Krisen- und Kriegsberichterstatter zwischen Mythos und Arbeitsrealität: eine quantitative Kommunikatorstudie zu deutschsprachigen Auslandskorrespondenten in weltweiten Krisen- und Kriegsgebieten
In: Magisterarbeit
Abstract
Inhaltsangabe:Einleitung: 'Ein Schlachtfeld, das scheint für einige Reporter so etwas zu sein wie ein Abenteuerspielplatz, illuminiert von einem Feuerwerk, ein aufregendes Lichterspiel mit einer bombigen Geräuschkulisse. Das Bild vom Kriegsreporter, das in den Köpfen mancher meiner Kollegen irrlichtert, sieht ungefähr so aus: Lederjacke, düsterer Blick, der sagt: ,Ich habe schon so ziemlich alles gesehen', dazu noch ordentlicher Alkoholkonsum, Whiskey natürlich passend zu rauen Stimmen und den drei Scheidungen, die der ,verdammte Beruf' halt so mit sich gebracht hat. Andere verstehen das Wort vom Kriegsspiel allzu wörtlich. Sie meinen, ein Kurzeinsatz in Afghanistan könne sie von der angeblichen Langeweile der Regionalberichterstattung erlösen, wenn auch nur für drei Wochen. Schließlich gibt es noch jene Kollegen, die glauben, durch einen Einsatz als Kriegsreporter ihre Karriere beschleunigen zu können. Gerade die letzteren sind nicht wenige.' (Armbruster 2007; ARD-Kriegsreporter vor dem zweiten Irakkrieg in Bagdad). Mythische Vorstellungen über das Berufsbild des Krisen- bzw. Kriegsreporters gibt es nicht nur auf Seiten der Journalisten, sondern auch auf Seiten der Rezipienten medialer Informationen aus weltweiten Kriegsgebieten: Kriegsreporter gelten als ,coole' Helden in weißen Hemden, die im mutigen Alleingang an der Front leben und arbeiten - weit entfernt von der sicheren Heimat. Sie haben keine Angst und scheuen sich nicht, nur ,bewaffnet mit einem Presseausweis' im Schützengraben zu liegen, um unter Einsatz ihres eigenen Lebens ,live' für ,ihr' Publikum aus dem Ausland Bericht erstatten zu können. Für Kriegsreporter ist der Ausnahmezustand Normalzustand. Ihre Arbeit ist ein ständiger Adrenalin-Kick. Kehrt der Kriegsreporter in seine Heimatredaktion zurück, bringt der Auslandseinsatz unter Gefechtsbedingungen einen Karriere-Kick, heißt es. Im Extremfall stirbt der Kriegsreporter einen ,heroischen', weil unschuldigen und öffentlichen Tod, denn Kriege werden oftmals zu globalen Medienereignissen stilisiert. Vielleicht sind es gerade die außergewöhnlichen Arbeitsbedingungen im Krieg und Verantwortlichkeiten des Kriegsreporters, die die mythischen Elemente im Selbstbild dieser Profession begründen. Weil Krieg für Rezipienten aus Westeuropa häufig ein von der Heimat weit entferntes Spektakel ist, fungieren Kriegsberichterstatter als die einzigen Augenzeugen vor Ort mit öffentlichem Informationsauftrag. Sie tragen außerhalb des heimatlichen Einflussbereiches der Rezipienten dafür Sorge, dass das Publikum in der Heimat wie ,selbstverständlich' von den kriegerischen Auseinandersetzungen im Ausland erfährt. Als Spezialkorrespondenten im Ausland sind Kriegsreporter oft die Ersten, die am Ort einer Katastrophe eintreffen. Ihr Einsatz im Kriegsgebiet zählt zu den gefährlichsten und schwierigsten Auslandseinsätzen eines Journalisten. Momente und Bilder von Tod, Barbarei und Sinnlosigkeit gehören von Berufs wegen zu ihrem riskanten Arbeitsalltag. Sprachlosigkeit können sich Kriegsreporter angesichts der Omnipräsenz von Tod und Gewalt aber nicht leisten, denn ,Krieg' ist ein Wort, das die Agenda der Medien tagtäglich dominiert. Mit seiner Dominanz wächst die