Pazifismus im 21. Jahrhundert
In: Pazifismus: Ideengeschichte, Theorie und Praxis, S. 293-302
Abstract
Da der Pazifismus eine konsequente Ablehnung von Krieg impliziert, muss, wer über eine pazifistische Politik nachdenken will, zuerst eine Vorstellung über die möglichen Kriege der Zukunft haben. Mit dieser programmatischen Aussage beginnt der Beitrag zu den Bedingungen und Möglichkeiten einer pazifistischen Position im 21. Jahrhundert. Während es in der schwelenden Krisenstimmung vor hundert Jahren ein Leichtes war, sich die kommenden Kriege auszumalen, zeigt sich heute ein anderes Bild: im Jahr 2006 gibt es schlicht keinen europäischen Nationalstaat mehr, der sich einen Krieg rein monetär noch leisten könnte. Nur die USA sind noch in der Lage, ihr ius ad bellum einzulösen. Doch dadurch ist die Welt keineswegs sicherer und friedlicher geworden. Vielmehr haben sich die Krisenherde vom zwischenstaatlichen Konflikt hin zu unterschiedlichen Formen entstaatlichter, privatisierter und kommerzialisierter Gewalt verschoben. Gegen diese Gewalt helfen herkömmliche Formen von Krieg als Gegenschläge nicht. Im Gegenteil: Krieg zerstört den Staat und lässt entstaatliche Gewalt erst recht gedeihen. In dieser Situation plädiert der Autor für ein internationales Gewaltmonopol, das innerstaatliche Krisen in Form von privatisierter Gewalt eindämmen kann. Der Pazifismus kann in dieser Situation nicht länger Antimilitarismus sein, sondern er bedarf der Soldaten, die innere Sicherheit herstellen, damit Friedensarbeit geleistet werden kann. Der Gegensatz zum Frieden ist im 21. Jahrhundert nicht mehr Krieg, sondern Gewalt; und zur Überwindung der Gewalt bedarf es einer Arbeitsteilung zwischen internationalen militärischen Truppen, die Sicherheit herstellen, und FriedensaktivistInnen, die einem krisengeschüttelten Land zum demokratischen Rechtsstaat verhelfen. (ICG2)
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