenübergreifende Bezüge herzustellen. Dies sind jedoch wesentliche Grundgedanken der Gestaltungskompetenz. Durch die gezielte Materialentwicklung konnte die Wahrnehmung der Studierenden dahingegen verändert werden, dass sie mit der Schulgartenarbeit auch globales Denken verbanden. Hinsichtlich einzelner der zwölf Teilkompetenzen, die die Gestaltungskompetenz konkretisieren, zeigten sich bei den Studierenden Verständnisprobleme. Zudem wiesen viele Studierende kaum oder gar keine globalen und generationenübergreifenden Denkmuster auf. Demnach kann bei den angehenden Lehrkräften im Lerngarten von einem unvollständigen Verständnis der zu vermittelnden Gestaltungskompetenz ausgegangen werden. Des Weiteren wurden bei den Studierenden zahlreiche inhaltliche Überschneidungen im Verständnis der einzelnen Teilkompetenzen festgestellt. Offensichtlich sind diese nicht trennscharf abzugrenzen. Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse wurden zwei Ansätze erarbeitet, wie das Konstrukt der Gestaltungskompetenz im Rahmen von Schulgartenarbeit abgewandelt beibehalten und an die Studierenden herangetragen werden könnte. Die vorliegende Studie kann ein Beitrag dazu liefern, die Praktikabilität der Gestaltungskompetenz mit ihren Teilkompetenzen für den Einsatz zum Beispiel in der Unterrichtsvorbereitung oder –durchführung von Schulgartenarbeit besser einschätzen zu können. Eine Übertragung der Ergebnisse auf andere schulische Lehr- und Lernarrangements ist anzunehmen, wurde in der vorliegenden Studie jedoch nicht überprüft. Ebenso konnte aufgezeigt werden, welche BNE-bezogenen Kompetenzen durch Schulgartenarbeit nach Einschätzung von Studierenden, die selbst im entsprechenden Lernsetting aktiv wurden, im Besonderen angebahnt werden können. ; Education has been identified internationally as a key issue in order to achieve sustainable development. To reach this goal, today as well as in the future, it is absolutely necessary to cope with ecological, social and economic challenges of a holistically conceived sustainability on a regional and global level. Therefore, the educational concept of education for sustainable development (ESD) has been pursued politically for almost 30 years and has been constantly developed and adapted by science. Various individual model programs were carried out in Germany in the past. In 2016 ESD became part of Baden-Württemberg's curricula as one of six guiding educational goals. Each school subject has its specific contribution to realize these goals. In this context, the subject of biology is considered to play an outstanding role for the implementation of ESD. In particular school gardening, which is directly linked to the subject, became the focus of attention by politics and science. The present study focuses on the link between school gardening and ESD. A mixed-method approach was used in the case study in order to pursue three main objectives. At the first step ESD-related learning potential was identified, that student teachers associate with their own work in a university garden. Another focus was put on students understanding of sustainability and shaping competence ("Gestaltungskompetenz") within the framework of ESD, which they should later initiate and pass on to their own students according to the given curricula. Teaching units with appropriate material were developed based on the results of the study. These teaching materials should enable the implementation of ESD in the context of school gardening. Finally, a variety of these teaching materials were evaluated. Students mostly agreed (tended to agree) with the learning potential of selected ESD-related competencies while working in the university garden. However, they only recognized the opportunities infrequently that school gardening offers to implement global learning or to establish intergenerational connections. However these are essential basic ideas of the shaping competence. The specifically developed teaching materials changed students' perceptions so