Nachfrage der Rezipienten nach vertrauenswürdigen Informationen aus dem Ausland, die durch eine Orientierung bietende Kriegsberichterstattung gestillt werden muss. Für viele Menschen beginnen Kriege zudem erst dort, wo die Medien auftreten. Eine professionelle und unabhängige Kriegsberichterstattung ist besonders wichtig, weil Kriegsberichterstattung nicht nur für die Strukturierung der Realität des Rezipienten und für seine Vorstellungen von der Welt von besonderer Relevanz ist, sondern auch dafür, wie die am Krieg beteiligten Länder, Völker und Politiker massenmedial wahrgenommen werden. Weil Kriegsparteien die Macht der Medien erkannt haben, wirkt diese Tatsache unmittelbar auf die Kriegsberichterstatter zurück. So reagieren die Kriegsparteien mit einem immer professioneller ausgestalteten Informationsmanagement und versuchen, die Nachfrage nach Informationen mit möglichst produktionsgerechtem Informationsmaterial oder durch mediengerechte Inszenierung von Ereignissen zu befriedigen. Zu den besonderen Herausforderungen eines Kriegsberichterstatters gehört es folglich, den Überblick in Zeiten der desorientierenden Informationsflut und der Instrumentalisierungs- und Abschirmungsversuche zu bewahren. Im Sinne des allgegenwärtigen journalistischen Objektivitäts-Primats müssen Journalisten auch unter verschärften Arbeitsbedingungen im Kriegsgebiet nach der ,Wahrheit' suchen. Gleichzeitig müssen die Kriegsreporter die Erwartungshaltungen der Redaktionen und des Publikums im Rahmen ihrer Berichterstattung erfüllen, die sich in Abhängigkeit von den Tendenzen und Trends in der Auslandsberichterstattung des 21. Jahrhunderts herauskristallisieren. Verstärkte Kommerzialisierungstendenzen und technologische Innovationen haben seither einen markanten Einfluss auf die Art der journalistischen Berichterstattung und erhöhen nicht nur den Selektions- und Aktualitätsdruck, sondern provozieren vor allem scharfe Kritik am Journalismus. Ereignisorientierung statt Hintergrundberichterstattung, Abhängigkeit vom militärischen Informationsmanagement, Spekulationen statt Fakten, überflüssige oder übertrieben-dramatische Berichterstattung lauten häufige Vorwürfe im speziellen Kontext der Kriegsberichterstattung (vgl. Löffelholz 2003, S. 11). In Anbetracht der verschärften Arbeitsbedingungen und Herausforderungen im fernen Ausland ist es nachvollziehbar, dass Kriegsreporter zu den prominentesten Journalisten zählen und diese ,Sonderform' der journalistischen Auslandsberichterstattung viele Klischees und Mythen hervorgebracht hat. Das mythische Bild vom Kriegsreporter ist auch im 21. Jahrhundert noch existent, weil der Forschungsstand speziell rund um die Person des Kriegsberichterstatters als rudimentär subsumiert werden kann. Nach Beham ist die Kriegsberichterstattung selbst in der Journalistenausbildung eine 'terra incognita' (Beham 1996, S. 234). Statt wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen zu den Rahmenbedingungen des journalistischen Kriegseinsatzes und den Urhebern der ausländischen Berichte existieren primär (kommerzielle) Berichte von einzelnen Kriegsreportern in Tagebuchform über ihre Arbeit im Kriegsgebiet. Es ist auffallend, dass sich zahlreiche Studien allgemein dem journalistischen Berufsstand an sich widmen, die wenigen Studien im speziellen Kontext der Kriegsberichterstattung den Journalisten selbst aber regelmäßig ausblenden. Die Mehrzahl dieser analytischen Studien