Arbeitskämpfe in Deutschland: Streiks und Aussperrungen 1871 bis 1997
Abstract
Die vorliegende Datensammlung dokumentiert die Entwicklung des Arbeitskampfes in den wichtigsten allgemeinen Daten zu Streiks und Aussperrungen seit Mitte des 19. Jahrhunderts aus wissenschaftlichen Publikationen, der Streikstatistik der Freien Gewerkschaften und der amtlichen Statistik in Form von tabellarischen Übersichten.
Unter "Arbeitskampf" wird allgemein diejenige Gruppe von sozialen Konflikten verstanden, die aus den Rechts- und Sozialformen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse herzuleiten ist und die Erhaltung oder Verbesserung der Arbeits- und Daseinsverhältnisse erstrebt. Arbeitskämpfe als spezifische Form sozialer Konflikte werden von den Arbeitnehmern eingesetzt als Mittel zur Durchsetzung höherer Löhne, kürzerer Arbeitszeiten, größere Sicherheit der Arbeitsplätze, zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und anderes mehr. Streik und Aussperrung zählen zu den wichtigsten Formen des Arbeitskampfes. Der Streik ist die befristete kollektive Arbeitsniederlegung von Lohn- und Gehaltsabhängigen zur Durchsetzung geforderter Arbeits- und Einkommensverhältnisse. Als Aussperrung bezeichnet man die vorübergehende Freistellung von Arbeitnehmern von der Arbeitspflicht durch einen Arbeitgeber in einem Arbeitskampf ohne Fortzahlung des Arbeitslohnes. Sie ist somit typischerweise die Antwort der Arbeitgeberseite auf einen Streik. Beide Kampfformen haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten: Korrespondenz der gegeneinander gerichteten Interessen und Ziele, die vergleichbare Auswirkung der Mittel, die beide zu befristeten Produktionsunterbrechungen führen sowie die im konkreten Fall häufig enge, z. T. nur willkürlich zu trennende Verknüpfung von Streik und Aussperrung. Das Ausmaß und die Formen von Streiks sind sehr stark geprägt durch die Organisationsform der Streikenden, durch die Streikursache, den Streikgegenstand sowie der Streikziele. Formkategorien des Arbeitskampfes sind Dauer (z.B. als "Zahl der verlorenen Arbeitstage", als Summe der entfallenen Arbeitstage), Beteiligung (Zahl der pro Streik und Aussperrung durchschnittlich Betroffenen), Intensität (durchschnittliche Ausfalltage pro Streik und Aussperrung; Quotient aus Summe der Ausfalltage und Gesamtzahl der Arbeitskämpfe) und Häufigkeit der Arbeitskämpfe (gemessen durch drei Indikatoren: Zahl der Fälle bzw. der betroffenen Betriebe, der Beteiligten und der Ausfalltage jeweils in der Zeiteinheit).
Das Bedürfnis nach einer möglichst umfassenden Kenntnis der Arbeitskämpfe stand schon hinter den ersten systematischen Streikstatistiken von Gewerkschaften (um sie effektiver führen zu können) und dem Staat (um sie effektiver kontrollieren zu können), die im letzten Jahrzehnt des 19, Jahrhunderts einsetzten, das quantitative Material zur Geschichte der Arbeitskämpfe reicht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Alle Streikdaten für die ersten Jahrzehnte sind dass Ergebnis nachträglicher Fallsammlungen. Sie bleiben unvermeidbar mit einer Reihe von systematischen Fehlern behaftet. So erfassen sie nur einen Teil der Arbeitskämpfe, verfügen (a) über nur wenige Kategorien, die (b) in aller Regel lückenhaft besetzt sind. Sie erfassen (v) nur einen Teil der Arbeitskämpfe in einer (d) durch die Überlieferung strukturierten und damit wenig repräsentativen Auswahl. Hauptquelle ist die zeitgenössische Publizistik, die größere Streiks und Aussperrungen mit öffentlicher Resonanz häufiger bemerkt haben wird als kleine und entlegene Konflikte. Die fortlaufende, systematische Erfassung des Arbeitskampfes nach vorgegebenen Kategorien beginnt 1890 mit der Streikstatistik der Generalkommission der Freie Gewerkschaften. Da sie nur über Bewegungen berichtet, an denen Gewerkschaftsmitglieder beteiligt waren, spiegelt diese Statistik nicht nur die Entwicklung der Arbeitskämpfe, sondern auch den Einfluss und die wechselnde Stärke der Organisation wider. Die amtliche Streikstatistik beginnt 1899. Während die Generalkommission der freien Gewerkschaften nur die Streiks zählte, an denen Mitglieder ihrer eigenen Fachverbände beteiligt waren, zählte die amtliche Streikstatistik grundsätzlich alle Streiks. Die amtliche Statistik erfuhr vor allem deshalb heftige Kritik, weil sie auf den Meldungen der Ortspolizeibehörden aufbaute, die sich ihrerseits auf die Mitteilungen der Unternehmerschaft stützten.