that they also associated global thinking with school gardening. The students had problems understanding some of the twelve sub-competencies, which constitute the shaping competence. In addition, many students showed little or no global or intergenerational thinking patterns. Accordingly, it can be assumed that student teachers in the university garden have an incomplete understanding of the shaping competence to be taught. It was also found out that students showed numerous overlaps in their understanding of the individual sub-competencies. It seems that the sub-competencies cannot be clearly distinguished. Based on the results, two approaches were developed for how the construct of shaping competence could be maintained in a modified form in the context of school gardening and delivered to students. The present study can contribute to a better assessment of the practicability and usability of the shaping competence with its sub-competencies, for example, in teacher's work concerning school gardening. A transfer of the results to other school teaching and learning arrangements can be assumed, but was not tested in the present study. Moreover, it was possible to show which ESD-related competencies in particular can be initiated through school gardening according to the assessment of students who themselves became active in the corresponding learning setting.
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Unter dem technophil klingenden Titel Sichtbarkeitsmaschinen und einem anleitendem Untertitel Zum Umgang mit Szenarien liefert Andreas Wolfsteiner einen interdisziplinären Versuch ein "Denken in Szenarien" (S. 19) genealogisch aufzuarbeiten. Sein Spektrum reicht dabei von theater-, film-, medien-, kultur- und bildwissenschaftlichen bis hin zu militärhistorischen sowie wissenschafts- und spieltheoretischen Fragestellungen. Diese Collage – oder auch Bricolage – führt die Lesenden partiell und punktuell durch europäische Kultur- und Wissensgeschichten der letzten zehn Jahrhunderte. Für die inhaltliche Konzeption des Buchs ist dabei von Bedeutung, dass dieser Arbeit die Habilitationsschrift des Autors zugrunde liegt, die 2015 an der Universität Hildesheim eingereicht wurde. Als Basis für die Publikation dienen insgesamt fünf Artikel, die im Zeitraum von 2011 und 2015 erschienen sind. Vielleicht entsteht deshalb schon zu Beginn der Lektüre der Anschein, dass es sich hier weniger um ein konsistentes Durchexerzieren einer stringenten Gesamtübersicht handelt. Sowohl das Inhaltsverzeichnis als auch die darauffolgende Lektüre bestätigen diesen Eindruck, dass es dem Autor in seiner Konzeption vielmehr darum geht, bestimmte Schlaglichter auf das Phänomen der Szenarien bzw. das bereits zitierte "Denken in Szenarien" zu werfen. Dementsprechend erwecken die einzelnen Abschnitte – "2. Handlungstypen der Szenarien: Versuch/Irrtum" (S. 33-49), "3. Sandkasten" (S. 54-73), "4. Hand/Handlung" (S. 74-92), "5. Appräsentation" (S. 93-107), "6. Think Tank Theatre" (S. 111-126), "7. Paradigmen/Wechsel" (S. 127-150), "8. Wie man den toten Hasen als Aufführung analysiert" (S. 151-167), "9. Modelle/Muster" (S. 168-174) – im ersten Moment zwar einen eher kryptischen Schein, zeugen aber in weiterer Folge davon, dass die Arbeit wohl gleichermaßen versucht das, was es thematisiert, selbst in Anwendung zu bringen, d. h. die Arbeit ist selbst als ein "Denken in Szenarien" zu betrachten. Wolfsteiners Fokus liegt demnach nicht auf einer theaterhistorischen Genese von Szenarien, da diese besondere Textgattung, die mit Formen der Commedia in Verbindung steht, in dieser Weise nur kurz angerissen wird. Laut dem Autor ist das "Formular namens 'Scenarium' [.] in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts [.] zuallererst als ein Atavismus der bürokratischen Herkunft von Regie zu verstehen" (S. 18). Stattdessen fokussiert er erstens auf zwei historische Transformationsprozesse, die – zweitens – Auswirkungen auf außertheatrale Phänomene bzw. Praktiken haben: "Ansetzend an