beschäftigt sich nicht mit dem Kommunikatorverhalten, sondern mit dem Rezipientenverhalten (vgl. Bentele 1993, S. 121 f.). Hinzu kommt, dass die wenigen Kommunikatorstudien entweder den Auslandsberichterstatter allgemein fokussieren (siehe z. B. Hahn et al. 2008) und ihn nur an einzelnen Nachrichtenplätzen erforschen (siehe z. B. Mükke 2009) oder sich lediglich mit speziellen Kriegsreportern wie den ,Embedded Journalists' auseinandersetzen (siehe z. B. Kryszons 2007; Richter 1999). Zwar haben die Kriegserfahrungen der jüngsten Vergangenheit das Thema Kriegsberichterstattung mit neuer Dringlichkeit auf die wissenschaftliche Agenda gesetzt (vgl. Daniel 2006, S. 8), jedoch wirft sie aufgrund der oben beschriebenen Lücken in der Forschung (,gap of research') auch im Jahre 2010 noch eine Reihe von zu untersuchenden Fragen auf (vgl. Kleffel 1994, S. 76). Forschungsgegenstand dieser Arbeit sind daher die Protagonisten, die im Kern des Verhältnisses von Medien und Krieg an verschiedenen Kriegsschauplätzen weltweit stehen. Aus einer akteurszentrierten Perspektive sollen deutschsprachige Kriegsberichterstatter als Berufskommunikatoren näher beleuchtet werden, die vor Ort in weltweiten Kriegsgebieten arbeiten. Die vorliegende explorative Untersuchung ist als eine Fallstudie der Kommunikatorforschung zu verstehen. Forschungsziel ist, Erkenntnisse über deutschsprachige Kriegsberichterstatter und die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit vor Ort sowie vor und nach ihrem Kriegseinsatz zu gewinnen. Dazu sollen die theoretischen Behauptungen in der Literatur durch einen Vergleich der Aussagen von Praktikern in Bezug auf personenbezogene Dispositionen sowie Arbeitsweisen und Arbeitsumstände angereichert werden, um etwaige Tendenzen innerhalb eines weltweiten Kontextes aufzeigen zu können. Die zum Vergleich benötigten Daten werden mittels einer Befragung von deutschsprachigen Kriegsberichterstattern gesammelt, durch die der Zielgruppe die Gelegenheit gegeben wird, individuelle Meinungen bzw. Einstellungen zu äußern sowie Überzeugungen, Verhaltensweisen und personenbezogene Eigenschaften darzulegen. Die folgenden Forschungsfragen, die den Fokus insbesondere auf Selbstwahrnehmung, Meinungen und Verhaltensweisen der Kriegsreporter legen, spezifizieren das Forschungsziel und verdeutlichen, welche Aspekte in der vorliegenden Studie von zentralem Interesse sind: Personenbezogene Dispositionen: Wie sieht das Profil der befragten deutschsprachigen Kriegsberichterstatter aus? Welches Motiv bewegt den Journalisten, als Kriegsreporter vor Ort arbeiten zu wollen? Welches Rollenbild hat der Journalist in Bezug auf seine Aufgabe im Kriegsgebiet? Arbeitsumstände: Wie sind die infrastrukturellen und logistischen Arbeitsbedingungen vor Ort zu bewerten? Wie lässt sich das Verhältnis der Kriegsberichterstatter untereinander charakterisieren? Welche Rolle spielt die Heimatredaktion für den Kriegsreporter vor Ort? Wie lässt sich das kommunikative Verhältnis zwischen Heimatredaktion und Kriegsreporter vor Ort beschreiben? Hat die Heimatredaktion eine Ordnungsfunktion inne? Welche Vor- und Nachsorgemaßnahmen werden getroffen? Welche physischen und psycho-sozialen Gefahren birgt der Einsatz im Kriegsgebiet? Arbeitsweisen: Wie generieren die Journalisten ihr Fachwissen über das Einsatzgebiet? Aus welchen Quellen gewinnt der Reporter seine Informationen und wie überprüft er deren Vertrauenswürdigkeit? Wie