Sammelwerksbeitrag(gedruckt)2004

Staatsformen im Mittelalter

In: Staatsformen: Modelle politischer Ordnung von der Antike bis zur Gegenwart, S. 91-122

Abstract

"Für staatliche Ordnung und politisches Handeln sind im Mittelalter keine allgemein gültigen Oberbegriffe entwickelt worden. Auch eine eigenständige, die Staatsformenlehre umfassende politische Theorie hat es bis ins späte Mittelalter hinein nicht gegeben. Stattdessen bestimmten, wie der Autor vor allem im Blick auf Deutschland, Italien und Frankreich detailliert zeigt, unterschiedliche Herrschaftsvorstellungen die zeitgenössische staatstheoretische Literatur und politische Diskussion: Gottesgnadentum und Widerstandsrecht, Zweigewaltenlehre und lehensrechtliche Ordnungsprinzipien. Im frühen Mittelalter wurde die Civitas-Dei-Lehre des Augustinus zur dominierenden herrschaftstheoretischen Grundlage. Sie setzte alle politische Ordnung unter einen metaphysischen Gerechtigkeitsvorbehalt und unter eine endzeitliche Perspektive. Im Zeitalter des Investiturstreits (spätes 11. Jahrhundert, frühes 12. Jahrhundert) standen die universalen Ansprüche von Kaisertum und Papsttum miteinander in Konflikt. In beiden Lagern kam es zur Ausbildung einer reichen politischen Publizistik. Vom 13. Jahrhundert an wurde dann, vor allem durch Thomas von Aquin, die Lehre von den Herrschaftsformen, ihrem historischen Wandel und ihren stabilitätsfördernden Mischformen entfaltet. Ein Staatsbegriff als Oberbegriff für umfassende politische Verbände fand sich noch nicht, ein Souveränitätsbegriff nur in Ansätzen, auch wenn die zeitgenössische Traktatenliteratur verschiedene Aspekte moderner Staatlichkeit unter Begriffen wie res publica, civitas, communitas, universitas, natio, terra, imperium und regnum behandelte. Erst bei Machiavelli tauchte die Bezeichnung 'stato' als abstrakter Begriff für politische Einheiten auf. Gegen die weithin dominierenden monarchischen Ordnungsvorstellungen richteten sich schon früh ständestaatliche Konzeptionen mit Anspruch auf verbriefte ständische Freiheitsrechte ('Magna carta libertatum' in England, 1215). In der Nachfolge solcher Bestrebungen entwickelten die Theoretiker des Konziliarismus (Nikolaus von Kues) im späteren Mittelalter Vorstellungen von Repräsentation und Konsens, die die Gesamtheit der Herrschaftsunterworfenen berücksichtigten. Aus dieser Zeit stammten bereits Modelle einer aus der Repräsentation der Bürger hervorgehenden autonomen politischen Ordnung. Modernen, absolutistischen Souveränitätstheorien hingegen näherten sich im 15. Jahrhundert jene, die zu Verteidigern einer höchsten weltlichen Gewalt (potestas absoluta) des Kaisers und seiner an positives Recht nicht gebundenen legislatorischen Stellung wurden." (Autorenreferat)

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