materialen und instrumentalen Schnittstellen zwischen Theater und Militär, zwischen Künsten und Wissenschaften und zwischen Philosophien und Politiken, geht es um die Rückgewinnung und sprachliche Sichtbarmachung einer untertheoretisierten (aber weit verbreiteten) epistemischen Praxis mit dem Namen 'Szenario'" (S. 27). So beschreibt der Autor zunächst den ersten Wandel des Szenario-Begriffs, der sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ereignete, indem sich der theaterorganisatorische Formularzettel zu einer militärischen Manöverplanungstaktik transformierte. Die zweite 'Verschiebung' des Begriffs ereignete sich nach Wolfsteiner nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Terminus Szenario von Drama, Theater und Film abgekoppelt "und vom künstlerischen Entwurfsdenken ausgehend für großangelegte Zukunftsmodelle umformatiert" (S. 54) wurde. Ferner ist das "Denken in Szenarien" jenes, das zugleich der Planung als auch der Imagination zugehörig ist. Demnach beschreibt es "ein praktisches Wissen, das immer erst dann wahrnehmbar gemacht wird, wenn vermittelnde Sichtbarkeitsmaschinen – Aufführungen, Filme oder elektronische Bildgewebe – es im Entwurf als mediatisierte Handlung zur Erscheinung bringen" (S. 25). Nach einem längeren Abschnitt zur Genese bzw. Genealogie des Begriff der Inszenierung (vgl. S. 45ff) kommt der Autor zu jenem historischen Punkt, ab dem eine "Ausweitung und Übertragung des Theatrum-Begriffs auf philosophische, künstlerische, naturwissenschaftliche und technische Diskursformationen ausgehend vom höfischen und theaterinternen Gebrauch" (S. 81) zu beobachten ist. Die Festlegung dieser Wegmarke im 17. Jahrhundert hätte es auch bei einer weiteren theaterwissenschaftlichen Analyse nahegelegt, einen dezidierten Blick auf die vielseitigen Vorstellungen und Konzepte des Theatrum-Mundi-Begriffs zu werfen – insbesondere da in diesem Zusammenhang womöglich neue oder weitere Erkenntnisse zu den sogenannten "Sichtbarkeitsmaschinen" hätten geliefert werden können. Stattdessen legt Wolfsteiner seinen weiteren Fokus auf die Frage: "Was passiert, wenn das, was gesehen wird, die visuelle Inszenierung einer Absenz, einer Abwesenheit ist?" (S. 93). Im nächsten Schritt werden anhand von Materialfilm I (1976; Regie: Birgit Hein/Wilhelm Hein) und Pi (1998; Regie: Darren Aronofsky) unter den Aspekten der Blindheit, Undurchsichtigkeit, Sichtbarkeit und Sichtbarmachung ein Denken in Szenarien "als eine Art innere mise en scène" (S. 93) thematisiert – es geht dem Autor in beiden Filmbeispielen somit um Fragen und Aspekte einer unabgeschlossenen Signifikation. Wolfsteiners darauffolgende Betrachtung des Szenario-Begriffswandels beginnt wie zuvor bei einem theaterhistorischen Phänomen, das er mit außertheatralen Phänomenen kombiniert. So nimmt er seinen Ausgangspunkt bei Jacob Levy Morenos Entwürfen zum Stegreiftheater, Psychodrama und zur Soziometrie und verknüpft diese mit der Szenariotechnik, "wie diese in der Frühphase des Kalten Krieges entsteht" (S. 111). Das von ihm untersuchte Beispiel ist die sogenannte RAND Corporation, ein Think Tank in den Vereinigten Staaten, der nach dem Zweiten Weltkrieg die amerikanischen Streitkräfte im Koreakrieg und Kalten Krieg mit ihren Szenariotechniken beriet. Den einzigen und markanten Unterschied zwischen Morenos Überlegungen sowie Übungen und den Rollenspiel-Szenarien der RAND Corporation sieht Wolfsteiner darin, dass "bei Moreno das Individuum im Zentrum steht (eine Rolle meist eine Person betrifft)", während bei der "Szenarioanalyse Kollektive im Mittelpunkt (eine Rolle bezieht sich in diesem Fall auf überindividuelle, kollektive Gebilde – z. B. Staaten)" (S. 119) stehen. Im drauffolgenden Abschnitt unter dem Kapitel "Paradigmen/Wechsel" übernimmt der Autor den in Szenarien inhärenten Grundgedanken "multiperspektivischer Zeitstrukturen" (S. 127) und nutzt diesen zur Analyse des Wandels vom semiotic zum performative turn, indem er eben die "zeitperspektivische Tendenzen von Theorien und deren