häufig werden unverifizierte Informationen weitergeleitet? Welche Meinung vertritt der Reporter in Bezug auf kontrovers diskutierte visuelle und verbale Darstellungsoptionen in seinen Kriegsberichten? Zur Beantwortung der Forschungsfragen ist die Arbeit in fünf Kapitel gegliedert. Nach der Einleitung (I.) wird in Kapitel II. das theoretische Fundament zum Verständnis von Kriegsberichterstattung gelegt. Weil Kriegsberichterstattung zur Auslandsberichterstattung gehört, liefert Kapitel II.1. zunächst eine kurze Einführung in dieses Feld, damit in Kapitel II.2. die Kriegsberichterstattung als eine ,Sonderform' der Auslandsberichterstattung verortet und näher beleuchtet werden kann. Kapitel III. skizziert praktische Implikationen der Kriegsberichterstattung und bildet mit der Fokussierung der besonderen Modalitäten vor (III.1.), während (III.2.; III.3.; III.4.) und nach (III.5.) dem journalistischen Einsatz im Kriegsgebiet den Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit. In Kapitel IV. wird die empirische Untersuchung vorgestellt (IV.1.) und ein exklusives Meinungsbild von weltweit tätigen Kriegsreportern präsentiert und diskutiert (IV.2.), um die forschungsleitenden Fragestellungen in der Einleitung zu beantworten. Die Arbeit schließt mit einem Fazit (V.), in dem das Ziel der Arbeit rekapituliert und der Versuch unternommen wird, Empfehlungen für die künftige Praxis der Kriegsberichterstattung zu geben.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: AbbildungsverzeichnisVII AbkürzungsverzeichnisVIII AnhangsverzeichnisIX I.Einleitung1 II.Theoretische Grundlagen der Auslandskorrespondenz6 1.Auslandsberichterstattung6 1.1Einführung: Bedeutung der Auslandsberichterstattung6 1.2Tendenzen und Trends: Auslandsberichterstattung heute8 1.3Selbstdefinition: Rollenbilder von Auslandskorrespondenten11 2.Kriegsberichterstattung14 2.1Spezialkorrespondent: Der Kriegsberichterstatter14 2.2Beruf Kriegsreporter: Mythen und Motive16 2.3Dilemma: Wahrheit und Objektivität im Kriegsgebiet19 III.Praxis der Kriegsberichterstattung22 1.Vorbereitung: Verantwortlichkeiten und Sicherheit22 1.1Verantwortung: Einsatzorganisation und Vorsorgemaßnahmen22 1.2Formalien: Bürokratische Modalitäten25 1.3Sicherheit: Potenzielle Gefahren vor Ort26 2.Produktion: Freiheitsgrade und Einflussnahmen28 2.1Reisen und Unterkunft: Infrastruktur und Logistik28 2.2Recherche: Informationsquellen und -gruppen30 2.3Hürden der Pressefreiheit: Propaganda und Zensur32 2.4Kommunikation: Das Verhältnis der Reporter zur Redaktion35 2.5Arbeitsklima: Die Beziehung der Reporter untereinander36 3.Inhalte: Auswahl und Thematisierung39 3.1Kriegsberichte: Einflussfaktoren auf Inhalte39 3.2Angstpotenzierung: Das Dilemma der Terrorberichterstattung41 4.Darstellung: Visualisierung und Verbalisierung44 4.1Selbstzensur: Ethische Fragen der Bilddarstellung44 4.2Sprache: Problematik der Polarisierung und Dämonisierung46 5.Nachbereitung: Verdrängung und Verarbeitung50 5.1Trauma: Psycho-soziale Risiken des Berufes50 5.2Betreuung: Fürsorgepflicht der Redaktion53 IV.Befragung deutschsprachiger Kriegsreporter weltweit55 1.Methodik: Das Untersuchungsdesign55 1.1Untersuchungsinstrument: Die Befragung55 1.2Operationalisierung: Konzeption des Fragebogens59 1.3Zielgruppe: Bildung der Stichprobe63 1.4Feld-Phase: Durchführung der Befragung65 1.5Analyse: Auswertung der empirischen Daten66 2.Untersuchungsergebnisse: Präsentation und Diskussion67 