Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2013

Demokratie und Dissens: zur Kritik konsenstheoretischer Prämissen der deliberativen Demokratietheorie

In: Die Versprechen der Demokratie, S. 333-345

Abstract

"Im Folgenden wird es um eine kritische Befragung konsenstheoretischer Prämissen der deliberativen Demokratietheorie gehen, wie sie insbesondere in der Konzeption von Jürgen Habermas betont werden. Hierzu werden drei prominente Kritiken an den konsenstheoretischen Annahmen vorgestellt, die im Zuge der Exposition ihrer zentralen Einwände selbst einer kritischen Examination unterzogen werden. Dabei handelt es sich erstens um die agonistische Demokratietheorie, die Chantal Mouffe in verschiedenen Untersuchungen ausgearbeitet hat (exemplarisch Mouffe 2007, 2008) (2.a), zweitens um die Überlegungen zu einem demokratischen Streit im Namen der Anteillosen, die Jacques Rancière vor allem in seiner Studie Das Unvernehmen entwickelt hat (2002; s.a. Rancière 2004, 2005) (2.b) und drittens um Einwände, die James Tully in seiner Konfliktdimensionen und Offenheit betonenden Theorie dialogischer Demokratie formuliert hat (2.c). In allen drei Konzeptionen finden sich vehemente Kritiken an der konsenstheoretischen Ausrichtung deliberativer Annäherungen an die Demokratie, die sich in den verschiedenen Varianten vor allem auf zwei Einwände stützen, wobei diese, wie sich später noch zeigen wird, mit erheblichen Unterschieden ausgearbeitet werden: erstens darauf, dass Demokratie konstitutiv auf Konflikte angewiesen ist, die deliberative Verfahren, die auf Konsensannahmen aufruhen, auszublenden tendieren; und zweitens darauf, dass der behauptete Universalismus des deliberativen Prozesses des Gründe-Gebens und Gründe-Nehmens sich argumentativ nicht plausibilisieren lässt, da es sich um die Universalisierung hegemonialer Diskursmuster (Mouffe), um die illegitime Beendigung des grundlegenden Streits darüber, was überhaupt als Grund gelten kann (Rancière), bzw. um eine Schließung der für freiheitliches, demokratisches Selbstregieren unabdingbaren Offenheit und Befragbarkeit der institutionellen Rahmen und ihrer Begründungen (Tully) handelt. Trotz dieser zunächst ins Auge fallenden Übereinstimmung in der Anlage der Kritik an der deliberativen Demokratietheorie ergeben sich bei näherer Betrachtung erhebliche Unterschiede zwischen den Argumentationen von Mouffe, Rancière und Tully, die nicht folgenlos für die Triftigkeit der jeweiligen kritischen Perspektive und die Plausibilität des alternativ vertretenen Ansatzes sind. Bevor diese aber genauer in den Blick genommen werden, empfiehlt sich zunächst eine knapp gehaltene Vergegenwärtigung der Bedeutung und der Stellung der Konsens- und Universalismusannahmen innerhalb Habermas' Demokratietheorie (1)." (Textauszug)

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