Wechselbeziehung" (S. 129) in Verbindung mit künstlerischen Tätigkeiten setzt. Dieser wissenschaftstheoretische Abschnitt ist von einer vielseitigen Untersuchung des Performativen und der Phänomenologie geprägt. In diesem Kontext macht er u. a. die bemerkenswerte Beobachtung, dass das "Paradigma des Performativen dabei von einem Denken in Szenarien abhängig [ist, DK] und zwar insofern als hier geregelt wird, dass faktisch und wie stilistisch gehandelt wird" (S. 133). Somit sind nach dem Autor Szenarien in diesem Kontext "als eine Wissenskategorie ersichtlich, die Handlungen in Denkmuster vorstrukturiert und reguliert" (ebd.). Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang aufdrängt und noch weitere Analysen anschließen könnte, ist die Ausarbeitung des Verhältnisses von Szenarien bzw. dem Denken in Szenarien und der Konzeptkunst. In der zeitanalytischen Betrachtung kommt Wolfsteiner zu zwei Ergebnissen: Einerseits zum "kybernetischen Aspekt" von Szenarien, in dem weder lineare noch relative Prozesse vorausgesagt werden sollen – es geht stattdessen um die "Erforschung narrativer Verzweigungsmöglichkeiten an entscheidenden Knotenpunkten" (S. 148) –, andererseits zum "ludischen Aspekt", mit dem "nebeneinander stehende, nicht-hierarchische Möglichkeitsräume in diversen Iterationen und Variationen wiederholt werden" (ebd.). Diese weite Perspektivierung des Autors lädt dazu ein, dass hier weitere Betrachtungen, zum Beispiel zu dem von Michel Foucault geprägten Begriff der Biopolitik gemacht werden könnten. Die zwei abschließenden Abschnitte der Studie sind Untersuchungen, Analysen bzw. Interpretationen von künstlerischen Phänomenen. Zunächst widmet sich der Autor der Deutung von Joseph Beuys' Aktion Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt, die am 26. November 1965 in Düsseldorf stattfand (vgl. S. 151ff). Nach einer detaillierten Beschreibung der künstlerischen Aktion kommt Wolfsteiner zu einer Interpretation, die von der Figur des Golems der jüdischen Mystik über sakrale Ikonographien des 13. Jahrhunderts reicht und letztlich in einer kapitalistisch-ökonomischen Kritik mündet. Das letzte Analyse-Kapitel widmet sich Miniaturen aus dem 15. Jahrhundert bei Cusanus, aus dem 18. Jahrhundert bei Lichtenberg und dem 19. Jahrhundert bei Charles Babbage, um zu verdeutlichen, "wie weit der im letzten Kapitel entwickelte zeitperspektivische Handlungsbegriff, wie er im Rahmen der performative arts anzutreffen ist, geschichtlich zurückreicht" (S. 168). Dieser historische – metaphorisch gesprochen – 'wilde Ritt' zeugt zwar von einem sehr breit gestreuten Wissen des Autors, hinterlässt aber leider einen Beigeschmack der Pauschalität, was vielleicht letztlich am kumulativen Charakter der Arbeit liegen mag. Mit seinen Sichtbarkeitsmaschinen zeigt Wolfsteiner eindringlich und vielfältig, wie das "Denken in Szenarien" aussehen kann. Seine breit angelegte Studie stellt zweifelsohne einen beachtlichen Mehrwert für interdisziplinäre Forschungen dar – und zwar sowohl inhaltlich als auch methodologisch. Seine historischen Einschätzungen changieren jedoch leider zwischen zwei Extremen: zwischen bemerkenswerten Einschätzungen von größeren historischen Zusammenhängen, wie etwa der Einbettung des theaterorganisatorischen Szenarios in ein zunehmend industrialisiertes Gesellschaftsgefüge, und jenen Ausführungen, die aufgrund der Interpretierfreudigkeit des Autors über das Ziel hinausschießen – wenn z. B. Goethes Unterteilung seiner Schauspielregeln in Paragraphen den "Eindruck einer Spielanleitung" (S. 64) erwecken. Dies beschränkt sich jedoch nur auf vereinzelte Momente, die in Anbetracht der Fülle der sehr konzentriert bearbeiteten Materialien und Theorien einen marginalen Stellenwert erhalten. Andreas Wolfsteiners Zum Umgang mit Szenarien ist an manchen Stellen mehr als ein Sammelband zu betrachten, der den Lesenden jedoch in den einzelnen Abschnitten höchst fruchtbare Erkenntnisse und Einsichten liefern wird.
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