2.1Profil deutschsprachiger Kriegsberichterstatter67 2.1.1Soziodemographische Angaben und Berufserfahrung67 2.1.2Motive für den Beruf des Kriegsreporters71 2.1.3Rollenverständnisse der Reporter vor Ort75 2.2Vorbereitung79 2.2.1Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen79 2.2.2Wissensaneignung über das Einsatzgebiet82 2.3Produktion84 2.3.1Aufenthaltsdauer der Reporter vor Ort84 2.3.2Infrastrukturelle und logistische Arbeitsumstände85 2.3.3Informationsquellen und Informationsüberprüfung86 2.3.4Arbeitsklima der Reporter vor Ort92 2.3.5Rolle der Heimatredaktion im Kriegszustand95 2.3.6Kommunikation zwischen Heimatredaktion und Reporter97 2.4Inhalte und Darstellung98 2.4.1Individuelle inhaltliche Kriterien der Reporter98 2.4.2Kriegsreporter als Multiplikatoren des Terrors102 2.4.3Selbstzensur des Reporters zum Schutz der Rezipienten104 2.5Nachbereitung107 2.5.1Durchlebte Gefahrensituationen der Reporter107 2.5.2Psycho-soziale Einsatz-Folgen und Unterstützung109 2.6Zusammenfassende Betrachtung113 V.Fazit Kriegsreporter zwischen Mythos und Arbeitsrealität118 Literaturverzeichnis123 Anhang143Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.2, Beruf Kriegsreporter: Mythen und Motive: Im Kontext des übermittelten Mythos ziehen es Kriegsberichterstatter vor, sich als Einzelkämpfer zu präsentieren, die zu Helden werden können, indem sie den Tod eines unschuldigen Kriegsberichterstatters sterben oder entsprechende heroische Taten vollbringen. Befördert wurde die mythische Betrachtungsweise der Person des Kriegsreporters dadurch, dass er zu damaliger Zeit traditionsgemäß aus der Oberschicht oder den oberen Mittelschichten stammte und damit auch oftmals aus der gleichen sozialen Schicht wie die angesehenen Offiziere der damaligen Truppen, die ihn begleiteten. Überlappende Bekanntschaftskreise und geteilte Männlichkeitsvorstellungen sowie Ehrenkodizes verfestigten das Verhältnis zwischen den militärischen Befehlshabern und den Kriegsberichterstattern zusätzlich. Kriegsberichterstatter waren 'Gentlemen unter Gentlemen' (Daniel 2006, S. 13), die den Kontakt mit einfachen Soldaten mieden und privilegiert mit Diener, Pferd und Wagen reisten. Erst um 1900 sei diese elitäre Gruppe der Kriegsberichterstatter mit einem weniger elitären Typus konfrontiert worden, der später als ,freelancer' bezeichnet wurde. Sein vorrangiges Ziel ist es gewesen, durch seine Berichte vom Schlachtfeld Karriere zu machen (Vgl. ebda.): 'Sie brachten einen neuen, von der Generation der Älteren und Erfahrenen nicht goutierten Stil in die Korrespondentenschar, da sie sich ihren Namen erst noch machen mussten und deswegen die einvernehmlichen Umgangsweisen zwischen Korrespondenten und Militärs durch Umgehen von Zensurvorschriften und ähnliches störten.' (Daniel 2006, S.13). Zwar habe sich im Verlaufe des 20. Jahrhunderts die soziale Einzugsbasis beider Berufsgruppen erweitert, durch die sich der 'soziale Konnex zwischen Offizierskorps und Journalisten' (ebda.) auflöste, dennoch ist der Mythos Kriegsreporter auch heute noch beständig. Nach Klein und Steinsieck sind die um das Berufsbild kursierenden Mythen insbesondere im Zusammenhang mit dem damals gängigen Bild des 'archetypischen' (Klein/Steinsieck 2006, S. 9) Kriegsberichterstatters, welches sich auf einer fortwährend suggerierten Kompetenz und Glaubwürdigkeit gründen würde, auch heute nicht überholt. Klein und Steinsieck sind überzeugt, dass