Die Reform der Arbeitskampfstatistik 1923 brachte bei den Erhebungsmethoden einige Verbesserungen. Als Folge des Gesetzes über die Arbeitsnachweise kommt es zur Reorganisation. An die Stelle der Polizeibehörden treten seit 1923 die Arbeitsnachweisämter als Träger der Erhebungen. Arbeitgeber und Gewerkschaften waren nun diejenigen, die die Basisdaten der Arbeitskampfstatistik ermittelten und an die Behörden weiterleiteten. Die Weimarer Republik dokumentierte die Zahlen über Aussperrungen und Streiks sehr präzise; die Fehlerquoten bewegten sich in den Spannbreiten akzeptabler Größen. Die Reichsstatistik der Arbeitskämpfe endet im Frühjahr 1933. "Seit April haben Arbeitskämpfe nicht mehr stattgefunden", schließt der letzte Bericht, der noch einmal die Hauptergebnisse von 1899 – 1933 zusammenstellt.
Die Arbeitskampfstatistik für die Bundesrepublik Deutschland beginnt 1949. Alle amtlichen Angaben über Arbeitskämpfe enthalten nur Streiks und Aussperrungen, an denen mindestens 10 Arbeitnehmer beteiligt waren, die mindestens einen Tag dauerten oder insgesamt einen Verlust von mehr als 100 Arbeitstagen verursacht haben. Arbeitsämter und Statistisches Bundesamt erheben die Konfliktdaten nicht selbst; sie registrieren und bearbeiten nur die Arbeitskämpfe, die ihnen zur Meldung verpflichteten Unternehmen und die dazu berechtigten Gewerkschaften anzeigen.
Datentabellen im Recherche- und Downloadsystem HISTAT (Thema: Erwerbstätigkeit):
A. Arbeitskämpfe in Deutschland, 1848 bis 1890
A.01 Arbeitskämpfe in Deutschland 1948, 1869, 1871-1882, 1884-1890 (1848-1890)
A.02 An den Streiks oder Aussperrungen beteiligte Arbeitnehmer, Summe der Streiktage, Streikergebnisse (1871-1875)
A.03 Produktionssektorale Verteilung der Streiks, Gewerbezweige mit den meisten Streiks (1871-1875)
A.04 Regionale Verteilung der Streiks nach Staaten und Provinzen (1871-1875)
A.05 Städte mit mehr als 15 Arbeitskämpfen in den Jahren 1871 bis 1875 (1871-1875)
A.06 Streikbeteiligung in Maximalziffern (1871-1875)
B. Streiks und Aussperrungen, 1890 bis 1933
B.01 Streiks, Aussperrungen und "kampflose Bewegungen", nach der Statistik der Freien Gewerkschaften, 1890 bis 1913)
B.02 Streiks und Aussperrungen insgesamt, nach der amtlichen Streikstatistik (1913-1932)
B.03a Wirtschaftliche Streiks, nach der amtlichen Streikstatistik (1899-1932)
B.03b Wirtschaftliche Aussperrungen, nach der amtlichen Streikstatistik (1899-1932)
B.03c Politische Streiks, nach der amtlichen Streikstatistik (1918-1923)
B.04 Streiks in ausgewählten Branchen (amtl. Statistik): Beteiligte Arbeitnehmer (1913-1932)
B.05 Streiks nach der amtlichen Streikstatistik (nach Stat. Bundesamt 1972) (1899-1971)
B.06 Aussperrungen in Deutschland (1900-1976)
C. Formwandel von Streik und Aussperrung in Deutschland, 1864-1975
C.01 Durchschnittliche Beteiligung, Dauer, verlorene Arbeitstage, Intensität von Streiks und Aussperrungen (1848-1975)
C.02 Häufigkeit der Arbeitskämpfe im produzierenden Gewerbe (1899-1975)
C.03 Durchschnittliche Betriebsgröße bestreikter Betriebe und im produzierenden Gewerbe, gewerkschaftlicher Organisationsgrad (1890-1975)
C.04 Organisationsgrad Streikender und Ausgesperrter (1900-1917)
C.05 Kampfparität: Formkategorien von Streiks und Aussperrung (1899-1975)
D. Streiks und Aussperrungen in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949
D.01 Übersicht zu Streiks und Aussperrungen: Beteiligte Arbeitnehmer, ausgefallene Arbeitstage, nach der amtlichen Statistik (1951-2005)
D.02 Übersicht: Streiks und Aussperrungen, Vergleich der amtlichen Statistik mit berichtigten Arbeitskampfzahlen (1949-1980)
E. Arbeitskämpfe nach Wirtschaftszweigen, amtliche Statistik 1950 bis 1997
E.01 Betroffene bzw. beteiligte Betriebe nach Wirtschaftszweigen (1950-1997)
E.02 Durchschnittlich beteiligte bzw. betroffene Arbeitnehmer nach Wirtschaftszweigen (1950-1997)
E.03 Verlorene Arbeitstage nach Wirtschaftszweigen (1950-1997)
Problem melden