Kriegsberichterstatter auch im 21. Jahrhundert noch bemüht sind, Vertrauen aufzubauen, indem sie ein spezifisches Bild von ihrer Persönlichkeit und ihrem Beruf zu vermitteln versuchen. In autobiographischen Diskursen würden Kriegsreporter deshalb vorzugsweise ihre unmittelbare Augenzeugenschaft vor Ort betonen, mit dem Ziel, ihre Glaubwürdigkeit auf diese Weise nachhaltig unterstreichen zu können. In diesem Zusammenhang würden Kriegsreporter mit Vorliebe nicht über ihren Alltag, der meist eher langweilig sei, sondern vor allem von außergewöhnlichen Momenten erzählen, in denen sie als Kriegsreporter selbst im Mittelpunkt explosiver Gewalt stünden. (Vgl. ebda.) Kriegsreporter Pedelty argumentiert in ähnlicher Weise die mythischen Elemente im Selbstbild seiner Profession: 'The mythological core of press corps culture contains a shared narrative of adventure, independence, and truth that imbues the correspondents` heavily controlled practice with sense of magic and purpose. The myths become anodynes, narcotic fantasies (and ?phalluses?) which assuage the pangs of mundane, difficult, and disciplined labor.' (Pedelty 1995, S. 39). Spekuliert werden kann, ob mit dieser bewussten Betonung der persönlichen Augenzeugenschaft ein Grund für den klischeegeprägten Mythos des beinahe unverwundbaren und coolen Berichterstatters gegeben ist (vgl. Hoff 2008), 'der notfalls abends an der Bar die gruseligen Bilder des Tages herunterspült' (Staun 2010; vgl. auch Hoff 2008). Darüber hinaus hat aber auch die Frage nach Beweggründen für die persönliche Grundsatzentscheidung des Journalisten aus einem Kriegsgebiet zu reportieren und damit das eigene Leben bei der Berufsausübung zu riskieren, schon viele Spekulationen befördert: Ist es 'Sensationsgier, Effekthascherei, um durch Heldentum seiner Karriere einen Schub zu verpassen?' (Armbruster 2008, S. 55) Doch neben den eigentlichen Motiven sind auch die Charakterzüge eines Kriegsreporters wichtig. Brase (2008, S. 42), selbst Kriegsreporter im damaligen Kosovo-Krieg, mahnt eindringlich: 'Der Einsatz in einem Krisengebiet ist nichts für Zartbesaitete, genauso wenig wie der journalistische Einsatz etwas für Draufgänger und Abenteurer ist'. Eine ähnliche Ansicht vertritt Limbourg (2008, S. 171 f.), der als verantwortlicher Chefredakteur auch für die Auswahl von Kriegsreportern zuständig ist: 'Bei Kriseneinsätzen gilt: viele Kollegen fühlen sich berufen – wenige sind ausersehen. Natürlich wissen Reporter, dass bei einem gelungenem Einsatz Ruhm und Ehre warten. Die Aufmerksamkeit von Redaktion und Chefs ist sicher. Tägliche Präsenz in den Hauptnachrichten ist gewiss. Man kann es sogar selbst zum Medienereignis bringen [...] Aber im Vordergrund müssen immer der Journalismus und die Geschichte stehen. Lawrence of Arabia-Darsteller und Bruce Willis-Imitate sollen schön zu Hause bleiben. An der Front braucht es den besonnenen Kollegen'. Verantwortliche Entscheidungen bei der Rekrutierung von Kriegsreportern sind folglich auch auf Redaktionsseite notwendig, die feststellen sollte, ob die Charakterzüge und Motive eines Journalisten nicht im Widerspruch zum eigentlichen öffentlichen Informationsauftrag stehen. Allerdings werfen manche selbstkommunizierten Motive von Kriegsreportern Fragen in Bezug auf die Eignung des Journalisten für die Besetzung des Auslandpostens auf. Wenig kritisch reflektiert erscheint beispielsweise das Motiv von Kriegsreporter Judah, der offen zugibt, primär den Wunsch nach einem Ausbruch aus der alltäglichen Arbeitsroutine der Heimatredaktion verspürt zu haben und im Rahmen eines 'Spaßfaktors' auch persönlich dabei sein wollte, wenn Geschichte geschrieben wird: 'I became a journalist because I wanted to see history being made, and I certainly didn`t want to while away my working years behind a flickering screen in an office while everyone else had fun.' (Judah 2002, S. 39) Ebenso offenbart der junge Kriegsreporter Reichelt, was für ihn den 'wirklichen' Reiz an seinem Job ausmacht: 'Ich wollte schon immer da sein, wo Menschen Leid ertragen müssen. Warum? Die gute Antwort lautet: Um darüber zu berichten, etwas zu ändern, zu bewegen, einen Unterschied zu machen. Die nicht so gute Antwort ist, dass ich dachte, es wäre irgendwie cool. Cool, an Orten zu sein, an die sonst kein Mensch fahren würde. Man will wissen, wie viel Leid man ertragen kann. Es ist, als würde man die Hand über eine Flamme halten.' (Reichelt 2009, S. 49). Herkel (2000) sieht hinter dieser besonderen und riskanten Berufswahl den Wunsch mancher (junger) Journalisten, sich in der Redaktion etablieren zu wollen, indem ein spannender Kriegsbericht den lang ersehnten Karrieresprung einleiten und so der Redaktion zur erhofften Einschalt- und Leserquote verhelfen würde. Eine gute Quote aufgrund eines sensationellen Fotos oder ein Berichtes kann folglich auch unter Umständen bereits ,über Nacht' zum schnellen, persönlichen Profit des Kriegsreporters führen. Himmelstein und Faithorn (2002, S. 553) konstatieren, dass sich besonders am frühen Anfang des 21. Jahrhunderts viele junge Journalisten für den Job des Kriegsreporters beworben hätten: 'The wars in Afghanistan in 2001 and Israel/Palestine in 2002 produced a waiting list of young general assignment reporters who felt they could advance their careers by covering war'. Klein und Steinsieck kommen in ihrer Studie aus dem Jahr 2006 zu dem Schluss, dass die Motivation der Kriegsberichterstatter am Anfang und Ende des 20. Jahrhunderts Kontinuitäten aufweise. Motive der Kriegsreporter sind demnach 'in wesentlichen Punkten unverändert geblieben: Abenteuerlust, der Wunsch nach Anerkennung und die Hoffnung, Karriere zu machen.' (Klein/Steinsieck 2006, S. 4) Nach Auffassung von Himmelstein und Faithorn basieren die Motive für den Kriegseinsatz allerdings bei berufserfahrenen Reportern auf einem weitgefächerten Set von Beweggründen. Diese reichen von altruistischen bzw. empathischen Motiven für (unter anderem) das menschliche Leid im Kriegsgebiet bis hin zu Neugierde und dem Wunsch nach Lernen bzw. Wissenserweiterung in Zusammenhang mit kulturellen und geschichtlichen Ereignissen: 'Many top reporters share a conviction that their work has purpose, specifically that they can help their audience gain greater insight into the larger social meaning of the events they report. Their concern with the human condition and desire to contribute to its improvement whenever possible inevitably involve an underlying altruistic motive based in empathy for human suffering, ignorance and confusion. Other reporters have a more self-enhancing sense of purpose - for example, an intense curiosity and desire to learn about cultures and history - and consider the benefit their audiences may derive from their reporting to be a positive by-product of their primary motivation.' (Himmelstein/Faithorn 2002, S. 54).
Verfügbarkeit
Problem melden